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Öffentliche Aufgabe "Berufsbildung" - Zur Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzes vor 40 Jahren

Prof. Dr. Volkmar Herkner, Berufsbildungsinstitut Arbeit und Technik (biat) der Universität Flensburg

Vor 40 Jahren, am 1. September 1969, trat das Berufsbildungsgesetz in Kraft, das die gesetzliche Grundlage für das heutige Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) schuf. Zuvor hatte es jahrelange Auseinandersetzungen um eine gesetzliche Regelung der beruflichen Bildung gegeben. Das inzwischen allenthalben akzeptierte Gesetz stellte damals kaum jemanden zufrieden. In dem vorliegenden Beitrag werden die Ideen und Interessen rekonstruiert, die für die gesetzliche Regelung von 1969 maßgeblich waren.

Ein Gesetz wird 40

Das Berufsbildungsgesetz (BBiG) ist den mit beruflicher Bildung Befassten im Jahre 2009 so geläufig, dass nach seinem Zustandekommen kaum mehr gefragt wird. Aber gerade dies ist bemerkenswert, galt das BBiG doch zunächst als alles andere denn als "großer Wurf".

Welche Impulse waren damals wirksam, die zu einem Gesetzeswerk geführt haben, das in großen Teilen noch heute Bestand hat und - mehr noch - nach allen seinen Ergänzungen und Novellierungen unangefochtener gilt als vor vierzig Jahren? Der Rückgang auf die Ursprünge des BBiG hebt ins Bewusstsein, was wir gegenwärtig als Selbstverständlichkeit praktizieren. Heute berufen sich nahezu alle Akteure der Berufsbildungslandschaft fast uneingeschränkt auf das BBiG, und das Bundesinstitut für Berufsbildung arbeitet auf seiner Grundlage.

Den Wert des Gesetzes mag in jetziger Zeit niemand mehr in Frage stellen, und einstige Gegner einer gesetzlichen Regelung berufen sich ebenso darauf wie jene, für die damals das Gesetz nicht weit genug ging. Inzwischen ist man sich gerade auch in der Wissenschaft darüber einig, dass die Verabschiedung des BBiG und damit das Jahr 1969 eine deutliche Zäsur der deutschen Berufsbildungsgeschichte und vielleicht sogar der wichtigste Einschnitt in deren Historie darstellt (vgl. z. B. Greinert 2000, S. 45 f.).

Seit 40 Jahren gibt es nun das Gesetz - eine respektable Zeitspanne, wie es scheint. Aber damit ist die Dauer der Rechtskraft immer noch deutlich kürzer als die Zeit, in der um ein solches Gesetz gerungen wurde. Bereits 1919 wurden von gewerkschaftlicher Seite Forderungen nach einem Gesetz zur Lehrlingsausbildung erhoben. Erst 50 Jahre später wurde es Realität. Dazwischen lagen Vorstöße in der Weimarer Republik Ende der 1920er und zu Beginn der 1930er-Jahre, etwa als der im Berliner Handelsministerium zuständige Ministerialrat Ernst Schindler 1927 einen Referentenentwurf für den Reichstag vorlegte. Ab 1935 hatten sich die Nationalsozialisten die Verabschiedung eines solchen Gesetzes auf die Fahnen geschrieben, und 1942 legte die damit beauftragte "Akademie für deutsches Recht" einen Gesetzentwurf vor. 01

Wenn erst mehr als 20 Jahre nach dem Kriegsende 1969 mit dem BBiG eine einheitliche gesetzliche Grundlage für die Berufsbildung geschaffen wurde, so heißt dies nicht, dass es davor keine einschlägigen Regelungen gegeben hätte. Die Handwerksordnung, die 1965 einer umfangreichen Novellierung unterzogen worden war, gab bereits weitreichende Regelungen vor. Daher bildete in der Debatte der 1960er-Jahre der Hinweis auf die Besonderheiten der einzelnen Wirtschaftsbereiche ein gewichtiges Argument gegen eine umfassende Gesetzesregelung. Was für das Handwerk gut ist, so eine weitläufige Meinung, sei nicht zwangsläufig auf andere Gebiete übertragbar. Die Wirtschaft sei für eine einheitliche Ausbildung zu heterogen. Schließlich hatte die Wirtschaft jahrhundertelang - in diesem Zusammenhang sei z. B. an die mittelalterlichen Zunftordnungen erinnert - die Rekrutierung ihres Nachwuchses selbst in die Hand genommen. Der Staat habe sich aus der Berufsausbildung herauszuhalten.

Gesellschaftliche Entwicklungen in den 1960er-Jahren

Ende und Krise der Nachkriegsära

Zu Beginn der 1960er-Jahre treten erstmals Krisenerscheinungen in der noch jungen Bundesrepublik auf. So geht nach dem Wirtschaftswunder der 50er-Jahre ab 1959 das Wachstum zurück. 1966/67 kommt es zur Rezession. Politisch sind die 60er Jahre geprägt von den Rücktritten des Bundeskanzlers Konrad Adenauer im Jahre 1963 - das Ende der unmittelbaren Nachkriegsära - und des ihm folgenden Bundeskanzlers Ludwig Ehrhardt (beide CDU) im Jahre 1966, der ehemals noch als "Vater des deutschen Wirtschaftswunders" gefeiert worden war. Außenpolitisch prägt der Kalte Krieg diese Zeit. Berlin- und Kuba-Krise lassen Ende der 50er- und zu Beginn der 60er-Jahre das Gespenst eines "Dritten Weltkrieges" wach werden. Dieses Bewusstsein verstärkt sich im Westen mit den Erfolgen der UdSSR (Ende 1957 bzw. April 1961) im Wettrennen um die "Eroberung des Weltalls" und findet mit dem "Sputnik-Schock" seinen Höhepunkt. Auch die "Spiegel-Affäre" von 1962 - die Zeitschrift hatte den Zustand der Bundeswehr als (nur) "bedingt abwehrbereit" beschrieben - beeinträchtigt das Sicherheitsgefühl vieler Bundesbürger und trägt zur innenpolitischen Verunsicherung bei.

Der Bau der "Berliner Mauer" am 13. August 1961 macht den Deutschen die Teilung ihres Landes mehr denn je bewusst. Die Maßnahme der DDR-Regierung trägt im Westen durch den Zuwanderungsstopp gut ausgebildeter Fachkräfte zu einer Verschärfung des Mangels an Arbeitskräften bei, sodass seit Ende der 50er-Jahre zunehmend Zuwanderer aus dem Süden Europas angeworben werden.

Der Zusammenhalt in der Gesellschaft wird zudem durch restaurative Tendenzen auf eine harte Probe gestellt. Es wird mehr und mehr publik, dass zum Teil (gewandelte) Alt-Nazis führende Positionen in der noch jungen Bundesrepublik einnehmen und z. B. als Richter, Hochschullehrer oder Lehrer und sogar in hohen politischen Ämtern tätig sind. Vor allem die Jugend begehrt dagegen auf und befragt kritisch die Rolle der eigenen Väter im Nationalsozialismus. Vertreter der älteren Generation halten oftmals dagegen, man solle "die Vergangenheit endlich ruhen lassen" und es sei "im ,Dritten Reich' nicht alles schlecht gewesen". Die Auschwitz-Prozesse (1963-1966) und die vielfach sehr scharfe Kritik an den als zu milde empfundenen Urteilssprüchen beherrschen die öffentliche Diskussion.

