Die berufliche Fortbildung gehört zur Berufsbildung im Sinne des Berufsbildungsgesetzes (BBiG). Ziel der beruflichen Fortbildung ist nach § 1 Abs. 4 BBiG, die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten zu erhalten, zu erweitern, der technischen Entwicklung anzupassen (Anpassungsfortbildung) oder den beruflichen Aufstieg zu ermöglichen (Aufstiegsfortbildung). Das System der geregelten beruflichen Aufstiegsfortbildung weiter auszubauen wird als eine wichtige berufsbildungspolitische Aufgabe gesehen (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2009, S. 43).256 Eine Aufstiegsfortbildung wird in der Regel nach einer Berufsausbildung und einschlägiger, meist mehrjähriger Berufserfahrung abgelegt. Zu den quantitativ bedeutsamsten geregelten Fortbildungsberufen zählen Meister/-in, Techniker/-in, Betriebswirt/-in, Fachwirt/-in oder Fachkaufmann/-kauffrau.
Eine Aufstiegsfortbildung erhöht im Gegensatz zur beruflichen Weiterbildung das formale Qualifikationsniveau. Im Rahmen des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) werden Abschlüsse zum/zur Meister/-in, Techniker/-in, Fachwirt/-in gleichwertig mit dem Bachelor auf der Niveaustufe 6 eingeordnet. Eine Aufstiegsfortbildung eröffnet damit Karrierechancen, die in anderen Ländern ausschließlich Hochschulabsolventinnen und -absolventen vorbehalten sind.
Aufstiegsfortbildungen nach BBiG sind durch Regelungen des Bundes oder der Kammern festgelegt.257 Der Bund kann nach § 53 BBiG bzw. § 42 der HwO für die berufliche Aufstiegsfortbildung sogenannte Fortbildungsordnungen erlassen. Sie schaffen eine bundesweit einheitliche Grundlage hinsichtlich der zu vermittelnden Inhalte sowie der Prüfungsbestimmungen für staatlich anerkannte Fortbildungsabschlüsse258. Sind bundeseinheitliche Regelungen nicht erlassen, können die zuständigen Stellen (Kammern) nach § 54 BBiG bzw. § 42a der HwO selbst Fortbildungsprüfungsregelungen für ihren regionalen Zuständigkeitsbereich festlegen. Derzeit bestehen ca. 2.900 Rechtsvorschriften einzelner Kammern zu 763 Berufen und rund 222 Rechtsverordnungen des Bundes (vgl. Kapitel B4.1).
Teilnahme an Fortbildungen nach BBiG/HwO 1992 bis 2012
Berichtet werden nachfolgend ausgewählte Ergebnisse der Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes für verschiedene Berichtsjahre. Die Statistik erfasst die bei den zuständigen Stellen abgelegten Fortbildungsprüfungen nach BBiG bzw. HwO.
Berufsbildungsstatistik (Erhebung des Statistischen Bundesamtes zum 31. Dezember)
Die Berufsbildungsstatistik des Statistischen Bundesamtes erhebt jährlich u. a. die Teilnahmen und den Prüfungserfolg an Fortbildungsprüfungen und Umschulungsprüfungen. Die Statistik ist eine Vollerhebung, für die Auskunftspflicht besteht. Differenzierungsmerkmale sind Geschlecht, Ausbildungsbereich, Prüfungserfolg, Fortbildungsberuf, Geburtsjahr der Teilnehmer und regionale Merkmale.
Die zuständigen Stellen melden die während des Kalenderjahres (Berichtsjahr ist Kalenderjahr) bei ihnen abgelegten Fortbildungsprüfungen (inkl. Meisterprüfungen) und Umschulungsprüfungen. Bei Fortbildungsprüfungen, die aus mehreren Teilen (z. B. Kursen, Modulen) bestehen, werden Prüfungen und Teilnehmer/-innen erst erfasst, wenn es sich um die letzte Stufe handelt, nach deren erfolgreichem Abschluss die neue Berufsbezeichnung geführt werden darf. Gezählt werden auch jene Prüfungen, die nicht erfolgreich bestanden wurden, sofern keine weitere Wiederholungsmöglichkeit besteht. Es wird zudem erfasst, ob es sich bei der jeweiligen Prüfung um eine Wiederholungsprüfung handelt oder nicht. Der Prüfungserfolg wird danach unterschieden, ob die Prüfung bestanden oder nicht bestanden wurde bzw. endgültig nicht bestanden worden ist.
Die Rechtsgrundlage der Statistik (§§ 4 und 5 Berufsbildungsförderungsgesetz [BerBiFG]) blieb für die Erhebungen der Jahre von 1993 bis 2006 unverändert. Für diesen Zeitraum liegen somit miteinander vergleichbare, in Form fester Merkmalskombinationen erfasste Daten vor (sog. Aggregatdaten). Mit der Revision der Berufsbildungsstatistik, deren Bestimmungen zum April 2007 in Kraft traten, wurde die Erhebung auf eine Einzeldatenerfassung umgestellt. Zu den inhaltlichen und methodischen Umstellungen der Berufsbildungsstatistik vgl. Klaukien (2011) und Schmidt (2008).
