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Die Versorgung von ausbildungsinteressierten Jugendlichen mit Ausbildungsstellen ist eines der dringlichsten Ziele der Berufsbildungspolitik. Die Herausforderung besteht darin, vor Ort Stellenbewerber/ -innen und angebotene Ausbildungsplätze so zusammenzubringen, dass es nicht zu Stellenbesetzungsproblemen oder unversorgten Bewerbern/Bewerberinnen kommt. Immer wieder ist dabei auch von regionalen Passungsproblemen die Rede, das heißt, dass Angebot und Nachfrage innerhalb einzelner Regionen nicht zusammenpassen. Dies kann aus quantitativ unausgeglichenen Ausbildungsmärkten resultieren.17 Der Beitrag geht der Frage nach, in welchen Regionen es besonders häufig oder besonders selten zu Passungsproblemen in der betrieblichen Ausbildung kommt. Zum Ausbildungsmarkt wird auf das Verhältnis von Angebot und Nachfrage eingegangen. Anschließend werden zum Ausbildungsangebot und zur Ausbildungsnachfrage verschiedene Indikatoren zu den einzelnen Regionen genauer untersucht. Im Folgenden werden dazu die wichtigsten Unterschiede zwischen Regionen mit tendenziell ausgeglichenen, eher unausgeglichenen und sehr unausgeglichenen Ausbildungsmarkt vorgestellt.

Datengrundlage sind die Erhebung zum 30. September des Bundesinstituts für Berufsbildung18 und die Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit zum Stichtag 31. Dezember. Die Daten werden regional auf Ebene der 154 Arbeitsagenturbezirke in Deutschland analysiert. Da es eine Umstellung der Gebiete der einzelnen Arbeitsagenturen bis 2012 gegeben hat, sind Vergleiche derzeit nur zwischen den Jahren 2014 und 2013 sinnvoll. Für den Unterschied zwischen den beiden Jahren ist im folgenden Text die prozentuale Veränderung zu einer Reihe von Indikatoren angegeben. 

Regionale Differenzierung nach Arbeitsagenturbezirken

Zum 1. Januar 2013 hat die Bundesagentur für Arbeit die schrittweise vorgenommene Änderung ihrer Gebietsstruktur abgeschlossen. Mit dieser Restrukturierung ist der Zuschnitt der Arbeitsagenturbezirke an Kreisgrenzen ausgerichtet worden. Die Anzahl der Agenturbezirke hat sich dadurch von 176 auf 154 reduziert. 

Ausbildungsmarkt

Der Ausbildungsmarkt wird, wie andere Märkte auch, durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Ausgangspunkt der hier dargestellten Ergebnisse ist die Charakterisierung der Ausbildungsstellenmärkte nach dem Verhältnis der betrieblichen Angebots-Nachfrage-Relation entsprechend der sogenannten erweiterten Definition  (eANRbetr), bei der auf der Nachfrageseite auch unversorgte Bewerber/ -innen mit Alternative berücksichtigt werden.19 Auf der Angebotsseite berücksichtigt sie nur betrieblich angebotene Ausbildungsstellen. 

Betriebliche Angebots-Nachfrage-Relation in der erweiterten Fassung

Die betriebliche Angebots-Nachfrage-Relation bezieht sich beim Ausbildungsstellenangebot ausschließlich auf durch Betriebe angebotene Ausbildungsstellen. Dadurch bleiben die übrigen, überwiegend öffentlich finanzierten Ausbildungsplätze unberücksichtigt. 

In der erweiterten Fassung werden bei der Ausbildungsplatznachfrage auch Jugendliche berücksichtigt, die zwar in eine Alternative zur gewünschten Ausbildung gemündet sind, sich aber weiterhin an einem betrieblichen Ausbildungsplatz interessiert zeigen. 

Demnach ergibt sich für Deutschland durchschnittlich ein eher unausgeglichenes Verhältnis von 89,2 – die Nachfrage übersteigt das Angebot: 100 nachfragenden Personen stehen 89,2 angebotene betriebliche Ausbildungsstellen gegenüber Tabelle A1.4.1-1 und Tabelle A1.4.1-2 Internet. Die am wenigsten ausgeglichenen Verhältnisse ergeben sich für Recklinghausen (71,5), Hameln (75,3) und Oberhausen (75,4). Die für Ausbildungsstellennachfrager günstigsten Verhältnisse bestehen in Regensburg (106,6), Passau (109,6) und Stralsund (112,3) Schaubild A1.4.1-1. Aus betrieblicher Sicht gibt es hier also zu wenige Bewerber.