Bildungs- und berufsbildungspolitische Rahmenbedingungen in den 1960er-Jahren

Neben den genannten Tendenzen sind die 60er-Jahre durch eine breite Debatte auch über das Bildungswesen geprägt. Gemeinhin gilt das 1964 erschienene Buch "Die deutsche Bildungskatastrophe" von Georg Picht als ihr Auslöser. Für viele ist schon der "Sputnik-Schock" das Zeichen eines eklatanten eigenen Versagens im Bildungsbereich. Die Erfolge der UdSSR legen die Bildungsdefizite in den westlichen Ländern vor allem in den Bereichen von Naturwissenschaft, Mathematik und Technik schonungslos bloß, so meinen viele. Mit der Veröffentlichung von Picht wird das gesamte Bildungssystem in Frage gestellt. Hauptkritikpunkte sind die vergleichsweise geringe Anzahl Hochgebildeter sowie die extreme Chancenungleichheit. "Bildungsferne" Schichten haben einen enorm erschwerten Zugang zu höherer Bildung.

Im Zuge dieser Entwicklungen greifen in der zweiten Hälfte der 60er-Jahre Studentenunruhen um sich. Erinnert sei in dem Zusammenhang an den Tod von Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 und das Attentat auf den Studentenführer Rudi Dutschke am 11. April 1968. Die in Deutschland vor allem von der FU Berlin und der Frankfurter Universität ausgehende Studentenbewegung von 1967/68 hat vielfältige Ursachen und Erscheinungsformen. Proteste richten sich gegen unzureichende Studienbedingungen und gegen Chancenungleichheit im Bildungszugang, aber auch gegen Konservatismus in zahlreichen anderen gesellschaftlichen Bereichen. Der Slogan "Unter den Talaren der Muff von 1000 Jahren" steht für die gegen eine Restauration gerichteten Erneuerungsbestrebungen. Es gibt eine große Protestbewegung gegen die im Mai 1968 vom Bundestag verabschiedeten Notstandsgesetze und außenpolitisch gegen den Vietnam-Krieg der USA. Im Gefolge der Studentenbewegung bildet sich die "Außerparlamentarische Opposition" (APO). Allerdings setzt mit den Brandanschlägen gegen Kaufhäuser in Frankfurt a. M. und der Besetzung des Springer-Hauses in Berlin (West) im April 1968 eine gefährliche Radikalisierung der Bewegung ein, ein kleiner Teil der Protestierenden gleitet später in den Terrorismus ab (RAF).

Der Studentenbewegung gelingt es aber nicht, den Schulterschluss mit Arbeitern und breiteren Schichten der Bevölkerung herzustellen. Sie bleibt weitgehend isoliert. Zwar kommt es z. B. auch zu Lehrlingsunruhen, aber diese erreichen bei weitem nicht die Kraft der Studentenbewegung und gehen über zaghafte Ansätze nicht hinaus.02

Für die Bildungs- und Berufsbildungspolitik sind die politischen Veränderungen in den Parlamenten, besonders im Bundestag, von entscheidender Bedeutung. Die bis in die 60er-Jahre auf Bundesebene unumstrittene Mehrheit aus CDU/CSU und FDP - 1957 erreichen die Unionsparteien sogar die absolute Mehrheit im Bundestag - gerät ins Wanken. 1966 kommt es erstmals zur Bildung einer Großen Koalition von CDU/CSU und SPD. Die Bundestagswahl im September 1969 gewinnt schließlich die SPD, die mit Hilfe der FDP die neue Regierung bilden kann.

Der Sozialdemokrat Willy Brandt wird Bundeskanzler. Stärkste Fraktion bleibt allerdings die CDU/CSU mit 46 Prozent Stimmenanteil. Obgleich Studentenbewegung und die Stimmenzuwächse der SPD einen Linksruck signalisieren, steht ein großer Teil der Bevölkerung einer grundsätzlichen politischen Neuorientierung oder sogar sozialistischen Ideen ablehnend gegenüber.

Vor diesen gesellschaftlichen und politischen Hintergründen03 ist zu verstehen, weshalb ein bereits 1919 von gewerkschaftlicher Seite gefordertes Gesetz zur Berufs(aus)bildung seit Beginn der 1960er-Jahre auf Initiative der SPD wieder diskutiert und zum Ende der Dekade auch verabschiedet wird. Die in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre auf Bundesebene maßgeblich an politischem Einfluss verlierende CDU/CSU zieht es als Koalitionspartner schließlich vor, noch als Regierungspartei ein "gemäßigtes" Gesetz zur beruflichen Bildung mit zu verabschieden als später möglicherweise von der Oppositionsbank aus verfolgen zu müssen, wie SPD und FDP ein für die Wirtschaft wahrscheinlich unangenehm "härteres" Gesetz in Kraft setzen würden.

Das BBiG kann aber auch im Kontext weiterer gesetzgeberischer Aktivitäten zur Unterstützung von Arbeit, Bildung und Beruf gesehen werden, so das Arbeitsförderungsgesetz (AFG) vom 13.05.1969 sowie das "Gesetz über die individuelle Förderung der Ausbildung" (Ausbildungsförderungsgesetz AföG) vom 26.06.1969, das allerdings erst zum 01.07.1970 in Kraft tritt und als Vorläufer des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) vom 26.08.1971 angesehen werden kann. Anders als beim Berufsbildungsgesetz wird für das Ausbildungsförderungsgesetz im Mai 1969 sogar das Grundgesetz geändert, um dem Bund entsprechende Kompetenzen in der Ausbildungsfinanzierung übertragen zu können (vgl. Stahl 2009).

Positionen der Interessengruppen

Die Debatten um ein Berufs(aus)bildungsgesetz sind von Beginn an durch höchst unterschiedliche Positionen gekennzeichnet. In Kreisen der Wirtschaft, vor allem von Vertretern der Industrie und des Handwerks, wird der Sinn eines solchen Gesetzes generell in Frage gestellt. Hier spielt die Angst vor Veränderung und das Berufen auf Traditionen eine sehr große Rolle. Der Staat habe sich, so die gängige Argumentation, nicht in die Belange der Wirtschaft einzumischen. Es gäbe nichts zu regeln, weil das Ausbildungssystem funktioniere und die Wirtschaft es in all den Jahrhunderten geschafft habe, die Belange der Nachwuchsrekrutierung selbst zu regeln. Alle Eingriffe in den Markt seien daher abzulehnen. Mit Warnungen, erst vor einer "Verstaatlichung der Berufsbildung", dann vor einer angeblichen "Gleichschaltung der Wirtschaft" wird frühzeitig ein propagandistisch besonders schweres Geschütz aufgefahren, denn mit Verstaatlichung wird das Schreckgespenst einer DDR-Nähe assoziiert, und "Gleichschaltung" stellt verbal eine Verbindung zur nationalsozialistischen Diktatur her. Durch die Novelle der Handwerksordnung vom 09.11.1965 seien bereits die notwendigen Regelungen geschaffen worden, argumentiert man beim Zentralverband des Deutschen Handwerks (vgl. Laube 1966, S. 551). So gibt es letztlich auch einen Unterschied in den Auffassungen von Industrie und Handwerk. Zeitgenössisch heißt es in einer Zusammenfassung zwei Jahre vor Verabschiedung des Gesetzes: "Während die Industrie nach Abwägung des Für und Wider unter bestimmten Auflagen einem neuen Berufsausbildungsgesetz durchaus aufgeschlossen gegenübersteht, isolierte sich das Handwerk selbst. Dort verwies man nämlich auf die gut funktionierende Handwerksordnung und plädierte für eine Entlassung aus der gesetzlichen Neuregelung." (Zekorn 1967, S. 648; vgl. auch o. V. 1963a, S. 543 f.)

