Erasmus+ (2014 bis 2020) ist das Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport der Europäischen Union. Es trägt dazu bei, die europäischen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 und des strategischen Rahmens für die Zusammenarbeit in der Bildung zu erreichen. Zentrales Instrument von Erasmus+ ist die Projektförderung. In Erasmus+ sind das Programm für lebenslanges Lernen (2007 bis 2013) mit den Aktionen LEONARDO DA VINCI, GRUNDTVIG, COMENIUS und ERASMUS sowie das bisher eigenständige Programm „Jugend in Aktion“ sowie verschiedene Hochschulprogramme zusammengefasst und neu ausgerichtet worden. Erasmus+ umfasst neben den 4 Bildungssektoren Berufsbildung, Erwachsenenbildung, Schule und Hochschule auch die Bereiche Jugend und Sport. Viele der bis zum Jahr 2013 unter dem Namen LEONARDO DA VINCI geförderten Aktivitäten werden daher seit dem Jahr 2014 unter dem neuen Namen Erasmus+ Berufsbildung gefördert.
Bis Ende 2020 werden in Europa insgesamt 14,8 Mrd. € für die Förderung der Qualifikation und Beschäftigungsfähigkeit von mehr als 4 Mio. Menschen bereitgestellt. Damit stehen in Erasmus+ für allgemeine und berufliche Bildung im Vergleich zum Programm für lebenslanges Lernen 40 % mehr Mittel zur Verfügung. Knapp zwei Drittel (63 %) des Gesamtbudgets sind dabei für grenzüberschreitende Mobilität von Einzelpersonen vorgesehen. Die verbleibenden Mittel dienen der Unterstützung von Partnerschaften sowie der Förderung von Reformen zur Modernisierung der allgemeinen und beruflichen Bildung und der Förderung von Innovation, Unternehmertum und Beschäftigungsfähigkeit. In Deutschland sind vier Nationale Agenturen für die Umsetzung von Erasmus+ verantwortlich. Für die Sektoren Berufsbildung und Erwachsenenbildung ist die Nationale Agentur beim BIBB zuständig.
Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung
Die Ziele des Programms für lebenslanges Lernens im Bereich der Mobilität waren stark auf die Ebene des Individuums ausgerichtet. Das Programm Erasmus+ erweitert die Zielperspektive deutlich. Auf der individuellen Ebene steht immer noch die Steigerung der Kompetenzen und Beschäftigungsfähigkeit im Mittelpunkt. Darüber hinaus legt das neue Programm aber auch einen Schwerpunkt auf die institutionelle und systemische Ebene. Durch die Beteiligung an Mobilitätsprojekten sollen die Unternehmen und Einrichtungen darin unterstützt werden, die Qualität und Attraktivität der Ausbildungsangebote zu steigern und die Internationalisierung der eigenen Organisation zu fördern. Auf der Ebene der Bildungssysteme sollen die Anerkennung von Kompetenzen verbessert, die Übergänge zwischen den Bildungssektoren einschließlich des informellen Sektors erhöht und langfristig auch politische Reformen angestoßen werden.
Im Rahmen von Mobilitätsprojekten können Auszubildende, Berufsfachschüler/-innen und Personen in formaler beruflicher Weiterbildung sowie Absolventinnen und Absolventen dieser Bildungsgänge Auslandsaufenthalte zum Zweck des Lernens mit einer Dauer zwischen 2 Wochen und einem Jahr realisieren. Das Berufsbildungspersonal kann zum Zweck des Lernens oder Ausbildens bzw. Unterrichtens für 2 Tage bis 2 Monate ins europäische Ausland gehen.
Die Zahlen der im Jahr 2015 beantragten und bewilligten Auslandsaufenthalte sind in Tabelle E3-1 dargestellt. Der stetige Anstieg der Auslandsmobilität setzte sich im Jahr 2015 weiter fort. Die Förderzahlen der Auszubildenden und Berufsfachschüler/-innen haben sich seit dem Jahr 2009 mehr als verdoppelt Schaubild E3-1.
