Mit dem Beschluss der UN-Vollversammlung, die Jahre 2005 bis 2014 zur Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“ auszurufen, wurde die Rolle der Bildung für die Gestaltung und Sicherung einer gerechten Lebensgrundlage für alle Menschen auf diesem Planeten hervorgehoben. Welchen Beitrag kann die berufliche Bildung dazu leisten? Die Beiträge der BWP-Ausgabe stellen Hintergründe und Entwicklungen zur Weltdekade vor und beleuchten Perspektiven, wie BBNE selbst zur Modernisierung der beruflichen Bildung beitragen kann. Hierzu werden Ergebnisse aus den BIBB-Modellversuchen zur Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung aufgezeigt. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf entwickelten Produkten und Transfermaßnahmen.
Im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ist "Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung (BBNE) seit einigen Jahren zu einem viel beachteten Arbeitsschwerpunkt herangewachsen. Der Präsident des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), Manfred Kremer, gibt in seinem Kommentar eine Übersicht über unterschiedliche Aktivitäten, die entfaltet worden sind, um Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung in der beruflichen Bildung zu implementieren.
Der Bundesumweltminister wird befragt, wie sich der Gedanke der Nachhaltigkeit in seinem Ministerium widerspiegelt, welche Strategien zu seiner Umsetzung verfolgt werden und welche Ansätze der Zusammenarbeit es mit dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) gibt. Ziel der Bildungsaktivitäten des Bundesumweltministeriums ist, wichtige umweltpolitische Themen so aufzubereiten, dass sie in die reguläre schulische und außerschulische Bildungsarbeit einfließen können. Im Bereich der beruflichen Bildung wurde die Zusammenarbeit zwischen dem Bundesumweltministerium (BMU), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Rahmen der BMU-Ausbildungsinitiative "Umwelt schafft Perspektiven" verstärkt.
Bildung für eine nachhaltige Entwicklung hat Rückenwind bekommen. Das zeigen der UN-Bericht zur Klimaentwicklung, der erklärte Wille von Politikern und Parteien, den Klimaschutz zu verstärken und Nachhaltigkeit voranzubringen sowie die UN-Dekade "Education for sustainable development" mit ihren nationalen Folgeaktivitäten. Der Beitrag erläutert die Bildungsdimensionen der Leitidee "nachhaltige Entwicklung" und beschreibt Prozesse und Erkenntnisse aus dem Programm "Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung" (BBNE). Damit BBNE als Modernisierungsposition für die gesamte Berufsbildung genutzt werden kann, müssen diesbezügliche Aktivitäten, Vernetzungen und Forschungsbemühungen weiter intensiviert werden.
Der Erwerb beruflicher Handlungskompetenz gilt als oberstes Ziel beruflicher Ausbildung. Dieser Aufsatz geht der Frage nach, ob gängige Konzepte und Modelle der Kompetenzentwicklung auch für die Beschreibung von Kompetenzen für eine Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung (BBNE) geeignet sind. Dazu werden zunächst berufsübergreifende und berufsspezifische Kompetenzen einer BBNE beleuchtet und das Konzept einer umfassenden Gestaltungskompetenz in der Allgemeinbildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) in Bezug auf seine Anwendbarkeit in der Berufsbildung diskutiert. In der Auseinandersetzung mit zwei Kompetenzmodellen wird gezeigt, dass BBNE sinnvoll an die gängige Kompetenzdiskussion in der Berufsbildung anknüpfen kann. Mit zwei spezifischen Bündelungen von Kompetenzen, der Gestaltungs- und der Systemkompetenz für Nachhaltigkeit muss sie dabei aber weiterführenden Perspektiven nachgehen.
Modellversuche unterstützen die Bemühungen für eine nachhaltige Entwicklung in der Berufsbildung. Sie sind ein Instrument, Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung strategisch und methodisch umzusetzen. Die Modellversuchsreihe "Bildung für eine nachhaltige Entwicklung" wird seit 2000 vom BMBF gefördert und vom BIBB betreut. Der Beitrag gibt einen Überblick.
Der Modellversuch "Entwicklung und Erprobung eines Weiterbildungskonzepts zu nachhaltigem Wirtschaften als Zukunftschance für das Handwerk - BfNW-Handwerk - setzt an Erfahrungen und Problemen von Handwerksbetrieben an und sieht nachhaltiges Wirtschaften als Chance der aktiven unternehmerischen Zukunftsgestaltung. Er sollte Wege aufzeigen, wie man Handwerksbetriebe dafür sensibilisieren und qualifizieren kann, nachhaltiger zu handeln. Im Rahmen des Modellversuchs ist ein Qualifizierungs- und Beratungskonzept gemeinsam mit einer gewerbeübergreifenden Gruppe von Handwerksbetrieben aus Nordrhein-Westfalen erprobt worden.
