Das Motto des 5. BIBB-Fachkongresses "Zukunft berufliche Bildung" wurde zum Anlass genommen, um aktuelle nationale und internationale Entwicklungen in der Berufsbildung vorzustellen. Der Bogen reicht von Untersuchungen zu den Chancen von Hauptschülern auf einen Ausbildungsplatz, der Unterstützung der beruflichen Bildung durch Wissens-management bis zur Kompetenzentwicklung in europäischen Unternehmen und ersten Vorstellungen, wie ECVET umgesetzt werden soll. Professor Reinhold Weiß, Forschungsdirektor des BIBB, fragt "Bachelor Professional - ein Beitrag zur Aufwertung der beruflichen Bildung?" Ergänzt wird die Ausgabe mit einem 20-seitigen Sonderteil. Er enthält Thesen und Fragestellungen des BIBB zu den acht Foren des 5. BIBB-Fachkongresses 2007.
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Ausgehend von der Diskussion über eine Systemkrise der dualen Berufsausbildung in Deutschland werden im Beitrag in einer längerfristigen Betrachtung (Zeitraum 1960er bis 1990er Jahre) Analysen zur Entwicklung der betrieblichen Ausbildung und ausgewählter Rahmenbedingungen skizziert. Hierbei zeigt sich in den letzten Jahren ein deutlicher Zusammenhang zwischen der äußerst ungünstigen Beschäftigungsentwicklung und dem Abbau betrieblicher Ausbildungskapazitäten. Empirische Belege für eine im Wesentlichen hausgemachte Krise des dualen Systems lassen sich dagegen nicht ableiten. Für die Zukunft der dualen Berufsausbildung bedeutet dies eine im Vergleich zu früheren Phasen stärkere Anbindung des betrieblichen Ausbildungsangebots an den aktuellen und künftigen Fachkräfte- und Qualifikationsbedarf der Wirtschaft.
Die dynamische Arbeitswelt stellt hohe Anforderungen an die Flexibilität der Beschäftigten. Veränderte Berufsstrukturen und neue Anforderungen können auch Berufswechsel zur Folge haben. Die sich im Zeitverlauf insgesamt nur wenig veränderte Berufswechselrate deutet jedoch darauf hin, dass der Beruf in Deutschland nach wie vor ein Fundament darstellt, auf dem Flexibilität aufbauen kann. Die Ergebnisse der BIBB/BAUA-Erwerbstätigenbefragung 2006 zeigen, dass Erwerbstätige mehrheitlich immer noch im erlernten oder einem verwandten Beruf arbeiten. Ein erheblicher Teil der Berufsverläufe hat aber auch zu einem Wechsel in ausbildungsfremde Tätigkeiten - und in hohem Maße in unterwertige Beschäftigung - geführt. Die Flexibilität von Erwerbstätigen zeigt sich jedoch weniger im Wechsel des erlernten Berufs, als vielmehr an den zu bewältigenden Arbeitsanforderungen, wie Problemlösungskompetenz, Kreativitäts- und Lernanforderungen.
Seit Mitte der 90er-Jahre erhält eine wachsende Zahl von Jugendlichen keine Lehrstelle oder kann erst nach Warteschleifen in eine Berufsausbildung eintreten. Hiervon sind Jugendliche mit Hauptschulabschluss - früher die klassische Vorbildung für eine Lehre - besonders betroffen. Der Beitrag untersucht anhand der Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes, inwieweit und in welchen Berufen diese Jugendlichen noch im dualen System vertreten sind. Gezeigt wird, dass der längerfristige Rückgang der Hauptschüleranteile sowie die Schrumpfung des Berufsspektrums für Hauptschüler nicht allein durch den Lehrstellenmangel bedingt sind. Ihre geringe Repräsentanz in Dienstleistungsberufen und in neuen Ausbildungsberufen deutet darauf hin, dass die Chancen der Hauptschüler auch im Zuge der Tertiarisierung und steigender Arbeitsanforderungen sinken.
