Zum umfassenden Thema Berufe 2006 bietet die Ausgabe 4/2006 entsprechend umfangreiche Informationen. Eröffnet wird das Heft durch den Kommentar von Professor Dr. Reinhold Weiß „Beruflichkeit und Modularisierung schließen sich nicht aus", in dem er Probleme und Ansätze von Neuordnungsverfahren zu verschiedenen Berufen skizziert und einen Blick auf europäische Nachbarländer wirft.
In insgesamt elf weiteren Beiträgen zum Thema werden neue Berufe vorgestellt, aber auch allgemeine Themen wie Ausbildungspartnerschaften oder Zusatzqualifikationen kommen nicht zu kurz. Außerdem werden die Ergebnisse dreier Fallstudien zur Einführung neugeordneter Berufe in innovativen Branchen vorgestellt.
Aktuelle Beiträge zu den Hochschultagen, den juristischen Besonderheiten bei der Ausbildungsvergütung in öffentlichen oder durch Spenden geförderten Ausbildungsverhältnissen sowie eine Schweizer Studie zur Exzellenzentwicklung in der Berufsbildung runden das Heft 4/2006 ab.
Mit vier neuen und 17 modernisierten Ausbildungsberufen wird in diesem Jahr die Modernisierung der dualen Berufsausbildung weitergeführt. Die Anzahl der seit 1996 neu geordneten Ausbildungsberufe erhöht sich dadurch auf 273, wovon 46 Berufe völlig neu geschaffen und 227 Berufe modernisiert wurden. Darüber hinaus haben auch die Neuordnungsaktivitäten bei der Fortbildung zugenommen: Vier Fortbildungsregelungen treten voraussichtlich 2006 in Kraft.
Ausgehend von den Ergebnissen der international vergleichenden Schulstudien und den schlechten Noten, die das deutsche Schulsystem erhielt, wurden für den allgemein bildenden Unterricht outputorientierte Bildungsstandards entwickelt und verbindlich eingeführt. Vor diesem Hintergrund greift der Beitrag das Thema für die Berufsausbildung auf. Nach einer Betrachtung des Konzepts der "Bildungsstandards" und deren Würdigung werden Standards der Berufsausbildung dargestellt. Weiter wird der Frage nachgegangen, wie die Überlegungen im allgemein bildenden Bereich für die Berufsbildung "anschlussfähig" gemacht werden können und welche Forschungs- und Entwicklungsfragen für die Berufsbildungsforschung daraus resultieren.
Friedrich Kerka; Bernd Kriegesmann; Christina A. Sieger
Die Biotechnologie gilt als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts. Bislang bleiben die erhofften Wachstums- und Beschäftigungseffekte aber hinter den Erwartungen zurück. Als ein entscheidendes Innovationshemmnis kristallisiert sich der Mangel an naturwissenschaftlich-technisch versierten Fachkräften mit anwendungsnaher Ausrichtung heraus. Es gelingt bisher nur unzureichend, Eliten für die Umsetzung der Ergebnisse von Spitzenforschung zu entwickeln. Die Kompetenzengpässe resultieren vor allem aus Versäumnissen im Ausbildungs- und Weiterbildungssystem, wie eine aktuelle Studie des IAI (Institut für Angewandte Innovationsforschung Bochum) zeigt.
Die Einrichtung von Ausbildungsplätzen in neuen und neu gegründeten Ausbildungsberufen stellt hohe Anforderungen an die Unternehmen. Gerade hochspezialisierte Betriebe, die ihre Fachkräfte selbst ausbilden wollen, können meist nicht alle Bestandteile einer Ausbildungsordnung selbst vermitteln oder nur unter sehr hohem Aufwand. So sind die in den letzten Jahren im Bereich der neuen Technologien entstandenen Ausbildungspartnerschaften und branchenspezifischen Ausbildungsnetzwerke als eine zukunftsweisende Antwort auf diese Herausforderung zu verstehen. Die drei vorgestellten Praxisbeispiele zeigen, welches Potenzial das Instrument Ausbildungspartnerschaft zur Einführung neuer Ausbildungsberufe bereithält." Bei den Praxisbeispielen handelt es sich um die "Ausbildungskooperative Mechatroniker Bremen", das Dortmunder Ausbildungskonsortium Biologielaboranten und den Ausbildungsverbund Mikrotechnologie Berlin.
