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Die Entwicklung 2015 im Überblick

Mehr Ausbildungsplatzangebote der Betriebe, eine nahezu stabile Ausbildungsplatznachfrage der Jugendlichen, aber weiter wachsende Schwierigkeiten, die Ausbildungsangebote der Betriebe und die Ausbildungswünsche der Jugendlichen in Einklang zu bringen, sodass letztlich dennoch nicht mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen werden konnten – so lässt sich in aller Kürze die Ausbildungsmarktbilanz 2015 zusammenfassen. Sie basiert auf der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungs­verträge zum 30. September 20151 in Ver­bindung mit der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) (Bundesagentur für Arbeit 2015d; Bundesagentur für Arbeit 2015l).

Das Ausbildungsplatzangebot nahm 2015 erstmalig seit 2011 wieder zu und lag bei 563.100 Ausbildungsplätzen. Im Vergleich zum Vorjahr betrug der Zuwachs 2.800  Plätze bzw. 0,5 %  Tabelle A1-1. Die Zunahme ist allein auf ein gestiegenes Angebot an betrieblichen Ausbildungsangeboten zurückzuführen (+4.300 bzw. +0,8 % auf 544.200). Vom Zuwachs an betrieblichen Ausbildungsangeboten profitierten sowohl der Westen (+2.800 bzw. +0,6 %) als auch der Osten (+1.500 bzw. +2,0 %). Die Zahl der „außerbetrieblichen“ Angebote ging dagegen sowohl im Westen (-700) als auch im Osten (-800) weiter zurück. Sie betrug bundesweit 18.900 (-1.500 bzw. -7,5 % gegenüber 2014).

Ungeachtet der in vielen Regionen weiter gesunkenen Schulabgängerzahlen – betroffen sind zurzeit insbesondere Westdeutschland und hier vor allem nicht studien­berechtigte Abgänger/-innen und Absolventen/Absolventinnen – blieb die Ausbildungsplatznachfrage2 mit 602.900 Personen bundesweit relativ stabil (-1.500 bzw. -0,2 %). In den ostdeutschen Bundesländern kam es sogar zu einer leichten Steigerung (+500 bzw. +0,6 % auf nunmehr 84.200), da hier inzwischen wieder etwas mehr Jugendliche als im Vorjahr die Schule verließen. Im Westen lag die Ausbildungsplatznachfrage 2015 bei 518.700 (-1.800 bzw. -0,3 % gegenüber dem Vorjahr).

Begriffe der Ausbildungsmarktbilanzierung

Zum offiziellen Ausbildungsplatzangebot eines Jahres rechnen die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Rahmen seiner Erhebung zum 30. September bei den zuständigen Stellen zählt (erfolgreich besetztes Angebot), und die bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierten betrieblichen Berufsausbildungsstellen, die der Arbeitsverwaltung während des Berichtsjahres zur Vermittlung angeboten wurden und die am 30. September noch nicht besetzt waren (erfolgloses, unbesetztes Angebot).

Als Ausbildungsplatznachfrager gelten jene ausbildungs­interessierten Jugendlichen, die entweder einen neuen Ausbildungsvertrag abschlossen und somit über die BIBB-Erhebung zum 30. September erfasst werden (erfolgreiche Nachfrage) oder aber zum Kreis der Ausbildungsstellenbewerber/-innen zählten, die am 30. September ihre Ausbildungsplatzsuche fortsetzten (erfolglose Nachfrage). Bewerber/-innen, die sich im Laufe des Berichtsjahres für eine Alternative entschlossen (z. B. erneuter Schulbesuch, Studium, Erwerbstätigkeit, berufsvorbereitende Maßnahme) und am 30. September nicht mehr oder vorerst nicht mehr nach einer Berufsausbildungsstelle suchen, werden grundsätzlich nicht zu den Ausbildungsplatznachfragern gerechnet (d. h. auch dann nicht, wenn sie diese Alternative aufgrund erfolgloser Bewerbungen anstrebten).

Bei der statistischen Ermittlung der Ausbildungsplatznachfrage sind 2 Ansätze zu unterscheiden: Die traditionelle Berechnungsweise definiert den Kreis der erfolglosen Nachfrage sehr eng. Sie lässt all jene am 30. September noch suchenden Ausbildungsstellenbewerber/-innen unberücksichtigt, die über eine alternative Verbleibsmöglichkeit verfügen. Bei der neuen, erweiterten Berechnung sind diese Personen dagegen einbezogen. Die verschiedenen Berechnungsweisen der Ausbildungsplatznachfrage erklären zugleich die Ergebnisunterschiede der beiden Varianten zur Berechnung der Angebots-Nachfrage-Relation.