Angesichts der zentralen Bedeutung einer abgeschlossenen Berufsausbildung für die Beschäftigungsfähigkeit in Deutschland stellt sich die Frage, welche Zugangschancen und alternative Möglichkeiten einer anerkannten Berufsausbildung Jugendliche mit Hauptschulabschluss heute haben. Der Beitrag zeigt anhand einer BIBB-Schulabgängerbefragung, dass Jugendliche mit Hauptschulabschluss geringere Chancen auf eine qualifizierte Berufsausbildung und weniger Wahlmöglichkeiten haben als diejenigen mit mittlerem oder höherem Schulabschluss.
Die Fähigkeit, mit Wissen umzugehen, ist eine zentrale Anforderung an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Organisationen - nur so kann die Wettbewerbsfähigkeit langfristig gesichert werden. Dies gilt auch für alle Beteiligten der beruflichen Bildung. Das Fachgebiet, das sich mit Wissen in Organisationen beschäftigt, ist das Wissensmanagement. Dieser Beitrag beleuchtet die Relevanz von Wissensmanagement für die berufliche Bildung und gibt zugleich einen Überblick zu bereits existierenden Ansätzen. Er schließt mit einem Ausblick auf Aspekte eines zukünftigen Wissensmanagements der Berufsbildung.
Im Beitrag geht es um einen Sektor industrieller Produktion, der einerseits von Hochtechnologie, andererseits von manufakturähnlichen Arbeitsformen geprägt ist. Der Sektor der europäischen Luft- und Raumfahrtindustrie ist zwangsläufig am Weltmarkt orientiert und transnational organisiert. Die "Zukunft der beruflichen Bildung" wird hier schon in Modellprojekten in Ansätzen sichtbar. Der beteiligte deutsche Partner AIRBUS bzw. EADS erfüllt seine Ausbildungs- bzw. Qualifizierungsfunktion im Rahmen des dualen Systems in einem Unternehmen, das mehrheitlich von ganz anderen Ausbildungstraditionen geprägt ist. Dies wird in einem Leonardo Da Vinci Projekt zum Vergleichsgegenstand gemacht, über den dieser Beitrag ebenfalls informiert.
Mit der Einführung ganzheitlicher, standardisierter Produktionssysteme, vor allem in der Automobilindustrie, entsteht mit dem qualifizierten Routinearbeiter ein neuer Arbeitskrafttypus, der durch ambivalente Handlungs- und Kompetenzanforderungen geprägt ist. Dies wirft Fragen der Zukunft der beruflichen Aus- und Weiterbildung auf, die verkürzte Ausbildungswege als ordnungspolitische Perspektive einfacher Arbeit erscheinen lassen, andererseits aber aufgrund der höherwertigen, insbesondere Partizipationsanforderungen moderner Produktionssysteme, zu kurz greifen. Eine Lösung hierzu könnte in der Anwendung des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQF) liegen, der unterschiedliche Kompetenzen im Rahmen des lebenslangen Lernens abbildbar und zertifizierbar macht.
Im Jahre 2006/2007 hat sich das BIBB an zwei europäischen Studien zum Europäischen Leistungspunktesystem für die berufliche Bildung (ECVET) beteiligt: ECVET REFLECTOR und ECVET CONNEXION. Zentrales Anliegen war, das Terrain für die Umsetzung von ECVET in den Qualifikations- bzw. Berufsbildungssystemen zu sondieren und Vorschläge im Sinne der Aktionsforschung für die Akteure - sowohl der europäischen Berufsbildungspolitik als auch der nationalen und regionalen Bildungssysteme - zu formulieren. Beteiligt waren über 500 europäische Organisationen der Berufsbildung in 33 Ländern. Der Beitrag zeichnet strategische Momente auf, die die Zukunft der beruflichen Bildung in Europa prägen könnten." Beide Studien zeigen, dass die ECVET-Merkmale in Europa weitgehend positiv aufgenommen wurden, machen aber ebenfalls deutlich, dass die Anwendung und Umsetzung von ECVET nicht ohne seine Adaption an die nationalen/regionalen System möglich sind. Der Beitrag beruht auf den Abschlussberichten beider Studien.
