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Eine Ausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf ist grundsätzlich auch für Menschen mit Behinderung anzustreben (§ 64 Berufsbildungsgesetz [BBiG] bzw. § 42 k Handwerksordnung [HwO]). Unterstützend steht bei Bedarf ein Nachteilsausgleich für Ausbildung und Prüfung, wie z. B. längere Prüfungszeit oder Zulassung von Hilfsmitteln, zur Verfügung (§ 65 BBiG bzw. § 42l HwO). Für behinderte Menschen, für die wegen Art und Schwere ihrer Behinderung keine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf in Betracht kommt, gibt es zusätzlich die Möglichkeit, in sogenannten Fachpraktikerberufen (nach § 66 BBiG/§ 42m HwO) ausgebildet zu werden. Für Daten zu den Ausbildungsverträgen nach § 66 BBiG/§ 42m HwO siehe die Kapitel A1.2, A4.2, A4.4 und A4.6.1. Ausbilder/-innen, die im Rahmen dieser Fachpraktikerausbildungen tätig werden, müssen über eine rehabilitationspädagogische Zusatzqualifikation (ReZA) verfügen. Von dem Erfordernis des Nachweises einer ReZA soll bei Betrieben abgesehen werden, wenn die Qualität der Ausbildung auf andere Weise sichergestellt ist. Die Qualität ist in der Regel sichergestellt, wenn eine Unterstützung durch eine geeignete Ausbildungseinrichtung erfolgt.

Zuordnung der Fachpraktikerausbildungen zum Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR)

Die auf einen gemeinsamen Beschluss von Bund und Län­dern zurückgehende Umsetzung des DQR führte dazu, dass alle zweijährigen staatlich anerkannten Berufe dem DQR-Niveau 3 und sämtliche drei- und dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufe dem Niveau 4 zugeordnet werden. Die pauschale Zuordnung der Ausbildungsberufe zum DQR erfolgte als bildungspolitische Setzung; eine differenzierte curriculare Analyse der Berufsbilder hinsichtlich ihrer Anforderungsstruktur im Kontext der Kompetenzniveaus des DQR erfolgte nicht; einziges Kriterium ist die Dauer der Ausbildung (BMBF 2012). Doch wie sieht es mit den im Regelfall dreijährigen, theoriegeminderten Fachpraktikerausbildungen aus, die aus staatlich anerkannten Ausbildungsberufen (Bezugsberufen) entwickelt wurden?

Mit der Empfehlung des Hauptausschusses 136 (BIBB-Hauptausschuss 2010) wurde eine Rahmenregelung für Ausbildungsregelungen für behinderte Menschen gemäß § 66 BBiG/§ 42m HwO geschaffen. Damit wurden Standards für die Gestaltung der Sonderausbildungsgänge vorgelegt, die von den zuständigen Stellen zugrunde gelegt werden sollen.

Fußend auf der Rahmenregelung wurden i. d. R. auf der Grundlage eines Berufes (Bezugsberuf) Musterregelungen vom BIBB gemeinsam mit den Sozialparteien und den zuständigen Ministerien entwickelt und als HA-Empfehlungen verabschiedet. Gegenwärtig liegen acht berufsspezifische dreijährige Musterregelungen vor Tabelle A4.1.4-1. Darüber hinaus schufen die zuständigen Stellen in den vergangenen Jahren in einem erheblichen Umfang Ausbildungsregelungen für behinderte Menschen; genaue Zahlen liegen dazu nicht vor. Inwieweit die mit der HA-Empfehlung vorgegebenen Standards bei der Gestaltung der Kammerregelungen berücksichtigt werden, ist ebenfalls nicht bekannt.

Tabelle A4.1.4-1: Geltende Fachpraktikerregelungen

Grundsätzlich sind die Fachpraktikerregelungen gegenüber den Bezugsberufen theoriegemindert, Ausbildungsinhalte sind gegenüber den Bezugsberufen im Umfang reduziert und weniger anspruchsvoll. Die empfohlenen Anrechnungsregelungen verdeutlichen die Niveauunterschiede der Fachpraktikerregelungen gegenüber den Bezugsberufen, allerdings lassen sich Art und Umfang daraus nicht erschließen. Eine pauschale Zuordnung der Fachpraktikerregelungen ausschließlich auf der Grundlage der Ausbildungsdauer erscheint daher kaum vertretbar. Stattdessen sollte eine differenzierte Analyse und Bewertung der Fachpraktikerregelungen und der korrespondierenden Bezugsberufe vorgenommen werden, um damit die Unterschiede in den Anforderungsstrukturen und dem unterlegten Kompetenzprofil erfassen zu können:

  • Grundlage für die Gegenüberstellung ist die Verortung des Bezugsberufes im DQR
  • hier Gegenüberstellung und Zuordnung der Ausbildungsgegenstände/Kompetenzen in den jeweiligen Ausbildungsrahmenplänen für Bezugsberuf und korrespondierende Fachpraktikerregelung, differenziert nach der Kompetenzmatrix des DQR,
  • synoptische Darstellung der in den Ausbildungsplänen enthaltenen Fachkompetenzen, differenziert nach Wissen und Fertigkeiten, und Ausweis der geforderten personalen Kompetenzen, unterschieden nach Sozial- und Selbstkompetenzen,
  • Ausweis der Gemeinsamkeiten und Unterschiede,
  • Qualitative Bewertung der Ergebnisse,
  • Vorschläge für das weitere Vorgehen.

Evaluation der Fachpraktikerregelungen und Erfahrungen in der Nutzung des Rahmencurriculums für die Rehabilitations­pädagogische Zusatzqualifikation (ReZA)

Bezüglich der Fachpraktikerausbildungen ist die Einordnung in den DQR nur ein Aspekt, bei dem Handlungsbedarf besteht. Darüber hinaus mangelt es generell an Erfahrungen zum aktuellen Status quo und zur Arbeitsmarktverwertbarkeit dieser speziellen Ausbildungsregelungen. Zudem wird die ReZA-Qualifikation für Ausbilder/-innen kontrovers diskutiert, aber es liegen keine aussagekräftigen Erfahrungen zu den Auswirkungen der Einführung von ReZA sowie in der Umsetzung dieses Instrumentes vor.

Um Erkenntnisse zur Arbeitsmarktverwertbarkeit der Ausbildungen nach § 66 BBiG/§ 42 m HwO sowie zu den Auswirkungen der Einführung von ReZA bzw. zu den Erfahrungen in der Umsetzung des ReZA-Rahmencurriculums zu gewinnen, führt das BIBB derzeit im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) eine umfangreiche Studie durch. Die Studie umfasst eine Online-Befragung der zuständigen Stellen, Gruppen­interviews in ausgewählten Kammern, eine Betriebsbefragung im Kontext des BIBB-Referenz-Betriebs-Systems (RBS) und eine Befragung von Absolventinnen und Absolventen. Zudem wird es einen Workshop zu den Erfahrungen in der Umsetzung von ReZA geben. Vor dem Hintergrund der Ende 2016 vorliegenden Ergebnisse sollte es möglich sein, die Diskussion über Fachpraktiker­regelungen sachlich und fundiert zu führen sowie mög­liche Modifikationen der ReZA vorzuschlagen.

Datenlage zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen

Das oben genannte Forschungsprojekt weist auf eine generelle Problematik im Bereich der Inklusion von Menschen mit Behinderungen auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt hin, die bereits im BIBB-Datenreport 2013, Kapitel A4.10 adressiert wurde. Die Datenlage ist dürftig, was an einer Reihe von Faktoren liegt. So ist es nicht möglich, eine allgemeingültige Abgrenzung für die Gruppe von Menschen mit Behinderungen zu finden. Je nach Definition kann es unterschiedliche Abgrenzungen geben. Außerdem wird gerade in der UN-Behindertenrechtskonvention mit ihrem weitgefassten Behinderungsbegriff Wert darauf gelegt, dass Behinderung eben kein Personenmerkmal ist, sondern ein Ergebnis der Wechselwirkung von Menschen mit Gesellschaft und Umwelt. Eine „Schwerbehinderung“ im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB) IX kann von Geburt an vorliegen oder sich erst im Laufe des Lebens ergeben. Die Registrierung hängt von der persönlichen Meldung ab, erst diese Meldung führt zu einer Anerkennung einer Schwerbehinderung und der damit verbundenen statistischen Erfassung.
Der Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland stellt den Punkt fehlender Daten heraus und fordert Maßnahmen zur Verbesserung. Insbesondere geht es hier um eine Neukonzeption des ursprünglichen Behindertenberichtes als Teilhabebericht mit einer erheblich erweiterten Indikatorik. Hierzu gibt es bisher eine Vorstudie (Hornberg u. a. 2011) sowie erste Ansätze im 2013 am Lebenslageansatz orientierten erstmals erschienenen Teilhabebericht der Bundesregierung.

(Irmgard Frank, Michael Heister, Maria Zöller)