Personenkreis der Ausbildungsstellenbewerber/-innen
Von den Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen des Vermittlungsjahres 2012 hatte nach der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2012 ein Viertel (25 %) einen Migrationshintergrund (vgl. auch BIBB-Datenreport 2013, Kap. A3.2.2). Von ihnen stammte über ein Drittel (36 %) aus osteuropäischen und den GUS-Staaten. Es kann davon ausgegangen werden, dass sie bzw. ihre Familien größtenteils als (Spät-)Aussiedler/-innen nach Deutschland gekommen waren, und zwar insbesondere mit Öffnung des Ostblocks ab Ende der 1980er-Jahre. Ein Drittel (33 %) der Bewerber/-innen mit einer Zuwanderungsgeschichte wies eine Herkunft aus der Türkei oder arabischen Staaten auf. Weit überwiegend handelte es sich bei ihnen um Nachfahren türkischer „Gastarbeiter/-innen“, die vor allem in den 1960er-Jahren zuwanderten. 18 % der Migranten und Migrantinnen hatten eine südeuropäische Herkunft. Auch ihre Familien waren vermutlich oftmals im Rahmen der Gastarbeiteranwerbung zugezogen. 12 % der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund stammten aus anderen Staaten der Erde; sie bildeten die heterogenste Migrantengruppe, sowohl was die Herkunftsregionen als auch was die Zuwanderungsgründe anbetrifft (Beicht 2011).
Bewerber/ -innen mit Migrationshintergrund
Im Rahmen der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2012 wurde der Migrationshintergrund wie folgt indirekt definiert: Bewerber/-innen, die in Deutschland geboren wurden und alleine die deutsche Staatsangehörigkeit besaßen und ausschließlich Deutsch als Muttersprache gelernt hatten, wurden als Deutsche ohne Migrationshintergrund eingeordnet; für alle anderen wurde von einem Migrationshintergrund ausgegangen (vgl. Kapitel A4.9).
- Persönliche Merkmale
Insgesamt waren 62 % der Ausbildungsstellenbewerber/-innen, die aus einer Familie mit einer Zuwanderungsgeschichte stammten, in Deutschland geboren Tabelle A3.1-1. Als Muttersprache hatten 69 % der Migranten und Migrantinnen Deutsch gelernt, und zwar größtenteils gemeinsam mit der Sprache ihres Herkunftslandes (63 %), seltener als einzige Sprache (6 %). Knapp ein Drittel (32 %) hatte Deutsch nicht von Kindheit an, sondern erst später erlernt. Besonders häufig traf dies auf Jugendliche osteuropäischer Herkunft zu (50 %), da sie auch größtenteils nicht in Deutschland geboren waren (70 %). Für Bewerber/-innen türkisch-arabischer Herkunft stellte dagegen Deutsch meistens eine Muttersprache dar (82 %), denn sie lebten weit überwiegend bereits seit ihrer Geburt in Deutschland (85 %).
Zwei Drittel (66 %) der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund waren deutsche Staatsangehörige. Die meisten von ihnen besaßen ausschließlich einen deutschen Pass (52 %), eher wenige verfügten über eine doppelte Staatsangehörigkeit (14 %). Nur gut ein Drittel (34 %) der Migranten und Migrantinnen hatte ausschließlich eine ausländische Staatsangehörigkeit. Die Bewerber/-innen osteuropäischer Herkunft waren meistens deutsche Staatsbürger/-innen (87 %); sie oder ihre Eltern hatten wahrscheinlich größtenteils als (Spät-)Aussiedler/-innen bereits mit der Einreise die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Erheblich seltener waren dagegen Bewerber/-innen südeuropäischer Herkunft (39 %) und türkisch-arabischer Herkunft (53 %) im Besitz eines deutschen Passes.
Unter den Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen mit und ohne Migrationshintergrund waren junge Frauen mit 44 % bzw. 45 % merklich seltener vertreten als junge Männer. Der Hauptgrund hierfür war, dass Frauen generell häufiger eine schulische Berufsausbildung anstreben und weniger Interesse an einer dualen Berufsausbildung haben. Besonders niedrig fiel der Frauenanteil unter den Bewerbern und Bewerberinnen südeuropäischer Herkunft aus (38 %).