Tabelle A 1.4.1-1: Ausgewählte Indikatoren zur regionalen Ausbildungsstellenmarktsituation 2014 und Entwicklung gegenüber 2013

Die Arbeitsagenturbezirke wurden zur Charakterisierung der weiteren Ergebnisse entsprechend ihrer Ausbildungsmarktsituation entlang dieses Indikators in 3 etwa gleich große Gruppen unterteilt: 1. sehr unausgeglichener Ausbildungsmarkt (bis zu einem Verhältnis von 71,5 bis 84,4; hierunter fallen 51 Bezirke), 2. eher unausgeglichener Ausbildungsmarkt (84,4 bis 92,4; 51 Bezirke) und 3. (relativ) ausgeglichener Ausbildungsmarkt (92,6 bis 112,3; 52 Bezirke).

Im Vergleich zum Vorjahr ist die deutschlandweite Quote 2014 im Durchschnitt um 1,1 % angestiegen, es kam also zu einer leichten Annäherung an ein ausgeglichenes Verhältnis. Mit +1,4 % ist der Anstieg in Regionen mit eher unausgeglichenem und (relativ) ausgeglichenem Ausbildungsmarkt etwas höher. Die stärkste negative Entwicklung aus Sicht der Nachfrager gegenüber 2013 ergibt sich in den Regionen Stralsund (-10,5 %), Pirna (-8,8 %) und Plauen (-8,6 %). Hier stehen also 2014 pro Nachfrager deutlich weniger Angebote zur Verfügung als 2013. Eine besonders positive Entwicklung nach diesem Indikator für den Ausbildungsmarkt ergibt sich für die Regionen Halberstadt (+8,4 %), Altenburg-Gera (+8,5 %) und Dessau-Roßlau-Wittenberg (+10,0 %) Schaubild A1.4.1-2

Die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) berücksichtigt auf der Angebotsseite auch nicht betriebliche Stellenangebote. Entsprechend liegt hier der Bundesdurchschnitt mit 93,5 etwas höher. Im Vergleich zu 2013 ergibt sich eine vergleichbare Entwicklung zur erweiterten betrieblichen Angebots-Nachfrage-Relation.Die Angebots-Nachfrage-Relation nach alter Definition (ANR) berücksichtigt auf der Nachfrageseite, anders als die eANR, keine unversorgten Bewerber mit Alternative. Daher wird bei diesem Indikator die Ausgeglichenheit des Ausbildungsmarktes mit durchschnittlich 103,8 eher überschätzt.

Ein Gesamtbild des Ausbildungsmarktes gibt die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge (NAA). Insgesamt gab es bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen einen Rückgang um 1,2 % auf nun 522.231 Verträge im Jahr 2014. In Regionen mit sehr unausgeglichenen Ausbildungsstellenmärkten war dieser Rückgang mit 1,7 % auf 171.795 Verträge am stärksten.

Ausbildungsangebot

Das Ausbildungsangebot (AN) ist gegenüber 2013 leicht rückläufig. Mit 559.251 Stellen im Gesamtangebot wurden 0,5 % Stellen weniger angeboten. Am stärksten betroffen sind erneut die Regionen mit sehr unausgeglichenem Ausbildungsmarkt bei einem Rückgang um 1,1 % auf 180.387 angebotene Stellen. 

Bei den betrieblich angebotenen Ausbildungsstellen (ANbetr), die mit 539.109 das Gros ausmachen, ergibt sich ein vergleichbarer Trend. Durchschnittlich wurden 95,8 % der angebotenen Ausbildungsstellen durch Betriebe angeboten. Es zeigen sich hier keine nennenswerten Unterschiede zwischen Regionen mit ausgeglichenen und weniger ausgeglichenen Ausbildungsmärkten. Den geringsten Anteil betrieblicher Ausbildungsstellenangebote hatten 2014 die Regionen Sangerhausen (82,2 %), Greifswald (84,5 %) und Freiberg (85,8 %). Die höchsten Anteile ergeben sich für Weilheim (99,3 %), Ingolstadt (99,5 %) und Rheine (99,5 %). Die stärksten Rückgänge des Anteils betrieblich angebotener Ausbildungsstellen gab es gegenüber 2013 im Jahr 2014 in Sangerhausen (-3,6 %), Greifswald (-3,3 %) und Magdeburg (-3,1 %). Den größten Anstieg hatten die Regionen Potsdam (+3,1 %), Halberstadt (+3,2 %) und Oschatz (+3,9 %) zu verzeichnen.