Gewerkschaftliche Auffassungen jener Zeit gehen hingegen davon aus, dass die Berufsbildung endlich umfassend und von der Wirtschaft unabhängig, d. h. durch den Staat geregelt werden müsse. Die Forderungen der Arbeitnehmervertretungen rütteln an den Grundfesten der geltenden Berufsbildungspraxis. Sie lassen sich in drei Punkten zusammenfassen: Die Berufsbildung

  • sei aus der Zuständigkeit der Kammern herauszulösen,
  • solle durch die gesamte Wirtschaft finanziert werden und
  • müsse allen Staatsbürgern offen stehen, weshalb öffentliche Ausbildungseinrichtungen zu schaffen seien (vgl. z. B. Leiss 1968, S. 639).

Typisch sind in Gewerkschaftszeitungen jener Jahre Berichte, in denen die Situation der Lehrlinge beklagt wird. So heißt es unter der Überschrift "Rebellion der Stifte" im Frühjahr 1969 in der Gewerkschaftszeitung "Metall":

"An unseren Berufsschulen brodelt es. Die allgemeine Unzufriedenheit unter den Berufsschülern ist nicht mehr zu überhören. Demonstrationen gegen eine völlig unzulängliche Berufsausbildung fanden in Hamburg und Berlin statt. (.) Am 14. März 1969 ließen sie (die Lehrlinge/d. A.) vor dem Forum eines aus jungen Hamburgern zusammengesetzten ,Arbeiterjugendgerichts' Zeugen über ihre Lehrpraxis aussagen. Auch hier wurde wieder deutlich, daß Lehrlinge neben einer oft sehr schlechten Ausbildung Schikanen bis zur Prügelstrafe ausgesetzt sind. (.) In Essen gründete man eine Arbeitsgemeinschaft gewerblicher Lehrlinge, die Ausbildungsmißstände in kaum geahntem Maß aufdeckte. Nach den Untersuchungsergebnissen müssen Lehrlinge alle möglichen nicht zum Berufsbild zählenden Arbeiten ausführen und kassieren noch Ohrfeigen, Prügel und Fußtritte." (o. V. 1969a)

Neben vereinzelten Extrempositionen müssen zahlreiche Partialinteressen berücksichtigt werden. Parteipolitisch ist klar, dass CDU und CSU eine gemäßigte, aber wirtschaftsnahe Auffassung vertreten. Darüber, dass ein Gesetz zur Berufsbildung erforderlich sei, herrscht zumindest in der zweiten Hälfte der 1960er-Jahre Konsens. Allerdings sei nur das Nötigste festzulegen. Die SPD als eher arbeitnehmernahe Partei vertritt hingegen eine stärker den Gewerkschaften nahe stehende Auffassung, geht jedoch nicht so weit, dass z. B. die Kontrolle über das Ausbildungsgeschehen den Kammern bzw. zuständigen Stellen entzogen werden sollte. Ihr Credo lautet, Berufsbildung sei eine öffentliche Aufgabe.

Außer diesen parteipolitischen Kontroversen geht es um die heftig umstrittene Frage nach der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern und damit um die Entscheidung, welche Bereiche beruflicher Bildung durch ein solches Gesetz überhaupt zu regeln seien. Die Diskussion dreht sich um die Zuständigkeit der Lernorte "Betrieb" und "Schule", wobei sich die Länder von Beginn an auf ihre so genannte Kulturhoheit berufen, die selbstverständlich auch für die berufsbildenden Schulen gelten würde. Der Bund dürfe da nicht regelnd eingreifen. Diese Positionen in der Frage der Zuständigkeit sind anfangs jedoch noch keineswegs klar. Viele gehen davon aus, dass ein Berufs(aus)bildungsgesetz alle Bereiche, also ebenso den schulischen Teil, zu regeln habe. Entsprechend wird oft angemahnt, dass sich die beruflichen Schulen und die Schulverwaltungen weitaus stärker in die Diskussion einbringen müssten (vgl. z. B. o. V. 1964, S. 701). "Es ist an der Zeit, daß das berufliche Schulwesen deutlich erklärt, welche Rechte es von dem neuen Gesetz erwartet", heißt es z. B. Mitte 1966 fordernd von Horst Laube (1966, S. 551). "Die offensichtliche Benachteiligung des Partners Schule sollte in dem kommenden Gesetz nicht erneut verankert werden. Diese Gefahr besteht jedoch, wenn die beruflichen Schulen sich weiterhin an der Diskussion über das Gesetz so gut wie nicht beteiligen." (ebd.)

Steiniger Weg bis zum Inkrafttreten des Gesetzes

Die Bemühungen, die letztlich nach zähem Ringen von politischen Parteien und Interessenvertretern im Berufsbildungsgesetz von 1969 münden, beginnen bereits knapp zehn Jahre zuvor mit einer - allerdings zunächst noch kaum beachteten - Initiative des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), der im Januar 1959 einen Entwurf vorlegt, spätestens aber 1962. Im April 1962 - also mehr als sieben Jahre vor der Verabschiedung - fordert die SPD im Bundestag die Bundesregierung auf, einen Entwurf für ein Berufsausbildungsgesetz vorzulegen. Unter anderem sollten die zersplitterten gesetzlichen Bestimmungen über Berufsausbildung zusammengefasst sowie alle Berufsausbildungsverhältnisse und alle Arbeitsverhältnisse von Jugendlichen in sämtlichen Beschäftigungszweigen aufgenommen werden. Das Gesetz solle zudem "den jungen Menschen in Stadt und Land gleiche Berufsausbildungs- und Existenzchancen gewährleisten" (o. V. 1962). Im Juni des Jahres wird die Forderung an die Regierung verschärft. Der Bundestag ersucht die Bundesregierung, in einem halben Jahr dem Parlament einen solchen Entwurf vorzulegen. Dem kommt man jedoch nicht nach. Wie es Anfang 1964, mehr als ein Jahr nach Ende des "Ultimatums", auf Drängen der SPD heißt, sei die Materie zu schwierig und eine Fülle offener Fragen vorhanden, sodass die Bundesregierung - wie in deren Namen der Wirtschaftsminister Kurt Schmücker (CDU) erklärt - in dieser Legislaturperiode keinen Entwurf vorlegen könne. Der Deutsche Gewerkschaftsbund reagiert mit Unverständnis und rechnet vor, dass seit 45 Jahren über die Notwendigkeit eines Gesetzes diskutiert werde, vor 35 Jahren dem Deutschen Reichstag der erste Entwurf zugegangen sei, seit 14 Jahren das Land Berlin ein Berufsausbildungsgesetz habe und sich seit zehn Jahren Bundesministerien mit der Frage beschäftigen würden. Umso unverständlicher sei es, wenn die Bundesregierung dann erkläre, man würde mehr Zeit benötigen (o. V. 1964, S. 700).

