Zur Einschätzung von Passungsproblemen auf dem Ausbildungsmarkt ist es naheliegend, die schulischen und beruflichen Qualifikationsstrukturen von Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren und damit das Arbeitskräftepotenzial dieser Alterskohorte genauer zu betrachten.294
Nach Angaben des Mikrozensus 2011 haben in Deutschland 95,3 % der rund 14,8 Mio. jungen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren einen Schulabschluss, davon verfügen 51,6 % über einen Abschluss des Sekundarbereichs I und 43,5 % über eine Hochschulzugangsberechtigung Tabelle C1.3-1. Ohne einen schulischen Abschluss verbleiben rund 470.000 bzw. 3,2 % aller jungen Menschen in dieser Altersgruppe.295 Was die beruflichen Abschlüsse der Altersgruppe anbelangt, so gehören 2,1 Mio. bzw. 14,0 % zur Gruppe derjenigen ohne formale berufliche Qualifikation (vgl. Kapitel A8.3). Dem stehen rund 9,9 Mio. Personen mit einer formalen Qualifikation gegenüber (66,7 %). 18 % bzw. 2,6 Mio. befinden sich in dieser Alterskohorte noch in einer beruflichen Ausbildung. Damit liegt das schulische Qualifikationspotenzial bei rund 0,5 Mio. Personen und das berufliche Qualifikationspotenzial bei rund 2,1 Mio.
Um das Arbeitskräftepotenzial dieser Altersgruppe genauer einschätzen zu können, kann als Nächstes untersucht werden, welche Personen erwerbstätig sind, welche sich nicht in einer Erwerbstätigkeit befinden und damit nach entsprechenden Qualifizierungsmaßnahmen als qualifizierte Arbeitskräfte infrage kommen. Im Ergebnis sind von den Personen ohne beruflichen Abschluss mit 1,1 Mio. knapp über die Hälfte erwerbstätig (52,4 %)296, unter den Personen mit einem beruflichen Abschluss sind dies rund 8,4 Mio. (84,8 %) Tabelle C1.3-1.297 Daraus ergibt sich ein Erwerbspersonenpotenzial von insgesamt 2,4 Mio. Personen unter den 20- bis 34-Jährigen, von denen 1,1 Mio. Personen ohne Berufsabschluss bedarfsadäquat nachträglich zu qualifizieren wären.
Eine Einschätzung des Qualifikations- und Arbeitskräftepotenzials auf Basis des Mikrozensus 2011 lässt sich auch noch stärker gruppenspezifisch betrachten, eine Information, die insbesondere für eine Nachqualifizierung dieser Personengruppen von Relevanz ist. So sind z. B. von den 472.000 Personen ohne schulischen Abschluss 87,3 % auch ohne eine formale Berufsqualifikation geblieben (Tabelle C1.3-1, Teil 2) und von diesen bleiben wiederum 53,6 % erwerbslos (Tabelle C1.3-1, Teil 3). Immerhin haben im Gegensatz dazu 5,1 % bzw. 24.000 junge Erwachsene eine formale berufliche Qualifikation erreicht, befinden sich mit 29,2 % aber in keiner Erwerbstätigkeit. 36.000 Personen absolvieren noch eine Ausbildung. Von denjenigen, die einen schulischen Abschluss im Sekundarbereich I vorweisen können, blieben mit 1,3 Mio. Personen rund 17 % ohne einen formalen beruflichen Abschluss (Tabelle C1.3-1, Teil 2) und sind zu 44,2 % erwerbslos (Tabelle C1.3-1, Teil 3). 5,7 Mio. Personen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren und damit insgesamt 74,6 % erreichen mit diesem Schulabschluss zwar auch einen formal anerkannten Berufsabschluss, sind aber dennoch zu 14,6 % erwerbslos gemeldet. 8,4 % befinden sich zum Erhebungszeitpunkt noch in einer Ausbildung. Bei Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen mit einer Hochschulzugangsberechtigung liegt der Anteil der Personen, die keine formale Qualifikation erhalten haben, nur bei 5,4 %, sie sind dann aber zu 38,2 % erwerbslos. Die Erwerbschancen von Personen mit Hochschulzugangsberechtigung sind ähnlich hoch wie bei denjenigen mit einem mittleren Schulabschluss. Hier befinden sich nur 14,6 % in keiner Erwerbstätigkeit. In Ausbildung befinden sich insgesamt 30,2 %. Insgesamt könnten rund 2,2 Mio. Jugendliche angesprochen werden, die zwar nicht erwerbstätig sind, aber zumindest über einen Schulabschluss verfügen. Von diesen wiederum müssten 33 % beruflich qualifiziert werden.
