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Empfehlung des Hauptausschusses des BIBB zur Gestaltung kompetenzorientierter Ausbildungsordnungen

Im Juli 2014 hat der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) nach etwa zweieinhalbjährigen Beratungen eine Empfehlung zur Gestaltung kompetenzorientierter Ausbildungsordnungen verabschiedet.60 

Die zentrale Aufgabe besteht darin, für die Vielfalt der Berufe auf der Grundlage des Kompetenzverständnisses des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) zu verbindlichen und präzisen Beschreibungen der zu erzielenden Lernergebnisse (Berufsbild) zu kommen und die Ordnungsmittel entsprechend zu gestalten. Dazu ist es erforderlich, eindeutige, nachvollziehbare und geeignete Kriterien für die Gestaltung der Ordnungsmittel und die Formulierung der Kompetenzen zu entwickeln und den an der Ordnungsarbeit Beteiligten an die Hand zu geben. Die Kompetenz- bzw. Lernergebnisorientierung lenkt den Blick auf das Ergebnis, es erfolgt ein „Denken vom Ende her“. Dabei verlieren die Inhalte nicht an Bedeutung, sie sind stärker in Handlungskontexten verankert, ihre isolierte Bedeutung im Lehr-/Lernprozess geht zurück. Die Frage: „Welche Inhalte sind zu vermitteln?“ wird abgelöst von der Frage: „Was soll nach Absolvierung der beruflichen Ausbildung (Bildungsgang) gekonnt werden, welche Lernergebnisse werden angestrebt und über welche Kompetenzen in welcher Breite und Tiefe sollen die Absolventen verfügen?“ Die Umsetzung ist dabei von entscheidender Bedeutung für den Lernerfolg. 

Vorschlag zur Struktur und Gestaltung von Ausbildungsordnungen – Ausbildungsberufsbild, Ausbildungsrahmenplan

Mit dieser Empfehlung sollen die Kompetenzorientierung und das Kompetenzverständnis des DQR Eingang in die Ausbildungsordnungen finden. Die Empfehlung wird seit Anfang 2015 umgesetzt, d. h., alle seit Beginn des Jahres laufenden Neuordnungsverfahren werden kompetenzorientiert gestaltet. Damit wurde ein Entwicklungsprozess eingeleitet, der für alle Beteiligten eine Neuorientierung bedeutet; deshalb müssen für den gesamten Entwicklungsprozess Anknüpfungspunkte und Anschlussfähigkeiten zum Bestehenden aufgezeigt werden.

Die Empfehlung enthält: 

  • einen Abgleich des Konstrukts der beruflichen Handlungsfähigkeit des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) und der Handwerksordnung (HwO),
  • die Festlegung des Ausbildungsberufsbildes (Lernergebnis gemäß DQR-Niveau),
  • die Strukturierung des Ausbildungsberufsbildes und des Ausbildungsrahmenplanes in Handlungsfelder,
  • eine Beschreibung von Kompetenzen für die Handlungsfelder und 
  • einen Abgleich der Handlungsfelder mit dem Berufsbild.

Abgleich berufliche Handlungsfähigkeit und Kompetenzverständnis des DQR

In der Empfehlung erfolgte eine inhaltliche Gleichsetzung zwischen dem Konstrukt der beruflichen Handlungsfähigkeit und dem Kompetenzverständnis des DQR Schaubild A4.1.1-1. Dazu wird ausgeführt: „Die Gestaltung von Ausbildungsordnungen basiert auf dem Kompetenzverständnis, das dem DQR für lebenslanges Lernen zugrunde liegt: Kompetenz bezeichnet im DQR die Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten zu nutzen und sich durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten. Kompetenz wird in diesem Sinne als umfassende Handlungskompetenz verstanden.“

Im DQR wird Kompetenz in den Dimensionen Fachkompetenz, unterteilt in Wissen und Fertigkeiten, und personale Kompetenz, unterteilt in Sozialkompetenz und Selbstständigkeit, dargestellt. Methodenkompetenz wird als Querschnittskompetenz verstanden und deshalb in der DQR-Matrix nicht eigens erwähnt. Die Handlungskompetenz des DQR entspricht der beruflichen Handlungsfähigkeit im Sinne des § 1 BBiG: „Berufsausbildung hat die für die Ausübung einer qualifizierten beruflichen Tätigkeit in einer sich wandelnden Arbeitswelt notwendigen beruflichen Fertigkeiten, Kenntnisse und Fähigkeiten (berufliche Handlungsfähigkeit) in einem geordneten Ausbildungsgang zu vermitteln. Sie hat ferner den Erwerb der erforderlichen Berufserfahrungen zu ermöglichen.“

Bei der Gestaltung der Ordnungsmittel sind die 4 Kompetenzdimensionen des DQR zu integrieren.

