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In der dualen Berufsausbildung hat jede/-r Auszubildende gegenüber ihrem/seinem Ausbildungsbetrieb einen Anspruch auf eine angemessene und mit jedem Ausbildungsjahr ansteigende Vergütung (§ 17 Berufsbildungsgesetz). Die Ausbildungsvergütungen sind damit sowohl für die Auszubildenden als auch für die ausbildenden Betriebe von erheblicher finanzieller Bedeutung. Für die Auszubildenden haben die Vergütungen die Funktion, spürbar zur Deckung ihrer Lebenshaltungskosten beizutragen; gleichzeitig sollen sie eine Entlohnung für ihre im Betrieb geleistete produktive Arbeit darstellen. Für die Betriebe sind die Ausbildungsvergütungen der größte Kostenfaktor bei der Durchführung der Berufsausbildung; auf sie entfallen durchschnittlich 46 % der Bruttoausbildungskosten (vgl. Kapitel A8.3, Schönfeld u. a. 2010).

In den meisten Wirtschaftszweigen schließen die Tarifpartner (Arbeitgeber und Gewerkschaften) Vereinbarungen über die Höhe der Ausbildungsvergütungen ab.195 Tarifgebundene Betriebe196 müssen ihren Auszubildenden mindestens die tariflich festgelegten Vergütungssätze zahlen, d. h., niedrigere Vergütungsbeträge sind unzulässig, übertarifliche Zuschläge aber möglich. Nicht tarifgebundene Betriebe können dagegen die in ihrem Wirtschaftszweig geltenden tariflichen Ausbildungsvergütungen deutlich unterschreiten, und zwar nach derzeitiger Rechtsprechung um bis zu 20 %. Dennoch zahlen auch diese Betriebe häufig freiwillig die tariflichen Vergütungssätze.

Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) untersucht die Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen in den alten Ländern seit 1976 und in den neuen Ländern seit 1992. Obwohl die Tarifbindung der Betriebe seit Mitte der 1990er-Jahre deutlich abgenommen hat (vgl. Kohaut/Ellguth 2013), werden die Vergütungszahlungen in der betrieblichen Berufsausbildung nach wie vor stark durch die tariflichen Regelungen geprägt. Nach der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung 2007 waren in den alten Ländern 84 % der Ausbildungsbetriebe tarifgebunden oder orientierten sich an einem Tarif; in diesen Betrieben wurden 91 % der Auszubildenden ausgebildet (vgl. Kapitel A8.3, Beicht/Walden 2012). In den neuen Ländern war eine Tarifbindung bzw. Anlehnung an eine tarifliche Regelung allerdings weit seltener und traf nur auf 70 % der Betriebe (mit 72 % der Auszubildenden) zu. 30 % der ostdeutschen Betriebe (mit 28 % der Auszubildenden) nutzten somit den Flexibilitätsspielraum bei den Ausbildungsvergütungen, den eine fehlende Tarifbindung ermöglicht.

Tarifliche Ausbildungsvergütungen

Tarifliche Vereinbarungen zu den Ausbildungsvergütungen werden meistens für einen bestimmten Wirtschaftszweig in einer bestimmten Region (Tarifbereich) geschlossen. Innerhalb eines Tarifbereichs werden in der Regel für alle Auszubildenden – unabhängig vom Ausbildungsberuf – einheitliche monatliche Vergütungssätze für die einzelnen Ausbildungsjahre festgelegt. Ist ein Wirtschaftszweig in mehrere Tarifregionen untergliedert, so variieren die Vergütungssätze oft zwischen den betreffenden Regionen, wobei größere Abweichungen meistens nur zwischen den alten und den neuen Ländern auftreten. Sehr stark unterscheidet sich die Höhe der tariflichen Ausbildungsvergütungen jedoch zwischen den verschiedenen Wirtschaftszweigen.