Die Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) gibt wieder, wie viele Berufsausbildungsangebote rechnerisch auf 100  Ausbildungsplatznachfrager entfielen. Da 2 Berechnungsweisen zur Ermittlung der Ausbildungsplatznachfrage genutzt werden, gibt es auch 2 Varianten in der ANR-Berechnung. In der Regel wird im Datenreport die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) ausgewiesen. Da selbst bei hoher ANR größere Teile der Nachfrager aufgrund von Passungsproblemen erfolglos bleiben können, werden zusätzlich auch der Anteil der erfolglosen Ausbildungsplatznachfrager an allen Nachfragern bzw. spiegelbildlich der Anteil der unbesetzten betrieblichen Angebote an allen betrieblichen Angeboten ausgewiesen. Durch eine multiplikative Verknüpfung der beiden Anteile entsteht ein Indikator für das Ausmaß von Passungsproblemen auf dem Ausbildungsmarkt.

Vom Begriff der Ausbildungsplatznachfrager ist der Begriff der gemeldeten Ausbildungsstellenbewerber zu unterscheiden, vom Begriff des Ausbildungsplatzangebots der Begriff der gemeldeten Berufsausbildungsstellen. Die Ausbildungsstellenbewerber bilden zusammen mit den Berufsausbildungsstellen die zentralen Größen der Ausbildungsmarktstatistik der BA. Diese konzentriert sich auf diejenigen Marktteilnehmer/-innen, welche bei ihrer Suche die Beratungs- und Vermittlungsdienste einschalten, seien es die Agenturen für Arbeit (AA), die Jobcenter in gemeinsamen Einrichtungen (JC gE) oder die Jobcenter in alleiniger kommunaler Trägerschaft (JC zkT). Als Ausbildungsstellenbewerber wird man nur registriert, wenn die individuelle Eignung für die angestrebten Ausbildungsberufe geklärt ist bzw. die Voraussetzungen zur Aufnahme einer Berufsausbildung gegeben sind (Bundesagentur für Arbeit 2014a, S. 27).

Als institutionell erfasste ausbildungsinteressierte Personen gelten alle Jugendlichen, die sich im Laufe des Berichtsjahres zumindest zeitweise für die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung interessierten und deren Eignung hierfür auch unterstellt wurde, sei es über die Eintragung ihrer Ausbildungsverhältnisse bei den zuständigen Stellen oder – sofern sie erfolglos blieben – im Rahmen ihrer Registrierung als Ausbildungsstellenbewerber/-innen bei den Beratungs- und Vermittlungsdiensten. Zu den Ausbildungsinteressierten zählen neben den offiziell ausgewiesenen Ausbildungsplatznachfragern auch jene Personen, die sich zwar als Ausbildungsstellenbewerber/-innen registrieren ließen, ihren Vermittlungswunsch aber vor dem Bilanzierungsstichtag 30. September aus unterschiedlichen Gründen wieder aufgaben. Die Zahl aller ausbildungsinteressierten Personen wird errechnet, indem zur Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge die Zahl jener registrierten Bewerber/-innen hinzuaddiert wird, die nach der Verbleibstatistik der Arbeitsverwaltung nicht in eine Berufsausbildungsstelle einmündeten. Durch den rechnerischen Bezug der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf die Zahl der in­stitutionell erfassten Ausbildungsinteressierten lässt sich die Beteiligungs- bzw. Einmündungsquote ausbildungs­interessierter Personen in duale Berufsausbildung (EQI) ermitteln. Sie informiert darüber, wie hoch der Anteil unter den ausbildungsinte­ressierten Jugendlichen ausfällt, der letztlich für den Beginn einer dualen Berufsausbildung gewonnen werden konnte (Ulrich 2012a; Ulrich 2012b).

Da die Nachfrage bundesweit nicht weiter anstieg, das Ausbildungsplatzangebot aber merklich zunahm, verbesserte sich die Ausbildungsmarktlage aus Sicht der Jugendlichen. Die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation – Zahl der Ausbildungsplatzangebote je 100  Nachfrager – stieg um 0,7 Prozentpunkte auf eANR  = 93,4 und damit auf den höchsten Wert seit 2007, als erstmals eine solche Messung vorgenommen werden konnte. Von einer verbesserten Ausbildungsmarktlage konnten sowohl die Jugendlichen in West- (+0,7 auf eANR = 92,8) als auch in Ostdeutschland (+0,2 auf eANR = 97,0) profitieren.