Erst zwei weitere Jahre später, 1966, nimmt die Sache Fahrt auf. Nachdem im August 1966 die SPD und fünf weitere Abgeordnete den Entwurf eines Arbeitsmarkt-Anpassungsgesetzes vorlegen, zieht die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP knapp zwei Monate später - kurz vor dem Scheitern der damaligen Regierung - mit dem Entwurf eines Berufsausbildungsgesetzes nach. Fortan ist das Thema im Parlament verankert. Nach einer ersten Lesung im Bundestag am 26.10.1966 wird die Sache an die zuständigen Ausschüsse übergeben. Der CDU-Abgeordnete Hermann Diebäcker meint dann auch zu Recht, dass die mehr als 40 Jahre andauernde Diskussion über eine gesetzliche Regelung damit in ein entscheidendes Stadium gekommen sei (Hesse 1967, S. 580). In den beiden Gesetzentwürfen wird allerdings die Ausbildung z. B. in Berufsfachschulen ausgespart; es ist nur von der Berufsausbildung in der Wirtschaft (SPD-Entwurf) bzw. der gewerblichen Wirtschaft (Entwurf von CDU/CSU und FDP) die Rede (vgl. ebd., S. 581 f.).

Zahlreiche Interessenvertreter bringen sich in der Folgezeit in die Diskussion ein. Die entscheidende Arbeit wird schließlich von einem "Unterausschuß Berufsausbildungsgesetz" des Deutschen Bundestages unter Vorsitz von Harry Liehr (SPD) geleistet. Dieser Unterausschuss erarbeitet zwischen Oktober 1968 und März 1969 in 13 Sitzungen den Entwurf. In dem Ausschuss wird dann von einem Berufsbildungsgesetz gesprochen und die Berufsbildung definiert. Noch unmittelbar vor der Verabschiedung des Gesetzes wird von schulischer Seite reklamiert, dass sich die Diskussion "in der Endphase bedauerlicherweise hinter verschlossenen Türen" (Laube 1969, S. 537) vollziehe und sicherzustellen sei, "daß die Berufsschule als der für den theoretischen Bereich verantwortliche Partner bei der Abschlußprüfung seiner Bedeutung entsprechend beteiligt wird" (ebd.). In einer hektischen Schlussphase - die Bundestagswahl vom September 1969 und damit das Ende der Großen Koalition stehen vor der Tür - wird das Gesetz schließlich noch vor der Sommerpause verabschiedet, sodass es bereits zum 01.09.1969 in Kraft treten kann.

Die wichtigsten Etappen auf dem langen und schwierigen Weg zur Verabschiedung des Gesetzes verzeichnet die folgende Zeittafel (Abb. 1) 04

 Datum

Initiator 

Ereignis 

 06.01.1959

 DGB

Entwurf des DGB zu einem Berufsausbildungsgesetz
 07. bis 12.05.1959

 DGB

Forderung des DGB, ein Berufsausbildungsgesetz auf der Grundlage des eigenen Entwurfes zu verabschieden
 11.04.1962

 SPD

Antrag der SPD im Bundestag an die Bundesregierung zur Verpflichtung auf Vorlage eines Entwurfes für ein Berufsausbildungsgesetz bis zum 01.10.1962 05
 10.05.1962

Kammern und Arbeitgeber-
verbände

Gemeinsame Erklärung von Kammern und Arbeitgeberverbänden mit Warnung vor bürokratisch-zentralistischen Regelungen zum Schaden der auszubildenden Jugendlichen und der Nachwuchsbedürfnisse der Wirtschaft sowie Warnung vor dem "Versuch der Gleichschaltung", mit dem die Besonderheiten von Ausbildungsverhältnissen in Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft usw. negiert werden würden.
 27.06.1962

 Bundestag

Ersuchen des Bundestages an die Bundesregierung, dem Parlament bis zum 01.02.1963 einen Gesetzesentwurf vorzulegen
 22. bis 27. 10. 1962 

 DGB

Erneute Forderung des DGB, ein Berufsausbildungsgesetz auf Grundlage des eigenen Entwurfes zu verabschieden
 26.03.1963

 SPD

Kleine Anfrage der SPD-Fraktion an die Bundesregierung u. a. mit der Frage, ob die Bundesregierung beabsichtige, den vom Plenum einstimmig befassten Beschluss insoweit nicht durchzuführen, als sie nur einen Gesetzentwurf über die Berufsausbildung in der gewerblichen Wirtschaft erstellen wolle
 29.06.1963

 Bundesregierung

Mitteilung, wonach es der Bundesregierung derzeit nicht möglich sei, einen Gesetzentwurf vorzulegen
 30.09.1963

 Deutscher Bundesjugendring

Stellungnahme des Deutschen Bundesjugendringes zum Anliegen, ein Berufsausbildungsgesetz zu verabschieden
 10.12.1963

 SPD

Große Anfrage der SPD-Fraktion an die Bundesregierung zum Stand der Arbeiten an einem Entwurf des Berufsausbildungsgesetzes
 07.02.1964

 Bundesregierung

Antwort der Bundesregierung auf Große Anfrage der SPD, "daß ein umfassender Entwurf ,angesichts der unerhörten Schwierigkeiten der Materie' noch nicht möglich sei" (Lipsmeier 1978, S. 108 06) 
 02.07.1964

 SPD

Aufnahme des Credos "Berufsbildung - eine öffentliche Aufgabe" in die bildungspolitischen Leitsätze der SPD
 10.07.1964

Deutscher Ausschuß für das Erziehungs- und Bildungswesen 

Erstes Gutachten des 1953 konstituierten "Deutschen Ausschusses für das Erziehungs- und Bildungswesen" zur beruflichen Bildung, mit dem deutlich wird, dass Berufsbildung eben auch Bildung ist. Das Gutachten selbst, in dem erstmals vom "dualen System" die Rede ist, wirkt relativ realitätsfern. So wird von der gemeinsamen Verantwortung von Betrieb und Berufsschule, von gleichberechtigter Partnerschaft beider Lernorte und davon, dass beide Partner zum Abschluss der beruflichen Ausbildung am Ende der Berufsschulzeit eine gemeinsame Abschlussprüfung durchführen sollten, gesprochen.
 23.06.1965

 Bundestag

Entschließung des Bundestages, wonach die Bestimmungen der gerade novellierten Handwerksordnung einer umfassenden gesetzlichen Regelung der Berufsausbildung nicht vorgreifen
 30.08.1966

SPD und weitere Abgeordnete im Bundestag 

Vorlage des Entwurfes eines Gesetzes "Zur Anpassung des Arbeitsmarktes an die Entwicklung von Wirtschaft und Technik (Arbeitsmarkt-Anpassungsgesetz)" 07 durch die SPD-Fraktion sowie weitere fünf Abgeordnete im Bundestag 
 25.10.1966  CDU/CSU und FDP Vorlage des Entwurfes eines Gesetzes "Zur Regelung der Berufsausbildung (Berufsausbildungsgesetz)" 08 durch Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP im Bundestag 
 26.10.1966