Über zwei Drittel (68 %) der Bewerber/-innen aus Familien mit einer Migrationsgeschichte waren bereits 18 Jahre oder älter, der entsprechende Anteil lag bei denjenigen ohne Migrationshintergrund mit 56 % deutlich niedriger.
- Vorhandene schulische Qualifikationen
Die erreichten allgemeinbildenden Schulabschlüsse unterschieden sich nicht nur zwischen den Bewerbern und Bewerberinnen mit und ohne Migrationshintergrund relativ stark, sondern auch zwischen den einzelnen Migrantengruppen gab es Unterschiede Tabelle A3.1-2. Insgesamt wiesen Migranten und Migrantinnen im Vergleich zu Jugendlichen ohne eine Zuwanderungsgeschichte erheblich öfter einen Haupt- oder Sonderschulabschluss bzw. keinen Schulabschluss auf (39 % vs. 30 %) und verfügten deutlich seltener über einen mittleren Schulabschluss (45 % vs. 51 %) oder eine Studienberechtigung (13 % vs. 17 %). Bewerber/-innen türkisch-arabischer Herkunft besaßen am häufigsten maximal einen Hauptschulabschluss (47 %) und hatten nur selten einen höheren Schulabschluss erreicht (10 %).
Auch bei den Schulnoten, die die Bewerber/-innen auf ihrem letzten Schulzeugnis in Deutsch und Mathematik erhalten hatten, zeigten sich deutliche Unterschiede. So kamen gute bis sehr gute Deutschnoten bei Migranten und Migrantinnen seltener vor als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (19 % vs. 25 %), ausreichende oder schlechtere Noten hingegen häufiger (28 % vs. 22 %). Die Mathematiknoten fielen bei Migranten und Migrantinnen ebenfalls ungünstiger aus, allerdings waren hier die Abweichungen im Vergleich zu Bewerbern und Bewerberinnen ohne Zuwanderungsgeschichte geringer. Bewerber/-innen türkisch-arabischer Herkunft schnitten sowohl bei den Deutsch- als auch den Mathematiknoten am schlechtesten ab, Bewerber/-innen osteuropäischer Herkunft dagegen innerhalb der Gruppe der Migranten und Migrantinnen am besten. Sie wiesen in Mathematik sogar etwas häufiger als Jugendliche ohne Migrationshintergrund eine gute bis sehr gute Note auf.
- Such- und Bewerbungsprozesse
Die Bewerber/-innen mit und ohne Migrationshintergrund waren bei der Ausbildungssuche sehr aktiv Tabelle A3.1-3. So fragten jeweils über zwei Fünftel (43 % bzw. 41 %) auf eigene Initiative bei Betrieben nach angebotenen Ausbildungsstellen. Dabei erkundigten sich Migranten und Migrantinnen im Durchschnitt bei noch mehr Betrieben als Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (23 vs. 20). Der Großteil der Jugendlichen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte verschickte schriftliche Bewerbungen an Betriebe. Migranten und Migrantinnen bewarben sich zwar seltener in schriftlicher Form als Jugendliche ohne Migrationshintergrund (78 vs. 86), wenn sie dies aber taten, versendeten sie im Durchschnitt erheblich mehr Bewerbungen (41 vs. 32). Die meisten Bewerbungen verschickten Jugendliche türkisch-arabischer Herkunft (46). Deutlich über die Hälfte der Bewerber/-innen mit und ohne Migrationshintergrund (56 % bzw. 59 %) bewarb sich auf Ausbildungsstellen in unterschiedlichen Berufen. Migranten und Migrantinnen zogen dabei noch mehr Berufe in ihre Bewerbungsaktivitäten ein als Jugendliche ohne Zuwanderungsgeschichte (7 vs. 5). 11 % der Migranten und Migrantinnen berücksichtigten bei ihren Bewerbungen auch Betriebe, die über 100 km von ihrem Wohnort entfernt lagen. Sie zeigten damit eine fast ebenso hohe räumliche Flexibilität wie Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund, von denen sich 13 % überregional bewarben. Allerdings gab es große Unterschiede zwischen den Herkunftsgruppen: So bewarben sich Jugendliche osteuropäischer Herkunft mit 14 % mehr als doppelt so oft bei weit entfernten Betrieben wie diejenigen südeuropäischer Herkunft (6 %).
