Die berufliche Ausbildung ist eine entscheidende Etappe für den beruflichen Werdegang junger Menschen. Potenzialen und Ressourcen junger Menschen mit Migrationshintergrund sowie ihren Schwierigkeiten gerade beim Zugang in eine berufliche Ausbildung gilt weiterhin eine große bildungspolitische Aufmerksamkeit. Seltener hingegen werden bisher die berufliche Ausbildung selbst und ihr Verlauf in den Blick genommen. Zu beachten ist, dass der Begriff „Migrationshintergrund“ in Erhebungen und Studien mitunter unterschiedlich definiert wird.
Migrationshintergrund
„Migrationshintergrund“ ist in der Regel ein Konstrukt aus mehreren Merkmalen, das in verschiedenen Erhebungen und Studien auf unterschiedliche Weise operationalisiert wird. In den empirischen Untersuchungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) werden meist die aktuelle Staatsangehörigkeit und die Muttersprache (bzw. die als Erste erlernte/ -n Sprache/ -n), teilweise auch das Geburtsland und in Deutschland verbrachte Zeiten, verwendet (Settelmeyer/Erbe 2010; vgl. z. B. in Kapitel A3.2). Darüber hinausgehend unterscheidet der Mikrozensus zwischen Personen mit eigener Migrationserfahrung (Ausländer, Deutsche [Spät-]Aussiedler und Eingebürgerte) sowie Personen ohne eigene Migrationserfahrung (Ausländer der 2. und 3. Generation, Deutsche, d. h. Eingebürgerte, Deutsche mit mindestens einem zugewanderten oder als Ausländer in Deutschland geborenen Elternteil; Statistisches Bundesamt 2013 a).
Unterschiedliche Definitionen und in der Folge uneinheitliche Kategorisierungen von Personen als solche mit bzw. ohne Migrationshintergrund führen nicht nur zu erheblichen quantitativen Unterschieden der so bestimmten Gruppe, sondern können auch die Ergebnisse von Studien und die sich daraus ergebenden Schlussfolgerungen und Handlungsempfehlungen beeinflussen. Es ist daher erforderlich, die für die Definition von Migrationshintergrund jeweils verwendeten Kriterien und die Begründung ihrer Auswahl offenzulegen (Settelmeyer/Erbe 2010).
Zugang von Jugendlichen mit Migrationshintergrund in eine berufliche Ausbildung
Der Übergang von der allgemeinbildenden Schule in eine Berufsausbildung ist insbesondere für nicht-studienberechtigte Jugendliche mit Migrationshintergrund auch weiterhin oft besonders schwierig und langwierig (vgl. Kapitel A3.2; BIBB-Datenreport 2014, 2013, 2011 und 2009, jeweils Kapitel A3; Beicht 2012; Beicht/Walden 2014 b, c).
Nach der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2014 sind etwas mehr als ein Drittel der bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierten Bewerber/ -innen mit Migrationshintergrund am Jahresende in einer dualen Berufsausbildung nach BBiG/HwO verblieben (36 %), und zwar 29 % in einer betrieblichen und 7 % in einer nicht betrieblichen Ausbildung. Von denjenigen ohne Migrationshintergrund sind es dagegen 51 % (45 % in betrieblicher und 6 % in nicht betrieblicher Ausbildung) Tabelle A3.1.1-4.158 Demgegenüber befanden sich Bewerber/ -innen mit Migrationshintergrund im Vergleich zu denjenigen ohne häufiger in einem/einer teilqualifizierenden Bildungsgang/Maßnahme (20 % vs. 15 %). Auch unter Berücksichtigung des Schulabschlusses sind Bewerber/ -innen mit Migrationshintergrund Ende 2014 seltener in einer betrieblichen Ausbildung. Besonders deutlich sind die Unterschiede bei einem Realschulabschluss: Während sich bei einem mittleren Abschluss (knapp) die Hälfte der Bewerber/ -innen ohne Migrationshintergrund (48 %) am Ende des Jahres in einer betrieblichen Ausbildung befindet, sind dies bei denjenigen mit Migrationshintergrund nur 30 %. Bei einem mittleren Abschluss beträgt die Differenz zwischen Bewerbern/Bewerberinnen mit und ohne Migrationshintergrund demnach 18 Prozentpunkte und liegt damit doppelt so hoch wie die Differenz bei einem Hauptschulabschluss Schaubild A3.1.2-1.
