Nach einem Kommentar von BIBB-Präsident Manfred Kremer zum Titelthema „Jugendliche in Ausbildung“ beginnt die Ausgabe 3/2006 mit einem Interview mit Bundesbildungsministerin Dr. Annette Schavan. Sie erörtert Perspektiven zur Verbesserung auf dem Ausbildungsmarkt und setzt dabei auf die neue Dynamik durch den Ausbildungspakt.
Insgesamt dreizehn Beiträge zum Thema Ausbildung von Jugendlichen machen den Schwerpunkt des Heftes deutlich und bieten verschiedene Aspekte: von Analysen der momentanen Situation auf dem Lehrstellenmarkt über die Vorstellung neuer Auszubildendenprogramme bis hin zu speziellen Ansätzen, wie der Einbindung von Haftentlassenen in Ausbildungsverhältnisse.
Für den BIBB-Präsidenten Manfred Kremer macht es beim derzeit herrschenden Mangel an betrieblichen Ausbildungsplätzen keinen Sinn, alternative Ausbildungsmöglichkeiten abzulehnen. In dem Kommentar betont er, notwendig sei eine vorbehaltlose Zusammenarbeit zwischen regionaler Wirtschaft, Kammern, beruflichen Schulen und anderen Bildungseinrichtungen. Mit neuen Formen der dualen Kooperation sollten erstklassige ergänzende Berufsbildungsangebote entwickelt werden. Aus unproduktiven Warteschleifen müssten produktive Bildungsketten entstehen. Ziel sei es, möglichst allen Jugendlichen innerhalb von drei Jahren nach der Schule einen arbeitsmarktgängigen Berufsausbildungsabschluss zu ermöglichen.
Die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Dr. Annette Schavan - befragt nach den Zielen und Maßnahmen zur strukturellen Verbesserung der beruflichen Bildung - mahnt eine neue Dynamik des Nationalen Paktes für Ausbildung und Fachkräftenachwuchs an und spricht sich zudem für mehr vollzeitschulische Ausbildungsangebote aus, die für den Arbeitsmarkt qualifizieren.
Die 2005 erneut gestiegene Zahl der Schulabsolventinnen und Schulabsolventen führte zu einer erhöhten Nachfrage nach betrieblichen Ausbildungsstellen, ohne dass sich dies in der offiziellen Statistik widerspiegelt. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist jedoch auf einen historischen Tiefstand gesunken. Aufgrund dieses mismatches von Angebot und Nachfrage ist die Zahl der Jugendlichen, die sich eine duale Ausbildung wünschen, aber keinen Ausbildungsplatz erhalten haben, gegenüber dem Vorjahr noch einmal stark angestiegen. Die Schulabsolventenbefragungen des BIBB zeigen, welche Jugendlichen ihren Wunsch nach einer betrieblichen Ausbildung verwirklichen konnten und welche Personengruppen keine Ausbildungsstelle erhalten haben und deshalb von dieser Entwicklung besonders betroffen sind.
2005 fiel die Zahl der neuen Ausbildungsverträge auf den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. Gleichzeitig gab es bei den Absolventen aus den allgemein bildenden Schulen einen erneuten Höchststand. Dennoch verkündeten die Partner des Ausbildungspaktes eine 'leichte Entspannung auf dem Ausbildungsmarkt'. Tatsächlich nahm der Umfang der noch nicht vermittelten Bewerber ab, und die Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) verbesserte sich 2005 wieder ein wenig. Untersuchungen deuten allerdings darauf hin, dass die offizielle Statistik zur Transparenz auf dem Ausbildungsmarkt immer weniger beizutragen vermag und sich von den realen Gegebenheiten zunehmend entfernt. Vorgeschlagen wird deshalb ein neuer Berechnungsmodus, der das Ausmaß der tatsächlichen Probleme besser widerspiegelt.
Mit dem neuen Ausbildungsstrukturprogramm 'JOBSTARTER' fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung eine umfassende Initiative zur Verbesserung der Ausbildungsplatzsituation der Jugendlichen. Das Programm fasst mehrere Einzelinitiativen zusammen und zielt dabei auf strukturelle Innovationen in der Region. Im Beitrag werden die Programmstruktur von JOBSTARTER erläutert, erste Ergebnisse der gerade abgeschlossenen Förderrunde vorgestellt und ein Ausblick auf den Programmfortgang gegeben.
