Mehr Ausbildungsangebote, stabile Nachfrage, aber wachsende Passungsprobleme
Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2015
21.03.2016 | Stephanie Matthes, Joachim Gerd Ulrich, Simone Flemming, Ralf-Olaf Granath
(Korrigierte und erweiterte Fassung gegenüber der ursprünglichen Fassung vom 16.12.2015)
Mehr Ausbildungsplatzangebote der Betriebe, eine nahezu stabile Ausbildungsplatznachfrage der Jugendlichen, aber weiter wachsende Schwierigkeiten, die Ausbildungsangebote der Betriebe und die Berufswünsche der Ausbildungsstellenbewerber in Einklang zu bringen, sodass letztlich dennoch nicht mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen werden konnten – so lässt sich in aller Kürze die Ausbildungsmarktentwicklung 2015 charakterisieren (vgl. Tabelle).
Entwicklung von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage
Das Ausbildungsplatzangebot nahm 2015 erstmalig seit 2011 wieder zu und lag bei 563.100. Im Vergleich zum Vorjahr betrug der Zuwachs 2.800 Plätze bzw. +0,5% (siehe Kapitel1.2.1). Die Zunahme ist allein auf ein gestiegenes Angebot an betrieblichen Ausbildungsangeboten zurückzuführen (+4.300 bzw. +0,8% auf 544.200). Vom Zuwachs an betrieblichen Ausbildungsangeboten profitierte sowohl der Westen (+2.800 bzw. +0,6%) als auch der Osten (+1.500 bzw. +2,0%). Die Zahl der „außerbetrieblichen“ Angebote ging dagegen sowohl im Westen (–700) als auch im Osten (–800) weiter zurück und bezifferte sich bundesweit auf insgesamt 18.900 (–1.500 bzw. –7,5% gegenüber 2014).
Ungeachtet von in vielen Regionen weiter gesunkenen Schulabgängerzahlen – betroffen sind z.Zt. insbesondere Westdeutschland und hier vor allem nicht studienberechtigte Abgänger und Absolventen – blieb die Ausbildungsplatznachfrage 2015 mit 602.900 Personen bundesweit relativ stabil (–1.500 bzw. –0,2%).
In den ostdeutschen Bundesländern kam es sogar zu einer leichten Steigerung der Nachfrage (+500 bzw. +0,6% auf nunmehr 84.200), da hier inzwischen wieder etwas mehr Jugendliche als im Vorjahr die Schule verließen. Der seit den 2000er-Jahren zu beobachtende Einbruch der Nachfrage in Ostdeutschland – 2007 wurden mit 150.200 noch fast doppelt so viele Nachfrager gezählt – fand somit erstmalig ein Ende. Im Westen lag die Ausbildungsplatznachfrage 2015 bei 518.700 (–1.800 bzw. –0,3% gegenüber dem Vorjahr).
Da die Nachfrage bundesweit leicht zurückging, das Ausbildungsplatzangebot aber zunahm, verbesserte sich die Ausbildungsmarktlage aus Sicht der Jugendlichen. Die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) – Zahl der Ausbildungsplatzangebote je 100 Nachfrager – stieg um 0,7 Prozentpunkte auf 93,4. Dies ist der höchste Wert seit 2007, als erstmals eine solche Messung vorgenommen werden konnte. Von einer verbesserte Ausbildungsmarktlage konnten sowohl die Jugendlichen in West- (+0,7 auf ANR = 92,8) als auch in Ostdeutschland (+0,2 auf ANR = 97,0) profitieren.
Erfolglose Marktteilnehmer
Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplatzangebote, die bis zum Bilanzierungsstichtag 30. September nicht besetzt werden konnten, erhöhte sich im Jahr 2015 erneut. Insgesamt blieben bundesweit 41.000 Ausbildungsstellen unbesetzt. Dies ist der höchste Wert seit 1995 und stellt im Vergleich zum Vorjahr 2014 eine Steigerung um +3.900 bzw. +10,4% dar (Kapitel1.3.1). Insgesamt blieben 7,5% des offiziell errechneten betrieblichen Ausbildungsangebots vakant. Besonders starke Besetzungsprobleme waren erneut im Handwerk zu verzeichnen. Bundesweit blieben hier 14.400 Stellen bzw. 9,7% des betrieblichen Ausbildungsangebots bis zum 30. September unbesetzt; im Osten waren es sogar 11,3%.