Werden in die Analysen alle Schulabgänger/ -innen einbezogen, unabhängig davon, ob sie bei der BA als Bewerber/ -innen registriert sind, so weisen die Ergebnisse in die gleiche Richtung. Nach der BIBB-Übergangsstudie 2011 münden Jugendliche mit Migrationshintergrund159, die am Ende der Schulzeit einen betrieblichen Ausbildungsplatz suchten, schätzungsweise mit 39 % innerhalb von 3 Monaten bzw. mit 69 % nach 3 Jahren in eine betriebliche Ausbildung ein und damit seltener als Jugendliche ohne Migrationshintergrund (ohne MH: Einmündung innerhalb 3 Monate 54 %, innerhalb von 3 Jahren 80 %, vgl. Kapitel A3.2).
Dies betrifft insbesondere nicht-studienberechtigte Jugendliche: Bei maximal mittlerer Reife und entsprechenden Suchaktivitäten münden 66 % der Jugendlichen mit Migrationshintergrund innerhalb von 3 Jahren in eine betriebliche Ausbildung ein, 79 % sind es bei denjenigen ohne Migrationshintergrund (vgl. Kapitel A3.2). Werden bei der Suche alle Formen vollqualifizierender Ausbildung einbezogen – betriebliche Ausbildung, Schulberufssystem und Beamtenlaufbahn –, dann steigt die Einmündungsquote für Nichtstudienberechtigte mit Migrationshintergrund auf 77 % und bei denjenigen ohne Migrationshintergrund auf 89 %, d. h., die Unterschiede zwischen beiden Gruppen bleiben bestehen. Bei einer Studienberechtigung existieren hingegen keine substanziellen Unterschiede zwischen beiden Gruppen: Studienberechtigte Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund haben – mit und ohne Suchaktivitäten – ähnliche Einmündungswahrscheinlichkeiten in eine betriebliche bzw. vollqualifizierende Ausbildung Schaubild A3.2-3.
Differenziert nach Geschlecht bestätigen sich für den Übergang in eine betriebliche Ausbildung die Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudie 2006 (vgl. BIBB-Datenreport 2011, Kapitel A4.9) – demnach sind junge Männer ohne Migrationshintergrund am häufigsten erfolgreich und junge Frauen mit Migrationshintergrund am seltensten: Bei Suchaktivitäten münden 84 % der nicht-studienberechtigten jungen Männer ohne Migrationshintergrund innerhalb von 3 Jahren in eine betriebliche Ausbildung. Erheblich seltener gelingt jungen Männern mit Migrationshintergrund bzw. jungen Frauen ohne Migrationshintergrund mit maximal mittlerer Reife im Verlauf von 3 Jahren der Übergang in eine betriebliche Ausbildung (nicht-studienberechtigte junge Männer mit Migrationshintergrund 70 %, nicht-studienberechtigte junge Frauen ohne Migrationshintergrund 71 %). Am seltensten münden nicht-studienberechtigte junge Frauen mit Migrationshintergrund, die einen Ausbildungsplatz suchen, im Zeitraum von 3 Jahren in eine betriebliche Ausbildung (60 %) ein. Bei der Einmündung in alle Formen vollqualifizierender Ausbildung sind nicht-studienberechtigte junge Frauen (75 %) und junge Männer mit Migrationshintergrund (78 %) bei entsprechender Suche seltener erfolgreich als nicht-studienberechtigte junge Frauen (88 %) bzw. Männer ohne Migrationshintergrund (89 %) Schaubild A3.2-2.
Auf Basis der Berufsbildungsstatistik sowie der durch den Zensus 2011 korrigierten Daten der Bevölkerungsfortschreibung kann die Ausbildungsanfängerquote ausländischer und deutscher Jugendlicher berechnet werden (vgl. Kapitel A4.5). Demnach lag die Ausbildungsanfängerquote ausländischer Jugendlicher 2013 mit 32,1 % rund 25 Prozentpunkte unter der Quote deutscher Jugendlicher (57,0 %). Die Ausbildungsanfängerquote ist damit gegenüber 2011 sowohl bei ausländischen Jugendlichen (2011: 35,7 %) als auch bei deutschen Jugendlichen (2011: 60,6 %) leicht gesunken Tabelle A4.5-4, wobei der Abstand zwischen beiden Gruppen ungefähr gleich geblieben ist (2011: 24,9 Prozentpunkte, 2013: 24,5 Prozentpunkte). Weitere Unterschiede zeigen sich bei der Differenzierung nach Geschlecht: 2013 betrug die Ausbildungsanfängerquote junger Frauen ausländischer Nationalität 28,4 %, die junger Männer ausländischer Nationalität 35,5 %. Die Ausbildungsanfängerquote deutscher Frauen lag 2013 mit 46,9 % rund 19 Prozentpunkte höher als die ausländischer Frauen, die der männlichen deutschen Jugendlichen mit 66,6 % sogar rund 31 Prozentpunkte über derjenigen männlicher Jugendlicher ausländischer Nationalität Tabelle A4.5-4. Zu beachten ist, dass die hier berücksichtigte Staatsangehörigkeit von Personen nicht mit dem Merkmal Migrationshintergrund gleichgesetzt werden kann. Aus der Ausbildungsanfängerquote abgeleitete Aussagen zur Teilhabe junger Menschen mit Migrationshintergrund an beruflicher Ausbildung können sich nur auf die Teilgruppe der Personen mit ausländischer Staatsangehörigkeit beziehen.
