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In der BA/BIBB-Bewerberbefragung werden im Turnus von 2 Jahren Jugendliche und junge Erwachsene befragt, die bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Ausbildungsstellenbewerber/ -innen registriert waren (vgl. Kapitel A3.1). Im Rahmen des BIBB-Forschungsprojekts „Bildungsorientierungen und -entscheidungen von Jugendlichen im Kontext konkurrierender Bildungsangebote“41 werden mithilfe der Daten der Bewerberbefragung 2014 u. a. die Vorstellungen untersucht, die Jugendliche und junge Erwachsene heutzutage von bestimmten Berufen haben. Dazu wurden den Befragten eine Reihe von Merkmalen vorgelegt, für die sie einschätzen sollten, ob ein bestimmter vorgegebener Beruf dieses Merkmal erfüllt. 

Durch den Einsatz von verschiedenen Fragebogenversionen wurden Berufskonzepte für insgesamt 10  verschiedene Ausbildungsberufe ermittelt. Bei der Hälfte der Berufe handelt es sich um Ausbildungsberufe mit Besetzungsproblemen, d. h. um Berufe, in denen in den vergangenen Jahren besonders viele angebotene Ausbildungsstellen bis zum Ende des Vermittlungsjahres (30.  September) unbesetzt blieben (Matthes u. a. 2015; vgl. auch Schier/Ulrich 2014). Die anderen 5 Berufe waren hingegen eher durch Versorgungsprobleme geprägt. Hier blieben nur sehr wenig angebotene Ausbildungsstellen unbesetzt, dafür waren hohe Anteile an Bewerbern und Bewerberinnen, die bei der BA ihr Interesse an einer Ausbildung in diesen Berufen bekundet hatten, bis zum Ende des Vermittlungsjahres bei ihrer Ausbildungsstellensuche erfolglos Tabelle A3.1.2-1 (vgl. Kapitel A1.1). Mithilfe dieser gezielten Berufsauswahl lässt sich exemplarisch untersuchen, inwiefern sich die Berufskonzepte Jugendlicher zu Berufen mit und ohne Besetzungsprobleme unterscheiden. 

Tabelle A 3.1.2-1: Ausgewählte Berufe mit Besetzungs- und Versorgungsproblemen, zu denen in der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2014 die Berufskonzepte Jugendlicher abgefragt wurden

Schaubild A 3.1.2-1: Anteil der Befragten, der für die aufgelisteten Berufe von einem hohen Einkommen ausgeht (in %)

Erfassung von Berufskonzepten in der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2014

In der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2014 wurden die Teilnehmer/ -innen gebeten anzugeben, wie typisch ihrer Meinung nach verschiedene Merkmale für einen bestimmten vorgegebenen Beruf seien („gar nicht“, „eher nicht“, „teilweise“, „eher“ oder „sehr“ typisch). Für die folgenden Auswertungen wurden die Antwortkategorien „eher“ und „sehr“ typisch zusammengefasst. Für jedes Berufsmerkmal wurde dann der prozentuale Anteil der Befragten berechnet, der eine dieser beiden Kategorien angekreuzt hat. Jeder der vorgegebenen 10 Berufe wurde von ca. 300  Befragten bewertet. 

Im Folgenden werden 6 Merkmale betrachtet, die in der Diskussion über die Attraktivität von Berufen häufig genannt werden42:

  • ein hohes Einkommen haben,
  • beruflich aufsteigen können,
  • häufig mit moderner Technik arbeiten,
  • eigene Ideen und Vorschläge einbringen,
  • mit anderen Menschen zusammenkommen und -arbeiten,
  • genug Zeit für Familie, Freunde und eigene Interessen haben. 

Schaubild A 3.1.2-2: Anteil der Befragten, der für die aufgelisteten Berufe von beruflichen Aufstiegschancen ausgeht (in %)

