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Geht man davon aus, dass ein aktueller Ausbildungs-Mismatch in Zukunft auch zu einem Mismatch auf dem Fachkräftemarkt führt, so sollten Betriebe, die in einer Region mit generellem Bewerbermangel tätig sind (regionale Passungsprobleme) oder einen Beruf ausbilden möchten, in dem das Stellenangebot die Nachfrage übersteigt (berufliche Passungsprobleme), daran interessiert sein, ihre Attraktivität als Ausbildungsbetrieb zu erhöhen. Dies ist in der Regel mit höheren betrieblichen Kosten verbunden. Um einen zukünftigen innerbetrieblichen Fachkräftemangel zu vermeiden, sollten die Betriebe bereit sein, diese höheren Ausbildungsinvestitionen zu tragen. Anhand der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung (BIBB-CBS) 2012/13 (vgl. Kapitel A7.3)307 und von Auswertungen zur regionalen und beruflichen Angebots-Nachfrage-Relation in der erweiterten Fassung (siehe Infobox  in Kapitel A1) für das Jahr 2012 wird in diesem Kapitel der Zusammenhang zwischen der Angebots-Nachfrage-Relation auf
dem Ausbildungsmarkt und den Nettoausbildungskosten der Betriebe untersucht.

Die Nettokosten der Ausbildung spiegeln die Bereitschaft der Betriebe, in die Ausbildung von Fachkräften zu investieren, wider. Betriebe sollten bereit sein auszubilden, wenn entweder die Nettokosten bereits kleiner oder gleich null sind oder der Nutzen, der nach der Ausbildung z. B. durch die Übernahme der Ausgebildeten entsteht, die angefallenen Nettokosten übersteigt.

Die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) gibt das Verhältnis von angebotenen Ausbildungsplätzen und Nachfragern/Nachfragerinnen nach diesen Plätzen an. Ein niedriger Wert der eANR zeigt an, dass die Betriebe aus vielen Interessenten wählen können. Die Chancen für die Jugendlichen, einen Ausbildungsplatz zu finden, sind in diesem Fall geringer. Bei einer hohen eANR wird es für die Betriebe schwieriger, passende Auszubildende zu finden. Im Folgenden wird die eANR zum einen auf der Ebene der Arbeitsagenturbezirke und zum anderen auf Berufsebene (3-Steller der Bundesagentur für Arbeit) verwendet.

Tabelle C2.4-1 zeigt die durchschnittlichen Nettoausbildungskosten von Betrieben in Arbeitsagenturbezirken mit unterschiedlichen Angebots-Nachfrage-Relationen und von Betrieben, die Berufe mit unterschiedlichen Angebots-Nachfrage-Relationen ausbilden. Die Betriebe wurden anhand der Verteilung der jeweiligen regionalen oder beruflichen eANR in 3 Klassen eingeteilt. 

Bei den Regionalauswertungen zu Passungsproblemen nach Arbeitsagenturbezirken zeigt sich, dass in Bezirken mit einer niedrigen Relation, also einem Nachfrageüberschuss, die Nettoausbildungskosten geringer ausfallen. Am geringsten sind sie mit durchschnittlich 5.144 € in den Bezirken mit einer eANR kleiner 87,2 und am höchsten in den Arbeitsagenturbezirken mit einer eANR größer 97,4 mit 6.017 €. In Bezirken mit einer mittleren eANR liegen die Nettoausbildungskosten bei durchschnittlich 5.769 €.

Da sich die demografische Ausgangssituation zwischen Ost- und Westdeutschland immer noch recht deutlich unterscheidet und dementsprechend auch die eANR, empfiehlt sich eine getrennte Betrachtung für die beiden Landesteile. Es zeigt sich, dass im Westen ein vergleichbares Bild wie für Gesamtdeutschland besteht. Im Osten sind die Nettokosten in Betrieben aus Bezirken mit niedriger eANR zwar niedriger (6.005 €) als in Bezirken mit hoher eANR (6.658 €). In den Betrieben aus Regionen mit mittlerer eANR liegen sie mit 5.904 € aber noch leicht unterhalb des Durchschnitts der Betriebe aus den Bezirken mit starkem Nachfrageüberhang Tabelle C2.4-2. Ein eindeutiger Zusammenhang lässt sich folglich in Ostdeutschland nicht erkennen.

Auf der Berufsebene kann weder für Deutschland insgesamt noch für Ost- und Westdeutschland getrennt ein Zusammenhang festgestellt werden (Tabelle C2.4-1 und Tabelle C2.4-2). Insgesamt fallen die höchsten Nettokosten mit durchschnittlich über 5.700 € bei Berufen der mittleren Klasse (eANR 88,85 bis 97,18) an. Der Unterschied zu den anderen Klassen ist mit weniger als 300 € aber nur gering. Auch in Ost- und Westdeutschland sind keine eindeutigen Zusammenhänge auf Basis dieser deskriptiven Analyse feststellbar. Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass in den bei Jugendlichen beliebten Berufen häufig höhere Ausbildungsvergütungen gezahlt werden und/oder eher investitionsorientiert ausgebildet wird. Beides führt zu höheren Nettoausbildungskosten, die Beliebtheit bei den Jugendlichen aber zu einer niedrigen eANR für diesen Beruf. Der möglicherweise vorhandene Effekt, dass Betriebe bereit sind, höhere Nettokosten zu tragen, wenn sie Schwierigkeiten haben, die richtigen Auszubildenden zu finden (also bei hoher eANR), könnte daher bei dieser deskriptiven Betrachtung überlagert sein.

Auf Basis dieser deskriptiven Betrachtung konnte gezeigt werden, dass ein Mismatch am regionalen Ausbildungsmarkt zu einer höheren Investitionsbereitschaft der Betriebe in Ausbildung führt. Auf Berufsebene kann dieser Zusammenhang aber nicht festgestellt werden.

(Felix Wenzelmann)

Tabelle C 2.4-1: Nettoausbildungskosten in € nach regionaler und berufsbezogener eANR (1)

Tabelle C 2.4-2: Nettoausbildungskosten in € nach regionaler und berufsbezogener eANR (1) (Ost- und Westdeutschland)

  • 307

    Erste Ergebnisse der BIBB-Kosten-Nutzen-Erhebung sowie Informationen zur Erhebung und Berechnung der Nettokosten finden sich in Kapitel A7.3. Die hier dargestellten Durchschnitte basieren auf den durchschnittlichen Nettokosten der gesamten Ausbildung je Betrieb. Sie werden auf Betriebsebene gewichtet und weichen von den in Kapitel A7.3 dargestellten Durchschnitten ab. 

  • 308

    In Klasse 1 werden jeweils 25 % der Betriebe mit der kleinsten regionalen bzw. beruflichen eANR zusammengefasst, in Klasse 2 die mittleren 50 % und in Klasse 3 die 25 % mit der höchsten eANR.