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Die Bedeutung der Bildungssektoren in den Bundesländern stellt sich unterschiedlich dar: In den Sektoren „Berufsausbildung“ und „Integration in Berufsausbildung (Übergangsbereich)“ zeigen sich z. B. deutliche Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland Schaubild A6.2-1. So beträgt der Anteil des Sektors „Berufsausbildung“ am Ausbildungeschehen im Osten rund 37,1 %, während er im Westen bei 34,2 % liegt. Die niedrigsten Werte verzeichnet das Land Baden-Württemberg (28,4 %), die höchsten Werte Schleswig-Holstein (42,4 %). Auch der Übergangsbereich zeigt eine große Varianz zwischen den einzelnen Bundesländern mit einem generellen Unterschied zwischen Ost und West: Der Anteil des Übergangsbereichs ist im Westen (14,5 %) stärker ausgeprägt als im Osten (8,3 %). Den höchsten Wert erreicht Baden-Württemberg (20,4 %), den niedrigsten Brandenburg (7,1 %).

Wie bedeutsam die Bildungssektoren und Konten im je­weiligen Land sind, ist insbesondere abhängig von dem Umgang mit erfolglosen Ausbildungsstellenbewerbern/-bewerberinnen, der demografischen Entwicklung sowie der Situa­tion am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.

So können die im Schaubild A6.2-1 deutlich hervortretenden Ost-West-Unterschiede zum Teil auf den unterschiedlichen „institutionellen Umgang“ mit erfolglosen Ausbildungsplatzbewerbern/-bewerberinnen (Eberhard/Ulrich 2011) zurückgeführt werden: Jugendliche, die keinen dualen Ausbildungsplatz bekommen haben, münden in Ostdeutschland vor allem in vollqualifizierende schulische oder außerbetriebliche Berufsausbildungen ein. Sie werden entsprechend im Sektor „Berufsausbildung“ gezählt.

Ein Teil der Ost-West-Unterschiede kann auch auf die unterschiedlichen demografischen Entwicklungen zurückgeführt werden: Demzufolge ist der Rückgang der Geburten- wie der Schülerzahlen in den östlichen Ländern schon weit fortgeschritten und hat zu einer stärkeren Entlastung der Ausbildungsnachfrage geführt, als dies im Westen der Fall ist. So verzeichneten die neuen Bundesländer zwischen 2005 und 2014 45,0 % weniger Jugendliche im Alter von 15 bis 19 Jahren; im gleichen Zeitraum ist die Anzahl der Jugendlichen in den westlichen Ländern nur um 7,7 % gesunken (Statistisches Bundesamt 2016a). Auch die Lage am Arbeitsmarkt bestimmt die Bedeutung der Bildungssektoren: In Ländern mit guter Beschäftigungslage münden überdurchschnittlich viele Jugend­liche in duale Berufsausbildung ein (vgl. Kapitel A1.1). Allerdings steigt bei den Ländern mit einem überdurchschnittlich günstigen und aussichtsreichen Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen auch die Zahl der Einpendler. So ist zum Beispiel in ländlichen Regionen mit geringer Einwohnerdichte eine ausgeprägte Bereitschaft zur regionalen Mobilität zu erkennen (vgl. Kapitel A3.2).193 Unter Druck geraten in diesem Fall besonders ansässige Schulabgänger/-innen, die sich – trotz günstigen Ausbildungsplatzangebots – mit einer starken Konkurrenz auseinandersetzen müssen. Die schulischen Bildungsangebote folgen institutionellen Logiken und sind stark von den bildungspolitischen Entscheidungen der Länder geprägt.

Dass bei der Interpretation der Daten immer die landesspezifischen Besonderheiten und Rahmenbedingungen – sogenannte Metadaten – berücksichtigt werden müssen, verdeutlicht folgendes Beispiel:

Das Land Baden-Württemberg verzeichnet einen relativ hohen Anteil von Anfängern und Anfängerinnen im Übergangsbereich (20,4 %). Auf Basis dieser Daten könnte vermutet werden, dass ausbildungsinteressierte Jugendliche in Baden-Württemberg entweder zu großen Teilen als nicht „ausbildungsreif“ eingestuft oder als sogenannte „Marktbenachteiligte“ in den Übergangsbereich gedrängt werden würden. Die wirtschaftliche Situation des Landes sowie die Einmündungsquote der ausbildungsinteressierten Jugendlichen (EQI) in die duale Berufsausbildung war 2015 in Baden-Württemberg (70,0 %) jedoch besser als im Bundesdurchschnitt (64,9 %). Eine Erklärung für diese widersprüchlichen Daten findet sich unter anderem in den Besonderheiten der baden-württembergischen Ausbildungstradition: Ein Teil der Jugendlichen absolviert zunächst einen Bildungsgang an einer Berufsfachschule, der formal dem Übergangsbereich zugerechnet wird – obwohl sie Ausbildungs(vor)verträge mit Betrieben abgeschlossen haben (siehe auch Landesinstitut für Schulentwicklung und Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2011, S. 158 ff.).