In einigen dieser Berufsmerkmale unterscheiden sich aus Sicht der Jugendlichen Berufe mit vielen unbesetzten Ausbildungsplätzen und solche, in denen keine Besetzungsprobleme bestehen. Am deutlichsten trifft dies auf den Aspekt des Einkommens zu. Für die 5 Berufe mit Besetzungsproblemen geben jeweils weniger als 20 % der Befragten an, dass sie dort ein hohes Einkommen erwarten. Die geringste Zustimmungsquote weist hier der Beruf Bäcker/ -in mit nur 7 % auf, der Beruf Restaurantfachmann/ -fachfrau kommt auf immerhin 19 %, und die Berufe Gebäudereiniger/ -in, Fachverkäufer/ -in im Lebensmittelhandwerk und Koch/Köchin erreichen Werte zwischen 10 % und 13 %. Bei den Berufen ohne Besetzungsprobleme fallen die Quoten zum Teil deutlich höher aus. Allerdings ist das Bild ein wenig gespalten, da für Kaufleute im Einzelhandel und Kfz-Mechatroniker/ -innen nur knapp 25 % der Befragten von einem hohen Einkommen ausgehen, während die Berufe Mediengestalter/ -in Digital und Print und Chemielaborant/ -in Zustimmungsquoten von 45 % bzw. 57 % erzielen. Bei Medizinischen Fachangestellten geht knapp ein Drittel der Befragten von einem hohen Einkommen aus Schaubild A3.1.2-1.

Im Hinblick auf die beruflichen Aufstiegschancen zeigt sich ein deutlich anderes Bild. Für die Mehrzahl der untersuchten Berufe gehen 40 % bis 52 % der Befragten davon aus, dass man dort beruflich aufsteigen kann; Berufe mit Besetzungsproblemen, wie z. B. Restaurantfachmann/ -fachfrau oder Koch/Köchin, werden dabei teilweise sogar besser bewertet als z. B. der stark nachgefragte Beruf der/des Medizinischen Fachangestellten. Lediglich für die Berufe Kaufmann/ -frau im Einzelhandel (54 %) und Chemielaborant/ -in (58 %) werden die Aufstiegschancen noch besser eingeschätzt. Unter den Berufen mit Besetzungsproblemen fallen 2  Berufe mit sehr geringen Bewertungen auf: Für den Beruf Bäcker/ -in erwarten nur 19 % berufliche Aufstiegsmöglichkeiten, für die Gebäudereiniger/ -innen tun dies sogar nur 10 % Schaubild A3.1.2-2

Schaubild A 3.1.2-3: Anteil der Befragten, der für die aufgelisteten Berufe davon ausgeht, mit Menschen zusammenzukommen und zusammenarbeiten (in %)

Ein ähnliches Gefälle wie beim hohen Einkommen ergibt sich für die Einschätzung, ob im entsprechenden Beruf häufig mit moderner Technik gearbeitet wird. Hier bewegt sich der Anteil derjenigen, die dies erwarten, für die Berufe mit Besetzungsproblemen zwischen 11 % (für die Restaurantfachleute) und 23 % (für den Beruf Gebäudereiniger/ -in). Die übrigen 3 Berufe mit vielen unbesetzten Ausbildungsplätzen liegen bei knapp über oder unter 20 %. Die 3 hier abgefragten Berufe mit den geringsten Besetzungsproblemen, Chemielaborant/ -in, Kfz-Mechatroniker/ -in und Mediengestalter/ -in Digital und Print, kommen auf Zustimmungsraten von 87 %, 80 % und 91 %. Bei den Medizinischen Fachangestellten gehen 61 % der Befragten davon aus, dass mit moderner Technik gearbeitet wird, bei den Einzelhandelskaufleuten hingegen nur 27 %.

Im Gegensatz zu den Merkmalen „hohes Einkommen“, „berufliche Aufstiegschancen“ und „mit moderner Technik arbeiten“ zeigen sich bei anderen Merkmalen keine systematischen Unterschiede zwischen Berufen mit und ohne Besetzungsprobleme. Dies gilt z. B. für die Vorstellung, eigene Ideen in die Arbeit einbringen zu können. Hier liegt die Erwartung zwar für den Beruf Mediengestalter/ -in Digital und Print am höchsten (85 %), die 3  nächsthöchsten Zustimmungsraten erhalten aber Berufe, die mit Besetzungsproblemen zu kämpfen haben. In Bezug auf den Beruf Koch/Köchin gehen 70 % der Befragten davon aus, dass Berufstätige dort ihre eigenen Ideen und Vorschläge einbringen können. Für die Restaurantfachleute erwarten dies etwas über, für die Bäcker/ -innen etwas unter 50 %. Am schlechtesten hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten schneidet der Beruf Gebäudereiniger/ -in mit 12 % ab. Auch in den Berufen Fachverkäufer/ -in im Lebensmittelhandwerk und Medizinische/ -r Fachangestellte/ -r wird die Chance, eigene Ideen einzubringen, gering eingeschätzt (24 % bzw. 23 %). In Bezug auf dieses Merkmal im Mittelfeld liegen die Berufe Kfz-Mechatroniker/ -in (33 %), Kaufmann/ -frau im Einzelhandel (39 %) und Chemielaborant/ -in (43 %).