Mittlere Führungskräfte der Industrie in Fertigungs- und Instandhaltungsprozessen müssen zunehmend Aufgaben nicht nur technisch und wirtschaftlich lösen, sondern auch unter Aspekten der Nachhaltigkeit gestalten. Im Modellversuch "Förderung des nachhaltigen Handelns von mittleren Führungskräften ..." wird der Produktionsprozess einer Gießerei durch eine computergestützte Lernumgebung als Grundlage für einen didaktisch aufbereiteten Lernprozess simuliert mit dem Ziel, fachbezogene und übergreifende Kompetenzen zu fördern.
Im Modellversuch "Qualifizierung im nachhaltigen Sportstättenmanagement" (QuaSpo) wird ein modulares Qualifizierungssystem entwickelt, durch dessen Nutzung Sportstättenverantwortliche ihre Kompetenzen im Sinne eines nachhaltigen Managements von Sportanlagen verbessern können.
Ziel des Modellversuchs "Nachwachsende Rohstoffe" ist die Qualifizierung von Arbeitskräften im ländlichen Raum für die neuen Geschäftsfelder im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe.
Im Modellversuch "Erhöhung der Nachhaltigkeit in der beruflichen Bildung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Zielgruppen (ErNach)" liegt der Schwerpunkt auf einer Erprobung von geeigneten Bildungsdienstleistungen mit Nachhaltigkeitserkundungen als wesentlichem Gestaltungselement. Die Befragung von Lehrkräften und Auszubildenden sollte Erkenntnisse bringen, bei welchem Verständnis von Nachhaltigkeit anzusetzen ist, welches Bewusstsein vorhanden ist und welche Lernmöglichkeiten methodisch als auch inhaltlich in der Ausbildung bereits gegeben sind oder geeignete Anknüpfungspunkte darstellen. Die Befragungsergebnisse machten deutlich, dass die Auszubildenden für Aspekte der Nachhaltigkeit grundlegend sensibilisiert werden müssen. Im Modellversuch wurden deshalb Curricula konzipiert, die eine allgemeine Sensibilisierung mit berufsbildtypischen Aufgabenstellungen verbindet.
Der Modellversuch "fit for a long time car" zielt darauf ab, die verstärkte Orientierung am Leitbild der Nachhaltigkeit für Unternehmen der Automobilzulieferindustrie (AZI) mit nachhaltigkeitsorientierten beruflichen Lern- und Arbeitsprozessen zu unterstützen. Kern des Bildungskonzepts ist die Vernetzung von informellen und formalen Lernprozessen, deren Basis regionale branchenorientierte Bildungsnetzwerke bilden.
Übergeordnete Ziele des Modellversuchs NICA (Nachhaltigkeit in der Chemieausbildung) sind die notwendige Kompetenzerweiterung der Azubis und späteren Fachkräfte um die Schlüsselqualifikation "Nachhaltigkeit" im Sinne von Zukunftsfähigkeit sowie die Entwicklung praktikabler Ansätze zur Optimierung der betrieblichen Ausbildungsrealität. Berufsbildung für nachhaltige Entwicklung wird dabei als ein ganzheitliches Konzept verstanden. Im Spannungsfeld von wirtschaftlicher Machbarkeit und Effizienz (Ökonomie), Verantwortung für die Umwelt (Ökologie) und sozialer Verantwortung geht es darum, neue Erkenntnisse für den Erwerb von Gestaltungskompetenz für alle am Modellversuch Beteiligten zu erlangen. Ein im Rahmen des Modellversuchs entwickeltes Kriterien- und Indikatorenmodell unterstützt diese Bemühungen für eine zukunftsfähige, nachhaltige Entwicklung. Im Beitrag werden die Grundlagen des Modells sowie erste Erfahrungen einer Nachhaltigkeitsbegehung vorgestellt.
Globalisierungsprozesse bergen Chancen und Risiken für die ökologische, soziale und ökonomische Entwicklung. Sie ermöglichen einerseits Begegnung und Austausch zwischen den Kulturen. Andererseits sind menschenverursachte Klimaveränderungen mit existenziellen globalen Auswirkungen mittlerweile anerkannt und fordern rasches Gegensteuern, um die Lebensgrundlagen zu bewahren. Damit in Verbindung stehen Auseinandersetzungen um begrenzte Ressourcen; Elementarbedürfnisse vieler Menschen können nicht befriedigt werden, Migrationsprozesse nehmen an Bedeutung zu. Zukunftsgestaltung im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung erfordert das Handeln aller - sowohl beruflich als auch privat. Das hier vorgestellte Projekt untersucht exemplarisch, welche Herausforderungen sich daraus für die Berufsarbeit und die Berufsbildungspraxis ergeben und identifiziert hierfür förderliche Forschungs- und Entwicklungsaufgaben.