Tabelle E3-1: Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung 2015
Schaubild E3-1: Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung 1995 bis 2015, Lernende
Internationalisierung von Berufsbildungseinrichtungen
Zur Förderung der Internationalisierung von Berufsbildungseinrichtungen gibt es im Programm seit dem Jahr 2015 die Erasmus+ Mobilitätscharta Berufsbildung. Berufsbildungseinrichtungen, die den Akkreditierungsprozess erfolgreich durchlaufen haben und über die Charta verfügen, erhalten auf dieser Grundlage vereinfachte Rahmenbedingungen für die institutionell verankerten Mobilitätsaktivitäten.
Voraussetzung für die Akkreditierung ist neben einer Mindestzahl von qualitativ hochwertig durchgeführten Mobilitätsprojekten vor allem eine institutionelle Strategie für die fortschreitende Internationalisierung der Einrichtung. Das Programm Erasmus+ unterstützt so die systematische Internationalisierung der Institutionen hinsichtlich der Abschlüsse, der Kompetenzen des Personals, der Lerninhalte und ihrer Netzwerke. Auf der Grundlage der Finanzierung von Auslandsaufenthalten fördert das Programm Erasmus+ durch die Charta auch gezielt die Internationalisierung der Berufsbildungseinrichtungen. Im Jahr 2015 haben 48 Berufsbildungsinstitutionen, vor allem Berufsschulen und Unternehmen, eine Erasmus+ Mobilitätscharta Berufsbildung erhalten Tabelle E3-2. Die Charta ist bis zum Jahr 2020 gültig, und die Einrichtungen haben bis dahin institutionellen Zugang zur Förderung von Auslandsaufenthalten im Rahmen des Programms.
Wirkung von Mobilitätsprojekten
Auf individueller Ebene bietet das Programm Erasmus+ damit den Lernenden die Möglichkeit, internationale Berufskompetenz zu erwerben. Fremdsprachenkenntnisse, internationale Fachkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenzen sind wichtige Bausteine einer international zukunftsfähigen Qualifizierung. Dem Personal der Berufsbildung bietet das Programm die Möglichkeit einer individuellen, mit dem Bedarf ihrer Einrichtung abgestimmten Weiterbildung. Angesichts des großen europäischen Interesses am dualen System ist es hilfreich, dass im Rahmen von Erasmus+ Ausbildungs- und Lehrpersonal auch zum Zweck des Ausbildens und Unterrichtens im Ausland gefördert werden kann.
Auf institutioneller Ebene bewirken Mobilitätsprojekte die internationale Ausrichtung der Bildungsgänge und Curricula, die internationale Vernetzung der Unternehmen und Einrichtungen und eine Öffnung für innovative Lehr- und Lernmethoden aus dem Ausland.
Die Steigerung der Mobilität in der Berufsbildung hat in der europäischen und nationalen Bildungspolitik eine hohe Priorität. Im Kontext des gemeinsamen europäischen Arbeitsprogramms wurde das Ziel definiert, die Mobilität in der Berufsbildung bis zum Jahr 2020 auf 6 % zu steigern (Europäischer Rat 2011). Auf nationaler Ebene hat der Bundestag im Januar 2013 das Ziel formuliert, dass im Jahr 2020 mindestens 10 % der Auszubildenden während ihrer Ausbildung Auslandserfahrung sammeln (Deutscher Bundestag 2012). Die Förderungen in der Berufsbildung im Rahmen von Erasmus+ werden einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele leisten. Einer Mobilitätsstudie nach lag die Quote der im Rahmen ihrer Berufsbildung international mobilen Auszubildenden und Berufsfachschüler und -schülerinnen in den Jahren 2007 bis 2009 bei durchschnittlich 3,0 % (vgl. Friedrich/Körbel 2011). Aufgrund der deutlichen Zuwächse im LEONARDO-DA-VINCI-Programm bzw. Erasmus+ Berufsbildung in den letzten 6 Jahren ist davon auszugehen, dass inzwischen die Zahl weiter angestiegen ist. Insgesamt absolvierten im Jahr 2015 mehr als 30.000 junge Menschen im Rahmen ihrer Erstausbildung einen Auslandsaufenthalt. Fast zwei Drittel der Stipendien wurden dabei an Auszubildende vergeben, ein Drittel an Berufsfachschüler/-innen.