 Bundestag

Erste Lesung der beiden Vorlagen im Bundestag; Überweisung an den Ausschuß für Arbeit (federführend) sowie an den Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen; in der Folge erhalten die Ausschüsse für Familien- und Jugendfragen sowie für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik Gelegenheit, zu den Entwürfen gutachterlich Stellung zu nehmen
 29.11.1966

 Handwerksrat

Entschließung des Handwerksrats zu den Gesetzentwürfen. Gefordert wird, die Besonderheiten des Handwerks zu berücksichtigen und bewährte Zuständigkeiten zu belassen. 
 21. bis 23.06.1967

 Ausschüsse im Bundestag

Öffentliche Anhörung der Ausschüsse für Arbeit sowie für Familien- und Jugendfragen in Berlin (West). Als zentrale Schwierigkeit kristallisiert sich die Einbindung der Schule in das Gesetz heraus. Eine Änderung des Grundgesetzes steht zur Diskussion. 
 23.10.1968 bis 24.04.1969

Unterausschuß Berufsausbildungs-
gesetz im Bundestag 

Erarbeitung eines Entwurfes durch den "Unterausschuß Berufsausbildungsgesetz" des Deutschen Bundestages unter Vorsitz von Harry Liehr (SPD) in insgesamt 13 Sitzungen. Der Unterausschuss spricht von einem "Berufsbildungsgesetz", weil damit im Unterschied zu einem Berufsausbildungsgesetz der ganze Bildungsgang eines arbeitenden Menschen über 40 oder 50 Jahre hinweg zum Ausdruck komme. 
 30. und 31.01.1969

 Deutscher Bildungsrat

Empfehlungen des Deutschen Bildungsrates zur Verbesserung der Lehrlingsausbildung (bleiben ohne [nennenswerte] Wirkung)
 Februar und März 1969

 Bundestag

Erste Lesung des durch den Unterausschuss erarbeiteten Entwurfes für das Berufsausbildungsgesetz 
 23. und 24.04.1969

 Ausschüsse im Bundestag

Grundsätzliche Zustimmung des Ausschusses für Familien- und Jugendfragen und des Ausschusses für Wissenschaft, Kulturpolitik und Publizistik 
 24.04.1969

 Ausschuß für Wirtschaft und Mittelstandsfragen im Bundestag

Stellungnahme mit grundsätzlicher Zustimmung des mitberatenden Ausschusses für Wirtschaft und Mittelstandsfragen 
 06. bis 08.05.1969

 Bundestag

Zweite Lesung des Gesetzentwurfes 
 30.05.1969

Ausschuß für Arbeit im Bundestag 

Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit, in dem u. a. Ziel - Beseitigung der Rechtszersplitterung im Bereich des Berufsbildungsrechts - und Inhalt des Entwurfes eines Berufsbildungsgesetzes erläutert werden. Erklärt wird, dass die Einbeziehung der berufsbildenden Schulen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich sei, aber die betriebliche und die schulische Berufsbildung möglichst weitgehend verbunden werden müssten. Vorgeschlagen wird, das Gesetz "sobald wie möglich" und zwar am 01.09.1969 in Kraft treten zu lassen.
 12.06.1969

 Bundestag

Verabschiedung des Berufsbildungsgesetzes durch den Bundestag in dessen 237. Sitzung 
 20.06.1969

 Bundesrat

Eingang der vom Bundestag verabschiedeten Fassung im Bundesrat
 10.07.1969

 Bundesrat

Zustimmung des Bundesrates zum Gesetz 
 14.08.1969

 -

Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt (ausgegeben am 16.08.1969) 09 
 01.09.1969

 -

Inkrafttreten des Gesetzes

 Abb.: Chronologischer Ablauf - Etappen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes

"Jahrzehntelang schien es so", resümiert Hans Albrecht Hesse (1969, S. 801) kurz nach Inkrafttreten des Gesetzes, "als wäre ein allgemeines und einheitliches Berufsausbildungsgesetz in unserem Lande nicht zu erreichen: zu sehr divergierten die partikularen Interessen; zu stark waren die Gegensätze selbst innerhalb der Regierung bzw. unter ihren beteiligten Ressorts." Angesichts fortbestehender Differenzen "bedeutet es keine geringe Überraschung, daß das Gesetzgebungswerk nun kurz vor Ablauf der 5. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages zu einem positiven Abschluß gekommen ist" (ebd.). Bei Joachim Münch (1969, S. 809) heißt es sogar, dass man geneigt sein könnte, angesichts der Zeitdauer, "die von den ersten Anregungen und Forderungen bis zur Verabschiedung eines Berufsbildungsgesetzes verstrich, (.), von einem epochalen Ereignis zu sprechen".
Mit der beinahe hektischen Verabschiedung des Gesetzes endet jedoch keineswegs die Diskussion über das BBiG. Dennoch markiert der 01.09.1969 einen entscheidenden Einschnitt in der deutschen Berufsbildungsgeschichte.

Stärken und Schwächen des BBiG von 1969

Durch das Gesetz bewirkte Änderungen

Inhaltlich werden mit dem Gesetz grundlegende Weichen gestellt. Dazu zählt die Tatsache, dass bundesweit einheitliche Regelungen zur Ausbildung in allen Branchen, in denen betrieblich ausgebildet wird (Industrie, [eingeschränkt] Handwerk, Handel, ...) und zu staatlich anerkannten Ausbildungsberufen geschaffen werden. Andere Punkte von weitreichender Bedeutung sind:

  • Das Stufungskonzept (berufliche Grundbildung, allgemeine berufliche Fachbildung und besondere berufliche Fachbildung) wird verankert.
  • Die Anerkennung außerbetrieblicher Lernzeiten wird ermöglicht.
  • Eine planmäßige, zeitliche und sachliche Gliederung der Ausbildung wird vorgeschrieben und damit der zunehmenden Tendenz zu ausbildungsfremden Tätigkeiten entgegengewirkt.
  • Die Eignung der Ausbildungsstätten wird festgelegt.
  • Ein Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung (BBF) wird geschaffen, und Berufsbildungsforschung sowie -statistik werden als bedeutsame Bereiche gewürdigt.

Von nicht zu unterschätzender Relevanz ist auch, dass der Begriff "Berufsbildung" definiert und z. B. vom Begriff der Berufsausbildung eindeutig abgegrenzt wird. Aus heutiger Sicht mag dieses banal klingen. Doch erst jetzt verschwinden allmählich auch andere Bezeichnungen. Zehn Jahre zuvor war beispielsweise noch ein Buch mit dem antiquierten Titel "Über die Lehrlingshaltung im Handwerk" (Wernet 1958) erschienen.

Bedeutung und kritische Würdigung des Gesetzes

Das Berufsbildungsgesetz von 1969 ist das erste bundesweit geltende Gesetz zur beruflichen Bildung.10 Damit sind z. B. neun andere Gesetze bzw. Vorschriften außer Kraft gesetzt oder geändert worden.

