Tabelle A8.2-1 dokumentiert die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die berufliche Ausbildung von 2001 bis 2013. Es finden alle Aufwendungen Berücksichtigung, welche verursachungsgerecht in Zusammenhang mit der Entwicklung, Verbesserung, Durchführung und Förderung von Ausbildungsgängen nach § 1 Absatz 1 und 2 BBiG stehen. Ausgaben, die zwar einen Bezug zur beruflichen Bildung aufweisen, aber nach dem Verursacherprinzip nicht eindeutig dem Berufsbildungssystem zugerechnet werden können, sind nicht enthalten. Dies betrifft z. B. die Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe des Bundesministeriums für Familie, Senioren und Jugend (BMFSFJ), die teilweise zwar den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit auch stattfinden würden, wenn ein Berufsbildungssystem nicht existierte.
Durch Kreuze wird in Tabelle A8.2-1 angedeutet, ob eine Ausgabenposition eher durch die anerkannten Berufsausbildungen des dualen Systems (DS), durch die Maßnahmen des Übergangssystems (ÜS) und/oder durch das Schulberufssystem (SBS) verursacht wird. Die Einteilung ist allerdings nicht exakt; eine Position kann Ausgaben für einen oder mehrere Bereiche enthalten. Zudem existiert keine eindeutige definitorische Abgrenzung des ÜS.204 Weiterhin schließen einige Einzelpositionen Aufwendungen für Weiterbildung in teilweise beträchtlichem Umfang ein (vgl. Kapitel B3.5). Durch Summierung der entsprechend markierten Zeilen der Tabelle erhält man infolge dieser Abgrenzungsschwierigkeiten jeweils lediglich eine Obergrenze der öffentlichen Gesamtausgaben für die berufliche Ausbildung in DS, ÜS und SBS. Die tatsächlich den jeweiligen Sektoren zurechenbaren Ausgabenvolumina liegen vermutlich etwas niedriger.
Folgende weitere Hinweise sind bei der Interpretation der Tabelle sowie bei Vergleichen mit Vorjahren zu berücksichtigen:
Für die Bundesministerien sind alle Aufwendungen erfasst, die nach sachlichen Erwägungen der beruflichen Bildung zuzuordnen sind. Aufgrund des Funktionenplans werden sie in der Jahresrechnungsstatistik und im Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes zwar meist den Bereichen Weiterbildung und Arbeitsmarktpolitik zugerechnet. Faktisch dienen die in Tabelle A8.2-1 ausgewiesenen Positionen aber zu großen Teilen der Ausbildungsförderung. Sie sind an den Haushaltstiteln der Ministerien orientiert und fassen teilweise mehrere Förderprogramme und Maßnahmen zusammen.205 Da es regelmäßig zu Abgrenzungsänderungen kommt, kann die Entwicklung einzelner Haushaltstitel nur schwer im Zeitablauf interpretiert werden. Unterhaltsleistungen an berufliche Vollzeitschüler/-innen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) bilden die mit Abstand größte Ausgabenposition auf Bundesebene. Sie werden zu 100 % als Zuschuss gewährt und zu 65 % vom Bund bzw. zu 35 % von den Ländern getragen.
Die Ausgaben der Länder und Kommunen für berufliche Schulen (Teilzeit- und Vollzeitberufsschulen, Berufsaufbauschulen, Berufsfachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, berufliche Gymnasien) sind der Jahresrechnungsstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen.206 Da die Belastung der öffentlichen Haushalte dargestellt werden soll, ist das Konzept der Grundmittel anzuwenden. Hier werden die Nettoausgaben mit den unmittelbaren Einnahmen der öffentlichen Hand verrechnet. Die vorläufigen Ist-Ausgaben im Jahr 2011 betrugen gut 8,0 Mrd. €.207 Für das Jahr 2012 wurden in den öffentlichen Haushalten knapp 8,1 Mrd. € veranschlagt. Zwischen 2006 und 2011 nahmen die öffentlichen Ausgaben damit nominal um 9,5 % zu. Die Pro-Kopf-Ausgaben je Schüler/-in an beruflichen Schulen (inkl. Fachschulen) stiegen sogar um 14,1 % auf 2.881 €, was den zurückgehenden Schülerzahlen zuzuschreiben ist.208 Bezogen auf den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex für Deutschland beträgt der Anstieg allerdings nur 0,5 %; je Schüler/-in 4,7 %. Von den für das Jahr 2012 eingestellten Haushaltsmitteln entfallen geschätzte 3,1 Mrd. € auf die Teilzeitberufsschulen. Dies folgt aus der Verwendung von Schülertagen des Ausbildungsjahres 2011/2012 als Verteilungsschlüssel. Mit den verbleibenden 4,9 Mrd. € werden weitere Schularten im beruflichen Bildungswesen finanziert, wie z. B. Berufsfachschulen, Fachgymnasien, Fachoberschulen, das Berufsvorbereitungsjahr und das Berufsgrundbildungsjahr.
