BP:
 

Verankerung des Themas „Nachhaltigkeit“ in den Ausbildungsordnungen

Berufsbildung für eine nachhaltige Entwicklung (BBNE) steht seit vielen Jahren auf der bildungspolitischen Agenda. In der festen Überzeugung, dass Bildung ein zentraler „Schlüssel“ zur Förderung der Nachhaltigkeit darstellt, wurde von den Vereinten Nationen die „UN-Dekade Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ von 2005 bis 2015 und eine Weiterführung mit einem fünfjährigen Weltak­tionsprogramm bis 2019 beschlossen. Die Bundesregierung hat dieses Weltaktionsprogramm aufgegriffen, um die Bemühungen zur Implementation von „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ im größeren Maße als bisher fortzuführen. Im September 2015 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Nationale Plattform für nachhaltige Entwicklung (BNE) mit sechs Fachforen (frühkindliche Bildung, Schule, beruf­liche Bildung, Hochschule, informelles und nonformales Lernen/Jugend sowie Kommunen) ins Leben gerufen, mit dem Ziel, einen nationalen Aktionsplan zu erarbeiten. Dazu heißt es: „Wir brauchen in allen Bildungsbereichen eine ‚Bildung für eine nachhaltige Entwicklung‘, die die Ziele beschreibt und zugleich praktikable Umsetzungsmöglichkeiten vermittelt. Bildung muss nachhaltiges Tun individuell erfahrbar, (be-)greifbar und damit alltagstauglich machen“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung 2014).

Der Hinweis auf die Alltagstauglichkeit verweist dabei auf eine Thematik, die die Forderung, mehr nachhaltigkeitsrelevante Themen in die Ausbildungsordnungen aufzunehmen, seit Jahren begleitet: Der Begriff ist komplex, mehrdimensional, schillernd und zugleich abstrakt und sperrig. Gegenwärtig gibt es keine allgemeingültige und damit praktische, auf die Ordnungsarbeit bezogene Definition des Begriffs Nachhaltigkeit. Gleichzeitig begleitet das Thema die Berufsbildung seit mehreren Dekaden.

Empfehlungen des BIBB-Hauptausschusses zur Einbeziehung von Fragen des Umweltschutzes in die Ausbildungsordnungen

Die Berufsausbildung verfolgt das Ziel, den Auszubildenden den Erwerb einer umfassenden beruflichen Handlungsfähigkeit (Integration von Fertigkeiten, Fähigkeiten und Kenntnissen) zu vermitteln, damit sie in der Lage sind, die beruflichen Anforderungen und Aufgabenstellungen situations- und personengerecht bewältigen zu können. Die Auseinandersetzung mit sozialen, ökonomischen und ökologischen Aspekten gehört damit zu den Herausforderungen, mit denen Auszubildende und Beschäftigte in ihrer alltäglichen Berufsarbeit konfrontiert sind. Während bereits zu Beginn der 1970er-Jahre Fragen des Umweltschutzes in der Berufsausbildung an Bedeutung gewannen, fand eine Berücksichtigung entsprechender Inhalte zunächst nur bei den besonders umwelt­relevanten Berufen statt, wie beim 1984 verabschiedeten Beruf „Ver- und Entsorger/Ver- und Entsorgerin“ und 1987 bei der Fortbildungsregelung „Meister/Meisterin in der Ver- und Entsorgung“. Im Landwirtschaftsbereich und den sogenannten „grünen Berufen“ gewannen berufsbezogene Umweltschutzthemen ebenfalls an Bedeutung.

Dieser wachsende Stellenwert veranlasste den Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), 1988 eine Empfehlung zur systematischen Verankerung umweltschutzrelevanter Themen in den Ausbildungsordnungen zu entwickeln und zu verabschieden (Bundes­institut für Berufsbildung 1988).

