Trotz einer aus Sicht der Jugendlichen verbesserten Lage auf dem Ausbildungsmarkt sind nach wie vor insbesondere Schulabgänger/-innen mit maximal Hauptschulabschluss beim Übergang von der Schule in eine berufliche Ausbildung benachteiligt (vgl. BIBB-Datenreport 2011, Kapitel A3.1; Eberhard 2012; BIBB-Datenreport 2013, Kapitel A4.6.2). Statt direkt in eine duale Ausbildung einzumünden, absolvieren sie deutlich häufiger eine Maßnahme des Übergangsbereiches als Schulabsolventen und -absolventinnen mit höheren Abschlüssen (vgl. BIBB-Datenreport 2013, Kapitel A3.3.1). Aktuelle Zahlen zur Situation dieser Gruppe finden sich in Kapitel A4.6.2.
Es gibt aber dennoch Schulabgänger/-innen, die trotz schwachen Abschlusses bei der Ausbildungssuche erfolgreich sind und unmittelbar im Anschluss an die Schule eine Ausbildung beginnen. Um Merkmale gelingender Übergänge zu identifizieren und daraus Schlussfolgerungen für Förderansätze am Übergang Schule – Beruf für Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss ableiten zu können, ist eine Analyse der Faktoren zentral, die Schulabgänger/-innen mit unverzüglichen Übergängen von denjenigen zu unterscheiden, denen ein reibungsloser Übergang nicht gelingt.
Eine Annäherung an diese Fragestellung ist auf Daten angewiesen, die die gesamte Komplexität des Übergangsgeschehens im Zeitverlauf abbilden. Eine entsprechende Datenquelle liefert das Nationale Bildungspanel (NEPS). Hier wird eine Vielzahl an relevanten Einflussfaktoren im Längsschnitt erfasst, was es ermöglicht, die Dynamik des Übergangsprozesses sowie auftretende Veränderungen zu analysieren. An dieser Stelle erfolgen erste Auswertungen zum Verbleib von Schulabgängern und -abgängerinnen nach der 9. Klasse sowie ein Vergleich der Ausbildungsanfänger/-innen mit Schulabgängern und -abgängerinnen, die nicht in eine Ausbildung einmündeten, hinsichtlich ihrer Vorbedingungen und ihres Bewerbungsverhalten.64
Nationales Bildungspanel – National Educational Panel Study (NEPS)
Diese Arbeit nutzt Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS): Startkohorte Klasse 9, doi:/10.5157/NEPS:SC4:4.0.0. Die Daten des NEPS wurden von 2008 bis 2013 als Teil des Rahmenprogramms zur Förderung der empirischen Bildungsforschung erhoben, welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert wurde. Seit 2014 wird NEPS vom Leibniz-Institut für Bildungsverläufe e.V. (LIfBi) an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg in Kooperation mit einem deutschlandweiten Netzwerk weitergeführt. Das NEPS erhebt Längsschnittdaten zu Bildungserwerb, Bildungsprozessen und Kompetenzentwicklung in formalen, nicht formalen und informellen Kontexten über den gesamten Lebensverlauf. Dazu wurden 6 Startkohorten vom Säugling bis zum Erwachsenen im Rentenalter mit insgesamt mehr als 50.000 Personen gezogen. Diese werden jährlich befragt und auf ihre Kompetenzen hin getestet. Weitere Informationen zum NEPS sind unter www.lifbi.de/ und bei Blossfeld/Roßbach/von Maurice (2011) zu finden.
Für die hier thematisierte Fragestellung wird auf die Startkohorte 4 zurückgegriffen, für welche 2010 fast 14.500 Neuntklässler/-innen an allgemeinbildenden Schulen65 erstmals befragt und getestet wurden. Interessierende Merkmale sind beispielsweise die Einstellungen und schulischen Vorbedingungen der Jugendlichen sowie ihre beruflichen Pläne und die Schritte, die sie zu deren Verwirklichung unternommen haben. Bisher liegen Übergangsdaten für 1.637 Jugendliche vor, die im Sommer 2011 das allgemeinbildende Schulsystem nach der 9. Klasse verlassen haben.66 In die Auswertungen fließen Daten der ersten 3 Erhebungswellen (Herbst 2010, Frühjahr 2011 und Herbst 2011) ein.