Auf die Fragen, wie es zu den Unterschieden zwischen (nicht-studienberechtigten) Jugendlichen mit und ohne Migrationshintergrund beim Zugang in berufliche Ausbildung kommt und welche Folgen diese Unterschiede für Verlauf und Abschluss einer beruflichen Ausbildung sowie für ihren weiteren beruflichen Werdegang haben, können die amtlichen Statistiken (z. B. Berufsbildungsstatistik, Schulstatistik, integrierte Ausbildungsberichterstattung, vgl. Kapitel A6) keine Antworten geben. Hierzu muss auf Stichprobenerhebungen zurückgegriffen werden. Auf der Grundlage von Stichprobenuntersuchungen des BIBB hatte das Forschungsprojekt „Ausbildungschancen von Jugendlichen mit Migrationshintergrund – Übergangsprozesse und Einmündungschancen junger Menschen mit Migrationshintergrund“ in eine berufliche Ausbildung untersucht (Granato u. a. 2011). Über zentrale Ergebnisse dieses Projekts wurde in den Ausgaben 2009 bis 2014 des Datenreports zum Berufsbildungsbericht berichtet. Dabei zeigte sich – vergleichbar zu aktuellen Untersuchungen –, dass junge Menschen mit maximal Hauptschulabschluss oder einem mittleren Schulabschluss bei einem Migrationshintergrund trotz engagierter Suchaktivitäten erheblich häufiger längere Übergangsprozesse auf dem Weg in eine berufliche Ausbildung durchlaufen und seltener in eine betriebliche bzw. alle Formen vollqualifizierender Ausbildung einmünden (vgl. Kapitel A3.2).
Weder ungünstigere schulische Voraussetzungen bzw. Schulleistungen oder metakognitive Fähigkeiten bzw. Berufspräferenzen oder Suchstrategien noch die bisher untersuchten kulturellen und sozialen Ressourcen und die soziale Herkunft bzw. Unterstützungsangebote im Übergangsprozess oder die regionale Ausbildungsmarktlage können bei einem Migrationshintergrund die geringeren Einmündungschancen junger Menschen mit Hauptschul- oder mittlerem Schulabschluss bzw. bestimmter Herkunftsgruppen in eine nicht-akademische berufliche Ausbildung abschließend erklären (vgl. Kapitel A3.2; Beicht 2015; Beicht 2012; Beicht/Walden 2014 b; Seeber 2011).
Auszubildende mit und ohne Migrationshintergrund im betrieblichen Alltag: Anforderungen, Ressourcen und Ausbildungszufriedenheit
Konzentrierte sich die Forschung bisher auf den Übergang Schule – Ausbildung, liegen inzwischen (erste) empirisch belastbare Ergebnisse zur Platzierung in beruflicher Ausbildung, den Rahmenbedingungen der Ausbildung und dem Ausbildungsgeschehen (Gei/Granato 2015) sowie zum Erfolg am Ausbildungsende differenziert nach dem Migrationshintergrund vor (Beicht/Granato/Ulrich 2011; Beicht/Walden 2014 a; Hunkler 2010). Studien, die untersuchen, in welche Ausbildungsgänge Jugendliche eingemündet sind, weisen darauf hin, dass Auszubildende mit Migrationshintergrund, die einen Ausbildungsplatz finden, signifikant seltener im Wunschberuf ausgebildet werden als Auszubildende ohne Migrationshintergrund (Diehl/Friedrich/Hall 2009; Beicht/Granato/Ulrich 2011; Hupka-Brunner/Kriesi 2013). Auch andere Indikatoren deuten darauf hin, dass Auszubildende mit Migrationshintergrund auf ungünstigere Rahmenbedingungen in der Ausbildung treffen: Sie werden signifikant häufiger als Nichtmigranten/Nichtmigrantinnen in dualen Ausbildungsberufen ausgebildet, für die sie schulisch höher qualifiziert sind als der Durchschnitt der Auszubildenden in diesen Berufen, und sie erhalten häufiger Ausbildungsplätze in Ausbildungsberufen, die eine höhere Vertragslösungsquote aufweisen (vgl. BIBB-Datenreport 2014, Kapitel 4.9; Beicht/Walden 2014 a; Beicht/Ulrich/Granato 2011; Krewerth 2011).