Die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplatzangebote, die bis zum Bilanzierungsstichtag 30. September nicht besetzt werden konnten, erhöhte sich im Jahr 2015 erneut. Insgesamt blieben bundesweit 41.000 Ausbildungsstellen unbesetzt. Dies ist der höchste Wert seit 1995. Gegenüber 2014 beträgt die Steigerung 3.900 bzw. +10,4 %. Der relative Anteil des vakanten betrieblichen Ausbildungsplatzangebots lag bundesweit bei 7,5 % und damit 0,6  Prozentpunkte höher als 2014. Besonders starke Besetzungsprobleme waren erneut im Handwerk zu verzeichnen. Bundesweit blieben hier 14.400 Stellen bzw. 9,7 % des betrieblichen Ausbildungsangebots bis zum 30.  September ungenutzt; im Osten waren es sogar 11,3 %.

Aufseiten der Ausbildungsplatznachfrage gab es 2015 im Vergleich zum Vorjahr kaum Veränderungen. Bis zum Stichtag 30. September waren bundesweit 80.800  Bewerber/-innen bei der BA als „noch suchend“ gemeldet. Dies waren -400 bzw. -0,5 % im Vergleich zu 2014 (vgl. Kapitel A1.3). Der Anteil der erfolglosen Bewerber/-innen an der offiziell ermittelten Nachfrage fiel 2015 mit 13,4 % weiterhin vergleichsweise hoch aus. Der Wert für 2014 lag auf demselben Niveau. Im Osten nahm die Erfolglosenquote sogar zu (+0,7 Prozentpunkte auf 11,9 %; West: -0,1 Prozentpunkte auf 13,6 %).

Die deutliche Zunahme der Besetzungsprobleme und die gleichbleibend schwierige Versorgungslage von Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen führten dazu, dass sich die Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt weiter verschärften. Dabei waren die Probleme im Osten wiederum höher als im Westen.

Im Jahr 2015 wurden insgesamt 804.400 ausbildungs­interessierte Personen registriert, dies waren -7.100  bzw. -0,9 % weniger als im Vorjahr. 2015 konnten letztlich 64,9 % aller ausbildungsinteressierten Personen für eine duale Berufsausbildung gewonnen werden, +0,4  Prozentpunkte mehr als 2014. In den letzten Jahren nahm insbesondere die Zahl der ausbildungsinteressierten jungen Frauen ab (um 53.500 bzw. -14,0 % gegenüber 2009). Bei den Männern sank sie lediglich um 8.600 (-1,8 %). Die Ursachen für die unterschiedliche Entwicklung sind u. a. im geschlechtsspezifischen schulischen Bildungsverhalten zu verorten. Die Schere zwischen dem Anteil weiblicher und männlicher Studienberechtigter unter den Schulabsolventen hat sich in den letzten Jahren immer stärker zugunsten der jungen Frauen geöffnet. Mit der Studienoption, über die insbesondere junge Frauen immer häufiger verfügen, verringert sich auch ihre Nachfrage nach dualer Berufsausbildung.

Die starke Immigration von Geflüchteten machte sich 2015 auf dem Ausbildungsmarkt noch kaum bemerkbar und dürfte somit auch die Ausbildungsplatznachfrage nur in relativ geringer Form beeinflusst haben. Die BA registrierte insgesamt ein Plus von rund 1.600 Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen, die aus Ländern stammen, aus denen aktuell viele Geflüchtete nach Deutschland kommen. Die Gesamtzahl belief sich damit auf 15.900 Personen. Rund 800 von ihnen zählten am Ende des Berichtsjahres (30. September) zu den unversorgten Bewerbern und Bewerberinnen, ca. 100 mehr als 2014 (vgl. die entsprechende Publika­tion der Bundesagentur für Arbeit 2015j, insbesondere die dortige Tabelle 3).

Tabelle A1-1: Ausbildungsmarktentwicklung von 2010 bis 2015 (Stichtag 30. September)

  • 1

    Vgl. dazu auch www.bibb.de/de/2918.php 

  • 2

    Angaben zur Ausbildungsplatznachfrage beruhen hier und im Folgenden auf der erweiterten Nachfragedefinition.