Von den 1.637 Jugendlichen, die 2011 nachweislich das allgemeinbildende Schulsystem nach der 9. Klasse verließen, waren 58,3 % männlich. Das Durchschnittsalter lag bei 15 Jahren. Die überwiegende Mehrheit hatte zuvor eine Hauptschule besucht (77,6 %). Einige wenige verließen eine Realschule (2,7 %) oder ein Gymnasium (1,6 %), 6,7 % stammten von integrierten Gesamtschulen und 11,4 % von Schulen mit mehreren Bildungsgängen. Lediglich 4,1 % verließen die Schule ohne einen Schulabschluss, alle anderen weisen einen Hauptschulabschluss auf.67 Von den betrachteten Jugendlichen mündeten etwas weniger als die Hälfte (45,3 %) in eine vollqualifizierende (duale oder schulische) Berufsausbildung ein, die meisten (42,6 %) unmittelbar nach Verlassen der Schule und einige wenige (2,7 %), nachdem das Ausbildungsjahr bereits begonnen hatte.68 Diese werden im Folgenden als „Ausbildungsanfänger/-innen“ zusammengefasst. Etwas mehr als die Hälfte (54,7 %) mündete nicht in eine Ausbildung ein und begann stattdessen zumeist teilqualifizierende berufsschulische Bildungsgänge, berufsvorbereitende Maßnahmen oder Einstiegsqualifizierungen.
Vergleicht man nun die Gruppe der Ausbildungsanfänger/-innen mit den nicht eingemündeten Schulabgängern und -abgängerinnen, zeigen sich bereits bei Betrachtung der soziodemografischen Merkmale statistisch relevante Unterschiede Schaubild A3.3-1. Der Anteil der jungen Frauen ist in der Gruppe, die eine Ausbildung beginnt, deutlich niedriger als unter den nicht Eingemündeten; Gleiches gilt für die Verteilung der Schulabgänger/-innen mit Migrationshintergrund. Fast alle Ausbildungsanfänger/-innen verfügen über einen Hauptschulabschluss, während bei den nicht Eingemündeten immerhin 6 % keinen Schulabschluss vorweisen können. Hinsichtlich des sozioökonomischen Status lassen sich beim ausgeübten Beruf der Eltern keine Unterschiede feststellen.
Mit Blick auf die persönlichen Voraussetzungen der Schulabgänger/-innen ist festzuhalten, dass Ausbildungsanfänger/-innen durchschnittlich bessere Noten in Deutsch und Mathematik erhielten. Außerdem zeigten sie sich während der Schulzeit gewissenhafter und selbstbewusster und hatten zudem bereits vor dem Übergang positivere Einstellungen in Bezug auf ihre Bewerbungschancen: Sie glaubten weniger, dass Hauptschüler/-innen bei der Ausbildungsplatzsuche eher abgelehnt werden, und sie waren sich eher sicher, auch mit einem Hauptschulabschluss einen guten Job zu bekommen. Entsprechend schätzten sie bereits zu Schulzeiten ihre Chancen auf eine Ausbildungsstelle, sowohl allgemein als auch im Beruf ihrer Wahl, besser ein als die nicht Eingemündeten. Darüber hinaus zeigten sich die Ausbildungsanfänger/-innen besser über den Ausbildungsmarkt informiert und gaben an, besser darüber Bescheid zu wissen, wie sie eine Ausbildungsstelle erlangen können.