Neue Ausbildungsberufe im Dienstleistungsbereich sollen Ausbildungsplätze in Bereichen erschließen, die traditionell bisher wenig oder in anderer Form ausbilden. Aus diesem Grund wurden im BIBB in den letzten Jahren eine Reihe von Ausbildungsberufen für den Dienstleistungssektor entwickelt. Ziel eines Forschungsprojektes des BIBB ist es nun, Strategien zur erfolgreichen Implementation solcher Ausbildungsberufe zu erschließen. Die Implementation wurde exemplarisch untersucht anhand des Automobilkaufmanns und der Berufe Kaufmann im Gesundheitswesen, Veranstaltungskaufmann und Sport- und Fitnesskaufmann. In einem ersten Schritt werden die am Prozess beteiligten Akteure und Implementationsträger zu ihren Erfahrungen bei der Einführung ausgewählter neuer Berufsbilder in die Praxis befragt. Eine Zielgruppe der Befragung sind die Auszubildenden selbst, die aus ihrer Perspektive die Implementation beschreiben und bewerten sollen. Erstes Fazit der Untersuchung: Das Ansehen der Ausbildungsberufe wird von den angehenden Kaufleuten zum großen Teil positiv bewertet, trotzdem wägen sie die Weiterempfehlung der Berufe eher ab, denn insbesondere bei der Umsetzung der Ausbildungsinhalte in die betriebliche Praxis gibt es kritische Stimmen.
Rainer Brötz; Marlies Dorsch-Schweizer; Thomas Haipeter
Der Beruf der Bankkaufleute ist in der Diskussion. Massive Umstrukturierungsprozesse in den Kreditinstituten verändern Tätigkeitsprofile und Einsatzbereiche gelernter Bankkaufleute und stellen neue Herausforderungen an das Berufsbild. Sowohl die Wissenschaft wie auch Experten aus der Praxis thematisieren die Qualifikationsanforderungen zukünftiger Bankkaufleute und den Reformbedarf der Berufsausbildung. Der Beitrag setzt die Diskussion in Verbindung zu den Bedingungen der derzeitigen Ausbildungsrealität und verweist dabei auf einige Ergebnisse einer Studie des BIBB zur "Qualifikationsentwicklung des Bankgewerbes.
Die technologischen und wirtschaftlichen Entwicklungen der vergangenen Jahre erforderten die inhaltliche Neugestaltung kaufmännischer Medienberufe. Zum 1. August 2006 lösen deshalb die Ausbildungsberufe Medienkaufleute Digital und Print die bisherigen Verlagskaufleute sowie die Kaufleute für Marketingkommunikation die bisherigen Werbekaufleute ab. Dabei werden neue technologische Inhalte und ein erweitertes Produkt- und Dienstleistungsspektrum in die Ausbildung integriert. Durch die neuen Inhalte und Berufsbezeichnungen sollen auch neue Branchen und Branchensegmente für die Ausbildung gewonnen werden.
Die Berufsausbildung zum Mathematisch-technischen Assistenten (MATA), die bis heute auf der Grundlage einer Kammerregelung aus dem Jahre 1965 in Verbindung mit Paragraf 108 BBiG (alt) erfolgt, wird derzeit neu geordnet. Der Beitrag berichtet über die Diskussion um die Vorbehalte im Vorfeld der Neuordnung.
Manuela Thiele; Christian Matschulla; Ansgar Richter
Seit 2005 besteht für Auszubildende im Rhein-Main-Gebiet die Möglichkeit, eine Zusatzqualifikation als "Consulting Assistant" (CA) zu absolvieren, mit dem Ziel, die Wissens- und Leistungslücke zwischen akademisch qualifizierten Beratern und Assistenzkräften zu verringern. Im Beitrag werden erste Erfahrungen bei der Implementierung einer solchen Zusatzqualifikation aufgezeigt.