Hinsichtlich unbesetzter Ausbildungsstellen (UBA) scheint es eine Tendenz zur Mitte zu geben. Insgesamt blieben 37.017 Ausbildungsstellen unbesetzt, 0,6 % weniger als 2013. In Regionen mit ausgeglichenem Ausbildungsstellemarkt steigt die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen gegenüber 2013 mit durchschnittlich +5,8 %; am stärksten steigt diese Zahl in Regionen mit eher unausgeglichenem Ausbildungsmarkt (+6,6 %). Dagegen ist in Regionen mit sehr unausgeglichenen Ausbildungsmärkten mit durchschnittlich -14,4 % der stärkste Rückgang gegenüber 2013 zu verzeichnen.

Aussagen zu Stellenbesetzungsproblemen trotz vieler angebotener Stellen erlaubt der Quotient von unbesetzten Ausbildungsstellen pro 100 betrieblich angebotenen Ausbildungsstellen (UBA/ANbetr). Demnach blieben durchschnittlich 7,3 von 100 angebotenen Stellen unbesetzt. Die meisten unbesetzten Ausbildungsstellen im Verhältnis zu betrieblich angebotenen Ausbildungsstellen finden sich dabei in den Regionen Greifswald (27,8 %), Stralsund (23,1 %) und Altenburg-Gera (16,5 %). Am wenigsten unbesetzte Ausbildungsstellen pro angebotene Ausbildungsstellen zeigen sich in Kassel (1,6 %), Dortmund (1,1 %) und Stendal (0,7 %). Gegenüber 2013 ist das Verhältnis der unbesetzten Ausbildungsstellen zu den betrieblich angebotenen Ausbildungsstellen im Durchschnitt konstant geblieben. In Regionen mit ausgeglichenem und eher unausgeglichenem Ausbildungsmarkt ist das Verhältnis angestiegen (+6,4 und +6,2), während es in Regionen mit sehr unausgeglichenem Ausbildungsmarkt besonders stark zurückging (-12,9). Offenbar erneut eine Entwicklung mit Tendenz zur Mitte.

Eine andere Betrachtungsweise des Ausbildungsangebots bietet das Verhältnis von unbesetzten Ausbildungsstellen pro 100 unversorgte Bewerber nach erweiterter Definition (UBA/UVBgesamt). Hier gilt, dass es zu besonderen Problemen auf dem Ausbildungsmarkt kommen kann, wenn viele unbesetzte Stellen auf viele unversorgte Bewerber treffen. Insgesamt kommen 2014 rund 68 unbesetzte Ausbildungsstellen auf 100 unversorgte Bewerber. In Regionen mit sehr unausgeglichenem Ausbildungsmarkt sind es nur rund 25,4, während in Regionen mit ausgeglichenem Ausbildungsmarkt es rund 132,4 sind, also mehr unbesetzte Ausbildungsstellen als unversorgte Bewerber. Die geringsten Quoten ergeben sich hier für Stendal (4,3 %), Dortmund (5,7 %) und Recklinghausen (5,7 %), die höchsten Quoten für Altenburg-Gera (243,7 %), Stralsund (317,1 %) und Passau (325,8 %). Bei den Veränderungsraten ergibt sich gegenüber 2013 ein leichter Anstieg (+1,3 %), mit einer Tendenz zur Mitte in den einzelnen Regionen. 

Schaubild A 1.4.1-1: Betriebliche Ausbildungsstellenangebote je 100 Nachfragende nach erweiterter Definition in den Arbeitsagenturbezirken 2014 (eANRbetr)

Schaubild A 1.4.1-2: Veränderung der Anzahl der betrieblichen Ausbildungsstellenangebote je 100 Nachfragende nach erweiterter Definition in den Arbeitsagenturbezirken 2014 gegenüber 2013 in Prozent (Veränderung eANRbetr)

Ausbildungsnachfrage

Die Gesamtnachfrage nach erweiterter Definition (eNA) berücksichtigt auch unversorgte Bewerber mit Alternative. Diese Gesamtnachfrage ist gegenüber 2013 mit 603.138 Stellengesuchen um 1,4 % leicht gesunken, wobei in Regionen mit sehr unausgeglichenem Ausbildungsmarkt die Gesamtnachfrage mit -1,7 % und in ausgeglichenen Regionen mit -1,8 % etwas stärker gesunken ist. Im Vergleich zum Rückgang beim Angebot (-0,4 %) ist bei der Nachfrage also ein stärkerer Rückgang zu beobachten.