In Hamburg wurde das Zentrum für zukunftsorientiertes BAuen ZzB e.V. gegründet mit dem Ziel, nachhaltiges Bauen und nachhaltiges Lernen in den 15 Berufen der Stufenausbildung der Bauwirtschaft miteinander zu verknüpfen. Dabei wurden alle Akteure der Bauwirtschaft in die Qualitätsentwicklung einbezogen. Gemeinsame Ziele sind die Qualitätsentwicklung sowohl in der beruflichen Erstausbildung als auch in der Gewerbelehrerausbildung. Über die neuen Kooperationspartner sollen Impulse für zukunftsfähiges, nachhaltiges Bauen gesetzt werden. Gefördert wird das Projekt aus EU-Mitteln und vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Der Beitrag berichtet über den erreichten Stand.
Am Fachbereich Berufs- und Wirtschaftspädagogik der Universität Oldenburg wird ein Konzept für die Fortbildung von Ausbildern und ausbildenden Fachkräften entwickelt, erprobt und evaluiert, in dem nachhaltige Betriebsführung und die entsprechende Befähigung aller Mitarbeiter für nachhaltiges Wirtschaften verknüpft werden. Während einer ca. einjährigen Laufzeit sollen die Teilnehmer/innen unterstützt werden, Nachhaltigkeitsziele in die Geschäfts-, Arbeits- und Bildungsprozesse des eigenen Betriebes zu integrieren. Den Auszubildenden sollen betriebliche Lernumgebungen geboten werden, in denen sie nachhaltige Kompetenzen erwerben können.
In der Ausgabe 1/2007 veröffentlichte die BWP - Berufsbildung in Wissenschaft und Praxis einen Diskussionsbeitrag von Dieter Euler und von Eckart Severing unter dem Thema "Zusammendenken, was zusammengehört - Ausbildungsbausteine als Grundlage der Weiterentwicklung der Berufsbildung". Der Beitrag erfolgte auf der Grundlage einer Studie im Auftrag des BMBF "Flexible Wege in der Berufsbildung". Inzwischen ist sehr kontrovers über das Konzept Ausbildungsbausteine diskutiert worden. Eine Reihe von Einwänden zeugt auch von Missverständnissen unter den Akteuren. Im Beitrag nehmen Euler und Severing einige zentrale Einwände auf, um ihnen im Interesse einer sachorientierten Debatte argumentativ zu begegnen.
Weitere Themen
Mathias Bonse-Rohmann; Heiko Burchert; Thomas Evers; Ines Hüntelmann
Zur Sicherung der Zukunftsfähigkeit der beruflichen Bildung bedarf es u. a. einer verstärkten Kooperation zwischen dem berufsbildenden und hochschulischen Bereich. Als Beispiel einer solchen - nicht selbstverständlichen - Kooperation wird das Projekt "ANKOM Gesundheitsberufe nach BBiG" mit seinen Kooperationsstrukturen und den Ergebnissen der bisherigen Projektarbeit vorgestellt. Ziel des Projektes ist es dabei, ein Verfahren zur Anrechnung der in der Aufstiegsfortbildung "Betriebwirtin/-wirt für Management im Gesundheitswesen" erworbenen Kompetenzen auf den Bachelor-Studiengang 'Pflege und Gesundheit' der Fachhochschule Bielefeld zu entwickeln. Auf diesem Wege soll beispielhaft die Möglichkeit zur Anrechnung von beruflich erworbenen Kompetenzen auf die hochschulische Bildung dargestellt werden.
Die Befunde einer aktuellen Studie, aus der auszugsweise berichtet wird, zeigen - wenn auch nur auf der Basis einer kleinen Population - dass zwei von drei Auszubildenden im Einzelhandel die eigene Berufseinmündung mit der Suche nach einer Notlösung vergleichen, während dies für Studierende mehrheitlich nicht zutrifft. Im Mittelpunkt der Untersuchung standen die Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Auszubildenden und Studierenden bei der Bewältigung der ersten Schwelle. Diese bieten wichtige Hinweise für die (potenziellen) Ausbildungsbetriebe und ermöglichen ein zielgerichtetes Personalmarketing.
Mit dem Hermann-Schmidt-Preis 2007 wurden Projekte und Initiativen ausgezeichnet, die in innovativer und wirksamer Form mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten, um Auszubildenden einen längeren Auslandsaufenthalt zu ermöglichen und deren interkulturelle Kompetenz zu fördern.