Für das Jahr 2015 wurde von PROSIMA ein Rückgang des Ausbildungsplatzangebotes auf 542.300 Plätze vorhergesagt (vgl. BIBB-Datenreport 2015, Kapitel A2.2). Begründet wurde dies mit einem zurückgehenden Angebotspotenzial, weil Unternehmen, Praxen und Verwaltungen u. a. auf die in der Vergangenheit ansteigende Zahl an unbesetzten Ausbildungsplätzen reagieren.25 In einem Alternativszenario wurde deshalb gleichzeitig aufgezeigt, wie sich das Ausbildungsplatzangebot entwickeln könnte, wenn „die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen, Praxen und Verwaltungen nicht um 0,9 % zurückgeht, sondern auf dem Niveau des Vorjahres (2014) verharrt“ (BIBB-Datenreport 2015, Kapitel A2.2). In diesem Fall wurde ein Angebot von 554.400 Ausbildungsplätzen erwartet, welches den tatsächlichen Wert von 563.055 nur leicht verfehlte.26 Während die Anzahl der 40.960 unbesetzten Ausbildungsplätze in diesem Fall fast genau getroffen wurde (im Alternativszenario wurden 42.000 unbesetzte Ausbildungsplätze vorausgesagt), wurde die Zahl der 522.165 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge um knapp 10.000 Verträge unterschätzt.27 Dies lag daran, dass die institutionell erfasste Nachfrage nach Ausbildungsplätzen (in der erweiterten Definition) weniger ausgeschöpft werden konnte. Mit 602.886 Bewerberinnen und Bewerbern blieb diese nahezu konstant im Vergleich zum Jahr 2014 (604.389 gemeldete Bewerber/ -innen).
Angebotspotenzial und Nachfragepotenzial
Angebots- und Nachfragepotenzial sind latente Größen innerhalb PROSIMAs, die anhand statistischer Verfahren mit Zustandsraummodellen (Lösch/Kau/Walden 2008) geschätzt werden. Beide Größen gehen über die institutionell bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) erfassten Stellen bzw. Bewerber/-innen hinaus und bilden dadurch auch die latenten, nicht in der Statistik erfassten Angebote und Gesuche ab.
Zum Nachfragepotenzial werden alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen gerechnet, die sich zwischen dem 1. Oktober des Vorjahres und dem 30. September für eine duale Berufsausbildung interessierten. Im Unterschied zur Ausbildungsplatznachfrage sind hierfür auch jene Personen relevant, die ihr Ausbildungsinteresse noch vor dem 30. September wieder aufgeben oder auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Als relevante Größe für die Bestimmung des Nachfragepotenzials spielen vor allem demografische Komponenten wie z. B. die Anzahl der Schulabgänger/ -innen oder die Altbewerber/-innen eine Rolle.
Das Angebotspotenzial entspricht der latenten Gesamtzahl der dualen Ausbildungsplätze, welche die Betriebe, Praxen und Verwaltungen zu Beginn der Planungsperiode als mögliches Ausbildungsangebot in Betracht ziehen, neu einzurichten oder wieder zu besetzen gedenken – unabhängig davon, ob sie die Arbeitsverwaltung über ihre Absichten und Stellen informieren, wie intensiv sie suchen und wie erfolgreich sie bei der Akquisition von Auszubildenden sind.
Für die Prognose des Ausbildungsplatzangebotes im Jahr 2016 ist zu klären, welche Ursachen die Unterschätzung des Angebotes im Jahr 2015 hatte und welche Konsequenzen daraus für die Prognose gezogen werden können. Zunächst bleibt festzuhalten, dass die prognostizierte Angebots-Nachfrage-Relation von 93,4 (erweiterte Definition) im Jahr 2015 mit 93,0 fast punktgenau getroffen wurde.28 Das Verhältnis von Angebot an und Nachfrage nach Ausbildungsplätzen wurde von PROSIMA somit korrekt vorhergesagt. Da auch die angenommene wirtschaftliche Entwicklung mit einem gesetzten Wachstum des realen Bruttoinlandsproduktes von 1,5 % im Jahr 2015 leicht unter dem tatsächlichen Wachstum von 1,7 % lag, ist das gestiegene Angebot an Ausbildungsplätzen vor allem auf eine gestiegene bzw. nicht weiter zurückgehende Ausbildungsbereitschaft von Unternehmen, Praxen und Verwaltungen zurückzuführen. Hierbei könnte es sich um einen Effekt der beschlossenen Ziele und Maßnahmen im Rahmen der „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ handeln (Allianz für Aus- und Weiterbildung 2015 bis 2018). Zwar wurden im Vergleich zum Jahr 2014 nur 8.397 statt der beschlossenen 20.000 Ausbildungsplätze mehr bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) gemeldet; dennoch handelt es sich mit 520.010 gemeldeten Berufsausbildungsstellen um den höchsten Wert seit dem Jahr 2003. Zudem war insbesondere im Bereich Industrie und Handel der Rückgang der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge geringer als vorhergesagt,29 während die neu abgeschlossenen Verträge im Handwerk von PROSIMA nahezu genau prognostiziert wurden.