Erstmals wird die "öffentliche Verantwortung" für Berufsbildung deutlich, vor allem indem ein Berufsbildungsforschungsinstitut auf öffentlich-rechtlicher Basis errichtet werden soll. Die gesellschaftliche Anerkennung der beruflichen Bildung als nicht ausschließlich den freien Kräften auf dem Markt zu überlassendes, sondern eben als öffentliches Gut kommt auch darin zum Ausdruck, dass die Arbeitnehmervertreter durch ihr paritätisches Mitwirken im Hauptausschuss des Bundesinstituts ein "echtes" Mitspracherecht in Fragen der Berufsbildung erhalten. Bis dahin waren Einrichtungen dieser Art - Deutscher Ausschuß für Technisches Schulwesen (DATSCH) und Arbeitsstelle für Betriebliche Berufsausbildung (ABB) - allein von arbeitgebernahen Vereinigungen getragen worden. Der heute - von geringen Ausnahmen abgesehen11 - selbstverständliche Konsens- bzw. Kompromisscharakter in Ordnungsfragen zur beruflichen Bildung wird dadurch erst ermöglicht.

Mag heute auch kaum jemand mehr die damals beschlossene Errichtung eines Bundesinstituts im Nachhinein als Fehler bezeichnen, so gab es in den 1960er- und den frühen 70er-Jahren in dieser Frage durchaus Zweifler. Der Frankfurter Wissenschaftler Karl Abraham, Sachverständiger bei der Anhörung am 21.06.1967 in Berlin, weist z. B. auf die Pflichtaufgabe von Hochschulen und Universitäten hin, Forschung zu betreiben. "Daneben noch weitere wissenschaftliche Sonderinstitute einzurichten, sei kostspielig, unzweckmäßig und führe lediglich zu weiteren Zersplitterungen, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt schon kaum noch ertragbar erscheinen", fasst Hans-Joachim Zekorn (1967, S. 648) die Ausführungen des Wirtschaftspädagogen Abraham zusammen. Erhebliche Vorbehalte gibt es vor allem beim Heinz-Piest-Institut für Handwerkstechnik an der Technischen Hochschule Hannover, das sich - so Manfred Heckenauer und Heinz Holz (1989, S. 315) später - "in seiner Bedeutung durch das BBF mindestens bedroht" sieht.12 Dem hält Hans-Joachim Rosenthal (1969, S. 766) - der ein knappes Jahr später, am 21.07.1970, zum ersten Präsidenten des neu geschaffenen Bundesinstituts gewählt wird - im Herbst 1969 entgegen, dass es eine ganze Reihe an "potentiellen Aufgaben eines solchen Bundesinstitutes für Berufsbildungsforschung" geben würde, "die durch keine vorhandene Institution abgedeckt" seien.

Mit dem BBiG werden erstmals zentrale Dinge wie Rechte und Pflichten der Ausbildenden und der Auszubildenden unabhängig von der Region, von Branche und Beruf etc. zentral geregelt. Das entstandene Berufssystem mit normierten Ausbildungsberufen und Ordnungsmitteln, deren kooperative Erarbeitung in der organisatorischen Obhut einer zentralen Institution liegt, wird als allein verbindlich festgelegt, und dabei die Gewerkschaftsseite an der Berufsordnung beteiligt.13 Auch werden Anlernberufe damit (endgültig) abgeschafft. Stattdessen haben Ausbildungsberufe eine unterschiedlich lange Ausbildungsdauer. Sie sind aber eben "Ausbildungsberufe", was sozial- und tarifpolitisch bedeutsam ist.14

Nicht zuletzt beschert das BBiG den Akteuren in der beruflichen Bildung auch neue Begriffe. Die damals mit vielen Vorbehalten versehene Bezeichnung "Auszubildende/r" entsteht und ersetzt im Bereich der Industrie die traditionelle Bezeichnung "Lehrling",15 die im Handwerk synonym noch erhalten bleibt. Dementsprechend wird nun z. B. von "Ausbildungsdauer" statt "Lehrzeit" oder "Ausbildungsjahr" statt "Lehrjahr" gesprochen.

Politiker der damaligen Regierungsparteien würdigen das Gesetz als zukunftsweisend. Edgar Winkler, der als unabhängiger Gutachter des Bundestages am 21.06.1967 zum Thema gehört worden war, weist sogar bereits auf die europäische Dimension hin. Er spricht von einem großen Gewinn, den "die Zusammenfassung des komplexen Rechtsgebietes in einem einheitlichen Gesetz" bringe: "Sie fördert den permanenten Vergleich mit den Ausbildungssystemen und -praktiken der anderen Länder der Europäischen Gemeinschaft." (Winkler 1969, S. 709) Die Wissenschaft jener Zeit sieht im Gesetz hingegen vor allem ein inhaltliches Festschreiben des Status quo und urteilt deshalb wenig euphorisch (s. z. B. Lipsmeier 1970; vgl. z. B. Zabeck 2009, S. 679). So heißt es nüchtern, "erst die Praxis der nächsten Jahre kann zeigen, ob der Berufsbildung hierdurch eine neue Zukunft gewiesen oder ihr die Vergangenheit zur Zukunft gemacht worden ist" (Hesse 1969, S. 809). Auch Joachim Münch (1969, S. 809) ist sich damals keineswegs sicher, "ob dieses Gesetzeswerk eine entscheidende Wende hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten der Berufsbildung in der BRD bedeutet oder lediglich vollzogenen Entwicklungen und künftigen Trends die ihnen gemäße Fundierung gegeben hat".

Defizite des Gesetzes

Bei Verabschiedung des Gesetzes kann dieses die vielfältigen Erwartungen zunächst nicht erfüllen. Aufgrund der teilweise konträren Vorstellungen der beteiligten Akteure kann das BBiG von vornherein nur einen Kompromisscharakter haben und kaum jemanden richtig zufrieden stellen. Die hektische Schlussbearbeitung vor der Sommerpause 1969 trägt sicherlich dazu ihr Übriges bei. Als Hauptkritikpunkt wird von vielen Seiten hervorgehoben, dass es eben nicht die gesamte Berufsbildung umfasst, sondern zentrale Elemente - vor allem die Berufsbildung in schulischen Formen - ausklammert. Vor dem Konflikt, das Grundgesetz zu ändern und die dort festgeschriebene Verantwortlichkeit von Bund und Ländern neu zu definieren, wird letztlich doch zurückgeschreckt, obwohl es durchaus ein Diskussionspunkt gewesen ist. Der Stellenwert der berufsbildenden Schulen wird durch deren Nichtberücksichtigung nochmals geschwächt, meinen Kritiker. Das betrifft auch die Abschlussprüfungen, an denen die Berufsschulen weiterhin nicht beteiligt werden.16

Vor allem die hochgesteckten Erwartungen der Gewerkschaften können nicht erfüllt werden. So heißt es dann auch z. B. in einer Kritik unter der Überschrift "Stief- und Waisenkinder der Gesellschaft" (o. V. 1969b):

"Der Lehrling des Jahres 1919 war, der Lehrling des Jahres 1969 ist und der Lehrling ab 1970 soll das Stiefkind der Gesellschaft bleiben. Der in Bonn geschmiedete Berufsausbildungs-Gesetzentwurf sieht vor, daß fast alles mehr oder weniger beim alten bleibt. Auch der Stift von morgen soll auf die ,Gnade' seines Arbeitgebers angewiesen bleiben. Für ihn wird es keine öffentliche Ausbildungseinrichtung, kein staatliches Finanzierungssystem für eine zeitgemäße Berufsausbildung und keine ausreichenden Bestimmungen für den Berufsschulunterricht geben."