Jährlich zum Stand 1. Oktober wird im BIBB eine Auswertung tariflicher Ausbildungsvergütungen durchgeführt. Die Grundlage bilden dabei rund 500 Vergütungsvereinbarungen aus den gemessen an den Beschäftigtenzahlen größten Tarifbereichen Deutschlands. Die Angaben werden jeweils vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales zur Verfügung gestellt. Getrennt nach alten und neuen Ländern werden die Vergütungsdurchschnitte für stärker besetzte Ausbildungsberufe ermittelt. Derzeit sind 184 Berufe in den alten und 152 Berufe in den neuen Ländern einbezogen. In diesen Berufen werden 89 % aller Auszubildenden in den alten und 80 % in den neuen Ländern ausgebildet. Im Rahmen der Auswertungen wird zunächst pro Ausbildungsberuf ein Durchschnitt über die tariflichen Vergütungssätze der Wirtschaftszweige bzw. Tarifbereiche berechnet, in denen der betreffende Beruf schwerpunktmäßig bzw. typischerweise ausgebildet wird (vgl. Beicht 2011). Anschließend werden auf Basis der ermittelten berufsspezifischen Vergütungsdurchschnitte weitere Durchschnittswerte, z. B. für die einzelnen Ausbildungsbereiche, gebildet, wobei die betreffenden Berufe jeweils mit dem Gewicht ihrer Auszubildendenzahlen berücksichtigt werden.

Aktuelle Vergütungsstrukturen 2013

In den alten Ländern betrugen die tariflichen Ausbildungsvergütungen 2013 im Durchschnitt 767 € pro Monat.197 Sie erhöhten sich damit um 4,1 % gegenüber dem Vorjahreswert von 737 €.198 In den neuen Ländern stieg der monatliche Vergütungsdurchschnitt auf 708 € an, also um 5,0 % gegenüber dem Vorjahr (674 €). Der Vergütungsanstieg fiel damit 2013 wie im Jahr zuvor relativ stark aus: 2012 waren die tariflichen Vergütungen in den alten Ländern ebenfalls um durchschnittlich 4,1 % angehoben worden und in den neuen Ländern um 5,0 % Schaubild A8.1-1. Durch die etwas stärkere prozentuale Vergütungssteigerung in den neuen Ländern hat sich 2013 der Abstand zum westdeutschen Tarifniveau verringert: Nun wurden 92 % der westlichen Vergütungshöhe erreicht, im Vorjahr waren es 91 %. Bezogen auf das gesamte Bundesgebiet lag der Durchschnitt der tariflichen Ausbildungsvergütungen 2013 bei 761 € pro Monat. Dies entsprach einem Anstieg um 4,2 % gegenüber dem Vorjahr (730 €).

Zwischen den einzelnen Ausbildungsberufen bestanden 2013 beträchtliche Vergütungsunterschiede.199 Sehr hoch lagen die tariflichen Vergütungsdurchschnitte beispielsweise in den Berufen Mechatroniker/-in (alte Länder: 938 €, neue Länder: 921 €), Kaufmann/Kauffrau für Versicherungen und Finanzen (alte und neue Länder: 935 €) sowie Medientechnologe/Medientechnologin Druck (alte und neue Länder: 905 €). In den alten Ländern waren auch in den Berufen des Bauhauptgewerbes (zum Beispiel Maurer/-in) sehr hohe Ausbildungsvergütungen tariflich vereinbart: Sie betrugen dort durchschnittlich 999 € im Monat, während sie in den neuen Ländern mit 803 € deutlich geringer ausfielen. Eher niedrig waren die tariflichen Vergütungsdurchschnitte zum Beispiel in den Berufen Florist/-in (alte Länder: 571 €, neue Länder: 312 €), Maler/-in und Lackierer/-in (alte und neue Länder: 558 €), Bäcker/-in (alte und neue Länder: 550 €), und Friseur/-in (alte Länder: 469 €, neue Länder: 269 €).