Seit 1992 ist ein deutlicher Rückgang der bestandenen Fortbildungsprüfungen zu verzeichnen, wobei sich die Gesamtzahl der bestandenen Fortbildungsprüfungen seit Anfang des Jahrtausends wieder etwas stabilisiert hat259 Schaubild B4.4-1. Die entsprechenden absoluten Werte finden sich in Tabelle B4.4-1 Internet. Die erfolgreichen Prüfungen sind zwischen 1992260 und 2006 durchschnittlich um 27 % zurückgegangen von 132.424 im Berichtsjahr 1992 auf 96.526 im Berichtsjahr 2006. Seit 2009 ist ein kontinuierlicher Anstieg der Prüfungszahlen zu verzeichnen, sodass die Zahl bestandener Fortbildungsprüfungen 2012 mit 102.987 wieder ähnlich hoch war wie 2003 (103.137).261 Im Berichtsjahr 2012 haben 69.012 Männer und 33.975 Frauen eine Fortbildungsprüfung bzw. Meisterprüfung bestanden. Bezogen auf die 118.497 Teilnahmen an Fortbildungsprüfungen bzw. Meisterprüfungen insgesamt lag die Prüfungserfolgsquote somit bei 86,9 % (88,3 % bei Männern und 84,2 % bei Frauen). Die meisten Prüfungen wurden wie in den Jahren zuvor in den beiden Ausbildungsbereichen Industrie und Handel und Handwerk durchgeführt Tabelle B4.4-1 Internet.
Differenziert nach Geschlecht wird deutlich, dass die Prüfungszahlen bei Männern stärker gesunken sind als bei Frauen. Zwischen 1992 und 2006 ist bei Männern ein Rückgang um 29,1 % von 90.027 auf 63.846 zu verzeichnen. 2012 wurden wieder 69.012 erfolgreiche Prüflinge gezählt (plus 8,1 %). Die Anzahl der Frauen mit bestandener Fortbildungs-/Meisterprüfung verringerte sich zwischen 1992 und 2006 demgegenüber deutlich weniger von 42.397 auf 32.680 (22,9 %). 2012 stieg die Zahl der erfolgreichen Prüfungen auch bei den Frauen wieder auf 33.975 an Tabelle B4.4-1 Internet.
Nach Prüfungsgruppen differenziert zeigt sich im Vergleich der Jahre 1992 und 2012, dass insbesondere bei den Meisterprüfungen mit einem traditionell geringen Frauenanteil die Prüfungszahlen zurückgegangen sind Tabelle B4.4-2. Betrachtet man die häufigsten Fachrichtungen, wird deutlich, dass der Rückgang zulasten der Handwerksmeister/-innen (Rückgang zwischen 1992 und 2012 um 49 %; minus 21.731) und Industriemeister/-innen (Rückgang zwischen 1992 und 2012 um 34 %; minus 5.081) ging. Gewinne gab es hingegen im kaufmännischen Bereich. Bei der stark besetzten Prüfungsgruppe Fachwirt/Fachwirtin haben sich die Prüfungszahlen mehr als verdreifacht von 9.833 auf 31.353 (plus 219 %). Auch die Fachrichtungen Fach- und Betriebswirt haben steigende Prüfungszahlen zu verzeichnen. Der Anteil kaufmännischer Fortbildungsprüfungen an allen bestandenen Prüfungen ist zwischen 1992 und 2012 von 40,0 % auf 53,8 % angestiegen.
Nach Fachrichtung und Geschlecht differenziert zeigt sich, dass 55.404 der 102.987 bestandenen Fortbildungsprüfungen im Berichtsjahr 2012 den kaufmännischen Fortbildungsprüfungen (unabhängig vom Ausbildungsbereich) zuzuordnen sind (Frauenanteil: 45,2 %) Tabelle B4.4-3. Bedeutende Fachrichtungen waren mit 31.353 bestandenen Prüfungen die Fortbildungen zum Fachwirt/zur Fachwirtin mit einem Frauenanteil von 40,3 %, zum Fachkaufmann/zur Fachkauffrau mit 8.106 erfolgreichen Prüflingen und einem Frauenanteil von 54,4 %, zum Betriebswirt/zur Betriebswirtin mit 3.663 erfolgreichen Prüflingen und einem Frauenanteil von 26,9 %. Unter den 44.571 bestandenen Prüfungen im gewerblich-technischen Bereich befanden sich hingegen nur 14,6 % Frauen. Bedeutende Fachrichtungen waren hier Handwerksmeister/Handwerksmeisterin mit 22.674 Prüflingen und einem Frauenanteil von 19,3 %, Industriemeister/Industriemeisterin (9.966 Prüflinge, Frauenanteil 4,4 %), Fachmeister/Fachmeisterin (2.049 Prüflinge, Frauenanteil 15,8 %).