In einer Stellungnahme fasst Manfred Leiss (1969, S. 710) zusammen, dass ein Gesetz verabschiedet worden sei, "das alle fortschrittlichen Berufsbildungspolitiker enttäuschen muß, weil es an gestern orientiert den wichtigen Schritt in die Zukunft verbaut". Und weiter: "Selten hat ein mit so viel Aufwand geführter Kampf zu solch minimalen Ergebnissen geführt. Bonn hat eine Pflichtübung erfüllt, die nur die Note mangelhaft verdient."

Letztlich kommt auch Kritik auf, weil das Bemühen, mit dem Gesetz alle Bereiche der Wirtschaft zu erfassen, aus Respekt vor den Ausbildungstraditionen des Handwerks fallengelassen worden sei (vgl. Zabeck 2009, S. 678). Für den Bereich der handwerklichen Berufsbildung bleibt ein Nebeneinander von Berufsbildungsgesetz und Handwerksordnung bestehen.

Nach der Verabschiedung des BBiG

Angesichts des starken Kompromisscharakters und der unmittelbar danach einsetzenden, zum Teil scharfen Kritik an dem Gesetz kann es kaum verwundern, dass erste Initiativen zu seiner Novellierung bereits kurz nach der Verabschiedung einsetzen. Vor allem Gewerkschaften und der Bundesverband der Lehrer an beruflichen Schulen melden sich schon sehr früh zu Wort.17 Doch obwohl unter der Kanzlerschaft von Willy Brandt auch ernsthafte Aktivitäten unternommen werden, sind die bis 2005 auftretenden Änderungen eher marginaler Art. Am weitesten gehen noch die Novellierungen, die 1976 das Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung betreffen und mit dem später für nichtig erklärten Ausbildungsplatzförderungsgesetz zur Umwandlung in das heutige Bundesinstitut für Berufsbildung führen. Im Laufe der Jahre arrangieren sich die Akteure mit dem BBiG, das im Übrigen noch vor der Wiedervereinigung vom 03.10.1990 ohne große Akzeptanzprobleme bereits am 19.07.1990 auch für die damals noch existierende DDR gültig wird.

Dass auch die Wirtschaft mit dem Gesetz 1969 nicht zufrieden ist, zeigt sich zum Beispiel in einer Empfehlung, mit der die praktische Umsetzung des Gesetzes noch um einige Jahre hinausgezögert werden kann: Die Kammern der Wirtschaft empfehlen ihren Ausbildungsbetrieben, den Ausbildungsbeginn auf die Zeit vor dem 01.09.1969 zu datieren. Wird der Lehrvertrag offiziell spätestens am 31.08.1969 geschlossen, so kann der Arbeitgeber das neue Gesetz für die ganze Ausbildungsdauer umgehen.18

Bedeutsam sind die mit dem 01.09.1969 eingetretenen Veränderungen auf institutioneller Ebene. Im Frühjahr 1970 wird das Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung (BBF) als zentrale Einrichtung, in der die Sozialpartner vertreten sind, gegründet. Im Gegenzug löst sich die einseitig von Arbeitgeberseite betriebene Arbeitsstelle für Betriebliche Berufsausbildung (ABB) auf, da es eine Hauptaufgabe - die Erarbeitung von Ordnungsmitteln für industrielle Ausbildungsberufe - verliert. Als Ersatz dafür wird das Kuratorium der Deutschen Wirtschaft für Berufsbildung ins Leben gerufen.

Erst Anfang dieses Jahrtausends rücken schließlich Streitpunkte des Berufsbildungsgesetzes von 1969 wieder stärker in das Rampenlicht, indem politische Debatten um eine Reform des Gesetzes beginnen. Sie führen schließlich zur Verabschiedung des Berufsbildungsreformgesetzes von 2005, in dem eine novellierte Fassung des BBiG enthalten ist.

Literatur

  • Fabritius, Barthel (1979)
    Der "Auszubildende" - 10 Jahre alt. In: Die berufsbildende Schule, 31 (1979) 9, S. 527-529
  • Greinert, Wolf-Dietrich (2000)
    Organisationsmodelle und Lernkonzepte in der beruflichen Bildung. Analytische Grundlagentexte. Baden-Baden
  • Heckenauer, Manfred; Holz, Heinz (1989)
    Berufsbildungsforschung. In: Gewerkschaftliche Bildungspolitik, 40 (1989) 11, S. 313-317
  • Herkner, Volkmar (1994)
    Reformwilligkeit und Reformfähigkeit des dualen Systems der Berufsausbildung - untersucht an der Diskussion seit den sechziger Jahren. Dresden (unveröffentlicht)
  • Herkner, Volkmar (2003)
    Deutscher Ausschuß für Technisches Schulwesen. Untersuchungen unter besonderer Berücksichtigung metalltechnischer Berufe. Hamburg
  • Hesse, Hans Albrecht (1967)
    Über die rechtliche Ordnung der Berufsausbildung. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 63 (1967) 8, S. 580-593
  • Hesse, Hans Albrecht (1969)
    Das Berufsbildungsgesetz: Eine Übersicht. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 65 (1969) 11, S. 801-809
  • Hoffmann, Ernst (1964)
    Berufsausbildungsgesetz und EWG. In: Die berufsbildende Schule, 16 (1964) 5, S. 373-375
  • Laube, Horst (1966)
    Berufsausbildungsgesetz wird vorbereitet. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 62 (1966) 7, S. 550 f.
  • Laube, Horst (1969)
    10. Deutscher Berufsschultag. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 65 (1969) 7, S. 536-538
  • Leiss, Manfred (1968)
    Forderungen zum Berufsausbildungsgesetz. Ein Tagungsbericht. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 64 (1968) 8, S. 638 f.
  • Leiss, Manfred (1969)
    Fortschritt im neuen Berufsbildungsgesetz? In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 65 (1969) 9, S. 709 f.
  • Linke, Werner (1969)
    Das neue Berufsbildungsgesetz. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 65 (1969) 11, S. 825-838
  • Lipsmeier, Antonius (1970)
    Die Berufsausbildung in der Kritik. Umstrukturierung des dualen Systems unter besonderer Berücksichtigung gewerblich-technischer Berufe. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 66 (1970) 5, S. 345-368
  • Lipsmeier, Antonius (1978)
    Organisation und Lernorte der Berufsausbildung. München
  • Müller-Oldenburg, Rudolf (1971)
    Kritische Stimmen zum Berufsbildungsgesetz. In: Die berufsbildende Schule, 23 (1971) 1, S. 63-72
  • Münch, Joachim (1969)
    Das Berufsbildungsgesetz in historischer und berufspädagogischer Perspektive. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 65 (1969) 11, S. 809-825
  • o. V. (1962)
    Berufsausbildungsgesetz. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 58 (1962) 6, S. 475
  • o. V. (1963a)
    Die Diskussion um ein Berufsausbildungsgesetz. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 59 (1963) 7, S. 541-544
  • o. V. (1963b)
    Abschaffung des Begriffs "Anlernberuf". In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 59 (1963) 4, S. 306 f.
  • o. V. (1964)
    Bundestag und Berufsausbildungsgesetz. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 60 (1964) 9, S. 700 f.
  • o. V. (1969a)
    Rebellion der Stifte. In: Metall, 21 (01.04.1969) 7, S. 2
  • o. V. (1969b)
    Stief- und Waisenkinder der Gesellschaft. In: Metall, 21 (10.06.1969) 12, S. 5
  • Rosenthal, Hans-Joachim (1969)
    Strukturmuster des beruflichen Schul- und Ausbildungswesens morgen und übermorgen. In: Die berufsbildende Schule, 21 (1969) 11, S. 760-766
  • Stahl, Benjamin (2009)
    Vor 40 Jahren .: Unterstützung für Studenten. In: Das Parlament, 59 (22.06.2009) 26, S. 16
  • Wernet, Wilhelm (1958)
    Über Lehrlingshaltung im Handwerk. Beiträge zur Handwerksforschung, Band 2, Münster/Westfalen
  • Winkler, Edgar (1969)
    Das Berufsbildungsgesetz aus europäischer Sicht. In: Die Deutsche Berufs- und Fachschule, 65 (1969) 9, S. 707-709
  • Zabeck, Jürgen (2009)
    Geschichte der Berufserziehung und ihrer Theorie. Paderborn
  • Zekorn, H.-J. (Hans-Joachim) (1967)
    Berufsausbildungsgesetz in der Anhörung. In: Die berufsbildende Schule, 19 (1967) 9, S. 646-649
  • 1