Die Ergebnisse von PROSIMA für das Jahr 2015 zeigen, dass trotz des demografiebedingten Rückgangs an Jugendlichen die Bestimmung der Ausbildungsbereitschaft der Betriebe zentral ist für die korrekte Vorhersage an neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Denn nimmt man die Anzahl der Abgänger/-innen aus allgemeinbildenden Schulen im Jahr 2015 als eine wesentliche Größe des Nachfragepotenzials, so ist ein Rückgang von 2,2 % im Jahr 2015 im Vergleich zu 2014 festzustellen.30 Offenbar hat das zur Verfügung stehende Ausbildungsplatzangebot aber dazu geführt, dass trotz eines Rückgangs des Nachfragepotenzials nahezu gleich viele ausbildungsinteressierte Jugendliche wie in 2014 einen Ausbildungsvertrag unterzeichnen konnten. Gleichzeitig zeigt die Entwicklung aber auch, dass eine höhere Ausbildungsbereitschaft gleichzeitig dazu führt, dass mehr Ausbildungsplatzstellen nicht besetzt werden können.
Für die Vorhersage des Ausbildungsplatzangebotes zum 30. September 2016 gehen wir davon aus, dass die Unternehmen, Praxen und Verwaltungen – trotz einer gestiegenen Anzahl an unbesetzten Ausbildungsplätzen – auch 2016 versuchen werden, ihr Interesse an einer Ausbildung aufrechtzuerhalten. Während wir aufgrund der angebotenen Ausbildungsplätze in den Jahren 2014 und 2015 von einem relativ konstanten Ausbildungspotenzial im Jahr 2016 ausgehen können, gestaltet sich die Schätzung der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen etwas schwieriger. Der voraussichtliche leichte Rückgang an Schulabgängern und -abgängerinnen aus allgemeinbildenden Schulen und an Altbewerbern und -bewerberinnen spricht auch im Jahr 2016 für einen leichten Rückgang des Nachfragepotenzials.
Als unbekannte Größe der hauptsächlich demografischen Komponente erscheint jedoch das Ausbildungsinteresse junger Geflüchteter. Denn derzeit ist das genaue Ausmaß der anerkannten Asylberechtigten sowie ihrer jeweiligen schulischen Vorqualifikationen und Sprachkenntnisse nicht ermittelbar. Mögliche Sondereffekte in der Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Jahr 2016 aufgrund einer möglichen Ausbildungsintegration junger Geflüchteter werden in PROSIMA deshalb anhand von Szenarien abgeschätzt (vgl. Kapitel A2.3).
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25
Das Angebotspotenzial ist von der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung bzw. der Ausbildungsbetriebsquote zu unterscheiden (in Kapitel A4.10.3).
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26
Der tatsächliche Wert lag innerhalb des 95 %-Vertrauensintervalls zwischen 536.800 und 572.000 Plätzen.
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27
Im Alternativszenario wurden 512.400 neu abgeschlossene Ausbildungsverträge vorausgesagt. Unter Berücksichtigung einer Irrtumswahrscheinlichkeit von 5 % lag das Vertrauensintervall zwischen 499.000 und 525.700 neuen Verträgen. In der Basisprognose wurde aufgrund eines zurückgehenden Angebotspotenzials der Unternehmen, Praxen und Verwaltungen ein Rückgang auf 505.400 neu abgeschlossene Verträge vorausgesagt.
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28
Die Punktschätzung für die Angebots-Nachfrage-Relation nach der alten Definition lag bei 103,3; der tatsächliche Wert lag bei 103,7 und somit auch innerhalb des Vertrauensintervalls zwischen 101,2 und 105,5.
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Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Industrie und Handel ging nur gering um 0,8 % zurück, während anhand von PROSIMA ein Rückgang von 2,0 % erwartet wurde.
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30
Die Anzahl an Absolventen/Abgängern aus allgemeinbildenden Schulen ohne Hochschulzugangsberechtigung ging von 2014 auf 2015 um 2,1 % zurück. Beim Nachfragepotenzial wurde hingegen nur von einem Rückgang von 0,5 % ausgegangen. In der Basisprognose führte dies dennoch zu einem Rückgang von 3,3 % in der registrierten Ausbildungsplatznachfrage; in der Alternativprojektion – aufgrund des höheren zur Verfügung gestellten Ausbildungsplatzangebotes – lediglich zu einem Rückgang von 2,4 %.