Im Hinblick auf den Ausbildungsprozess selbst liegen unterschiedliche Forschungsergebnisse vor. Nach einer Studie im Bremer Handwerk haben Auszubildende mit Migrationshintergrund, selbst unter Kontrolle zentraler individueller und betrieblicher Einflussgrößen, seltener als Nichtmigranten/Nichtmigrantinnen die Möglichkeit, im betrieblichen Lern- und Ausbildungsprozess Selbstständigkeit zu entwickeln, und erfahren eine geringere Fehlertoleranz durch die Ausbildenden (Quante-Brandt/Grabow 2009). In eine andere Richtung weisen die Resultate der repräsentativen Untersuchung des BIBB „Ausbildung aus Sicht der Auszubildenden“ in 15 stark besetzten Ausbildungsberufen (Krewerth 2011; Krewerth/Beicht 2011). Zwar werden Auszubildende mit Migrationshintergrund häufiger in Ausbildungsberufen mit ungünstigeren Rahmenbedingungen ausgebildet (Krewerth 2011). Dennoch schätzen Auszubildende mit und ohne Migrationshintergrund die Bedeutsamkeit der Arbeit bzw. Aufgaben für den Betrieb, die Vielseitigkeit der Aufgaben und die Fehlertoleranz der Ausbildenden ihnen gegenüber ähnlich ein. Bedeutsame Unterschiede zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund bestehen vor allem beim Lob für gute Leistungen, der Möglichkeit, im betrieblichen Alltag selbstständig zu arbeiten bzw. zu lernen, und der Lernprozessplanung – zugunsten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund – sowie beim fachlichen Feedback, beim Arbeitsdruck und den Überstunden – zuungunsten von Auszubildenden mit Migrationshintergrund (Gei/Granato 2015). In den 15 untersuchten Ausbildungsberufen lässt sich demnach im betrieblichen Alltag keine generelle Benachteiligung von Auszubildenden mit Migrationshintergrund feststellen: Bei einigen für den Ausbildungsprozess als wichtig erachteten Qualitätsdimensionen (Dietzen u. a. 2014) sind Auszubildende mit Migrationshintergrund stärker benachteiligt, bei anderen Auszubildende ohne Migrationshintergrund (Gei/Granato 2015).
Es stellt sich nunmehr die Frage, welche Bedeutung einem Migrationshintergrund im betrieblichen Ausbildungsalltag zukommt, wenn eine Vielzahl von Ausbildungsberufen berücksichtigt wird. Auf der Grundlage der BIBB/BAuA-Jugenderwerbstätigenbefragung 2011/2012 werden nachfolgend zentrale Aspekte des betrieblichen Alltags von Auszubildenden betrachtet (zu weiteren Ergebnisse der Befragung vgl. Kapitel A4.11): Welchen Anforderungen stehen duale Auszubildende mit und ohne Migrationshintergrund im betrieblichen Alltag gegenüber, inwieweit fühlen sie sich dadurch belastet und welche Ressourcen in Form von Autonomie und sozialer Unterstützung erhalten sie? Neben der Ausbildungszufriedenheit dieser Auszubildenden wird auch beleuchtet, inwieweit sich die Auszubildenden den Anforderungen im Ausbildungsalltag gewachsen fühlen.
BIBB/BAuA-Jugenderwerbstätigenbefragung 2011/2012
Bei der BIBB/BAuA-Jugenderwerbstätigenbefragung 2011/2012 handelt es sich um eine telefonische Repräsentativbefragung von 3.214 jungen Erwerbstätigen und Auszubildenden im Alter von 15 bis 24 Jahren (vgl. in Kapitel A4.11). Von allen befragten jungen Erwerbstätigen und Auszubildenden wurden anhand mehrerer Angaben (u. a. zum Ausbildungsberuf) 1.119 Jugendliche in dualer Berufsausbildung identifiziert. Die Stichprobe ist repräsentativ für Auszubildende im Alter von 15 bis 24 Jahren mit einer Ausbildungszeit von mindestens zehn Stunden pro Woche (vgl. Schmiederer 2014). Zentrale Merkmale der Auszubildenden sind ähnlich verteilt wie unter allen Jugendlichen, die sich 2011 in dualer Ausbildung befinden Tabelle A4.11-1 Internet.