Metadaten

Ländervergleiche sind insbesondere dann aussagekräftig, wenn die Vergleichseinheiten unter ähnlichen Bedingungen stehen – das kann bei den Bundesländern nicht ohne Weiteres angenommen werden. Eine Vergleichbarkeit der Quoten wäre nur bei gleichen (Rahmen-)Bedingungen in allen Bundesländern gegeben. Hierzu sind jedoch Informationen (Metadaten) zu Bildungsgängen, bildungspolitischen Angeboten und wirtschaftlichen sowie demografischen Strukturen erforderlich, die weit über die Darstellung der Daten hinausreichen. Das Bundesinstitut für Berufsbildung trägt derzeit solche Metadaten in Kooperation mit den Statistischen Landesämtern für den Übergangsbereich zusammen (siehe www.bibb.de/de/34945.php). 

Schaubild A6.2-1: Anteile der Sektoren am Ausbildungsgeschehen in den Bundesländern 2015

Betrachtet man die Veränderung der Bildungssektoren in den verschiedenen Bundesländern über die Zeit, so zeigen sich auch hier deutliche Unterschiede: Beispielsweise sank die Zahl der Anfänger/-innen im Sektor „Berufsausbildung“ in Mecklenburg-Vorpommern um 47,5 %, während sie in Hamburg um rund 20,9 % anstieg.

Im Übergangsbereich ist die Tendenz in allen Bundesländern rückläufig; die Größenordnungen unterscheiden sich jedoch erheblich: Während die Anzahl der Anfänger/-innen in Thüringen um mehr als 65,4 % zurückging, waren es in Schleswig-Holstein nur 13,3 %, in Bremen 16,9 %. Für Erklärungen müssen auch hier wieder die institutionellen Angebote der Länder, die unterschiedlichen demografischen Entwicklungen sowie die Lage am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt herangezogen werden. Am Beispiel von Thüringen und Bremen soll dies kurz skizziert werden:

  • Für Thüringen zeigen die Daten der iABE, dass die Anfänger/-innen sowohl im Übergangsbereich als auch im Sektor „Berufsausbildung“ seit dem Jahr 2005 stark zurückgegangen sind. Dies ist insbesondere auf die demografische Entwicklung zurückzuführen: Im Zeitraum von 2005 bis 2014 sank die Anzahl der 15- bis 19-Jährigen um 49,2 % von ca. 152.000 auf 77.000. Diese deutlich geringere Zahl von Jugend­lichen konnte auf dem Ausbildungsmarkt besser versorgt werden. Dies zeigen auch die steigende erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (2007194  =  88 und 2015 = 102,9) sowie die Arbeitslosenquote der unter 20-Jährigen von 5,5 %. Entsprechend ist im Vergleich zu anderen Bundesländern der Anteil von Jugendlichen im Übergangsbereich, die bereits über einen Realschulabschluss verfügen – also sich vermutlich in sogenannten „Warteschleifen“ befinden, mit 10,1 % vergleichsweise niedrig (Bundesdurchschnitt  =  24,2 %). Gut ein Fünftel (22,6 %) nutzt den Übergangsbereich zum Erwerb eines höheren allgemeinbildenden Abschlusses.
  • Für Bremen zeigen die Daten ein anderes Bild: Während die Anzahl der Anfänger/-innen im Sektor „Berufsausbildung“ leicht angestiegen ist (+5,5 %), ging die Einmündung in den Übergangsbereich um 16,9 % zurück. Der demografische Effekt ist in Bremen mit einem Rückgang der 15- bis 19-Jährigen von 2005 bis 2014 um 6,4 % vergleichsweise moderat. Entsprechend wird der Ausbildungsstellenmarkt zwar entlastet, jedoch weniger stark. Die Arbeitslosenquote der unter 20-Jährigen liegt bei 9,3 %; die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (2007 = 85,1 und 2015 = 93,0) ist unter 100. Entsprechend finden sich im Bremer Übergangsbereich mehr Jugendliche in „Warteschleifen“ – 28,4 % verfügen bereits über einen Realschulabschluss. Gleichzeitig nutzen 19,2 % der Jugendlichen den Übergangsbereich zum Erwerb eines höheren allgemeinbildenden Abschlusses (vgl. Kapitel A6.3).

Tabelle A6.2-1: Anfänger/-innen in den Sektoren 2005 und 2015 nach Bundesländern

  • 193

    In der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2006 gaben 47 % der Bewerber/-innen aus den Regionen mit weniger als 100 Einwohnern je qkm an, sich auch auf Lehrstellen beworben zu haben, die mehr als 100 km vom Heimatort entfernt lagen. In den Großstädten mit einer Einwohnerdichte von 1.000 und mehr waren es dagegen nur 19 %. Die unterschiedliche Mobilitätsneigung bei den Land- und Großstadtjugendlichen führt dazu, dass die Nettobewegungen in die Ballungszentren nahezu allesamt positiv ausfallen: Es finden mehr Jugendliche aus dem regionalen Umfeld ihren Ausbildungsplatz in den Großstädten als Großstadtjugendliche außerhalb ihrer Ausbildung Heimatregion (vgl. dazu Ulrich/Eberhard/Krekel 2007). 

  • 194

    Zahlen zur erweiterten ANR sowie zu den Arbeitslosen liegen erst ab dem Jahr 2007 vor (vgl. Kapitel A1.1).