Unternehmen bieten ihren Beschäftigten nicht nur betrieblich finanzierte Weiterbildung in Form von Kursen an, sondern auch in arbeitsplatznahen Formen. Dazu gehören eher traditionelle Formen wie die Unterweisung am Arbeitsplatz oder Informationsveranstaltungen, aber auch modernere Typen wie Lern- und Qualitätszirkel und selbstgesteuertes Lernen. Die Grenze zwischen Arbeit und Lernen ist bei diesen Formen betrieblicher Weiterbildung teilweise fließend, was die empirische Erfassung schwierig macht (vgl. Moraal/Grünewald 2004). Die Schwierigkeit der Erfassung bezieht sich dabei nicht auf den Anteil der Unternehmen, die entsprechende Weiterbildung anbieten, sondern vielmehr auf detaillierte Informationen, wie beispielsweise die Teilnahmequote (vgl. Cedefop 2010, S. 107 f.).
Nach den Ergebnissen von CVTS4 haben in den Mitgliedstaaten der EU im Jahr 2010 66 % der Unternehmen betriebliche Weiterbildung für ihre Beschäftigten finanziert. 56 % der Unternehmen haben Kurse finanziert, 53 % andere Weiterbildungsformen. Die Höhe der Anteile zeigt bereits, dass die verschiedenen Formen oft parallel in den Unternehmen angeboten werden. Im Vergleich zu 2005 haben beide Anteilswerte zugenommen. Die Verteilung der Weiterbildungsformen in den einzelnen Staaten ist dabei sehr unterschiedlich Tabelle C4.2-1:
- In allen nord- und westeuropäischen Staaten ist der Anteil der Unternehmen, die Weiterbildungskurse anbieten, höher als der von Eurostat geschätzte Durchschnitt der EU-28, und auch der Anteil mit Angeboten an anderen Weiterbildungsformen ist in fast allen Staaten überdurchschnittlich. Lediglich Frankreich fällt durch einen unterdurchschnittlichen Anteil der Unternehmen auf, die andere Weiterbildungsformen anbieten. Dies könnte mit kulturellen Präferenzen, aber auch mit institutionellen Faktoren zusammenhängen, etwa der Bevorzugung der Kurse im französischen Fondssystem (vgl. Behringer/Descamps 2009).
- In den südeuropäischen wie in den osteuropäischen Staaten gibt es erhebliche Unterschiede im Angebot an Weiterbildung: In Spanien, Tschechien und Estland bieten die Unternehmen überdurchschnittlich oft Weiterbildungskurse an, in allen anderen Staaten wird der EU-28-Durchschnitt nicht erreicht. Beim Angebot an anderen Weiterbildungsformen werden nicht nur in Tschechien und Estland, die auch überdurchschnittlich hohe Anteile an kursanbietenden Unternehmen aufweisen, sondern zudem noch in der Slowakei, Slowenien und Zypern überdurchschnittliche Werte erreicht.
In fast allen nord-, west- und südeuropäischen Staaten ist der Anteil der Unternehmen, die andere Weiterbildungsformen finanzieren, im Jahr 2010 höher als 2005; Ausnahmen sind Deutschland (konstanter Anteil) und Luxemburg (Rückgang). Auch der Anteil der kursanbietenden Unternehmen ist hier in fast allen Ländern gestiegen (Ausnahmen: Rückgänge in Dänemark und Finnland, Konstanz in den Niederlanden und Frankreich). In den osteuropäischen Staaten ergibt sich kein einheitliches Bild.
Noch 2005 spielte in Deutschland die betriebliche Weiterbildung in anderen Formen eine besondere Rolle; von einem „deutschen Spezifikum bezüglich der hohen und wachsenden Bedeutung der anderen Weiterbildungsformen“ wurde gesprochen (Behringer/Käpplinger 2011, S. 18). Die Ergebnisse von 2010 legen nahe, dass 2010 in vielen Ländern ein höherer Anteil der Unternehmen andere Weiterbildungsformen finanziert, zumeist ohne dass dies mit einem Rückzug aus der kursförmigen Weiterbildung einhergeht. Die Ergebnisse über die 3 Wellen von CVTS zeigen jedoch auch, dass die Präferenz von Kursen oder anderen Weiterbildungsformen in vielen Ländern nicht stabil ist.
Eine Abschätzung der Bedeutung der anderen Weiterbildungsformen würde sich idealerweise auf eine Beteiligungsquote an diesen anderen Formen insgesamt stützen. Diese liegt jedoch nicht vor; in CVTS werden die Beteiligungsquoten für jede der anderen Formen einzeln ermittelt. Die Schätzung von Bandbreiten ist möglich, ergibt aber für Deutschland und viele andere Länder kein klares Bild, ob Kurse oder andere Formen dominieren.
Vorausgeplante Weiterbildung am Arbeitsplatz (Unterweisungen, Einarbeitung durch Vorgesetzte oder Kollegen) ist in CVTS den anderen Weiterbildungsformen zugeordnet, in AES überwiegend den non-formalen Lernaktivitäten und im LFS explizit ausgeschlossen. Nach den Ergebnissen aus CVTS4 waren im EU-28-Durchschnitt 20 % der Beschäftigten in Unternehmen mit 10 und mehr Beschäftigten in den ausgewählten Branchen an dieser Form betrieblicher Weiterbildung beteiligt Schaubild C4.2-1. Dies ist zwar deutlich niedriger als die Teilnahmequote an Weiterbildungskursen (38 %), aber doch beachtlich.
Gegenüber 2005 hat die Beteiligung an Weiterbildung am Arbeitsplatz im Durchschnitt der EU deutlich zugenommen, die relative Veränderung ist stärker als bei der Teilnahme an Weiterbildungskursen. Der Bereich, der im LFS nicht in die Teilnahmequote einbezogen wird, ist jedenfalls nach den Ergebnissen aus CVTS insgesamt größer geworden.299 In den einzelnen Staaten ist dabei sowohl die Beteiligung am Lernen am Arbeitsplatz (zwischen 31 % und 6 % der Beschäftigten in 2010) als auch ihre Entwicklung (starke Zunahme z. B. in Litauen und Lettland jeweils 14 Prozentpunkte, starke Abnahme, z. B. Dänemark 9 Prozentpunkte) sehr unterschiedlich.
Die arbeitsplatznahen Formen der Weiterbildung sind ein wichtiger Bereich. Die verstärkte Bearbeitung dieses Feldes in der Forschung könnte auch dazu beitragen, die Disparitäten der Ergebnisse der verschiedenen europäischen Erhebungen zur Beteiligung Erwachsener am lebenslangen Lernen aufzuklären.
Tabelle C4.2-1: Anteil der weiterbildenden Unternehmen nach Form der Weiterbildung 2010 (in % aller Unternehmen) und Entwicklung im Vergleich zu 2005
Schaubild C4.2-1: Anteil der Teilnehmenden an Weiterbildung am Arbeitsplatz 2010 und 2005 (in % der Beschäftigten in allen Unternehmen)
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Kapitel C1 diskutiert Auswertungen von Eurostat auf der Grundlage von AES 2007, die Teilnahmequoten an non-formaler Bildung unter Ausschluss von Weiterbildung am Arbeitsplatz zur Verfügung stellen. Entsprechende Analysen auf der Grundlage von AES2011/12 wurden bislang nicht veröffentlicht. Aus methodischen Gründen ist es in CVTS nicht möglich, den Teil der Beschäftigten zu identifizieren, die sowohl an betrieblichen Weiterbildungskursen als auch an Weiterbildung am Arbeitsplatz teilgenommen haben.