Definition des Migrationshintergrunds
Ein Migrationshintergrund liegt vor, wenn die Befragten eine ausländische Staatsangehörigkeit haben oder (auch) eine andere Muttersprache als Deutsch im Kindesalter erlernt haben. Auszubildende ohne Migrationshintergrund haben die deutsche Staatsangehörigkeit und zudem Deutsch als erste und einzige Muttersprache erlernt. In der BIBB/BAuA-Jugenderwerbstätigenbefragung 2011/2012 liegt nach dieser Definition der Anteil an Auszubildenden mit Migrationshintergrund bei 20,4 % (n = 182).
Im Rahmen der BIBB/BAuA-Jugenderwerbstätigenbefragung 2011/2012 wurden u. a. 1.119 Jugendliche in dualer Berufsausbildung befragt, 937 Jugendliche ohne und 182 Jugendliche mit Migrationshintergrund (20,4 %). Das Alter der befragten Auszubildenden liegt unabhängig von einem Migrationshintergrund bei rund 20 Jahren. Der Frauenanteil ist bei Auszubildenden mit Migrationshintergrund höher als ohne Migrationshintergrund (48 % vs. 35 %). Auszubildende mit Migrationshintergrund erlernen im Vergleich zu Auszubildenden ohne Migrationshintergrund deutlich häufiger einen Dienstleistungsberuf (68 % vs. 51 %). Auszubildende mit Migrationshintergrund haben in der Stichprobe seltener als diejenigen ohne Migrationshintergrund einen weiterführenden Schulabschluss erreicht, sei es einen Realschulabschluss (35 % vs. 43 %) oder die Hochschulreife (21 % vs. 27 %), hingegen häufiger einen Hauptschulabschluss (44 % vs. 30 %) Tabelle A4.9-1 Internet. Der monatliche Bruttoverdienst liegt in den alten Ländern bei Auszubildenden ohne Migrationshintergrund im Schnitt bei 652 € und damit höher als bei Auszubildenden mit Migrationshintergrund (609 €).
Tabelle A 4.9-2: Häufig auftretende psychische Anforderungen und damit verbundene Belastungen bei Auszubildenden ohne und mit Migrationshintergrund (in %)
Anforderungen und Belastungen im betrieblichen Alltag
Bei Anforderungen und Belastungen im betrieblichen Alltag bestehen zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund eine Reihe von Übereinstimmungen, aber auch einige statistisch signifikante Unterschiede Tabelle A4.9-2.
In der betrieblichen Ausbildung wird von Auszubildenden unabhängig von einem Migrationshintergrund (MH) ähnlich häufig erwartet, verschiedene Arbeiten oder Vorgänge gleichzeitig im Auge zu behalten (mit MH 40,9 % vs. ohne MH 36,5 %). Die Anforderung, schnell zu arbeiten, trifft Auszubildende bei einem Migrationshintergrund mit 40,2 % ähnlich häufig wie Auszubildende ohne Migrationshintergrund (34,5 %). Dies gilt auch für starken Termin- bzw. Leistungsdruck (mit MH 36,2 % vs. ohne MH 32,6 %). Knapp jedem bzw. jeder dritten Auszubildenden wird im betrieblichen Alltag eine bestimmte Stückzahl, Mindestleistung oder Zeit vorgeschrieben – ohne signifikante Unterschiede nach dem Migrationshintergrund (mit MH 34,8 % vs. ohne MH 31,3 %). Ohne bedeutsame Differenzen nach dem Migrationshintergrund ist knapp jede bzw. jeder dritte Auszubildende mit Störungen oder Unterbrechungen bei der Arbeit konfrontiert, z. B. durch Kollegen/Kolleginnen, schlechtes Material, Defekte an Maschinen oder Telefonate (mit MH 33,2 % vs. ohne MH 30,7 %) Tabelle A4.9-2.
Neben diesen im betrieblichen Alltag unabhängig von einem Migrationshintergrund ähnlich ausgeprägten Anforderungen gibt es auch signifikante Unterschiede zwischen beiden Gruppen: Auszubildende mit Migrationshintergrund werden signifikant häufiger in Berufen ausgebildet, in denen sich in der betrieblichen Ausbildung ein und derselbe Arbeitsgang häufig bis in alle Einzelheiten wiederholt (mit MH 55,6 % vs. ohne MH 47,4 %). Entsprechend geringer ist der Anteil Auszubildender mit Migrationshintergrund, die häufig vor neue Aufgaben gestellt werden, in die sie sich erst mal hineindenken und einarbeiten müssen (39,4 % vs. 46,5 %).
