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Mit der Durchführung der PIAAC-Studie sind neue Möglichkeiten entstanden, Missverhältnisse zwischen den tatsächlichen Fähigkeiten von Personen und ihren Arbeitsplatzanforderungen sichtbar zu machen und zu messen. Allerdings werden in der PIAAC-Studie keine beruflichen Kompetenzen gemessen, sondern allgemeine Fähigkeiten von Erwachsenen, wie die Lese- und Rechenfähigkeit und die Fähigkeit, mit Computern umzugehen. Die PIAAC-Studie basiert auf einer repräsentativen Auswahl der 15- bis 65-Jährigen, deren Leistungen mithilfe von Tests gemessen wurden. Außerdem wurden anhand eines Hintergrundfragebogens Merkmale der Person, ihr sozialer Hintergrund und z. B. Angaben zur beruflichen Tätigkeit erfragt (s. o.).

Im Hintergrundfragebogen wurde danach gefragt, ob die Befragten über Fähigkeiten verfügen, mit denen sie komplexere Aufgaben lösen könnten als die, mit denen sie in ihrer beruflichen Tätigkeit konfrontiert sind. Andersherum wurde die Frage gestellt, inwieweit die Befragten meinten, dass sie sich weiterbilden müssten, um den Anforderungen ihres Arbeitsplatzes gewachsen zu sein. Basierend auf diesen Fragen wurde einen Indikator für „Mismatch“ gebildet: Erwerbstätige, die beide Fragen mit „Nein“ beantworteten, wurden unter „guter Match“ gefasst. Personen gelten als überqualifiziert, wenn der von ihnen erreichte Testwert höher ist als der Maximalwert derjenigen, die einen „guten Match“ attestiert bekamen, und als unterqualifiziert, wenn ihr Wert niedriger ist als der niedrigste Wert derer, die ein „gutes Matching“ attestiert bekamen. Ein entsprechendes Missverhältnis wurde nicht als „qualification mismatch“, sondern als „skills mismatch“ bezeichnet. Es handelt sich also nicht um ein Missverhältnis zwischen Arbeitsplatz und Bildungsabschluss, sondern zwischen Arbeitsplatz und vorhandenen allgemeinen Fertigkeiten und Potenzialen (Rammstedt 2013). Nach diesem Maß gehört Deutschland zu den 5 Ländern, in denen die meisten Erwerbstätigen angeben, über Potenziale zu verfügen, die über die Anforderungen des Arbeitsplatzes hinausgehen (Organisation for Economic Co-operation and Development 2013). Unterqualifizierte nach dem „Skills-mismatch“-Konzept finden sich in Deutschland im Vergleich mit den OECD-Staaten am seltensten.

Daten zum „skills mismatch“ finden in Schaubild E2.2-1 – hier ausgewiesen für die jungen Erwachsenen (Organisation for Economic Co-operation and Development 2014)  – Eingang. Darüber hinaus ist der „qualifications“ und der „field of study mismatch“ eingetragen.

Neben den beiden genannten Kennzahlen wurde von der OECD im Rahmen von PIAAC noch eine weitere Kennzahl berechnet. Die fachliche Orientierung der Ausbildung wird mit der tatsächlichen Erwerbstätigkeit verglichen. Es fällt auf, dass sich die Werte für Österreich und Deutschland sehr günstig darstellen. Finnland und Australien fallen hinsichtlich dieses Kennwertes aus der Analyse, da die Daten dort nicht in der erforderlichen Tiefe erhoben wurden. Das Missverhältnis zwischen Ausbildungsrichtung und tatsächlich ausgeübter Tätigkeit fällt für die USA und Korea am höchsten aus.

Schaubild E 2.2-1: Gesamtes Missverhältnis, erwerbstätige Jugendliche im Alter von 16 bis 29 nach „Mismatch“-Typen 2012 (1)

Fazit und Ausblick

In der internationalen Statistik hat sich noch kein Standard zur Erhebung des „Mismatches“ zwischen Arbeitsmarkt und Bildungssystem herausgebildet. Die Entscheidung für Messkonzepte und entsprechende Daten ist nicht nur von der Erwägung gekennzeichnet, welches Konzept tatsächlich ein Missverhältnis am besten abbildet, sondern ist immer auch an die Verfügbarkeit von entsprechenden Daten gebunden. Mit der OECD-Studie PIAAC zur Messung von Kompetenzen Erwachsener liegen neue Daten vor. Sowohl im Hinblick auf das vertikale wie auch auf das horizontale Verhältnis zwischen Abschlüssen und Tätigkeiten wird eine Stärke des dualen und beruflich strukturierten Ausbildungssystems gut abgebildet: die Passung zwischen Arbeitsmarkt und Bildungssystem. Häufig muss ein ungünstigeres Verhältnis durch längere betriebliche Einarbeitungszeiten ausgeglichen werden, wie in einem BIBB-Projekt gezeigt werden konnte (Grollmann/Geiben 2012; Grollmann u. a. 2010). Die betriebliche Einarbeitung kann damit auch als ein Indikator für die Existenz eines „Mismatches“ gelten.

Auch in Bezug auf den neu etablierten Indikator „skills mismatch“ steht Deutschland im internationalen Vergleich bei den Erwerbstätigen gut da. Allerdings wird darauf hingewiesen, dass viele Erwachsene, die über ein unzureichendes Maß an Kompetenzen verfügen, gar nicht dem Erwerbssystem angehören.

(Philipp Grollmann)