Gefordert wurde:

  • Aufnahme berufsbezogener umweltschutzrelevanter Berufsbildungsinhalte und Prüfungsanforderungen in neue und zu überarbeitende Aus- und Fortbildungsordnungen,
  • Erstellen umweltschutzrelevanter Unterlagen für die Berufsbildungspraxis (Medien und Umsetzungshilfen; Lehr- und Lernmaterialien),
  • Fortbildung des Berufsbildungspersonals in Betrieben und überbetrieblichen Bildungsstätten sowie der Lehrer an beruflichen Schulen,
  • Intensivierung der Forschung zu Fragen des Umweltschutzes in der beruflichen Bildung,
  • Kooperation vor Ort zwischen Betrieben und berufs- und allgemeinbildenden Schulen bei der Vermittlung umweltschutzrelevanter Bildungsinhalte.

1991 verabschiedete der Hauptausschuss des BIBB in einer ergänzenden Empfehlung die Aufnahme eines weiteren Eckwertes „Umweltschutz“, der zukünftig in allen Verfahren zur Modernisierung bzw. Neuordnung von Ausbildungsordnungen berücksichtigt werden soll. Die Vorschläge sehen vor, die berufsbezogenen fachlichen Fähigkeiten und Fertigkeiten um integrativ zu vermittelnde Qualifikationen zum „Umweltschutz“ zu erweitern (Bundesinstitut für Berufsbildung 1991).

Systematische Verankerung umweltschutz­relevanter Sachverhalte in den Berufsbildern

Grundsätzlich werden die Themen „Umweltschutz“ und „Sicherheit und Gesundheitsschutz in der Arbeit“ in den jeweiligen Ausbildungsordnungen und den entsprechenden Berufsprofilen aufgenommen. Eine berufsbezogene Präzisierung, die je nach Beruf in Breite und Tiefe unterschiedlich ausfallen kann, ist im Ausbildungsrahmenplan enthalten. Über den Umwelt- und Gesundheitsschutz hinausgehende Themen der Nachhaltigkeit sind in den Berufsbildern dagegen nur ausnahmsweise enthalten. Einer der Gründe dürfte darin zu suchen sein, dass es bisher nicht gelungen ist, eine Verständigung unter den Beteiligten darüber zu erzielen, was unter Nachhaltigkeit im Kontext der Berufsbildung zu verstehen ist, wie entsprechende Ziele definiert und operationalisiert werden können und wie eine Integration in die Ordnungsmittel aussehen kann.

Im Zusammenhang mit der Umsetzung des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) werden die Ausbildungsordnungen zukünftig konsequent kompetenzorientiert gestaltet. Der Hauptausschuss des BIBB hat dazu 2014 eine Empfehlung verabschiedet (Bundesinstitut für Berufsbildung 2014). Ausbildungsberufe werden zukünftig nach Handlungsfeldern strukturiert. Mit der konsequenten kompetenzorientierten Ausrichtung der Berufsbilder ist die Absicht verbunden, die bestehenden Berufsbild­positionen in die Handlungsfelder zu überführen, um damit dem integrativen handlungs- und kompetenz­orientierten Bildungsauftrag zu entsprechen.

Systematische Integration von BNE in Ordnungsmittel

Gegenwärtig gibt es kein einheitliches Verständnis unter den an der Ordnungsarbeit Beteiligten, was unter „Nachhaltigkeit“ in der Berufsausbildung zu verstehen ist und wie eine Umsetzung erfolgen kann. Hier setzen die geplanten Aktivitäten des Fachforums berufliche Bildung für nachhaltige Entwicklung an. In einem ersten Schritt wird es darum gehen, den abstrakten Begriff „Nachhaltigkeit“ zu konkretisieren und festzulegen, wie die bildungspolitische Forderung der konsequenten Integration umgesetzt werden kann und welche Instrumente dafür geeignet sind. Dazu sollte der Vorschlag des BMBF umgesetzt werden, der vorsieht, die Umsetzung von BNE im Rahmen eines Neuordnungsverfahrens exemplarisch und modellhaft „durchzudeklinieren“ und umzusetzen.73

Diese Ergebnisse sollten dann in einem weiteren Schritt genutzt werden, um eine grundlegende Überarbeitung der Hauptausschussempfehlung von 1991 vorzunehmen. Damit besteht die Möglichkeit, den an der Ordnungsarbeit Beteiligten eine Leitlinie an die Hand zu geben, um nachhaltigkeitsrelevante Themen und Sachverhalte systematisch in den Ordnungsmitteln zu verankern.

(Irmgard Frank)