Schaubild A 4.1.1-1: Gegenüberstellung Kompetenzdimensionen des DQR und Konstrukt Berufliche Handlungsfähigkeit nach BBiG/HwO

Festlegung des Ausbildungsberufsbildes (zu erzielendes Lernergebnis des Berufes) 

In diesem ersten Schritt erfolgt die Festlegung der Gesamtheit der für die Ausübung des Berufs erforderlichen Kompetenzen auf der Grundlage des Niveaus des DQR, dem der Beruf zugeordnet werden soll.61  

Handlungsfelder als Strukturmerkmal von Ausbildungsberufen

Das Berufsbild umfasst alle die den Beruf prägenden Handlungsfelder. Dabei bildet der Katalog der Handlungsfelder aus dem Antragsgespräch – Spitzengespräch der Sozialpartner mit den zuständigen Bundesministerien zur Erörterung und Prüfung eines Neuordnungsantrages – den Rahmen für die Gestaltung des zukünftigen Berufsbildes. Handlungsfelder werden unter Berücksichtigung der für den Einzelberuf relevanten Arbeits- und Geschäftsprozesse entwickelt. Dabei sind insbesondere berufliche, rechtliche und praxisrelevante Sachverhalte zu berücksichtigen. Aus den Handlungsfeldern werden die Lernfelder des Rahmenlehrplanes der Kultusministerkonferenz (KMK) entwickelt.62 

Handlungsfelder bündeln inhaltlich zusammenhängende Kompetenzen und weisen die nachfolgenden Merkmale auf: 

  • Die Summe aller Handlungsfelder ergibt die Ausbildungsdauer und das gesamte Berufsbild.
  • Handlungsfelder sind berufstypische Aufgabenbündel, für die die zu erwerbenden Kompetenzen beschrieben werden. 
  • In ihrer Summe bilden die Handlungsfelder das Ausbildungsberufsbild und charakterisieren damit den Ausbildungsberuf. 
  • Handlungsfelder orientieren sich an dem Modell der vollständigen Handlung, das heißt in jedem Handlungsfeld soll das selbstständige Informieren, Planen, Entscheiden, Vorbereiten und Ausführen, Kontrollieren und Bewerten implizit enthalten sein. 
  • Ein Handlungsfeld sollte einen zeitlichen Umfang von 1 bis 6 Monaten haben, wobei ein Handlungsfeld auch vor der Zwischenprüfung bzw. Teil 1 der gestreckten Abschluss-/Gesellenprüfung beginnen und danach enden kann.
  • Die Bezeichnung der Handlungsfelder soll lernergebnisorientiert und aussagekräftig sein. 
  • Die Handlungsfelder bestimmen die Lerneinheiten, anhand derer der Ausbildungsablauf geplant und gestaltet werden soll.
  • Die Gesamtheit der Kompetenzen aller Handlungsfelder soll dem jeweiligen DQR-Niveau entsprechen. 

Im Neuordnungsverfahren werden zunächst die berufstypischen Handlungsfelder63 konkretisiert und damit die relevanten Arbeits- und Geschäftsprozesse strukturiert. Dabei sollten auch neue Anforderungen und Entwicklungen im jeweiligen Beruf in den Blick genommen werden, die abhängig von Branchen, Einsatzfeldern und anderen Faktoren vielerlei Facetten haben. Die typischen Aufgaben und Tätigkeiten einer ausgebildeten Fachkraft werden berücksichtigt. 

Festlegung der berufsrelevanten Arbeits- und Geschäftsprozesse 

In einem weiteren Arbeitsschritt sind die Arbeits- und Geschäftsprozesse festzulegen. Geschäftsprozesse sind unternehmens- und bereichsübergreifende, miteinander verbundene Vorgänge, die der Umsetzung der Unternehmensziele dienen und in einem zeitlichen oder sachlichen Zusammenhang zueinander stehen. Geschäftsprozesse lassen sich in der Abfolge eindeutig definieren. Das Ergebnis der Geschäftsprozesse kann ein Produkt oder eine Leistung sein. Das Ziel besteht darin, alle relevanten betrieblichen Geschäftsprozesse zu erfassen und umfassend abzubilden, um einen Überblick über die betrieblichen Gesamtzusammenhänge der verschiedenen Geschäftsfelder zu vermittteln. 