Schaubild A3.3-1: Unterschiede in soziodemografischen Variablen (in %)
In Schaubild A3.3-2 ist zu sehen, dass sich die späteren Ausbildungsanfänger/-innen schon zu Beginn der 9. Klasse deutlich häufiger eher bzw. sehr klar über ihre eigene berufliche Zukunft waren. Zudem hatten sie vor Verlassen der Schule viel häufiger Praktika in der Ferienzeit absolviert.69 Auffällig ist, dass die Pläne für die Zukunft nach der 9. Klasse zwischen den beiden Gruppen zu Schulzeiten deutlich auseinandergingen: Bei der Gruppe der Ausbildungsanfänger/-innen beabsichtigte mehr als die Hälfte bereits zu Beginn der 9. Klasse (Schulhalbjahr 9.1), eine betriebliche Ausbildung aufzunehmen. Im Verlauf des Schuljahres stieg dieser Wert um weitere 10 % an. Bei den nicht Eingemündeten fällt dieser Anteilswert zu Beginn der 9. Klasse sehr viel geringer aus und sinkt zudem im Laufe der 9. Klasse noch weiter ab. Multivariate Analysen für die Gruppe der Schulabgänger/-innen, die nach Verlassen der Schule tatsächlich eine Ausbildung anstrebten, zeigen, dass folgende Merkmale signifikant die Chance auf einen Übergang in Ausbildung erhöhen: die Mathematikkompetenz, das Absolvieren von Praktika in der Ferienzeit (im Vergleich zu Blockpraktika oder Praktika an einzelnen Tagen während der Schulzeit), das Wissen darüber, wie man einen Ausbildungsplatz erhält, und Bewerbungsaktivitäten. Obwohl Migranten und Migrantinnen in der Gruppe der Ausbildungsanfänger/-innen seltener vertreten sind, beeinflusst (bei Kontrolle der genannten Merkmale) der Migrationshintergrund nicht die Chance auf einen Übergang in Ausbildung. Dies bedeutet: Jugendliche mit Migrationshintergrund haben bei Vorliegen der gleichen Ausgangsbedingungen (also gleicher Ausprägung von Kompetenzen und Orientierungs- und Bewerbungsverhalten) dieselbe Übergangschance wie Jugendliche ohne Migrationshintergrund.
Bemerkenswert ist allerdings, dass ein bedeutender Anteil der Jugendlichen angaben, sich gar nicht erst beworben zu haben Schaubild A3.3-2, was im Übrigen auf deutlich mehr Mädchen als Jungen zutrifft. Ein Grund dafür könnte sein, dass Jugendliche, die eine Ausbildungsstelle über persönliche Kontakte oder formlose Nachfrage erlangt haben, dies nicht als Bewerbung bezeichnen würden.70 Der größte Teil derjenigen, die sich gar nicht beworben haben, mündete allerdings nicht in Ausbildung ein. Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass ein Teil der Jugendlichen, die das allgemeinbildende Schulsystem nach der 9. Klasse verlassen, zunächst keine Berufsausbildung anstreben, sondern ihre Qualifikationen im Übergangsbereich verbessern möchten.71 Entsprechend gaben zum Ende der 9. Klasse hin auch fast 10 % der später nicht Eingemündeten als unmittelbares Ausbildungsziel den Beginn einer berufsvorbereitenden Maßnahme an, was nur 3,4 % der Ausbildungsanfänger/-innen taten.
Schaubild A3.3-2: Unterschiede im beruflichen Orientierungsverhalten (in %)
Schaubild A3.3-3 zeigt die Anteile, die auf die Arten der besuchten Übergangsmaßnahmen entfallen, zum einen für die Gesamtstichprobe und zum anderen getrennt für die Jugendlichen, die sich bereits auf Ausbildungsstellen beworben haben, und diejenigen, die sich gar nicht beworben haben.72 Der größte Anteil mit fast einem Drittel besucht laut eigener Angabe eine Berufsfachschule mit dem Ziel, einen höheren Schulabschluss zu erwerben. Etwas mehr als ein Fünftel absolviert ein Berufsvorbereitungsjahr, ungefähr jede/r Siebte ein Berufseinstiegsjahr. Jeweils etwa 10 % befinden sich in einem Berufsgrundbildungsjahr bzw. einer Berufsfachschule, die speziell der Berufsvorbereitung dient. Wenige Jugendliche besuchen eine berufsvorbereitende Maßnahme der Arbeitsagentur, eine Einstiegsqualifizierung oder eine sonstige Maßnahme.