Trotz ihrer sehr intensiven Bemühungen wurden junge Menschen mit einer Zuwanderungsgeschichte erheblich seltener von Betrieben zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Während sich zwei Drittel (67 %) der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund persönlich in Betrieben vorstellen konnten, waren dies bei den Migranten und Migrantinnen nur 55 %. Am geringsten war der Anteil bei Jugendlichen südeuropäischer Herkunft mit 51 %. Die durchschnittliche Zahl der geführten Vorstellungsgespräche unterschied sich dann allerdings nicht zwischen Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund. Im Verlauf des Such- und Bewerbungsprozesses absolvierten zwei Drittel (67 %) der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund betriebliche Praktika, bei denjenigen mit einer Zuwanderungsgeschichte waren es mit 60 % etwas weniger. Migranten und Migrantinnen führten dann aber im Durchschnitt ebenso viele Praktika durch wie Jugendliche ohne Migrationshintergrund (jeweils 4).
Die Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund sprachen deutlich seltener mit ihren Eltern über ihre Berufswahl und Ausbildungssuche als diejenigen ohne Migrationshintergrund (62 % vs. 73 %). Am wenigsten unterhielten sich Jugendliche mit Herkunft aus anderen Staaten mit ihren Eltern hierüber (53 %). Mit Freunden bzw. Bekannten führten Migranten und Migrantinnen ebenfalls etwas seltener Gespräche über diese Themen als Bewerber/-innen ohne Zuwanderungsgeschichte (57 % vs. 60 %), mit Ausnahme der Jugendlichen türkisch-arabischer Herkunft (61 %). Jeweils weniger als ein Zehntel der Bewerber/-innen mit und ohne Migrationshintergrund (7 % bzw. 8 %) wurden während des Berufswahlprozesses und der Ausbildungssuche durch einen/eine Berufseinstiegsbegleiter/-in unterstützt. Besonders selten erhielten Jugendliche türkisch-arabischer Herkunft (5 %) sowie Jugendliche mit Herkunft aus anderen Staaten (2 %) eine solche Einstiegsbegleitung.
Migranten und Migrantinnen hatten sich im Vergleich zu Jugendlichen ohne Migrationshintergrund öfter schon für ein früheres Ausbildungsjahr erfolglos um eine Ausbildungsstelle beworben, waren also sogenannte Altbewerber/-innen (34 % vs. 30 %). Am häufigsten traf dies auf Jugendliche südeuropäischer Herkunft zu (38 %). Die Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund hatten auch etwas öfter bereits eine berufsvorbereitende Maßnahme absolviert (17 % vs. 15 %), am häufigsten hatten diejenigen türkisch-arabischer Herkunft schon hieran teilgenommen (20 %). Ein Berufsvorbereitungs-, Berufseinstiegs- oder Berufsorientierungsjahr hatten Bewerber/-innen mit und ohne Zuwanderungsgeschichte etwa gleich oft besucht (9 % bzw. 8 %). Eine betriebliche Einstiegsqualifizierung hatten Migranten und Migrantinnen dagegen etwas seltener als Jugendliche ohne Migrationshintergrund durchlaufen (3 % vs. 4 %).