Auszubildende mit Migrationshintergrund gehen im betrieblichen Alltag zudem signifikant häufiger bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit (mit MH 17,7 % vs. ohne MH 11,5 %), und es kommt häufiger als bei Auszubildenden ohne Migrationshintergrund vor, dass von ihnen Dinge verlangt werden, die sie nicht gelernt haben oder die sie nicht beherrschen (mit MH 12,6 % vs. ohne MH 8,5 %) Tabelle A4.9-2.
Diese Anforderungen im Betrieb werden in unterschiedlichem Maße als belastend empfunden (vgl. Kapitel A4.11). Knapp die Hälfte (49,5 %) der Auszubildenden, bei denen häufig starker Termin- oder Leistungsdruck herrscht, und 43,6 % derjenigen, bei denen häufig Störungen oder Unterbrechungen auftreten, sind davon belastet. Besonders belastend ist es für Auszubildende, wenn die Grenze der Leistungsfähigkeit häufig erreicht wird oder häufig Dinge erwartet werden, die nicht gelernt oder nicht beherrscht werden (mit MH 62,9 % vs. ohne MH 59,6 % bzw. mit MH 52,0 % vs. ohne MH 40,9 %). Bei vielen Anforderungen wird die Belastung von Auszubildenden unabhängig vom Migrationshintergrund ähnlich empfunden Tabelle A4.9-2. Signifikante Unterschiede zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund zeigen sich allerdings bei der Belastung durch die ständige Wiederholung von Arbeitsaufgaben. Auszubildende mit Migrationshintergrund fühlen sich dadurch häufiger belastet (mit MH 22,7 % vs. ohne MH 14,1 %).
Handlungsspielräume und soziale Unterstützung im betrieblichen Alltag
Auszubildende benötigen Handlungsspielräume und soziale bzw. fachliche Unterstützung, um die Ausbildung und die Anforderungen im betrieblichen Alltag erfolgreich bewältigen zu können (Dietzen u. a. 2014). Auszubildende fühlen sich in hohem Maße als Teil der sozialen Gemeinschaft in ihrer betrieblichen Umgebung und erhalten dort in hohem Maße Unterstützung: Die große Mehrheit, d. h. 82,7 % der Auszubildenden, fühlen sich an ihrem Arbeitsplatz häufig als Teil einer Gemeinschaft, und 87,2 % der Auszubildenden empfinden die Zusammenarbeit mit Kollegen häufig als gut. 87,6 % geben des Weiteren an, dass sie häufig von ihren Kollegen/Kolleginnen Hilfe und Unterstützung bei ihrer Arbeit erhalten, wenn sie diese benötigen, seltener ist dies bei direkten Vorgesetzten der Fall (56,8 %) Tabelle A4.9-3. Handlungsspielräume im Ausbildungsalltag erfahren Auszubildende dagegen erheblich seltener: Nach der BIBB/BAuA-Jugenderwerbstätigenbefragung 2011/2012 kann rund ein Drittel der Auszubildenden die eigene Arbeit häufig selbst planen und einteilen (34,8 %), jede bzw. jeder Fünfte hat häufig Einfluss auf die zugewiesene Arbeitsmenge (19,6 %). Bei den zur Verfügung stehenden Ressourcen in Form von Handlungsspielräumen oder sozialer Unterstützung zeigen sich zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund keine signifikanten Unterschiede Tabelle A4.9-3.
Über- und Unterforderung durch fachliche Anforderung und Arbeitsmenge
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die Frage, in welchem Ausmaß sich die Auszubildenden den Anforderungen im Betrieb gewachsen fühlen oder ob Anzeichen für eine Über- oder Unterforderung bestehen. Hierfür wurde nach der Passung mit den fachlichen Anforderungen und der Arbeitsmenge gefragt.
Die überwiegende Mehrheit der Auszubildenden fühlt sich den fachlichen (78,3 %) und mengenmäßigen Anforderungen im Betrieb gewachsen (75,8 %). Auszubildende mit Migrationshintergrund fühlen sich signifikant häufiger als Auszubildende ohne Migrationshintergrund von den Anforderungen durch die Arbeitsmenge überfordert (mit MH 19,2 % vs. ohne MH 11,2 %) oder unterfordert (mit MH 17,7 % vs. ohne MH 9,8 %) Tabelle A4.9-4. Von den fachlichen Anforderungen fühlen sich Auszubildende mit Migrationshintergrund häufiger unterfordert (mit MH 20,1 vs. ohne MH 15,1 %), was sich durch ihren höheren Anteil an primären Dienstleistungsberufen erklärt (vgl. Kapitel A4.11).