Ein Arbeitsprozess ist Bestandteil eines Geschäftsprozesses und beinhaltet eine bestimmte Abfolge von Schritten zur Erreichung des angestrebten Zieles (Produkt oder Leistung). Ein Arbeitsprozess beinhaltet im Allgemeinen vorgegebene und definierte Aufgabenstellungen bzw. Anforderungssituationen und ist auf die Erreichung der vorgegebenen Ziele ausgerichtet. Das Ziel besteht darin, einen Überblick über die Einsatzbereiche der ausgebildeten Fachkräfte zu erhalten und die zukünftigen Handlungsanforderungen zu erfassen und festzulegen. 

Festlegung der für den Beruf relevanten Kompetenzen 

Bezugspunkt der Kompetenzen sind die fachlichen, personalen und sozialen Kompetenzen, die zur Bewältigung der beruflichen Aufgaben und Anforderungssituationen erforderlich sind. Ausgehend von den formulierten relevanten Arbeits- und Geschäftsprozessen, zugeordneten Aufgaben und Tätigkeiten sind die Kompetenzen bzw. die zu erreichenden Lernergebnisse für die einzelnen Handlungsfelder zu bestimmen, die mindestens erreicht werden sollen. Die Beschreibung der Kompetenzen sollte kontextbezogen und integrativ erfolgen; dabei sind die 4 Kompetenzdimensionen ebenso zu berücksichtigen wie die Orientierung an dem Konzept der vollständigen Handlung (VH). Damit der Handlungs- und Praxisbezug hinreichend verdeutlich werden kann, sollte die Beschreibung der Kompetenzen nicht zu kleinteilig erfolgen. Wichtig ist dabei eine hinreichende Graduierung der Kompetenzen, um sie ausreichend differenziert ausweisen zu können. 

Abgleich der Handlungsfelder mit dem Berufsbild

Zum Abschluss findet ein Abgleich der Handlungsfelder mit dem Berufsbild statt. Dabei ist zu klären, inwieweit die Handlungsfelder in ihrer Gesamtheit das Berufsbild hinreichend abbilden, ob die in den Handlungsfeldern formulierten Kompetenzen in Breite und Tiefe dem geforderten Niveau entsprechen und ob die Kompetenzbeschreibungen verständlich, nachvollziehbar und überprüfbar sind. 

Die Hauptausschussempfehlung enthält keine Regelungen für den Prüfungsbereich. Hier wird gemeinsam mit allen an den Neuordnungsverfahren Beteiligten zu klären sein, inwieweit es gelingen kann, auf der Grundlage der vorliegenden HA-Empfehlung64 Prüfungen so zu gestalten und durchzuführen, dass sie geeignet sind, Kompetenzen in der erforderlichen Breite und Tiefe unter Berücksichtigung der allgemeinen Gütekriterien zu erfassen und zu bewerten.

(Irmgard Frank) 

  • 60

    Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) vom 26. Juni 2014 zur Struktur und Gestaltung von Ausbildungsordnungen – Ausbildungsberufsbild, Ausbildungsrahmenplan. Veröffentlicht im Bundesanzeiger am 25. Juli 2014, BAnz. AT 25.07.2014 S1. Siehe www.bibb.de/dokumente/pdf/HA160.pdf

  • 61

    Gegenwärtig erfolgt die Zuordnung der Ausbildungsberufe pauschal nach der festgelegten Ausbildungsdauer. Danach sind alle zweijährigen Berufe dem Niveau 3 und alle drei- und dreieinhalbjährigen Berufe dem Niveau 4 des DQR zugeordnet.  

  • 62

    Lernfelder der KMK – Rahmenlehrpläne für die dualen Ausbildungsberufe sind seit 1998 kompetenzorientiert gestaltet und bieten eine sehr gute Grundlage für einen Transfer. Siehe: Handreichung für die Erarbeitung von Rahmenlehrplänen der Kultusministerkonferenz für den berufsbezogenen Unterricht in der Berufsschule und ihre Abstimmung mit Ausbildungsordnungen des Bundes für anerkannte Ausbildungsberufe, 2011. Siehe www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2011/2011_09_23_GEP-Handreichung.pdf

  • 63

    Die Handlungsfelder sollten nach der Empfehlung einen zeitlichen Umfang von 1  bis 6 Monaten haben. 

  • 64

    Empfehlung des Hauptausschusses des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zur Struktur und Gestaltung von Ausbildungsordnungen – Prüfungsanforderungen, Nr. 158 vom 12. Dezember 2013; veröffentlicht im Bundesanzeiger Amtlicher Teil (BAnz. AT 13. Januar 2014 S1). Siehe auch http://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA158.pdf.