Bildungspolitische Auseinandersetzungen sind in den USA ein ständiges herausragendes Thema nationaler Debatten aller gesellschaftlichen Gruppen. Ein solcher Kommissionsbericht wurde im Dezember 2006 in Washington D.C. vorgestellt: "Tough Choices or Hard Times". Die Analyse trifft auf die derzeitigen Probleme aller Industriestaaten auf ihrem Wege in die globale Wissensgesellschaft zu. Die Reformvorschläge sind radikal, vor allem wenn man sie mit den Reformansätzen in Deutschland vergleicht. Diese sind weniger schmerzhaft. Es lohnt sich, radikaleren Lösungen Aufmerksamkeit zu widmen." Die zehn Vorschläge zur Reform des amerikanischen Bildungswesen sind: (1) Staatliche Examen setzen die Standards. (2) Die verfügbaren Ressourcen werden effizienter genutzt. (3) Aus dem ersten Drittel der besten Studenten werden die Lehrer rekrutiert. (4) Standards, Prüfungen und Curricula werden entwickelt, die die heutigen Bedürfnisse und die Anforderungen von morgen reflektieren. (5) Höchste Anforderungen werden an die Leitung, Finanzierung, Organisation und das Management der Schulen gestellt. (6) Der Kleinkinderziehung wird erste pädagogische Qualität zugewandt. (7) Den schwächsten Lernenden die stärkste Hilfe. (8) Biete allen Beschäftigten die Chance, die notwendigen neuen Qualifikationen zu erwerben. (9) Jedermann erhält ein Bildungskonto. (10) Regionale Wirtschaftsförderung und regionale Berufsbildungsplanung werden miteinander verbunden.
Im Mai 2007 hat die Wirtschaftsministerkonferenz in einem Beschluss festgestellt, dass 'eine Reihe hochwertiger, im Wege der beruflichen Bildung erworbener Qualifikationen mit akademisch erworbenen Qualifikationen gleichwertig sind.' Es sei daher gerechtfertigt, Bezeichnungen einzuführen, die diese Gleichwertigkeit dokumentieren. Als Beispiel wird auf den "Bachelor Professional" und den "Master Professional" verwiesen. Das entspricht der Position der Kammerorganisationen, die in diesem Zusatz eine wichtigen Beitrag für eine Aufwertung der beruflichen Bildung sehen. Der HRK-Senat protestierte umgehend und vorhersehbar: Er will die Abschlussbezeichnungen als akademische Abschlüsse geschützt wissen. Auch die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB stehen diesem Vorstoß reserviert bis ablehnend gegenüber." Der Autor diskutiert die Einführung des Bachelor Professional unter den Gesichtspunkten Rechtslage, Gleichwertigkeit von Abschlüssen, Qualitätssicherung, Wettbewerb zwischen Hochschul- und Fortbildungsabschlüssen und Durchlässigkeit.
Die duale Ausbildung kann und soll auch mittel- und langfristig die zentrale Quelle für Fachkräftenachwuchs bleiben. Dies wird nach Einschätzung der Arbeitgeber gelingen, wenn ihr Potenzial an Flexibilität, Vielfalt, Durchlässigkeit und Transparenz konsequent weiterentwickelt wird - allerdings nicht nach einem Einheitsmodell. Ziel der Vorschläge der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) für "Neue Strukturen in der dualen Ausbildung" ist die Gewinnung von Bewegungsspielraum und zusätzlichen Gestaltungschancen - für interessierte Branchen und geeignete Berufe. Neben drei Strukturelementen (Bausteine, Berufsgruppen, Strukturmodell 2 plus x) hat der Bildungsausschuss der BDA Vorschläge für neue Formen der Leistungsfeststellung vorgelegt. Hieraus ergeben sich vielfältige Chancen für Betriebe und Jugendliche.