In Ostdeutschland bestehen nach wie vor beträchtliche Probleme auf dem Ausbildungsstellenmarkt. Bund und ostdeutsche Länder stellten im Jahre 2005 erneut Mittel für 14.000 zusätzliche außerbetriebliche Ausbildungsplätze im Rahmen des Ausbildungsplatzprogramms Ost bereit. Hiermit soll Jugendlichen eine berufliche Zukunftsperspektive eröffnet und dem absehbaren Fachkräftemangel der ostdeutschen Betriebe entgegengewirkt werden. Ein optimaler Einsatz der Mittel muss sichergestellt werden. Ausbildungsabbrüche und Fehlqualifizierungen gilt es zu vermeiden. Der Beitrag zeigt, wie die Programmteilnehmenden selbst ihre Ausbildung beurteilen. Hieraus ergeben sich wichtige Hinweise für notwendige Verbesserungen des Programms. Die Daten resultieren aus einer Ende 2004 vom BIBB durchgeführten Befragung der Teilnehmenden im 2. Ausbildungsjahr des Ausbildungsplatzprogramms. Gefragt wurde, wie die Teilnehmer wichtige qualitätsrelevante Aspekte ihrer Ausbildung einschätzen, ob sie ihren Berufswunsch realisieren konnten, wie zufrieden sie mit der Ausbildung sind, welche Probleme auftraten, ob sie schon an Ausbildungsabbruch gedacht haben und inwieweit die Ausbildung eine "Warteschleife" war.
Der Beitrag betont die Effektivität regionaler Netzwerke zur Unterstützung der Ausbildung von kleinen und mittleren Unternehmen in strukturschwachen Regionen exemplarisch anhand des STARegio-Projektes "Nordostbayerisches Ausbildungsnetz - NOBAN".
Viele Schulabgängerinnen und Schulabgänger aus der Sekundarstufe I bewerben sich vergebens um Ausbildungsplätze. Die Gründe sind nicht neu: nicht ausreichende Ausbildungsplätze, aber auch von der Wirtschaft beklagte Defizite bei der Ausbildungsreife von Jugendlichen. Untersuchungen des BIBB zeigen allerdings auch, dass sich diejenigen Jugendlichen mit konkreten Vorstellungen von Ausbildung, Beruf, Marktchancen sowie der Fähigkeit zu realistischer Selbsteinschätzung messbar beharrlicher und letztlich erfolgreicher bewerben als diejenigen, die die Schule ohne konkrete Berufswünsche - und das sind fast die Hälfte - verlassen. Schulische Berufsorientierung dürfte deshalb auch künftig an Bedeutung noch zunehmen. Dabei stehen Schülerbetriebspraktika wegen ihres besonderen Einflusses auf die Entstehung von Berufswünschen im Mittelpunkt. Das Forschungsprojekt "Beruf fängt in der Schule an - die Bedeutung von Schülerbetriebspraktika im Rahmen der Berufsorientierungsphase" des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) geht der Frage nach, inwieweit mit Erwartungshaltungen verbundene Ansprüche an Betriebspraktika und die Realität im Schulalltag übereinstimmen. Im Projekt werden Möglichkeiten und Grenzen dieser Praktika erkundet und Vorschläge zu ihrer Optimierung erarbeitet.
Gunter Dreßler; Christoph Eckhardt; Olaf Haustein; Günter Supp
Mit dem Modellprojekt "BERUFSSTART - vertiefte wirtschaftsnahe Berufsvorbereitung während der Schulzeit" erleichtert Thüringen seinen Jugendlichen den Übergang von der Schule in das Berufsleben. Die Ziele des Projekts bestehen vor allem darin, allen ausbildungsfähigen und ausbildungswilligen Schülern am Ende ihrer Schulzeit eine Chance zum Übergang in betriebliche Ausbildung zu bieten, unproduktive Warteschleifen möglichst zu vermeiden und Fehlentscheidungen bei der Berufswahl zu verhindern sowie mangelnder Ausbildungsreife schon während der Schulzeit durch differenzierte Förderung zu begegnen. Im Beitrag wird das Modellprojekt, das sich aus vielfältigen Einzelinitiativen und -maßnahmen sowie unterschiedlichen Akteuren und Projektpartnern zusammensetzt, vorgestellt.
Qualifizierungsbausteine gelten als geeignetes Instrument zur gezielten Unterstützung von Jugendlichen mit besonderem Förderbedarf. Sie wurden bisher insbesondere in der außerschulischen Ausbildungsvorbereitung entwickelt und erprobt. Im Modellversuch "Qualifizierungsbausteine in der schulischen Ausbildungsvorbereitung" (QUAV) wird dieses Instrument jetzt im schulischen Kontext erprobt. Ausgehend von Überlegungen zu neuen Formen der schulischen Berufsausbildungsvorbereitung zielt QUAV auf eine Weiterentwicklung der Förderangebote im Berufsvorbereitungsjahr (BVJ), um so den Übergang an der ersten Schwelle zu befördern. Der Beitrag präsentiert Erkenntnisse aus dem Modellversuch und erste Evaluationsergebnisse. Dabei fokussierte die Evaluation zunächst auf Veränderungen innerhalb des Systems Schule und konnte hier eine Vielzahl von positiven Auswirkungen aufzeigen.