Die landeseigenen Ausbildungsförderungsprogramme können nicht genau quantifiziert werden. Wie die Bundesprogramme werden sie in der Jahresrechnungsstatistik möglicherweise größtenteils zum Bereich der Weiterbildung oder der Arbeitsmarktpolitik gezählt. Einen Überblick über die Förderprogramme zur Berufsausbildung sowie Informationen zu Fördergegenstand, -berechtigten und -bedingungen gibt Kapitel D1. Die Fördermittel in den einzelnen Programmen wurden durch eine vom BIBB beauftragte Erhebung bei den zuständigen Ministerien für das Jahr 2012 ermittelt. Das gesamte Volumen kann allerdings nur sehr grob abgeschätzt werden. Einerseits liegen nicht für alle Programme Informationen vor. Andererseits führt die Studie auch Programme auf, die zwar einen Bezug zur Berufsbildung aufweisen, aber nicht ursächlich durch das Berufsausbildungssystem bedingt sein müssen. Größenordnungsmäßig lag das Fördervolumen der Länder im Jahr 2012 im Bereich einer halben Milliarde €. Hierin sind auch Mittel des Europäischen Sozialfonds enthalten.209
Die berufsbildungsbezogenen Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) betreffen neben der Berufsausbildung auch Berufsorientierung und -vorbereitung (vgl. Kapitel A7.1). Nicht berücksichtigt ist in Tabelle A8.2-1 die Förderung der Integration an der zweiten Schwelle, welche eine beschäftigungspolitische Maßnahme darstellt. Ein Großteil der BA-Mittel fließt der Unterstützung besonders benachteiligter Auszubildender (und hier wiederum der außerbetrieblichen Ausbildung) und Menschen mit Behinderung zu (vgl. Kapitel A7.1). Allerdings ist zu beachten, dass es – je nach Aussagezweck – eventuell nicht sinnvoll ist, die in der Tabelle ausgewiesenen Kosten der Maßnahmen für Menschen mit Behinderung vollständig dem Berufsausbildungssystem zuzurechnen, da sie nicht ursächlich mit ihm in Zusammenhang stehen müssen. Auf eine Zuordnung zum dualen System oder dem Übergangssystem wird daher gänzlich verzichtet. Änderungen im Instrumentarium der BA ergaben sich durch die am 1. April 2012 in Kraft getretene Instrumentenreform. So ist z. B. nun wieder die institutionelle Förderung von Jugendwohnheimen möglich. Entfallen ist hingegen der Ausbildungsbonus (weitere Details siehe Pressemitteilung 012/2012 der BA zur Instrumentenreform).
Der Finanzierungsbeitrag der öffentlichen Hand wird durch den Beitrag der ausbildenden Betriebe in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst ergänzt. Deren Aufwendungen werden traditionell durch das BIBB geschätzt. Nach Berechnungen, welche auf einer repräsentativen Erhebung für das Jahr 2007 basieren, betrugen die Bruttokosten, d. h. die Ausbildungskosten, ohne Berücksichtigung der Ausbildungserträge rd. 23,8 Mrd. €. Die Nettokosten der Betriebe für die Ausbildung im dualen System lagen bei rd. 5,6 Mrd. € (vgl. Schönfeld u. a. 2010), wobei zu bedenken ist, dass auch den Nettokosten noch Erträge gegenüberstehen, die allerdings schwer zu quantifizieren sind, wie z. B. eingesparte Personalgewinnungskosten oder ein Imagegewinn.210 Durch den produktiveren Einsatz der Auszubildenden in den Betrieben sind die Nettokosten seit der letzten Erhebung stark gesunken (vgl. Beicht/Walden 2002, S. 42).
(Normann Müller)
Tabelle A8.2-1: Öffentliche Aufwendungen für die berufliche Ausbildung (Teil 1)
Tabelle A8.2-1: Öffentliche Aufwendungen für die berufliche Ausbildung (Teil 2)
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204
Die Elemente des Übergangsbereichs bilden nach Meinung vieler Experten keine abgestimmte, zweckgebundene Einheit, sodass auch der Begriff „Übergangssystem“ umstritten ist. Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012) versteht unter dem Übergangssektor alle Maßnahmen, die keinen vollqualifizierenden beruflichen Abschluss vermitteln, sondern auf die Aufnahme einer Ausbildung vorbereiten. Die Förderung der außerbetrieblichen Ausbildung wird in diesem Beitrag zu den durch das duale System verursachten Ausgaben gerechnet, da sie ein Substitut für die betriebliche Ausbildung darstellt und das duale System ergänzt.
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205
Detailliertere Informationen zu einzelnen Programmen oder Fördermaßnahmen, die einen Bezug zur beruflichen Ausbildung aufweisen, finden sich in Kapitel D1.
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206
Bei Redaktionsschluss lagen dem Statistischen Bundesamt keine aktuellen Daten aus der Jahresrechnungsstatistik vor, sodass in diesem Absatz lediglich die bereits im Vorjahr dargelegte Entwicklung bis 2011 wiedergegeben wird.
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207
Dieser Wert beinhaltet auch die Fachschulen, die eher der Weiterbildung als der Ausbildung zuzurechnen sind (vgl. Kapitel B3.5). Zum Vergleich: Die in der Finanzstatistik für das Jahr 2012 ausgewiesenen Grundmittel für das gesamte Bildungswesen lagen bei ca. 106,8 Mrd. €, wobei es sich hierbei aber noch um vorläufige Ist-Angaben handelt (siehe Statistisches Bundesamt 2013).
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208
Diese Rechnung basiert jeweils auf den gewichteten Schülerzahlen aus beiden für das jeweilige Kalenderjahr relevanten Ausbildungsjahren (vgl. auch die entsprechende Fußnote in Tabelle A8.2-1).
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209
Vgl. auch die in Kapitel B3.5 beschriebene Problematik bei der Berücksichtigung von ESF-Mitteln.
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210
Das Statistische Bundesamt schätzt die betrieblichen Ausgaben für die duale Ausbildung im Jahr 2010 auf 7,7 Mrd. €. Anders als in der hier zitierten Schätzung der Nettokosten werden dort vereinfachend die Personalkosten der Auszubildenden mit den von den Letzteren erbrachten produktiven Erträgen gleichgesetzt (vgl. Kapitel A8.3).