Ein Merkmal, das nach Einschätzung der Befragten auf alle untersuchten Berufe zu einem größeren Teil zutrifft, ist das Zusammenkommen bzw. Zusammenarbeiten mit anderen Menschen. Für alle Berufe finden sich hier Zustimmungsraten von über 30 %. Noch am wenigsten (mit 33 %) wird dieses Merkmal dem Beruf Chemielaborant/ -in zugeschrieben, unwesentlich mehr Kontakt mit anderen Menschen wird vom Beruf Gebäudereiniger/ -in erwartet (37 %). Vermutlich beziehen sich diese Angaben hauptsächlich auf die Zusammenarbeit mit Kollegen und Kolleginnen, während in Berufen mit Kundenkontakt das Zusammentreffen mit Externen im Vordergrund steht. Für die Kfz-Mechatroniker/ -innen (53 %), Mediengestalter/ -innen Digital und Print (58 %) sowie Bäcker/ -innen (63 %) gehen bereits über die Hälfte der Befragten von sozialen Kontakten als typischem Merkmal dieser Berufe aus. Vom Beruf Koch/Köchin wird von 72 % der Befragten Zusammenarbeit mit anderen Menschen erwartet. Die Berufe, die sich inhaltlich zu einem großen Teil über den Kontakt mit Kunden oder Klienten definieren, erzielen hier naturgemäß hohe Zustimmungsraten. Am häufigsten wird das Zusammenkommen mit Menschen für die Restaurantfachleute erwartet (91 %), dicht gefolgt von den Kaufleuten im Einzelhandel (88 %) und den Medizinischen Fachangestellten (86 %). Auch für die Fachverkäufer/ -innen im Lebensmittelhandwerk bezeichnet der Großteil der Befragten den Kontakt mit anderen Menschen als typisch (82 %) Schaubild A3.1.2-3

Schaubild A 3.1.2-4: Anteil der Befragten, der für die aufgelisteten Berufe von beruflichen Aufstiegschancen ausgeht – differenziert nach Schulabschluss (in %)

Ein Merkmal, das sich weniger auf die Berufsinhalte, sondern auf die Rahmenbedingungen bezieht, ist die Frage, ob die Arbeit noch genug Zeit für Familie, Freunde und eigene Interessen lässt. Hier sind die Befragten in Bezug auf alle erfassten Berufe skeptisch, für die meisten Berufe liegen die Zustimmungsraten zwischen 40 % und 50 %. Am ehesten wird erwartet, dass dieses Merkmal auf die Kfz-Mechatroniker/ -innen zutrifft (50 %). Für die Berufe Fachverkäufer/ -in im Lebensmittelhandwerk sowie Medizinische/ -r Fachangestellte/ -r liegen die Werte bei knapp über 40 %; die Berufe Mediengestalter/ -in Digital und Print, Chemielaborant/ -in sowie Kaufmann/ -frau im Einzelhandel erreichen Zustimmungsraten von knapp unter oder über 45 %. Von den Berufen mit Besetzungsproblemen schneiden die Gebäudereiniger/ -innen am besten ab (48 %), für die Bäcker/ -innen erwartet noch ein Drittel, dass die Arbeit ihnen genug Zeit für Privates lässt. Die beiden Berufe aus dem Gastronomiebereich erzielen diesbezüglich die niedrigsten Zustimmungsquoten (Restaurantfachmann/ -fachfrau: 23 %, Koch/Köchin: 20 %). 

Da sich in den hier vorgestellten Berufen die Auszubildenden nach Schulabschluss sehr unterschiedlich verteilen, sind auch Unterschiede hinsichtlich der Berufskonzepte in Abhängigkeit vom Schulabschluss zu erwarten. So wird z. B. ein hohes Einkommen am ehesten von Bewerbern mit maximal Hauptschulabschluss für fast alle vorgegebenen Berufe erwartet. Aus der Sicht der Mehrzahl der Bewerber/ -innen mit (Fach-)Abitur bietet dagegen keiner der vorgegebenen Berufe die Möglichkeit auf ein hohes Einkommen – einzige Ausnahme bildet der Beruf Chemielaborant/ -in.