Ausbildungszufriedenheit
Aufgrund der aufgezeigten geringeren Passung und der geringeren Chance, eine Ausbildung im Wunschberuf aufzunehmen (mit MH 73,0 % vs. ohne MH 80,8 %)160, wäre zu erwarten, dass die Zufriedenheit mit der Ausbildung bei einem Migrationshintergrund geringer ausgeprägt ist.161 Dies zeigt sich jedoch lediglich in Bezug auf die Zufriedenheit mit der Arbeitszeit, mit der Auszubildende mit Migrationshintergrund signifikant seltener sehr zufrieden sind als Auszubildende ohne Migrationshintergrund (mit MH 17,1 % vs. ohne MH 25,1 %) Tabelle A4.9-5. Die Antworten auf die Frage „Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Arbeit insgesamt?“ unterscheiden sich nicht zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund. Dies bestätigt sich hinsichtlich der Arbeitszufriedenheit von Erwerbstätigen: Migranten/Migrantinnen unterscheiden sich nicht signifikant von Nichtmigranten/ -Nichtmigrantinnen (vgl. Derfler/Besic 2013).
Tabelle A 4.9-3: Häufig vorliegende Handlungsspielräume und soziale Unterstützung bei Auszubildenden ohne und mit Migrationshintergrund (in %)
Tabelle A 4.9-4: Über- und Unterforderung bei Auszubildenden ohne und mit Migrationshintergrund (in %)
Tabelle A 4.9-5: Zufriedenheit bei Auszubildenden ohne und mit Migrationshintergrund (Anteil sehr zufrieden in %)
Fazit
Im betrieblichen Alltag erfahren Auszubildende unabhängig von einem Migrationshintergrund ähnliche Anforderungen, die sie zumeist auch ähnlich häufig als belastend empfinden. Dies trifft auf starken Termin- und Arbeitsdruck, die vorgeschriebene Arbeitsmenge bzw. Arbeitsgeschwindigkeit, das Multitasking und die Störungen im Arbeitsablauf zu. Auszubildende fühlen sich in der betrieblichen Ausbildung in hohem Maße als Teil einer sozialen Gemeinschaft und erhalten in hohem Maße Unterstützung durch ihr betriebliches Umfeld – ohne Unterschiede nach dem Migrationshintergrund. Deutlich seltener haben Auszubildende unabhängig von einem Migrationshintergrund hingegen Handlungsspielräume bei der Planung bzw. bei der Menge der eigenen Arbeit im Betrieb. Die große Mehrheit der Auszubildenden sieht sich den mengenmäßigen und fachlichen Anforderungen gewachsen, unabhängig von einem Migrationshintergrund. Wenngleich Auszubildende mit Migrationshintergrund seltener im Wunschberuf eine Ausbildung erhalten, sind sie dennoch mit ihrem betrieblichen Alltag insgesamt sowie mit den meisten einzelnen Aspekten ähnlich oft sehr zufrieden wie Auszubildende ohne Migrationshintergrund.
In der Einschätzung der betrieblichen Ausbildungsrealität zeigen sich jedoch auch einige bedeutsame Unterschiede zwischen beiden Gruppen. Auszubildende mit Migrationshintergrund sehen sich seltener neuen Aufgaben gegenüber. Häufiger hingegen sind sie bei den Arbeitsaufgaben von Monotonie betroffen und fühlen sich davon auch stärker belastet. Zudem geben Auszubildende mit Migrationshintergrund häufiger an, im betrieblichen Alltag an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit zu kommen.
