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Die Beteiligung an Aus- und Weiterbildung wird stark durch den Bildungshintergrund bestimmt. Dabei gilt: Je niedriger der Bildungsstand, desto geringer ist auch die Beteiligung Erwachsener am lebenslangen Lernen. Insbesondere mit Blick auf den Arbeitsmarkt wird die geringe Beteiligung von Geringqualifizierten auf nationaler wie auf europäischer Ebene als problematisch angesehen, da Geringqualifizierte – gerade auch in ökonomischen Krisensituationen – überdurchschnittlich häufig von Arbeitslosigkeit betroffen sind und ihre Arbeitsmarktchancen insgesamt deutlich schlechter sind als jene von besser qualifizierten Personen.

Der Zusammenhang zwischen Bildungsstand und Weiterbildungsbeteiligung wird in der Literatur mit unterschiedlichen Erklärungsmustern diskutiert; sie knüpfen zum ersten an Nutzenerwartungen und Lernerfahrungen der Individuen, zum zweiten an Weiterbildungserfordernissen an den Arbeitsplätzen und an der Segmentierung der Arbeitsmärkte, und zum dritten an den Weiterbildungsangeboten an, die sich für Personen mit unterschiedlichem Bildungsstand jeweils unterschiedlich darstellen (vgl. zusammenfassend Käpplinger/Kulmus/Haberzeth 2013, S. 32 ff.). Entsprechend gibt es verschiedene Ansatzpunkte für das Bestreben, gerade für formal Geringqualifizierte das Lernen im Erwachsenenalter zu steigern. Der europäische Vergleich zeigt, in welchen Ländern es besser als in anderen gelingt, auch geringqualifizierte Personen in Aus- und Weiterbildung einzubeziehen.293 Die Einteilung der Personen nach ihrem Bildungshintergrund erfolgt nach ISCED-Levels.294 Unterschieden werden 3 Gruppen: Geringqualifizierte (ISCED 0 bis 2), Personen mit mittlerem (ISCED 3 bis 4) und Personen mit hohem (ISCED 5 bis 6) Qualifikationsniveau. Wie bei der Analyse nach Altersgruppen werden nicht die absoluten Teilnahmequoten ausgewiesen, sondern die relativen Teilnahmequoten, wobei Personen mit mittlerem Bildungsniveau als Referenzgruppe dienen.

Nach den Daten des AES 2011/2012 liegt die relative Weiterbildungsquote der Geringqualifizierten im EU-28-Durchschnitt bei 58 %. Die Einbeziehung der Geringqualifizierten gelingt mit einer relativen Teilnahmequote von 82 % am besten in Luxemburg Tabelle C3.2-1. Außerdem sind – allerdings mit deutlichem Abstand – die skandinavischen Staaten mit relativen Teilnahmequoten zwischen 62 % und 69 % vergleichsweise erfolgreich. Auch Ungarn (62 %) und Deutschland (60 %) liegen noch über dem europäischen Durchschnittswert. In diesen Ländern ist die Teilnahmequote an Weiterbildung generell hoch. Aber nicht in allen Ländern mit hoher Gesamtteilnahmequote sind die Geringqualifizierten überdurchschnittlich gut einbezogen. Insbesondere für die Schweiz (relative Teilnahmequote für Geringqualifizierte von 48 %), die Niederlande (53 %) und Österreich (53 %) trifft dies nicht zu. Besonders schlechte Teilnahmechancen haben die Geringqualifizierten mit relativen Teilnahmequoten von unter 40 % im Vergleich zu qualifizierten Personen in Slowenien (38 %), Polen (35 %), Griechenland (33 %), Tschechien (31 %) und Rumänien (20 %).295

Die Hochqualifizierten sind in allen europäischen Ländern stärker an Aus- und Weiterbildung beteiligt als Personen mit mittlerer Qualifikation: die relative Teilnahmequote liegt im Durchschnitt der EU-28 bei 163 %. In Lettland, Serbien, Griechenland, Polen, Rumänien und Litauen ist das Lernen Erwachsener in besonders starkem Maße auf die Hochqualifizierten konzentriert; deren relative Teilnahmequoten liegen bei mehr als 200 %, teilweise sogar bei mehr als 300 %. Andererseits gibt es auch Staaten, in denen die Hochqualifizierten nur rund 20 % häufiger an Aus- und Weiterbildung beteiligt sind als die mittlere Qualifikationsgruppe; zu nennen sind hier vor allem Luxemburg, Portugal und Schweden.