Die Auszubildenden verteilten sich 2013 wie folgt nach Höhe der berufsspezifischen Ausbildungsvergütungen: In den alten Ländern kamen 26 % der Auszubildenden auf hohe monatliche Beträge von 900 € und mehr. Für 61 % bewegten sich die Vergütungen zwischen 600 € und unter 900 €. Relativ gering waren die Beträge für 13 % der Auszubildenden mit weniger als 600 €. In den neuen Ländern gab es für 16 % der Auszubildenden eine Vergütung von 900 € und mehr. Für 52 % der Auszubildenden lagen die Vergütungen zwischen 600 € und unter 900 €. 32 % der Auszubildenden hatten Vergütungen von weniger als 600 €.

Nach Ausbildungsbereichen unterschied sich das Niveau der tariflichen Ausbildungsvergütungen 2013 erheblich. In den alten Ländern wurde in Industrie und Handel mit 839 € pro Monat ein relativ hoher Durchschnitt erreicht, ebenso im öffentlichen Dienst mit 830 €. Weit darunter lagen die durchschnittlichen Beträge im Handwerk (638 €), bei den freien Berufen (656 €) und in der Landwirtschaft (658 €). Noch größere Unterschiede gab es in den neuen Ländern: Hier war der Vergütungsdurchschnitt im öffentlichen Dienst mit 830 € am höchsten, gefolgt von Industrie und Handel mit 764 €. Erheblich niedriger fielen auch hier die Durchschnittswerte im Handwerk (542 €), in der Landwirtschaft (559 €) und bei den freien Berufen (668 €) aus.200 Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass vor allem innerhalb der Ausbildungsbereiche Industrie und Handel sowie Handwerk die Vergütungen der einzelnen Berufe sehr stark differieren.

Es waren 2013 auch deutliche Vergütungsunterschiede zwischen männlichen und weiblichen Auszubildenden festzustellen. In den alten Ländern betrug der durchschnittliche Monatsbetrag für männliche Auszubildende 781 € und für weibliche 745 €. In den neuen Ländern kamen männliche Auszubildende auf 726 € und weibliche auf 674 €. Die abweichenden Vergütungsdurchschnitte resultierten ausschließlich aus der unterschiedlichen Verteilung von männlichen und weiblichen Auszubildenden auf die Berufe. In Berufen, in denen weit überwiegend junge Männer ausgebildet wurden, waren die Ausbildungsvergütungen teilweise sehr hoch. Umgekehrt wurden in den Berufen, in denen sehr stark junge Frauen vertreten waren, häufiger relativ niedrige Vergütungen gezahlt.

Bei den bisherigen Angaben handelte es sich immer um Durchschnittswerte über die gesamte Ausbildungsdauer der Berufe. Für die einzelnen Ausbildungsjahre wurden 2013 folgende Durchschnittswerte ermittelt: In den alten Ländern betrugen die monatlichen Vergütungen im 1. Ausbildungsjahr 691 €, im 2. Jahr 764 €, im 3. Jahr 845 € und im 4. Jahr 876 €. In den neuen Ländern ergaben sich im 1. Ausbildungsjahr durchschnittlich 638 €, im 2. Jahr 707 €, im 3. Jahr 771 € und im 4. Jahr 849 € pro Monat.201

Der Vergütungsanstieg 2005 bis 2012 vor dem Hintergrund der Preissteigerung sowie der Lohn- und Gehaltsentwicklung

In den alten Ländern erhöhten sich die tariflichen Ausbildungsvergütungen von 2005 bis 2012 durchschnittlich um insgesamt 18,3 % Tabelle A8.1-1.202 In den neuen Ländern lag der entsprechende Gesamtanstieg bei 27,4 %. Hierbei handelt es sich um die nominalen Vergütungssteigerungen. Der reale Zuwachs, d. h. der tatsächliche Zugewinn an Kaufkraft, ergibt sich erst nach Berücksichtigung der Preissteigerung. Hierfür wird der vom Statistischen Bundesamt ermittelte Verbraucherpreisindex (Gesamtindex für Deutschland) herangezogen. Danach stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland von 2005 bis 2012203 um insgesamt 12,5 % an. In den alten Ländern betrug die reale Erhöhung der tariflichen Ausbildungsvergütungen in diesem Zeitraum somit lediglich 5,8 %. In den neuen Ländern ist mit einem Plus von 14,9 % ein deutlich stärkerer prozentualer Realanstieg festzustellen, allerdings basierend auf einem erheblich niedrigeren Ausgangsniveau als in den alten Ländern.