Tabelle A3.1-1: Persönliche Merkmale der Bewerber/ -innen nach Migrationshintergrund (in %)
Tabelle A3.1-2: Schulische Qualifikation der Bewerber/ -innen nach Migrationshintergrund (in %)
Tabelle A3.1-3: Aktivitäten und Unterstützung der Bewerber/ -innen im Such- und Bewerbungsprozess nach Migrationshintergrund
Sucherfolg der Ausbildungsstellenbewerber/-innen
Von den gemeldeten Bewerbern und Bewerberinnen des Vermittlungsjahres 2012 waren bis Ende 2012 bzw. Anfang 2013 insgesamt 40 % erfolgreich in eine betriebliche Ausbildung in Berufen nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. Handwerksordnung (HwO) eingemündet. Zu beachten ist aber, dass Einmündungen in Ausbildungsverhältnisse, die zwischenzeitlich bereits wieder gelöst worden waren, hierbei nicht berücksichtigt sind, da diese in der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2012 nicht erfasst wurden. Als erfolgreicher Übergang in betriebliche Ausbildung zählte daher nur, wenn Bewerber/-innen im betreffenden Vermittlungsjahr oder in der Nachvermittlungsphase eine entsprechende Ausbildung aufgenommen hatten und dort bis zum Befragungszeitpunkt verblieben waren. Bei Migranten und Migrantinnen war der Anteil derjenigen, die erfolgreich eine betriebliche Ausbildung begonnen hatten, mit 29 % erheblich geringer als bei Bewerbern und Bewerberinnen ohne Zuwanderungsgeschichte mit 44 % Tabelle A3.1-4. Am seltensten gelang es Jugendlichen türkisch-arabischer Herkunft, eine betriebliche Ausbildung aufzunehmen, und zwar lediglich einem Viertel (25 %). Auch Bewerber/-innen mit Herkunft aus anderen Staaten hatten selten (28 %) bei der Suche nach einem betrieblichen Ausbildungsplatz Erfolg. Für Jugendliche osteuropäischer und südeuropäischer Herkunft waren zwar die Aussichten etwas günstiger – von ihnen mündeten jeweils 31 % in betriebliche Ausbildung ein –, aber immer noch weit geringer als für diejenigen ohne Migrationshintergrund.
Der Erfolg beim Übergang in betriebliche Ausbildung hing relativ stark vom erreichten Schulabschluss ab. Bewerber/-innen, die über einen Hauptschulabschluss, einen Sonderschulabschluss oder keinen Schulabschluss verfügten, mündeten am seltensten in betriebliche Ausbildung ein: Bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund waren es nur 34 % und bei Migranten und Migrantinnen lediglich 26 %. Am niedrigsten lag die Einmündungsquote bei maximal Hauptschulabschluss und türkisch-arabischer Herkunft mit 21 %. Bei Vorliegen eines mittleren Schulabschlusses gelang es häufiger, eine betriebliche Ausbildung aufzunehmen: Für Bewerber/-innen ohne Zuwanderungsgeschichte betrug die Einmündungsquote dann 48 %, für diejenigen mit Migrationshintergrund 29 %. Damit war für Migranten und Migrantinnen der Vorteil eines mittleren Schulabschlusses gegenüber maximal einem Hauptschulabschluss allerdings viel geringer als für Jugendliche ohne Migrationshintergrund. Bewerber/-innen südeuropäischer Herkunft erhielten bei einem mittleren Schulabschluss mit 28 % sogar seltener einen betrieblichen Ausbildungsplatz als bei maximal einem Hauptschulabschluss (32 %). Bei Jugendlichen aus anderen Staaten war dies sogar noch wesentlich ausgeprägter, denn sie mündeten bei einem mittleren Schulabschluss mit 25 % sehr selten, bei einem Hauptschulabschluss dagegen mit 35 % relativ häufig in betriebliche Ausbildung ein.
Normalerweise verbessern sich bei einem höheren Schulabschluss die Aussichten auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz nochmals deutlich. Allerdings stellte das Vermittlungsjahr 2012 wegen der doppelten Abiturjahrgänge in Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg und Bremen eine Sondersituation dar. Die Zahl der studienberechtigten Bewerber/-innen stieg hierdurch erheblich an und führte zu einer verschärften Konkurrenz untereinander um die von ihnen begehrten betrieblichen Ausbildungsplätze (Beicht 2013). Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund, die über eine Studienberechtigung verfügten, mündeten daher mit 49 % kaum häufiger in betriebliche Ausbildung ein als diejenigen mit mittlerem Schulabschluss (48 %). Anders verhielt es sich bei den Jugendlichen mit einer Zuwanderungsgeschichte: Sie erhielten bei Vorliegen einer Studienberechtigung mit 35 % deutlich häufiger eine betriebliche Ausbildungsstelle als bei einem mittleren Schulabschluss (29 %), allerdings wiederum erheblich seltener als vergleichbare Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund (49 %). Ganz ungünstig schnitten studienberechtigte Bewerber/-innen türkisch-arabischer Herkunft ab, deren Einmündungsquote mit 24 % sogar niedriger als bei denjenigen mit mittlerem Schulabschluss (29 %) lag. Dagegen gelang studienberechtigten Jugendlichen südeuropäischer Herkunft die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung mit 46 % vergleichsweise oft.
