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Das Wichtigste in Kürze

Im Jahr 2015 haben sich die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge ebenso wie das Ausbildungsplatzangebot und die Ausbildungsplatznachfrage in etwa auf Vorjahresniveau stabilisiert (vgl. Kapitel A1). Dennoch steht die duale Berufsausbildung weiterhin vor großen Herausforderungen. Eine davon betrifft die hohe Zahl an unbesetzten Ausbildungsstellen. Denn trotz der generellen Konsolidierung des Ausbildungsmarktes ist ihre Anzahl im Jahr 2015 erneut gestiegen (vgl. Kapitel  A1). Diese Entwicklung ist vor allem deswegen problematisch, weil Arbeitsmarktprojektionen darauf verweisen, dass in Zukunft gerade solche Qualifikationen benötigt werden, wie sie durch eine duale Berufsausbildung vermittelt werden (vgl. BIBB-Datenreport 2015, Kapitel C3). Es gilt daher, nach Wegen zu suchen, die es der dualen Berufsausbildung ermöglichen, auch weiterhin eine bedarfsgerechte Fachkräftequalifizierung zuverlässig zu gewährleisten.

Einer dieser Wege ist die bessere Ausschöpfung der Qua­lifizierungspotenziale bislang vernachlässigter Personengruppen. Hierfür gibt es neben der Nachqualifizierung von An- und Ungelernten (vgl. Kapitel A8.2 und Kapitel B3.4) 2  weitere wichtige Ansatzpunkte: erstens die verstärkte Berücksichtigung von Jugendlichen, die Betriebe bislang nur selten gezielt als Auszubildende zu rekrutieren suchten. Hierfür stehen mit der Einstiegsqualifizierung, den ausbildungsbegleitenden Hilfen und der assistierten Ausbildung (vgl. Kapitel D1.1) geeignete Instrumente zur Verfügung, die darauf zielen, Diskrepanzen zwischen den Voraussetzungen der Jugendlichen und den Erwartungen der Betriebe zu überwinden und Betriebe dabei zu unterstützen, junge Erwachsene trotz ungünstigerer Startbedingungen zum erfolgreichen Ausbildungsabschluss zu führen.

Der zweite Ansatzpunkt betrifft die verstärkte Erschließung von Gruppen, die sich selbst eher selten für eine duale Berufsausbildung entscheiden. Dazu gehören Studienabbrecher/-innen . Es handelt sich um eine recht große Gruppe, denn die Studienabbruchquote in Bachelorstudiengängen liegt – bei steigenden Anfängerzahlen (vgl. Kapitel A6) – seit einigen Jahren recht konstant bei 28 % (Heublein u. a. 2014). Studien­abbrecher/ -innen werden dabei einerseits als Chance für die duale Berufsausbildung gesehen, indem sie vor allem dem betrieblichen Bedarf an leistungsstarken Auszubildenden Rechnung tragen können. Andererseits gilt die duale Berufsausbildung als Chance für Studienabbrecher/-innen, indem sie insbesondere denjenigen, die noch über keinen Berufsabschluss verfügen, einen qualifizierten Einstieg in das Erwerbsleben ermöglichen kann.

Mit dem diesjährigen Schwerpunktthema im Datenreport zum Berufsbildungsbericht wird auf Basis verschiedener Erhebungen und Befragungen ein detaillierter Einblick in diese Chancen und ihre Nutzung, aber auch die Grenzen der Gewinnung von Studienabbrechern und Studien­abbrecherinnen für die duale Berufsausbildung aus Sicht unterschiedlicher Akteure der beruflichen Bildung gegeben.

Folgende Ergebnisse sind hervorzuheben:

  • Die mit dem BIBB-Expertenmonitor 2014 befragten Berufsbildungsfachleute sehen in der Gewinnung von Studienabbrechern und Studien­abbrecherinnen für die duale Berufsausbildung einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung und des Ausbildungs- und Fachkräftemarktes. Dieser Beitrag wird sich ihrer Einschätzung nach aber nur auf ein ausgewähltes Spektrum an Ausbildungsberufen erstrecken.
  • Ergebnisse aus einer mit dem Referenz-Betriebs-System durchgeführten Befragung ausbildender Betriebe unterstützen die Einschätzung der Berufsbildungsfachleute. Zwar signalisierten die befragten Betriebe eine hohe Aufgeschlossenheit gegenüber der Ausbildung von Studienabbrechern und Studien­abbrecherinnen, die sich auf ein sehr breit gefächertes Spektrum anerkannter Ausbildungsberufe erstreckt, darunter vielfach auch solche mit Besetzungsproblemen. Allerdings hat erst rund ein Drittel der befragten Betriebe bislang Studienabbrecher/-innen als Auszubildende eingestellt, und dies vornehmlich in Berufen, die insgesamt bei Jugendlichen auf hohes Interesse stoßen und somit stark nachgefragt sind. Aus der Befragung geht ebenfalls hervor, dass die an der Ausbildung von Studienabbrechern und Studien­abbrecherinnen interessierten Betriebe eine wesent­liche Herausforderung darin sehen, mit der Zielgruppe in Kontakt zu kommen.
  • Nach den Ergebnissen einer Studierendenbefragung hat die duale Berufsausbildung unter Studierenden durchaus ein gutes Image. Allerdings würde nur ein vergleichsweise geringer Teil der Studierenden rückblickend den Weg in die duale Berufsausbildung dem eingeschlagenen Weg an die Hochschule vorziehen. Und auch von denjenigen, die ihr aktuelles Studium möglicherweise nicht beenden, zieht nur ein Teil derjenigen, die noch über keinen Berufsabschluss verfügen, die Aufnahme einer Berufsausbildung in Betracht. Favorisiert wird vielmehr ein Studienwechsel. Demgegenüber erwägen diejenigen, die am Studium zweifeln und bereits über einen Berufsabschluss verfügen, am häufigsten die Rückkehr in den erlernten Beruf.
  • Verbleibanalysen von Studienabbrechern und Stu­dien­abbrecherinnen, die auf der Grundlage von Daten aus dem Nationalen Bildungspanel (NEPS) vorgenommen wurden, zeigen, dass sich bei beruflich noch nicht Qualifizierten zwar nur selten die Aufnahme einer schulischen oder betrieblichen Berufsausbildung direkt an die Exmatrikulation anschließt, eine solche aber vielfach nach einer gewissen Such- und Orientierungsphase doch noch aufgenommen wird. Im Ergebnis verfügen 5 Jahre nach Studien­abbruch rund 60 % von ihnen über einen Berufsabschluss.
  • Zahlreiche in jüngerer Zeit aufgelegte Projekte haben es sich zur Aufgabe gemacht, Studien­ab­brecher/-innen in der Such- und Orientierungsphase zu unterstützen, aber auch Betrieben Hilfestellungen dabei zu geben, Ausbildungsverhältnisse mit der Zielgruppe anzubahnen. Neben spezifischen Schwerpunktsetzungen sind hierfür Informations- und Beratungsleistungen elementarer Bestandteil aller Projekte. Diese beziehen sich unter anderem auf die für Betriebe wie Studienabbrecher/-innen wichtige wie herausfordernde Frage nach den Anrechnungsmöglichkeiten von Studienleistungen auf die Ausbildung.

Studienabbrecher/-innen und Studienabbruchquote

Auch wenn es bislang keine einheitliche Verwendung der verschiedenen Begriffe und Konzepte zum Thema „Studienabbrecher“ gibt und entsprechend auch die Berechnungsweisen variieren, wird am häufigsten auf die Begriffsverwendungen und Berechnungsweisen des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung (DZHW; vormals Hochschul-Informations-System, HIS) Bezug genommen.302 Da sich auch die Definition u. a. von Ausbildungsabbrüchen, vorzeitigen Vertragslösungen und die darauf bezogenen Berechnungsweisen für die duale Berufsausbildung daran orientieren (siehe Vorzeitig gelöste Ausbildungsverträge, Vertragslösungsquote und Abbruchquote in Kapitel A4.7), werden die Begriffsbestimmungen des DZHW auch hier zugrunde gelegt.

Studienabbrecher/-innen

Als Studienabbrecher/-innen werden demnach Personen verstanden, die an einer deutschen Hochschule für ein Erststudium immatrikuliert waren, das Hochschulsystem dann aber endgültig ohne einen (ersten) akademischen Abschluss verlassen haben (vgl. Heublein u. a. 2012). Hochschul- und Fachwechsler/-innen werden folglich nicht zu den Studienabbrechern und Studien­abbrecherinnen gezählt, ebenso wenig wie Studierende, die nach einem erfolgreich absolvierten Erststudium ein Zweitstudium (z. B. Master­studium) nicht abschließen.

Studienabbruchquote

Die Studienabbruchquote kennzeichnet den Anteil der Studienanfänger/-innen eines Jahrgangs, die ein Erststudium ohne akademischen Abschluss endgültig aufgeben. In ihre Berechnung gehen weder Fach- und Hochschulwechsler/-innen noch Studierende ein, die ein Zweitstudium endgültig aufgeben (vgl. Heublein u. a. 2012).

Die Studienabbruchquote kann bezogen auf das gesamte Hochschulsystem berechnet werden, aber auch bezogen auf bestimmte Hochschultypen, Fächergruppen oder Studien­gänge. Die zuletzt für den Absolventenjahrgang 2012 berechnete Studienabbruchquote betrug für Bachelorstudiengänge über alle Hochschulformen und Fächergruppen hinweg 28 %. Eine analog zur Berechnungsweise des DZHW bestimmte Abbruchquote für den Absolventenjahrgang 2012 der dualen Berufsausbildung erreichte über alle Aus­bildungsberufe hinweg einen Wert von 16 % (vgl. Uhly 2015).

(Margit Ebbinghaus) 

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    Für davon abweichende Definitionen und Berechnungen vgl. u. a. die Expertise
    „Studienverlauf, Verbleib und Berufsstatus von Studienabbrechern“ für den BIBB-Datenreport
    2016, verfügbar unter https://www.bibb.de/datenreport/de/aktuell.php.