Inwieweit die Anhebung der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 2005 bis 2012 der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung entsprach, lässt sich anhand der vom Statistischen Bundesamt ermittelten Indizes der tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmer/-innen beurteilen. In den alten Ländern war demnach der prozentuale Gesamtanstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen im betreffenden Zeitraum mit 18,3 % etwas höher als bei den tariflichen Monatsverdiensten der Arbeitnehmer mit 15,8 % Tabelle A8.1-1. In den neuen Ländern nahmen die tariflichen Vergütungen der Auszubildenden dagegen mit 27,4 % deutlich stärker zu als die tariflichen Monatsverdienste der Arbeitnehmer mit 18,1 %.

(Ursula Beicht)

Schaubild A8.1-1: Entwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen 1992 bis 2013

Tabelle A8.1-1: Nominaler und realer Anstieg der tariflichen Ausbildungsvergütungen (AV) sowie nominaler Anstieg der Tarifverdienste 2005 bis 2012

  • 195

    Insbesondere im Dienstleistungssektor sowie im Handwerk gibt es jedoch auch Bereiche, in denen keine tariflichen Regelungen der Ausbildungsvergütungen getroffen werden oder tarifliche Vereinbarungen nur für bestimmte Regionen existieren.

  • 196

    Eine Tarifbindung besteht in der Regel dann, wenn der Betrieb dem tarifschließenden Arbeitgeberverband eines Wirtschaftszweigs angehört. In eher seltenen Fällen werden Tarifvereinbarungen für allgemeinverbindlich erklärt, dann gelten die Regelungen für alle Betriebe des betreffenden Wirtschaftszweigs. 

  • 197

    Die tariflichen Ausbildungsvergütungen gelten nicht in der aus öffentlichen Mitteln finanzierten außerbetrieblichen Ausbildung. Dort erhalten die Auszubildenden in der Regel wesentlich niedrigere Vergütungen, die gesetzlich bzw. durch Verordnung festgelegt sind. 

  • 198

    Die tariflichen Ausbildungsvergütungen stellen Bruttobeträge dar. Überschreitet die monatliche Vergütung die Geringverdienergrenze von 325 €, so muss der/die Auszubildende hiervon den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung leisten, andernfalls trägt der Ausbildungsbetrieb die gesamten Sozialversicherungsbeiträge (Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil). Gegebenenfalls erfolgt auch ein Lohnsteuerabzug von der Ausbildungsvergütung. 

  • 199

    Eine Gesamtübersicht mit den Ergebnissen für alle erfassten Ausbildungsberufe 2013 ist abrufbar unter http://www.bibb.de/dav.

  • 200

    Für den Ausbildungsbereich der freien Berufe wurde 2013 in den alten Ländern ein niedrigerer Vergütungsdurchschnitt als in den neuen Ländern ermittelt. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass der Beruf Zahnmedizinischer Fachangestellter/Zahnmedizinische Fachangestellte, der in den alten Ländern eine vergleichsweise geringe Vergütung aufwies, in den neuen Ländern aufgrund fehlender tariflicher Vereinbarungen nicht einbezogen war.

  • 201

    Beim 4. Ausbildungsjahr ist zu beachten, dass in den Vergütungsdurchschnitt bei Weitem nicht alle erfassten Berufe eingingen, sondern nur diejenigen mit einer dreieinhalbjährigen Ausbildungsdauer. 

  • 202

    Zur Langzeitentwicklung der tariflichen Ausbildungsvergütungen von 1976 bis 2010 vgl. Beicht 2011.

  • 203

    Für 2013 lagen die Angaben noch nicht vor.