    Eine 1969 verfasste historische Rückblende auf Bemühungen zur Verabschiedung eines Berufs(aus)bildungsgesetzes findet sich beispielsweise bei Münch (1969) und bei Linke (1969). Siehe zusammenfassend beispielsweise auch Herkner (2003, S. 260-269); zum Stand bis 1963: o. V. (1963a).

  • 2

    Sowohl die Studentenunruhen ("68er Studentenbewegung") als auch die Lehrlingsproteste hatten keineswegs "Massendemonstrationen" nach heutigen Maßstäben zur Folge. Die Zahl der Demonstranten erreichte selten mehrere Tausend. Zu berücksichtigen ist aber auch: In der Bundesrepublik gab es Ende der 1960er-Jahre bundesweit nur etwa 300.000 Studierende; also etwa so viele, wie in den 1990er-Jahren allein in Berlin und München. Auf dem Höhepunkt der Studentenproteste kamen am 11.05.1968 rund 30.000 Menschen (die Angaben schwanken je nach Quelle zwischen 20.000 und 70.000) zu einem Sternmarsch nach Bonn. Die Zahl der Ausbildungsverhältnisse im nichtakademischen Bereich lag 1967 bei 1,26 Millionen.

  • 3

    Bislang wenig betrachtet ist auch ein möglicher Einfluss am Zustandekommen des Berufsbildungsgesetzes durch Diskussionen im Zusammenhang mit Harmonisierungsbestrebungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), die schon in den 1960er-Jahren auch den Bereich der Berufsausbildung betrafen. Vergleiche hierzu beispielsweise Hoffmann (1964). Der Antrag der SPD-Fraktion im Bundestag vom 11.04.1962 hatte diese Komponente im Übrigen enthalten (vgl. o. V. 1962).

  • 4

    In der Tabelle können nicht alle Initiativen und Aktivitäten nachgezeichnet werden.

  • 5

    Bundestagsdrucksache IV/354; s. auch: o. V. (1962).

  • 6

    Die Schwierigkeiten wurden vor allem in vier Punkten gesehen: 1) Geltungsbereich des Gesetzes (alle Bereiche der Wirtschaft?), 2) Umfang der Ausbildungsverhältnisse (auch Anlernlinge und Volontäre?), 3) Gesetzgebungskompetenz der Länder für den schulischen Bereich, 4) Umfang der Einschränkung von Wirtschaftsfreiheit, einhergehend mit bildungs-, sozial- und wirtschaftspolitischen Überlegungen für die Gesamtkonzeption (s. LIPSMEIER 1978, S. 109).

  • 7

    Bundestagsdrucksache V/887

  • 8

    Bundestagsdrucksache V/1009

  • 9

    Bundesgesetzblatt, Jahrgang 1969, Teil 1, Nr. 75, ausgegeben am 16.08.1969, S. 1112-1137

  • 10

    Zuvor gab es lediglich für das Land Berlin (West-Berlin) seit 1951 ein "Gesetz zur Regelung der Berufsausbildung sowie der Arbeitsverhältnisse Jugendlicher".

  • 11

    Als Beispiel sei die in jüngerer Zeit erfolgte Verabschiedung einiger zweijähriger Ausbildungsberufe ohne Zustimmung der Arbeitnehmervertretungen genannt.

  • 12

    Auch Kammern und Vertreter der Wirtschaft zeigten sich anfangs sehr abwartend und zurückhaltend - mithin: skeptisch -, was das Bundesinstitut für Berufsbildungsforschung betraf, denn die gesetzlich verankerte Mitbestimmung der Gewerkschaften passte nicht in deren Bild von Institutionen, die nach ureigenstem Verständnis von der Wirtschaft selbst zu organisieren waren (Heckenauer/Holz 1989, S. 315).

  • 13

    Bemerkenswerterweise enthielt das "Gesetz zur Regelung der Berufsausbildung sowie der Arbeitsverhältnisse Jugendlicher" für das Land Berlin vom 4.1.1951 bereits eine Formulierung, nach der Berufsordnungsmittel von den Selbstverwaltungsorganisationen der Wirtschaft zusammen mit Vertretern der Gewerkschaften und Berufsschulen aufzustellen seien. Auf Bundesebene betrat man hier jedoch Neuland, wenn es auch schon zuvor eine Mitwirkung von Gewerkschaften in der Arbeitsstelle für Betriebliche Berufsausbildung (ABB) gegeben hat (vgl. Hesse 1967, S. 590).

  • 14

    Eine entsprechende Initiative des Bundeswirtschaftsministeriums zur Abschaffung von Anlernberufen - bzw. des Begriffs "Anlernberuf"- war noch 1963 am Widerstand von Wirtschaft und auch Gewerkschaften gescheitert (s. o. V. 1963b).

  • 15

    Noch Jahre später wurde in der Berufsbildungspraxis weiterhin der Begriff des Lehrlings verwendet. Eine ironische Glosse zum Wechsel der Begriffe findet sich beispielsweise bei Fabritius (1979). Inzwischen kann aber die Bezeichnung "Auszubildender" als voll etabliert gelten.

  • 16

    Entsprechend regt z. B. Lipsmeier (1970, S. 350) bereits 1970 an, über ein Bundeskultusministerium nachzudenken. Mit einem solchen Ministerium wäre die Unterscheidung in Bundes- und Landesrecht für die beiden Lernorte hinfällig, wobei die "Forderung der Berufsschullehrerverbände nach Einbeziehung der Berufsschule in das Berufsbildungsgesetz" (ebd., S. 351) unterstützend wirken könnte.

  • 17

    Eine umfangreiche Zusammenstellung kritischer Stimmen aus verschiedenen Richtungen bietet der Beitrag von Müller-Oldenburg (1971).

  • 18

    Nach neuem Recht mussten nun u. a. Angaben über Art, sachliche und zeitliche Gliederung der Ausbildung, Dauer der täglichen Arbeitszeit, Höhe der Vergütung, Dauer des Urlaubs etc. im Lehrvertrag enthalten sein.

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