Außerbetriebliche Ausbildungsplätze in BBiG/HwO-Berufen wurden vor allem für leistungsschwächere Jugendliche bereitgestellt, die nicht in eine betriebliche Ausbildung vermittelt werden konnten. Meistens handelte es sich um lernbeeinträchtigte oder sozial benachteiligte Jugendliche oder um junge Menschen mit Behinderungen, die in der außerbetrieblichen Ausbildung eine besondere Betreuung erhielten. Wurde die Einmündung in die außerbetriebliche Ausbildung berücksichtigt, erhöhten sich zwar insgesamt die Anteile der Bewerber/-innen mit und ohne Migrationshintergrund, die eine duale Berufsausbildung aufnehmen konnten Tabelle A3.1-4. Der Abstand zwischen beiden Gruppen blieb jedoch nahezu unverändert.
Durch die außerbetriebliche Ausbildung stieg vor allem der Anteil der erfolgreich eingemündeten Bewerber/-innen mit maximal Hauptschulabschluss deutlich an, und zwar auf 44 % bei denjenigen ohne Migrationshintergrund und 37 % bei denjenigen mit einer Zuwanderungsgeschichte. Für Migranten und Migrantinnen waren damit die Aussichten auf eine duale Ausbildung bei einem Hauptschulabschluss sogar merklich besser als bei einem mittleren Schulabschluss. Denn bei Vorliegen der mittleren Reife mündeten nur 33 % der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in duale Ausbildung ein. Der Effekt, dass die Aufnahme einer dualen Ausbildung bei maximal einem Hauptschulabschluss öfter als bei einem mittleren Schulabschluss gelang, betraf alle Migrantengruppen – mit Ausnahme der Jugendlichen türkisch-arabischer Herkunft. Diese mündeten bei maximal Hauptschulabschluss (32 %) und mittlerem Schulabschluss (33 %) in etwa gleich häufig ein.
Tabelle A3.1-4: Einmündung der Bewerber/ -innen in betriebliche bzw. betriebliche/außerbetriebliche Berufsausbildung nach Migrationshintergrund und Schulabschluss (Anteil je Personengruppe in %)
Chancenunterschiede in der betrieblichen Ausbildung
Der Erfolg bei der Suche nach einer betrieblichen Ausbildung hängt von vielfältigen Faktoren ab. Nach einem ressourcentheoretischen Ansatz zur Erklärung der Übergangschancen verfügen Individuen über unterschiedliche Ressourcen, welche die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Einmündung in Berufsausbildung erhöhen oder vermindern (Eberhard 2012). Orientiert an diesem Erklärungsansatz wurde anhand der Daten der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2012 untersucht, welche Merkmale der Bewerber/-innen und welche Rahmenbedingungen ihrer Ausbildungssuche die Chance, erfolgreich in eine betriebliche Ausbildung einzumünden, statistisch nachweisbar beeinflussten. Zu diesem Zweck wurde eine binäre logistische Regressionsanalyse durchgeführt. Hiermit lässt sich der eigenständige Effekt jedes einzelnen Merkmals auf die Einmündungschancen feststellen, da jeweils alle anderen einbezogenen Größen kontrolliert werden. In dem Regressionsmodell wurden – neben dem Migrationshintergrund der Bewerber/-innen – die Schulabschlüsse, die letzten Schulnoten in Deutsch und Mathematik, das Alter, das Geschlecht, das Vorhandensein gesundheitlicher Einschränkungen, zentrale Merkmale des Such- und Bewerbungsprozesses sowie die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in der Wohnregion berücksichtigt. Als Indikator für die Marktlage wurde die Relation des betrieblichen Ausbildungsstellenangebots zu allen ausbildungsinteressierten Jugendlichen in den jeweiligen Arbeitsagenturbezirken herangezogen (Ulrich 2012). Da die Einmündungsquoten in betriebliche Ausbildung bei den einzelnen Schulabschlussniveaus für Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund sehr unterschiedlich ausfallen, wurde darüber hinaus auch ein entsprechender Interaktionsterm in das Regressionsmodell aufgenommen. Die Ergebnisse der Regressionsanalyse können im Einzelnen Tabelle A3.1-5 Internet entnommen werden.