Zum 1. August 2006 trat die Verordnung zum Ausbildungsberuf Immobilienkaufmann/Immobilienkauffrau in Kraft und löst den bisherigen, zuletzt 1996 neu geordneten Ausbildungsberuf Kaufmann/-frau in der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft ab. Die alte Ausbildungsordnung wurde an die neuen Herausforderungen der Immobilienwirtschaft angepasst. Neben den veränderten Inhalten wird dies erkennbar durch den neuen Titel und eine neue Struktur, die durch wählbare Qualifikationseinheiten ein größeres Spektrum unterschiedlicher Markt- und Unternehmensprofile abdeckt. Ausgehend von den Entwicklungstrends in der Immobilienwirtschaft skizziert der Beitrag die Neuerungen der Ausbildungsordnung.
Neue berufliche Anforderungen an den Beruf des Wasserbauers waren ausschlaggebend für die Entwicklung einer neuen Ausbildungs- und Prüfungsordnung. Die neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung wurde handlungsorientiert und praxisnah gestaltet. Das BIBB entwickelte hierzu - neben den Erläuterungen mit Praxistipps und Hinweisen zur Umsetzung der Ausbildungsordnung - erstmalig auch einen Prüfungsaufgabenpool. Dieser Prototyp kann später auf andere Berufe übertragen werden. Der Beitrag stellt die neuen Entwicklungen dar und erläutert an einem Beispiel den Aufgabenpool.
Professionell tätige Aus- und Weiterbilder/-innen im Betrieb sollen ein eigenes Berufsangebot und damit eine Anerkennung ihrer berufspädagogischen Profession erhalten. Eine wesentliche Grundlage dafür liefert der Abschluss "Berufspädagoge IHK für Aus- und Weiterbildung" der IHK für München und Oberbayern aus dem Jahr 2005. Im Beitrag werden Intentionen und Konzept des Berufs vorgestellt und die aktuellen ordnungspolitischen Entwicklungen in diesem immer wichtiger werdenden Dienstleistungsfeld skizziert.
Der Beitrag präsentiert Teilergebnisse einer Schweizer Längsschnittstudie zur beruflichen Entwicklung überdurchschnittlich begabter Lehrlinge. Die 2004 gestartete Studie hat das Ziel, die Entwicklung beruflicher Leistungsexzellenz zu erklären. Dazu werden Begabungsprofile, Person- und Umweltmerkmale und ihr Einfluss auf die Leistungsexzellenz ermittelt. Im Mittelpunkt stehen die Schlüsselqualifikationen. Beruflich begabte Lehrlinge erzielen in drei Bereichen herausragende Schlüsselqualifikationen: in den berufspraktischen und allgemein bildenden Kenntnissen und Fertigkeiten, im selbstständigen Denken und in Arbeitstugenden wie Gewissenhaftigkeit, Verantwortungsbewusstsein oder Kritikfähigkeit. Besonders auffallend sind die ausgeprägten Geschlechtsunterschiede. Beruflich begabte weibliche Lehrlinge schätzen ihre Schlüsselqualifikationen zwar signifikant schlechter ein als ihre männlichen Kollegen, doch erzielen sie im Urteil der Lehrmeister hervorragende und damit deutlich bessere Ergebnisse.
Seit vielen Jahren führt die angespannte Ausbildungsplatzsituation regelmäßig zu einer Debatte über niedrigere und flexiblere Ausbildungsvergütungen. In dem Beitrag wird dargestellt, welche rechtlichen Rahmenbedingungen bei der Ausgestaltung der Ausbildungsvergütungen zu beachten sind. Dies betrifft zum einen die Ausbildungsbetriebe, die nicht einer Tarifgemeinschaft angehören, zum anderen öffentlich oder durch Spenden finanzierte Ausbildungsverhältnisse. Ihnen gilt die besondere Aufmerksamkeit der Ausführungen.