In allen europäischen Ländern gibt es eine ungleiche Beteiligung von gering- und hochqualifizierten Personen an Aus- und Weiterbildung, aber das Maß der Ungleichheit ist unterschiedlich stark ausgeprägt. Tendenziell ist das Bildungsgefälle umso flacher, je höher die Gesamtteilnahmequote ist. Die Ausnahme bilden hier das Vereinigte Königreich und Spanien, die bei einer unterdurchschnittlichen Gesamtteilnahmequote ein vergleichsweise geringes Bildungsgefälle aufweisen. Zwar fallen in Deutschland die qualifikationsspezifischen Unterschiede etwas geringer aus als im Durchschnitt der EU, dennoch ist die qualifikationsspezifische Ungleichheit beim Lernen Erwachsener in 12 Ländern geringer als in Deutschland. Im Vergleich zu den Ergebnissen zur unterschiedlichen Beteiligung verschiedener Altersgruppen, bei der für Deutschland eine vergleichsweise gleichmäßige Beteiligung aller Altersgruppen ermittelt wurde (nur für 2 Länder ergab sich ein geringeres Maß der Ungleichheit als in Deutschland), fällt die größere Ungleichheit verschiedener Qualifikationsgruppen bei der Beteiligung am Lernen im Erwachsenenalter auf.

Auch auf der Grundlage der Daten des LFS für 2011 zeigt sich das bekannte Bild: In allen Ländern nehmen Geringqualifizierte seltener, Hochqualifizierte häufiger an Aus- und Weiterbildung teil als die Gruppe der Personen mit mittlerer Qualifikation; eine Ausnahme zeigt sich lediglich in Kroatien mit gleich hoher Beteiligungsquote der mittleren und höheren Qualifikationsgruppe. Im Detail zeichnet der LFS jedoch ein anderes Bild als der AES: Im Durchschnitt der EU-28 ist nach den Ergebnissen des LFS die Ungleichheit in der qualifikationsspezifischen Beteiligung am Lernen Erwachsener größer als nach den Ergebnissen des AES; dies ist ein ähnlicher Befund wie bei der altersgruppenspezifischen Beteiligung. Zwar sind auch nach den LFS-Daten die Geringqualifizierten in Dänemark, Norwegen und Schweden ähnlich gut wie die Referenzgruppe mit mittlerem Qualifikationsniveau in Aus- und Weiterbildung einbezogen. Mit den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, Portugal und Belgien haben jedoch in 4 Ländern die Geringqualifizierten nach dem LFS vergleichsweise gute Chancen der Einbeziehung in Aus- und Weiterbildung im Erwachsenenalter (relative Teilnahmequoten über dem EU-Durchschnitt), während nach den Ergebnissen des AES ihre relativen Teilnahmequoten nur unterdurchschnittlich sind. Ungarn und insbesondere Luxemburg haben nach dem AES relativ hohe Teilnahmequoten der Geringqualifizierten (62 % bzw. 82 %), während diese Quoten nach dem LFS deutlich unter dem EU-28-Durchschnitt liegen (19 % bzw. 33 %). In Deutschland weist die relative Teilnahmequote der Geringqualifizierten nach den Ergebnissen des AES auf eine leicht überdurchschnittliche Einbeziehung der Geringqualifizierten in Aus- und Weiterbildung im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hin (60 % im Vergleich zu 58 % im EU-28-Durchschnitt), während der LFS eine vergleichsweise schlechtere Einbeziehung der Geringqualifizierten ausweist (45 % im Vergleich zu 51 % im EU-28-Durchschnitt).

Tabelle C3.2-1: Beteiligung an formaler und non-formaler Aus- und Weiterbildung nach Bildungsniveau (AES 2011/2012)

  • 293

    Vgl. hierzu ebenfalls Behringer/Kuwan/Schönfeld 2013.

  • 294

    Die „Internationale Standardklassifikation für das Bildungswesen“ (ISCED) ist ein Instrument zur Erstellung international vergleichbarer Bildungsstatistiken. In der hier verwendeten Version (ISCED 1997) werden 7 Bildungsebenen unterschieden: 0–2: Elementar-, Primar- und Sekundarbereich I; 3–4: Sekundarbereich II und nichttertiäre Bildung nach dem Sekundarbereich; 5–6: Tertiärbereich. 

  • 295

    In Griechenland, Rumänien und Litauen sind die Angaben für die Geringqualifizierten von Eurostat als wenig zuverlässig gekennzeichnet und daher mit Vorsicht zu interpretieren, für die Slowakei und Serbien sind sie nicht verfügbar.