Aufseiten der Ausbildungsplatznachfrage gab es 2015 im Vergleich zum Vorjahr kaum Veränderungen. Bis zum Stichtag 30. September waren bundesweit 80.800 Bewerber bei der Bundesagentur für Arbeit als „noch suchend“ gemeldet. Dies waren –400 bzw. –0,5% im Vergleich zu 2014. Der Anteil der erfolglosen Bewerber an der offiziell ermittelten Nachfrage fiel 2015 mit 13,4% weiterhin vergleichsweise hoch aus. Der Wert für 2014 lag auf demselben Niveau. Im Osten nahm die Erfolglosenquote sogar zu (+0,7 Prozentpunkte auf 11,9%; West: –0,1 Prozentpunkte auf 13,6%).
Die starke Zunahme der Besetzungsprobleme und die gleichbleibend schwierige Versorgungslage von Ausbildungsstellenbewerbern führten dazu, dass sich insgesamt die Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt weiter verschärften. Dabei fielen die Passungsprobleme im Osten wiederum höher aus als im Westen.
Beteiligung ausbildungsinteressierter Jugendlicher an dualer Berufsausbildung
Die Zahl der institutionell erfassbaren ausbildungsinteressierten Personen schließt neben den offiziell ausgewiesenen Ausbildungsplatznachfragern auch jene Ausbildungsstellenbewerber mit ein, die ihren Vermittlungswusch bereits vor dem Bilanzierungsstichtag 30. September aufgaben. Im Jahr 2015 konnten insgesamt 804.400 Personen als ausbildungsinteressiert erfasst werden. Dies waren –7.100 bzw. –0,9% weniger als im Vorjahr. Bundesweit konnten 64,9% von ihnen für eine duale Berufsausbildung gewonnen werden. Im Vergleich zu 2014 stieg die Beteiligungsquote ausbildungsinteressierter Jugendlicher an dualer Berufsausbildung (EQI) damit um 0,4 Prozentpunkte. Der seit 2011 zu beobachtenden Negativtrend der Quote wurde damit gestoppt.
Entwicklung des Ausbildungsvolumens: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge
Da das betriebliche Angebot im Zuge der wachsenden Passungsprobleme zu einem größeren Teil nicht ausgeschöpft werden konnte, gelang es bundesweit 2015 auch nicht, mehr Ausbildungsverträge als im Vorjahr abzuschließen. 2015 wurden insgesamt 522.100 neue Ausbildungsverträge registriert. Im Gegensatz zu dem stetigen Rückgang der Neuabschlüsse in den vergangenen Jahren veränderten sich die Neuabschlusszahlen 2015 im Vergleich zum Vorjahr nur relativ geringfügig (–1.100 Verträge bzw. –0,2%). Dabei nahm die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Osten um –100 bzw. –0,2% auf nunmehr 74.200 ab. Der Westen war von einem Rückgang im Umfang von –1.000 bzw. –0,2% auf nunmehr 447.900 Verträge betroffen.
Auch im Jahr 2015 gingen das Interesse und die Beteiligung junger Frauen an dualer Berufsausbildung weiter zurück. Erstmalig fiel der Anteil der mit Frauen abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit 39,8% unter die 40%-Marke. Die Zahl der ausbildungsinteressierten Frauen sank gegenüber 2009 um 53.500 (–14,0%), während sie bei den Männern nur um 8.600 (–1,8%) abnahm. Die Gründe für die beträchtlichen geschlechtsspezifischen Unterschiede sind vielfältig.
Auswirkungen der Immigration von Geflüchteten
Die starke Immigration von Geflüchteten machte sich 2015 auf dem Ausbildungsmarkt noch kaum bemerkbar. Die Bundesagentur für Arbeit registrierte insgesamt ein Plus von rund 1.600 Ausbildungsstellenbewerbern, die aus Ländern stammen, aus denen aktuell viele Geflüchtete nach Deutschland kommen. Die Gesamtzahl belief sich damit auf 15.900 Personen. Rund 800 der 15.900 zählten am Ende des Berichtsjahres (30. September) zu den unversorgten Bewerbern, ca. 100 mehr als 2014 (vgl. die entsprechende Publikation der Bundesagentur für Arbeit (2015e), insbesondere die dortige Tabelle 3).