Wenngleich die einzelnen Antworten – aufgrund des unterschiedlichen Studiendesigns und unterschiedlicher Fragevorgaben – zum Teil verschieden ausfallen, lässt sich auf Grundlage der BIBB/BAuA-Jugenderwerbstätigenbefragung 2011/2012 ähnlich wie bei der BIBB-Untersuchung „Ausbildung aus Sicht von Auszubildenden“, in welcher 15 Ausbildungsberufe einbezogen waren (Krewerth/Beicht 2011), ebenfalls ein hohes Maß an Übereinstimmungen in der Einschätzung der betrieblichen Ausbildungsrealität zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund aufzeigen (Gei/Granato 2015). Eine grundlegende Benachteiligung von Auszubildenden mit Migrationshintergrund im betrieblichen Ausbildungsalltag ist in beiden Studien nicht feststellbar. Wenngleich Auszubildende mit Migrationshintergrund ebenso oft wie Auszubildende ohne Migrationshintergrund ein hohes Maß an Integration im Betrieb und Unterstützung im Kollegenkreis erfahren und ebenso oft wie diejenigen ohne Migrationshintergrund angeben, mit dem betrieblichen Alltag in ihrer Ausbildung sehr zufrieden zu sein, weist gerade die Monotonie der Aufgaben, die Auszubildende mit Migrationshintergrund signifikant häufiger als Auszubildende ohne Migrationshintergrund erfahren, darauf hin, dass es ihnen an einer Vielfalt an Arbeitsaufgaben und damit an einer breiten Palette an lernförderlichen Aufgaben fehlt. Lernförderliche Aufgaben gelten jedoch nicht nur als eine sehr wichtige Voraussetzung, um den Ausbildungsprozess erfolgreich zu meistern, sondern wirken sich – neben der Fachkompetenz und der Fürsorglichkeit der Ausbildenden – am stärksten auf die betriebliche Motivation von Auszubildenden aus (Dietzen u. a. 2014). Arbeitsaufgaben und betriebliche Tätigkeiten, die die Auszubildenden als vielseitig, abwechslungsreich und lernhaltig erleben, können daher, gerade bei Auszubildenden mit Migrationshintergrund, nicht nur dazu beitragen, ihre betriebliche Motivation und ihre Ausbildungszufriedenheit (Stalder 2003) zu stärken, sondern möglicherweise auch einen positiven Einfluss auf ihre Fachkompetenz und damit auf das Gelingen der Ausbildung haben.
Beim Abschluss der beruflichen Ausbildung ist die große Mehrheit der Auszubildenden mit Migrationshintergrund zwar erfolgreich. Auf der Grundlage der BIBB-Übergangsstudie 2011 zeigt sich jedoch, dass Auszubildende mit Migrationshintergrund innerhalb von 36 Monaten mit 15 % signifikant häufiger ihre Ausbildung ohne Abschluss beenden als Auszubildende ohne Migrationshintergrund mit 11 % (Beicht/Walden 2014 a). Werden die ungünstigeren Bildungsvoraussetzungen von Auszubildenden mit Migrationshintergrund, ihre ungünstigere soziale Herkunft sowie die weniger günstigen Rahmenbedingungen ihrer Ausbildung berücksichtigt, so zeigen sich beim Erreichen eines Ausbildungsabschlusses keine Unterschiede mehr zwischen Auszubildenden mit und ohne Migrationshintergrund, so die Ergebnisse der BIBB-Übergangsstudien 2006 und 2011 (Beicht/Granato/Ulrich 2011; Beicht/Walden 2014 a). Diese Ergebnisse weisen auf die Bedeutung der Rahmenbedingungen der Ausbildung für einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss hin.
Ein Ausbildungs- bzw. Berufsabschluss hat gerade im Hinblick auf eine dauerhafte Integration in das Erwerbsleben eine herausragende Bedeutung (vgl. Kapitel C1.3). Gerade junge Erwachsene mit Migrationshintergrund erlangen deutlich seltener einen Berufsabschluss, was u. a. mit ihren signifikant geringeren Chancen des Übergangs in eine betriebliche Ausbildung in Zusammenhang steht. Der Anteil junger Erwachsener (20 bis 34 Jahre) mit Migrationshintergrund, der in Deutschland aufgewachsen ist und keinen Berufsabschluss hat, liegt 2012 mit 21,7 % rund doppelt so hoch wie bei der Vergleichsgruppe ohne Migrationshintergrund (9,4 %, vgl. Kapitel A8.3).
(Mona Granato, Anja Hall)
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158
In den BA/BIBB-Bewerberbefragungen gelten alle Jugendlichen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die in Deutschland geboren wurden und mit Deutsch als alleiniger Muttersprache aufwuchsen, als Personen ohne Migrationshintergrund. Alle anderen Personen werden als Bewerber/ -innen mit einem Migrationshintergrund betrachtet (vgl. in Kapitel A3.1).
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In der BIBB-Übergangsstudie gelten alle Jugendlichen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die mit Deutsch als alleiniger Muttersprache aufwuchsen und deren beide Eltern in Deutschland geboren sind, als Personen ohne Migrationshintergrund. Alle anderen Personen werden als Personen mit einem Migrationshintergrund betrachtet (vgl. in Kapitel A3.2).
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Gefragt wurde: „Arbeiten Sie zurzeit in Ihrem Wunschberuf oder würden Sie lieber in einem anderen Beruf arbeiten?“
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„Sagen Sie mir bitte für Ihre Tätigkeit als <…>, ob Sie damit sehr zufrieden, zufrieden, weniger zufrieden oder nicht zufrieden sind.“