Wie stark sich die einzelnen Merkmale, jeweils für sich gesehen, fördernd oder hemmend auf den Einmündungserfolg in betriebliche Ausbildung auswirkten, kann am Beispiel eines fiktiven Ausbildungsstellenbewerbers aufgezeigt werden. Zu diesem Zweck wurden ausgehend von den Ergebnissen der Regressionsanalyse für bestimmte Merkmalskonstellationen die jeweiligen Einmündungswahrscheinlichkeiten berechnet. Zunächst wurde ein fiktiver Ausgangsfall konstruiert: Hierbei handelte es sich um einen männlichen Bewerber, der unter 21 Jahre alt war, keine gesundheitlichen Einschränkungen aufwies, einen Hauptschulabschluss besaß und auf dem letzten Schulzeugnis eine befriedigende Mathematik- und Deutschnote erhalten hatte. Zudem war eine betriebliche Ausbildung sein primärer Wunsch, er hatte sich schriftlich für mehrere Berufe beworben, war kein Altbewerber, hatte keine Einstiegsqualifizierung absolviert und lebte in einer Region mit einer eher ungünstigen Situation auf dem Ausbildungsmarkt. Von 100 Bewerbern, die dieser Beschreibung entsprachen, mündeten rechnerisch 47 erfolgreich in eine betriebliche Ausbildung ein, sofern sie keinen Migrationshintergrund hatten, d. h., die Erfolgswahrscheinlichkeit betrug dann 47 %. Bei einem Migrationshintergrund sank sie dagegen auf 40 %.
Wie stark die Erfolgswahrscheinlichkeit für einen solchen Bewerber – einmal mit und einmal ohne Migrationshintergrund – zu- oder abnahm, wenn sich jeweils einzelne Merkmale veränderten, zeigt Schaubild A3.1-1. Hatte die betreffende Person – abweichend vom Ausgangsfall – ein höheres Alter, handelte es sich um eine Frau oder lagen gesundheitliche Einschränkungen vor, so ließ dies die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung jeweils weniger wahrscheinlich werden, wobei die Aussichten bei einem Migrationshintergrund immer noch deutlich geringer ausfielen. Ein mittlerer und höherer Schulabschluss wirkten sich positiv aus, bei Vorliegen eines Migrationshintergrunds allerdings weit weniger, als wenn ein solcher nicht vorhanden war. Gute und sehr gute Mathematik- und Deutschnoten hatten ebenfalls einen fördernden Effekt, während ausreichende oder schlechtere Noten die Aussichten sinken ließen. Als sehr ungünstig erwies es sich, wenn jemand eigentlich lieber etwas anderes machen wollte: Dann reduzierte sich die Wahrscheinlichkeit, in eine betriebliche Ausbildung einzumünden, beträchtlich. Ebenfalls negativ wirkte sich aus, wenn keine schriftlichen Bewerbungen für mehrere Berufe erfolgten oder wenn jemand Altbewerber/-in war. Als ausgesprochen förderlich stellte sich hingegen die Teilnahme an einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung heraus.
Aber nicht nur Merkmale der Bewerber/-innen bestimmten ihren Erfolg bei der Suche, sondern auch die Situation auf dem Ausbildungsmarkt in der Wohnregion hatte großen Einfluss. Bereits bei einer mittleren Ausbildungsmarktlage waren die Aussichten auf einen betrieblichen Ausbildungsplatz deutlich höher als bei einer sehr schlechten. War die Marktsituation sehr günstig, fiel die Erfolgswahrscheinlichkeit sogar mehr als eineinhalbmal so groß aus. Für Migranten und Migrantinnen bedeutete dies zum Beispiel, dass sie mit einem Hauptschulabschluss in einer Region mit sehr günstigen Marktverhältnissen eher erfolgreich waren als mit einem höheren Schulabschluss in einer sehr ungünstigen Region.