Klaus Albert; Peter Albrecht; Armin Albers; Claudia Albrecht; Inna B. Akinshina
Zur Vorbeugung von Ausbildungslosigkeit ist es besonders wichtig, die Jugendlichen genauer zu kennen, die über ein erhöhtes Abbruchrisiko verfügen bzw. denen es nicht gelingt, in eine Berufsausbildung einzumünden. Der Beitrag setzt sich mit der Frage auseinander, wer sich zu verschiedenen Zeiten in der Gruppe der Jugendlichen ohne Berufsausbildung in Westdeutschland befindet und wie maßgeblich sie sich in den letzten 50 Jahren verändert hat. Vorgestellt werden empirische Befunde einer Längsschnittstudie, die es ermöglicht, im Geburtskohortenvergleich einen deutlichen Strukturwandel dieser Bildungsgruppe sichtbar zu machen. Die Ergebnisse eröffnen den Blick für notwendige Veränderungen von Politikinstrumenten zur frühzeitigen Unterstützung dieser "Problemgruppen“.
In Frankreich wird aufgrund der aktuellen Probleme im Bildungs- und Beschäftigungssystem inzwischen von der so genannten "génération précaire" gesprochen. Zeichnen sich für Deutschland ähnlich ungünstige Entwicklungen für Jugendliche und junge Erwachsene ab? Jeder zehnte Jugendliche zwischen 15 und 19 Jahren in Deutschland ist inzwischen ohne Ausbildung - Änderung nicht in Sicht. Zudem verschärfen sich die Probleme beim Übergang in Beschäftigung. Besonders betroffen sind Jugendliche mit Migrationshintergrund. Ausbildungslosigkeit unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen ist zu einem Strukturbestandteil des Bildungssystems geworden. Alternative Konzepte, die mehr Jugendlichen eine berufliche Ausbildung ermöglichen, sind dringend gefragt. Der Autor liefert aktuelle und differenzierte Hintergrundinformationen zu diesem wichtigen Thema auf der Grundlage einer Auswertung des Mikrozensus.
Zur weiteren Umsetzung des 1977 in Kraft getretenen Strafgesetzvollzugsgesetzes, das den Resozialisierungsgedanken als vorrangiges Vollzugsziel betont, ist es notwendig, den Gefangenen adäquate Angebote zu unterbreiten, die ihre berufliche und gesellschaftliche Integration nach der Haftentlassung fördern. Im Beitrag wird ein Modellprojekt vorgestellt, das diesem Gedanken verpflichtet ist. Der Grundgedanke des Projektes besteht darin, die berufliche Qualifizierung und die Unterstützung der Vermittlung Haftentlassener zu kombinieren, um ihnen die berufliche Resozialisierung zu erleichtern. Junge Strafgefangene ohne Berufsausbildung können während der Haft eine modulare Ausbildung nach dem Sächsischen Qualifizierungspass absolvieren, die den Erwerb von am Arbeitsmarkt anerkannten Teilqualifikationen eines Ausbildungsberufes ermöglicht.
Die Ausbildungsbeteiligung ausländischer Jugendlicher sinkt seit zehn Jahren kontinuierlich. Der Mangel an Ausbildungsstellen wirkt sich für ausländische Jugendliche besonders negativ aus, sie werden zunehmend vom Ausbildungsstellenmarkt verdrängt. Der Beitrag stellt die Entwicklung der Ausbildungsbeteiligung ausländischer Jugendlicher anhand von zwei Indikatoren der amtlichen Statistik dar und diskutiert die Ursachen ihrer Verdrängung aus dem dualen System der Berufsausbildung.
Die Ausbildungsbeteiligungsquote (AQ) von Jugendlichen im dualen System wurde 2005 vom BIBB auf eine neue, den veränderten Bedingungen entsprechende, Datengrundlage gestellt. Betroffen sind die zugrunde gelegten ausbildungsrelevanten Altersgruppen und die verwendeten Datenquellen, die im Beitrag erläutert werden.
Gegenstand der Sitzungen des Hauptausschusses des BIBB vom März 2006 waren die Stellungnahme zum Berufsbildungsbericht 2006 und das erstmals vorgelegte jährliche Forschungsprogramm des BIBB.