Ein ähnliches Muster der Einschätzungen ergibt sich in Hinblick auf die beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten, wie in Schaubild A3.1.2-4 veranschaulicht. Die Bewerber/ -innen mit maximal Hauptschulabschluss halten dieses Merkmal zu einem größeren Teil für typisch bei den hier untersuchten Berufen als die Bewerber/ -innen mit höheren Schulabschlüssen. 

Schaubild A 3.1.2-5: Anteil der Befragten, der für die aufgelisteten Berufe davon ausgeht, eigene Ideen einbringen zu können – differenziert nach Schulabschluss (in %)

Andere Berufsmerkmale weisen ein differenzierteres Muster der Unterschiede nach Schulabschlüssen auf. Bei der Einschätzung, ob eigene Ideen und Vorschläge eingebracht werden können, ergibt sich das in Schaubild A3.1.2-5 dargestellte Bild. Es fällt auf, dass für die Berufe Mediengestalter/ -in Digital und Print und Chemielaborant/ -in der Anteil der Bewerber/ -innen mit höherem Schulabschluss, die dieses Merkmal als zutreffend bezeichnen, größer ist als der Anteil der Bewerber/ -innen mit maximal Hauptschulabschluss. Beides sind Ausbildungsberufe mit einem hohen Anteil an Auszubildenden mit (Fach-)Hochschulreife und einem kleineren Anteil mit einem mittleren Schulabschuss. Umgekehrt ist der Anteil der Bewerber/ -innen mit maximal Hauptschulabschluss, die dieses Merkmal als charakteristisch bezeichnen, in den Berufen, in denen besonders viele Hauptschulabsolventen/ -absolventinnen ausgebildet werden, zumeist höher als in der Bewertung durch die anderen Gruppen. Es scheint, dass die unterschiedlichen Gruppen tendenziell jene Berufe positiver einstufen, die für sie selbst eher infrage kommen bzw. die für sie erreichbar sind.

Allerdings gibt es auch Berufsmerkmale, in deren Beurteilung sich Bewerber/ -innen mit unterschiedlichen Schulabschlüssen nicht systematisch unterscheiden, wie etwa bei der Einschätzung, wie charakteristisch das Zusammenkommen bzw. die Zusammenarbeit mit anderen Menschen für die hier vorgegebenen Berufe ist.43

Insgesamt grenzen sich die ausgewählten Berufe mit und ohne Besetzungsprobleme aus der Sicht von potenziellen Bewerbern und Bewerberinnen bei einigen Merkmalen klar voneinander ab, z. B. hinsichtlich der Erwartung eines hohen Einkommens oder der Arbeit mit moderner Technik. Auf der anderen Seite wird aber gleichzeitig deutlich, dass aus Sicht der befragten Jugendlichen auch Berufe mit Besetzungsproblemen spezifische Stärken haben, wie z. B. den häufigen Kontakt mit anderen Menschen oder die Möglichkeit, eigene Ideen einzubringen – Aspekte, die im Berufsorientierungsprozess ebenfalls eine Rolle spielen und auf die aufgebaut werden könnte, um die Attraktivität der Berufe in der Wahrnehmung von Jugendlichen zu steigern. 

(Annalisa Schnitzler, Stephanie Matthes, Joachim Gerd Ulrich, Ursula Weiß, Mona Granato)

  • 41

    Ziel des Projektes (Projekt-Nr. 2.1.310) ist es, bei nicht-studienberechtigten Jugend­lichen individuelle, soziale und kontextuelle Bedingungen zu untersuchen, die zu einer Annäherung an vorhandene Ausbildungsangebote oder ihrer Ablehnung führen können. Aus den Analysen sollen praxisrelevante Handlungsempfehlungen abgeleitet werden (Granato u. a. 2014). 

  • 42

    Detailliertere Analysen zu den Berufskonzepten von Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden in einem BIBB-Report vorgestellt (Matthes u.a. in Vorbereitung). 

  • 43

    Bei der Interpretation der hier vorgestellten Unterschiede nach Schulabschlüssen muss darauf hingewiesen werden, dass die Stichprobengrößen zum Teil relativ klein ausfallen. Während bei den Bewerbern und Bewerberinnen mit mittlerem Schulabschluss als größte Teilgruppe immerhin jeweils 130 bis 160 Personen einen Beruf beurteilten, waren es bei den (Fach-)Abiturientinnen und (Fach-)Abitu­rienten lediglich 40 bis 70 Personen. Aus diesem Grund müssen die Ergebnisse mit Vorsicht interpretiert werden.