Schaubild A3.3-3: Art der besuchten Übergangsmaßnahme (in %)
Es fällt auf, dass unter denjenigen, die angaben, sich noch nie beworben zu haben, fast die Hälfte (43 %) eine Maßnahme mit dem Zweck des Erwerbs eines höheren Schulabschlusses besuchen. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Gruppe der Nichtbewerber/-innen zumindest zum Teil gezielt diese Maßnahme dem sofortigen Einstieg in eine Berufsausbildung vorzieht, um anschließend bessere Chancen auf dem Ausbildungsmarkt oder für das Erlernen ihres Wunschberufs zu haben. Diejenigen, die sich bereits (vergeblich) beworben hatten, sind dafür vergleichsweise deutlich häufiger in den berufsvorbereitenden Maßnahmen der Arbeitsagentur, im Berufsgrundbildungsjahr und in der Einstiegsqualifizierung vertreten.
Fazit
Unabhängig von der Art der besuchten Maßnahme zeichnen sich systematische Unterschiede zwischen den nicht eingemündeten Jugendlichen und ihren Altersgenossen, die unmittelbar in eine Ausbildung übergehen, ab: Die Ausbildungsanfänger/-innen sind gewissenhafter und selbstbewusster, was auch mit besseren schulischen Leistungen einhergeht. Und sie sind besser bzw. frühzeitiger orientiert, was sie beruflich machen wollen und wie sie einen entsprechenden Ausbildungsplatz erlangen können, was sie auch in entsprechende Bewerbungsaktivitäten umsetzen.
(Annalisa Schnitzler)
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Im Rahmen des durch das BMBF geförderten Pilotprojekts „NEPS-BB“ wertet das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) kontinuierlich die Daten des NEPS in Hinblick auf berufsbildungspolitische Fragestellungen aus. Ziel des Projekts ist es, zunächst die Situation und Entwicklung der Schulabgänger/-innen, die maximal mit einem Hauptschulabschluss die allgemeinbildende Schule verlassen haben, zu analysieren und ihre Bildungsverläufe zu untersuchen.
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Nicht berücksichtigt werden bei den Analysen Förderschüler/-innen, da im Rahmen des NEPS die Jugendlichen aus Förderschulen anders befragt wurden als jene aus den übrigen allgemeinbildenden Schulen und daher nur für einen Teil der relevanten Merkmale Daten vorliegen.
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Ca. 1.600 weitere Teilnehmer/-innen haben das Panel im Sommer 2011 zumindest temporär verlassen, sodass über diese keine Aussagen zum (schulischen oder außerschulischen) Verbleib gemacht werden können.
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Ein Drittel der Stichprobe machte allerdings keine Angabe zum erzielten Schulabschluss.
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Für die nachfolgenden Analysen werden diese erst zum Ende des Jahres hin in Ausbildung einmündenden Jugendlichen mit den unverzüglich in Ausbildung einmündenden Personen zusammengefasst, da sich diese lediglich darin unterscheiden, dass die erstgenannte Gruppe häufiger über einen Migrationshintergrund verfügt sowie weniger häufig angibt, ursprünglich direkt nach der Schule eine Berufsausbildung geplant zu haben.
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Hier werden ausschließlich die in den Ferien absolvierten Praktika betrachtet, da diese eher auf Eigeninitiative basieren dürften als Praktika, die während der Unterrichtszeit absolviert werden.
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Zu den Gründen für die Nichtbewerbung liegen Angaben für knapp die Hälfte der Stichprobe vor; jeder Vierte von ihnen nannte als Grund, bereits eine Ausbildungsstelle in Aussicht gestellt bekommen zu haben.
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Von denjenigen, die Angaben zu den Gründen ihrer Nichtbewerbung machten, gaben knapp drei Viertel an, vor einer Bewerbung zunächst noch einen höheren Schulabschluss machen zu wollen.
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Spezifische Informationen zur Maßnahmenart liegen bisher für ca. zwei Drittel der Stichprobe vor.