(Anja Hall)
Schaubild B4.4-1: Entwicklung der bestandenen Fortbildungsprüfungen nach BBiG/HwO nach Geschlecht 1992 bis 2012
Tabelle B4.4-2: Teilnahmen an Fortbildungsprüfungen nach BBiG/HwO mit bestandener Prüfung nach Fachrichtung 1992 und 2012
Tabelle B4.4-3: Teilnahmen an Fortbildungsprüfungen nach BBiG/HwO mit bestandener Prüfung nach Fachrichtung und Geschlecht 2012
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256
Die Teilnahme an einer Aufstiegsfortbildung kann durch staatliche Förderinstrumente wie das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (vgl. Kapitel B3.2), die Bildungsprämie (vgl. Kapitel B3.7) sowie das Aufstiegs- oder Weiterbildungsstipendium (vgl. Kapitel B3.3) unterstützt werden (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2012a, S. 56 ff.).
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257
Neben den auf Bundes- oder Kammerebene geregelten Berufen nach BBiG/HwO gibt es auch Fortbildungen zum/zur Techniker/-in, die in Fachschulen auf Landesebene durchgeführt werden. Diese werden in der Schulstatistik des Statistischen Bundesamtes (Fachserie 11, Reihe 2) ausgewiesen (vgl. Kapitel B4.3).
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Fortbildungsprüfungen mit der längsten Tradition sind Meisterprüfungen im Handwerk. Sie werden in der Regel mit dem Ziel durchgeführt, einen Betrieb selbstständig zu führen und Auszubildende ordnungsgemäß auszubilden (§§ 45 bzw. 122 Abs. 2 HwO). Meisterprüfungen im Bereich von Industrie und Handel (Industriemeister/-in, Fachmeister/-in) ermöglichen den Aufstieg zur technischen Führungskraft der mittleren Ebene in industriellen und anderen nicht handwerklichen Gewerbebetrieben. Daneben werden Meisterprüfungen im öffentlichen Dienst, in der Landwirtschaft und in der Hauswirtschaft abgelegt. Bundeseinheitlich geregelte Meisterprüfungen ersetzen durch ihren pädagogischen Prüfungsteil die Ausbildereignungsprüfung gemäß Ausbilder-Eignungsverordnung (AEVO) (vgl. Kapitel A4.10.4).
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259
Dieser Rückgang ist nicht auf eine Veränderung der Kernzielgruppe (20- bis 44-Jährige mit Ausbildungsabschluss) zurückzuführen (vgl. Bundesministerium für Bildung und Forschung 2012b). Auch Effekte der deutschen Vereinigung, die aufgrund des hohen Interesses an Aufstiegsfortbildung zu sehr hohen Teilnehmerzahlen Anfang der 1990er-Jahre geführt haben, können nur bedingt eine Rolle spielen. Denn dem hohen Rückgang in den neuen Bundesländern zwischen 1992 (23.826) und 2012 (16.413) um 31 % steht ein ähnlich hoher Rückgang um 20 % (von 108.598 [1992] auf 86.574 [2012]) in den alten Bundesländern gegenüber (vgl. Statistisches Bundesamt 2013b). Gründe für diesen langfristigen Rückgang könnten der Rückgang der Ausbildung im Bereich Handwerk und der Strukturwandel hin zur Dienstleistungsgesellschaft sein. Auch der teilweise Wegfall der Meisterpflicht zur Führung eines Betriebs seit 2004 könnte zu einem Rückgang der Meisterprüfungen geführt haben. Des Weiteren waren Veränderungen auf der Unternehmensebene (Rationalisierungsmaßnahmen, neue Organisationsformen und Produktionskonzepte, Hierarchieabbau) wie sie seit Mitte der 1990er-Jahre zu beobachten sind, mit einem relativ starken Beschäftigungsabbau für Meister/-innen und Techniker/-innen verbunden (vgl. Plicht 1998).
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Betrachtet man die Entwicklung der bestandenen Fortbildungs-/Meisterprüfungen zwischen 1980 und 1992 für das frühere Bundesgebiet, dann zeigt sich eine fast kontinuierliche Zunahme von 61.654 Personen mit bestandener Prüfung auf 108.598. Auch in neuen Bundesländern wurde das Maximum an bestandenen Fortbildungs-/Meisterprüfungen im Jahr 1992 mit 23.826 Prüflingen erreicht (vgl. Statistisches Bundesamt 2013b).
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Durch die Neukonzeption der Statistik im Jahr 2007 ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse vor und nach der Umstellung nur eingeschränkt möglich. Seit 2009 hat sich die Vollständigkeit der Meldungen sowie die Qualität der Daten verbessert.