Schaubild A3.1-1: Wahrscheinlichkeit der Einmündung in betriebliche Ausbildung bei bestimmten Merkmalsausprägungen (in %)
Bewertung des Verbleibs durch die Jugendlichen
Am Jahresende 2012 bzw. Jahresanfang 2013 waren von den Bewerbern und Bewerberinnen ohne Migrationshintergrund 49 % erfolgreich in eine betriebliche oder außerbetriebliche Ausbildung in BBiG/HwO-Berufen eingemündet, von denjenigen mit Migrationshintergrund dagegen lediglich 35 %. 4 % der Jugendlichen ohne und 3 % derjenigen mit Migrationshintergrund hatten aus einem bestehenden Ausbildungsverhältnis heraus nach einer neuen Ausbildungsstelle gesucht und waren dann doch in ihrer ursprünglichen, bereits vor dem Vermittlungsjahr begonnenen dualen Ausbildung verblieben, sie zählten damit nicht zu den erfolgreich eingemündeten Bewerbern und Bewerberinnen. Jeweils 6 % der Bewerber/-innen mit und ohne Migrationshintergrund nahmen alternativ eine Ausbildung in einem Schulberuf auf und jeweils 2 % ein Studium. Alles in allem befanden sich demnach 61 % der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund und 46 % der Migranten und Migrantinnen in einer vollqualifizierenden Ausbildung. Am seltensten traf dies auf Jugendliche türkisch-arabischer Herkunft mit 40 % zu.
Die übrigen Bewerber/-innen gingen am Jahresende 2012 vielfältigen anderen Aktivitäten nach Tabelle A3.1-6. Viele Jugendliche nahmen alternative, nicht vollqualifizierende Bildungsmöglichkeiten wahr: Sie besuchten weiter eine allgemeinbildende Schule, gingen auf eine Fachoberschule bzw. eine teilqualifizierende Berufsfachschule oder nahmen an einer teilqualifizierenden Bildungsmaßnahme (Berufsvorbereitungsjahr o. Ä., Berufsgrundbildungsjahr, berufsvorbereitende Maßnahme, Einstiegsqualifizierung, Praktikum) teil. In einer dieser Alternativen waren insgesamt 21 % der Bewerber/-innen ohne Migrationshintergrund und 32 % der Migranten und Migrantinnen anzutreffen. Jugendliche südeuropäischer Herkunft setzten dabei relativ häufig ihren allgemeinbildenden Schulbesuch fort (16 %), und Jugendliche türkisch-arabischer Herkunft besuchten oft eine teilqualifizierende Berufsfachschule bzw. Fachoberschule (13 %).
Ein kleinerer Teil der Bewerber/-innen ging einer Erwerbstätigkeit nach, jobbte oder leistete einen Freiwilligendienst; bei Migranten und Migrantinnen kam dies mit insgesamt 10 % kaum öfter vor als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund mit 9 %. Die restlichen Bewerber/-innen waren arbeitslos oder blieben aus privaten Gründen zu Hause. Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund war hier der Anteil mit insgesamt 13 % deutlich höher als bei denjenigen ohne Migrationshintergrund mit 9 %. Am häufigsten befanden sich Bewerber/-innen türkisch-arabischer Herkunft (15 %) und mit Herkunft aus anderen Staaten (20 %) außerhalb des Bildungs- und Erwerbssystems.