Auch nach alter Definition für die Gesamtnachfrage (NA), d. h. ohne Berücksichtigung der unversorgten Bewerber mit Alternativverbleib, ergibt sich die gleiche Tendenz: Ein leichter Rückgang insgesamt (-1,2 % auf 542.895 Stellengesuche) und ein etwas stärkerer Rückgang in Regionen mit sehr unausgeglichenem (-1,5 %) und ausgeglichenem Ausbildungsmarkt (-1,5 %). Die Zahl der unversorgten Bewerber nach erweiterter Definition (inkl. Bewerber mit Alternative) (UVBgesamt) ist 2014 gegenüber 2013 rückläufig. Mit einem Minus von 4,5 % ergeben sich 80.904 unversorgte Bewerber. Den stärksten Rückgang zeigen hier Regionen mit ausgeglichenem Ausbildungsmarkt. Hier sind es im Schnitt rund 6,0 % weniger unversorgte Bewerber.

Eine relative Betrachtung der Ausbildungsnachfrage erlaubt das Verhältnis von unversorgten Bewerbern nach erweiterter Definition zur Zahl der Ausbildungsstellennachfrager (UVBgesamt/eNA). Im Bundesdurchschnitt sind es 13,2 unversorgte Bewerber auf 100 solcher Nachfrager. Während in Regionen mit ausgeglichenem Ausbildungsmarkt diese Quote nur 8,5 beträgt, sind es in Regionen mit sehr unausgeglichenem Ausbildungsmarkt durchschnittlich 18,7. Besonders niedrige Quoten gibt es dabei in den Regionen Traunstein (3,7), Schwandorf (4,2) und Dresden (4,7). Die höchsten Quoten ergeben sich für Gelsenkirchen (25,3) Oberhausen (25,4) und Recklinghausen (27,7). Gegenüber 2013 ist dieses Verhältnis in Regionen mit eher unausgeglichenem (-4,4 %) und ausgeglichenem Ausbildungsmarkt (-4,1 %) am stärksten rückläufig.

Fazit

Die Ergebnisse haben gezeigt, dass die Ausbildungsmärkte in den einzelnen Arbeitsagenturbezirken erheblich variieren. Insgesamt zeigt sich 2014 anhand der erweiterten betrieblichen Angebots-Nachfrage-Relation (eANRbetr) der Ausbildungsmarkt in Süddeutschland, insbesondere Bayern, und in Teilen Ostdeutschlands im Schnitt ausgeglichener als in den übrigen Landesteilen. Besonders in einigen Regionen des Ruhrgebiets, in Hameln und den umliegenden Regionen und Gießen gibt es in Westdeutschland ein sehr unausgeglichenes Verhältnis von Ausbildungsstellenangebot und -nachfrage. In Ostdeutschland sind besonders Stendal und Eberswalde betroffen. In der Entwicklung von 2013 zu 2014 stechen eher ostdeutsche Regionen wie Stralsund, Plauen und Pirna hervor. Allerdings sind auch unter den Regionen mit einer positiven Entwicklung insbesondere ostdeutsche Regionen zu finden.

Als Gesamttendenzen lässt sich festhalten, dass die betriebliche Angebots-Nachfrage-Relation (erweiterte Definition) insgesamt eher unausgeglichen bleibt, mit leichter Tendenz zu einem ausgeglichenen Verhältnis. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ist gesunken. Etwas weniger stark, aber ebenfalls gesunken ist das Gesamtangebot an Ausbildungsstellen. Gleichzeitig ist auch die Gesamtnachfrage nach Ausbildungsstellen zurückgegangen, im Ergebnis ist auch die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen leicht gesunken.

(Christian Gerhards) 

  • 17

    Weitere Gründe können berufliche oder regionale Mismatches sein oder Inkompatibilitäten zwischen den Ansprüchen, Anforderungen und Eigenschaften der Betriebe und der Jugendlichen (vgl. Matthes/Ulrich/Krekel/Walden 2014 unter: http://www.bibb.de/dokumente/pdf/a2_passungsprobleme-ausbildungsmarkt.pdf ).

  • 18

    Vgl. www.bibb.de/de/2918.php 

  • 19

    Erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation = Angebot an Ausbildungsstellen/(Nach­frage nach Ausbildungsstellen + unversorgte Bewerber mit Alternative) x 100