Von den 2,6 Mio. Personen in dieser Altersgruppe, die eine eigene Migrationserfahrung298 besitzen, haben rund 8,1 % keinen schulischen Abschluss und davon wiederum 92,5 % auch keinen beruflichen Abschluss (Tabelle C1.3-1, Teil 3). In dieser Gruppe ist auch die Erwerbslosigkeit mit 57,1 % höher als bei allen anderen jungen Menschen in Deutschland. Absolventen/Absolventinnen mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe I und eigener Migrationserfahrung (49,8 %) bleiben zu 35,9 % ohne beruflichen Abschluss und sind in der Folge zu 41,1 % erwerbslos. Personen mit eigener Migrationserfahrung und einer Hochschulzugangsberechtigung kommen auf einen Prozentsatz von 39,9 %. Davon bleiben rund 12 % ohne Berufsabschluss, 25,6 % befinden sich noch im Studium, 62,4 % haben ähnlich wie die jungen Erwachsenen ohne eigene Migrationserfahrung ihren (Fach-)Hochschulabschluss erreicht.
Insgesamt ist der Personenkreis der nicht formal Qualifizierten und damit diejenigen, die für Nachqualifizierungsmaßnahmen infrage kämen, sehr heterogen und hat unterschiedliche Vorqualifikationen. Wie oben erwähnt, sind mit rund 351.000 Personen unter den Personen mit Hochschulzugangsberechtigung fast genauso viele ohne formale Qualifizierung wie unter denjenigen ohne Schulabschluss. Dieses Potenzial könnte durch entsprechende Qualifikation für den Arbeitsmarkt genutzt werden. Besonderes Augenmerk sollte aber auch auf diejenigen gelegt werden, die zwar einen Schulabschluss der Sekundarstufe I haben, die aber ohne formale Qualifikation bleiben und auch nicht in Ausbildung sind. Diese Gruppe bietet ein großes Qualifikations- und künftiges Arbeitskräftepotenzial. Darunter befinden sich viele junge Menschen mit eigenem Migrationshintergrund, die arbeitslos bzw. erwerbslos sind.
Hervorzuheben ist, dass das derzeit ungenutzte Qualifikations- und Arbeitskräftepotenzial an jungen Menschen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren, das zwar eine schulische Qualifikation, aber keine berufliche Qualifikation aufweist, bei rund 0,7 Mio. liegt. Dazu kommen noch rund 1,4 Mio. Personen, die zwar formal qualifiziert, aber erwerbs- oder arbeitslos gemeldet sind, sowie weitere 221.000 beschäftigungslose Personen, die weder eine schulische noch eine berufliche Qualifikation haben.
(Robert Helmrich, Klaus Troltsch)
Tabelle C 1.3-1: Verbleib der Erwerbspersonen im Alter zwischen 20 und 34 Jahren (absolut und Prozentanteil an der jeweiligen Teilgruppe) 2011
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Hinsichtlich der Erwerbschancen lässt sich dies für junge Menschen bis zum Alter von 34 Jahren hinreichend beschreiben, da ab diesem Zeitpunkt keine nennenswerte weitere formale Höherqualifizierung mehr zu erwarten ist.
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Zu rund 26.000 Personen (1,7 %) liegen keine Informationen vor.
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Als zusätzliche Informationen sind noch folgende Hinweise wichtig: (1) Personen, denen trotz fehlenden Berufsabschlusses der Zugang zum Arbeitsmarkt gelungen ist, haben ebenso häufig einen unbefristeten Arbeitsvertrag wie Fachkräfte (beide knapp 70 %), sind aber häufig unterbeschäftigt. (2) Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit von nicht formal Qualifizierten liegt bei rund 3 Stunden unter der Wochenarbeitszeit der Ausgebildeten, sie tragen daher – auf eine Arbeitswoche berechnet – 10 % der gesamten Arbeitsstunden dieser Altersgruppe bei. (3) Nur 65 % der Ungelernten sind vollzeitbeschäftigt, von den Gelernten sind es 80 %. 18 % der ungelernten Teilzeitbeschäftigten würden gern mehr arbeiten, von den Teilzeitbeschäftigten mit Abschluss sagen das nur 8 %. (4) 72,3 % der Erwerbstätigen ohne formale Qualifizierung waren sozialversicherungspflichtig beschäftigt (Teil 4), 17,8 % geringfügig beschäftigt, 5,2 % selbstständig und 2,1 % hatten einen sogenannten Ein-Euro-Job.
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Erwerbstätigkeit wird nach dem ILO-Konzept (International Labor Organisation) erfasst, nachdem Personen als erwerbstätig gelten, wenn sie mindestens eine Stunde in der Woche gegen Bezahlung arbeiten bzw. selbstständig sind oder als unbezahltes mithelfendes Familienmitglied arbeiten. Erwerbspersonen dagegen sind Personen, die ihren Erwerbswunsch (Erwerbstätige) realisiert haben, und Personen, denen dies noch nicht gelungen ist (Erwerbslose). Vgl. dazu: Bundesagentur für Arbeit 2009.
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Personen mit eigener Migrationserfahrung sind i. d. R. aus dem Ausland zugezogene Personen.