Wie die Bewerber/-innen ihren Verbleib bewerteten, war dementsprechend unterschiedlich Schaubild A3.1-2. Von den Jugendlichen mit einer Zuwanderungsgeschichte gaben nur insgesamt 49 % an, ihr Verbleib sei wunschgemäß gewesen oder es habe sich zumindest um eine Alternative gehandelt, die sie von vornherein ebenfalls in Betracht gezogen hätten. Bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund traf dies dagegen auf immerhin 63 % zu. Ein Teil der Bewerber/-innen hatte sich mit der eigentlich nicht angestrebten Situation arrangiert und erachtete diese nun als ganz gut oder schätzte sie wenigstens als sinnvolle Überbrückung ein: 29 % derjenigen mit und 23 % derjenigen ohne Zuwanderungsgeschichte äußerten sich so. Große Unzufriedenheit kam bei den Jugendlichen zum Ausdruck, die ihren Verbleib als Notlösung oder sogar als Sackgasse bezeichneten. Von den Migranten und Migrantinnen waren dies immerhin 20 %, von den Jugendlichen ohne Migrationshintergrund dagegen nur 14 %. Am häufigsten unzufrieden mit ihrer Situation waren die Bewerber/-innen türkisch-arabischer Herkunft (24 %) und mit Herkunft aus anderen Staaten (25 %).
Die Bewertung des Verbleibs hing sehr stark davon ab, ob die Aufnahme einer betrieblichen Ausbildung gelungen war oder nicht. Bei einer erfolgreichen Einmündung beurteilten 97 % der Jugendlichen ohne Migrationshintergrund und 92 % der Migranten und Migrantinnen ihre Situation eher positiv („wunschgemäß“ bis „nun als ganz gut erachtet“). Die differierenden Einschätzungen waren somit vor allem auf den unterschiedlich häufigen Erfolg bei der Suche nach einer betrieblichen Ausbildung zurückzuführen.
Tabelle A3.1-6: Verbleib der Bewerber/ -innen am Jahresende 2012 nach Migrationshintergrund (in %)
Schaubild A3.1-2: Bewertung des Verbleibs durch die Bewerber/ -innen nach Migrationshintergrund (in %)
Fazit
Der Zugang zu betrieblicher Ausbildung war im Vermittlungsjahr 2012 für die Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund deutlich schwieriger als für diejenigen ohne Migrationshintergrund, und zwar nicht allein wegen ihrer oft schlechteren schulischen Qualifikationen. Vielmehr waren ihre Einmündungschancen selbst unter gleichen Bedingungen geringer. Die Gründe hierfür liegen wahrscheinlich vor allem in den Auswahlprozessen der Betriebe bei der Vergabe ihrer Ausbildungsplätze (Imdorf 2010). Bei betrieblichen Personalverantwortlichen besteht immer Unsicherheit darüber, welche Lernmotivation und Leistungsfähigkeit die Bewerber/-innen haben, wie zuverlässig sie sind und ob sie in die betriebliche Belegschaft passen (Becker 2011). Bei der Einstellung von Migranten und Migrantinnen werden oft eher Schwierigkeiten erwartet als bei Jugendlichen ohne Migrationshintergrund (Boos-Nünning 2008). Solche Bedenken bzw. Vorurteile können die Bewerberauswahl für die betrieblichen Ausbildungsstellen erheblich beeinflussen.
Angesichts der demografischen Entwicklung wird es für Betriebe künftig immer schwieriger, ihre Ausbildungsplätze zu besetzen. Umso wichtiger ist es, dass sie mehr Jugendliche mit Migrationshintergrund bei der Vergabe ihrer Ausbildungsstellen berücksichtigen. Andernfalls besteht die Gefahr, dass bald viele ihrer Ausbildungsplätze vakant bleiben. Eine große Herausforderung für die nächsten Jahre ist es daher, wirksame Strategien zu entwickeln, um Betriebe verstärkt für die Ausbildung von Migranten und Migrantinnen zu gewinnen. Denn zum einen kann es sich Deutschland angesichts des künftig drohenden Fachkräftemangels kaum leisten, die Potenziale der hier lebenden jungen Menschen nicht auszuschöpfen. Zum anderen stellt ein Berufsabschluss in der heutigen Arbeitswelt die unverzichtbare Grundlage für eine dauerhafte und existenzsichernde Beschäftigung dar und ist damit eine der bedeutendsten Voraussetzungen für die gesellschaftliche Integration junger Menschen mit Migrationshintergrund.
(Ursula Beicht, Julia Gei)