ECVET und individuelle Mobilität
Die im Rahmen des europäischen Leistungspunktesystems für die Berufsbildung (European Credit System for Vocational Education and Training, ECVET) zur Verfügung gestellten Instrumente zur Qualitätssicherung von Auslandsaufenthalten in der Berufsbildung werden von immer mehr Projekten aufgegriffen. Im Jahr 2015 wurden 69 Projekte mit über 5.000 Stipendien bewilligt, die nach ECVET-Standards durchgeführt werden. Damit hat sich die Anzahl der ECVET-Projekte in den letzten Jahren mehr als verdreifacht. Hintergrund des starken Anstiegs ist, dass im Rahmen des neuen Programms ECVET ein optionaler Standard geworden ist und für die Vereinbarungen mit den ausländischen Partnern und den Teilnehmenden entsprechende Instrumente zur Verfügung stehen. Es ist so für die Projektträger wesentlich einfacher geworden, ihre Projekte entsprechend weiterzuentwickeln. Die Nationale Agentur beim BIBB bietet in Zusammenarbeit mit der Nationalen Koordinierungsstelle ECVET unterstützende Informationen und Veranstaltungen für Projektträger an.
In der Regel beantragen Projektträger Stipendien für die Lernenden oder das Personal ihrer Einrichtungen. Davon zu unterscheiden sind die sogenannten Poolprojekte, die den individuellen Zugang von Einzelpersonen zu einem Erasmus+-Stipendium ermöglichen. Insbesondere Auszubildende von kleinen und mittleren Unternehmen sowie aus international unerfahrenen Bildungseinrichtungen bekommen so Zugang zu einem Stipendium, ohne dass ihr Unternehmen bzw. ihre Einrichtung ein Projekt selbst durchführt. Es gibt auch Poolprojekte, die Individualstipendien für das Berufsbildungspersonal anbieten. Über 3.000 Stipendien wurden so im Jahr 2015 bundesweit ausgeschrieben. Interessenten finden die Individualstipendien auch in der Poolprojekt-Datenbank auf der Homepage der Nationalen Agentur beim BIBB.
Sonderprogramm MobiPro-EU
Das Sonderprogramm des Bundes zur „Förderung der beruflichen Mobilität von ausbildungsinteressierten Jugendlichen aus Europa (MobiPro-EU)“ unterstützt seit Januar 2013 junge EU-Bürger und Bürgerinnen bei der Aufnahme einer betrieblichen Berufsausbildung oder einer qualifizierten Beschäftigung in einem Engpassberuf in Deutschland.
Im Jahr 2014 sind 3.935 Personen gefördert worden. Insgesamt 2.073 der geförderten Personen haben in dem genannten Zeitraum einen regulären Ausbildungsvertrag abgeschlossen. Die wichtigsten Herkunftsländer waren Spanien, Ungarn, Portugal und Bulgarien. Die Bundesländer mit den höchsten Aufnahmezahlen waren Mecklenburg-Vorpommern, Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen und Nordrhein Westfalen. 70 % der Ausbildungsverträge wurden im Bereich Hotel- und Gaststättenbereich abgeschlossen; daneben waren Ausbildungen im gewerblich-technischen Bereich, am Bau und im Handel stärker vertreten.
Vor dem Hintergrund des großen Interesses an dem Sonderprogramm hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales im Juli 2014 die Fördergrundsätze neu formuliert. In dem Rahmen wurden die zur Verfügung stehenden Mittel für den Zeitraum von 2013 bis 2018 von zunächst 139 Mio. € auf 550 Mio. € aufgestockt. Gleichzeitig wurde das Programm hinsichtlich neuer Teilnehmender auf das Segment der Ausbildung konzentriert und auf Projektförderung umgestellt.
(Berthold Hübers)