Wichtige Hinweise zur Mobilität von Jugendlichen im Zusammenhang mit ihrer Berufsausbildung lassen sich der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) entnehmen (Bundesagentur für Arbeit 2016d). Sie gibt darüber Auskunft, wo Auszubildende wohnen und wo ihre Ausbildungsstätten liegen. Auf dieser Basis werden im Folgenden Pendlerbewegungen zwischen Regionen (Arbeitsagenturbezirken) und zwischen Bundesländern nachgezeichnet. Stichtag ist der 31. Dezember 2014.
Mobilität zwischen den Regionen
Rund 358.700 der 1.582.700 Ausbildungsplätze58, die Ende 2014 von der Bundesagentur für Arbeit in den 154 Arbeitsagenturen59 registriert wurden, waren von Personen besetzt, die nicht im betreffenden Arbeitsagenturbezirk lebten, sondern von außerhalb einpendelten. Der Anteil der Ausbildungsplätze in einer Region, der von Auswärtigen besetzt wurde (die sogenannte Einpendlerquote), variierte jedoch sehr stark von Region zu Region. Die niedrigste Quote wurde Ende 2014 im Arbeitsagenturbezirk Aachen-Düren (Nordrhein-Westfalen) gemessen, wo nur 6,3 % der dortigen Ausbildungsplätze von jungen Menschen genutzt wurden, die nicht in diesem Arbeitsagenturbezirk wohnten. Weitere besonders niedrige Einpendlerquoten wiesen u. a. die Regionen Lörrach (Baden-Württemberg, 7,0 %), Flensburg (Schleswig-Holstein, 7,1 %) und Trier (Rheinland-Pfalz, 7,3 %) auf. Sehr hohe Anteile wurden dagegen im hessischen Frankfurt/Main (62,3 %), im nordrhein-westfälischen Düsseldorf (59,2 %) und im baden-württembergischen Mannheim (57,0 %) beobachtet. Mehr als die Hälfte der Auszubildenden in den dortigen Betrieben stammte demnach von außerhalb. Auch das sächsische Chemnitz (47,0 %) und nordrhein-westfälische Essen (46,5 %) vermeldeten hohe Einpendlerquoten.
Spiegelbildlich gilt, dass 2014 rund 358.700 der 1.582.700 Beschäftigten, die von der BA als Auszubildende registriert wurden, ihre Ausbildung nicht in dem Arbeitsagenturbezirk absolvierten, in dem sie selbst wohnten, sondern in einem anderen Arbeitsagenturbezirk. Die Auspendlerquote (d. h. der Anteil der in einer Region wohnenden Auszubildenden, der auspendelt) variierte in den 154 Regionen ebenfalls sehr deutlich. Am niedrigsten war sie im Arbeitsagenturbezirk Saarland, wo nur 5,3 % aller dort wohnenden Auszubildenden außerhalb dieser Region ausgebildet wurden. Auch im rheinland-pfälzischen Trier (8,4 %), im baden-württembergischen Freiburg (8,6 %) und in Flensburg (Schleswig-Holstein; 8,6 %) fielen die Quoten sehr gering aus. Sehr hohe Auspendlerquoten wurden in den nordrhein-westfälischen Arbeitsagenturbezirken Gelsenkirchen (47,7 %) und Mettmann (47,0 %) sowie im bayerischen Freising (46,1 %) und im hessischen Offenbach (45,6 %) registriert.
In vielen Regionen differieren die Ein- und Auspendlerzahlen deutlich und kompensieren sich damit nicht gegenseitig. In den beiden extremsten Fällen, die 2014 beobachtet werden konnten, lag die Einpendlerquote um 20,9 Prozentpunkte niedriger als die Auspendlerquote (so im niedersächsischen Arbeitsagenturbezirk Lüneburg-Uelzen, was die Versorgungslage vor Ort damit stark entlastete) bzw. um 37,0 Prozentpunkte höher (so im Arbeitsagenturbezirk Frankfurt/Main, was die Versorgung der einheimischen Jugendlichen erschwerte).
Durch Mobilität werden die regionalen Versorgungs- bzw. Ausbildungsmarktverhältnisse bisweilen grundlegend verändert. Dies zeigt ein Vergleich des basalen Versorgungsgrades in der jeweiligen Region mit der letztendlichen Relation von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage, wie sie sich (auch) als Folge der Pendlerbewegungen einstellt (sei es durch erfolgreich abgewanderte oder zugewanderte Nachfrage).
Basaler Versorgungsgrad
Der basale Versorgungsgrad ist definiert als das Verhältnis zwischen der Zahl der Ausbildungsplätze in einer Region und der Zahl der Auszubildenden, die in derselben Region leben. Ist er hoch, stehen rein rechnerisch für die Auszubildenden, die in einer bestimmten Region wohnen, viele Ausbildungsplätze vor Ort zur Verfügung, sodass alle vor Ort lebenden Auszubildenden auch über das Ausbildungsplatzangebot in der Heimatregion hätten versorgt werden können. Ist er niedrig, gibt es in der Region in Relation zur Zahl der dort lebenden Auszubildenden zu wenige Ausbildungsplätze, sodass ohne Abwanderung ein Ausgleich zwischen Angebot und Nachfrage nicht möglich ist.
Wie nun Schaubild A3.2.1-1 zeigt, korreliert der basale Versorgungsgrad in den Regionen nicht mit der offiziellen Angebots-Nachfrage-Relation. Es gibt demnach viele Regionen, in denen der basale Versorgungsgrad zwar niedrig ist, die Angebots-Nachfrage-Relation letztendlich aber hoch ausfällt, und umgekehrt.60
Typische Beispiele hierfür sind zum einen die Arbeitsagenturbezirke Weißenfels (Sachsen-Anhalt), Annaberg-Buchholz (Sachsen), Ansbach-Weißenburg, Freising und Weilheim (allesamt Bayern). Die Zahl der Ausbildungsplätze, die auf die am selben Ort wohnenden Auszubildenden entfällt, ist hier weit unterdurchschnittlich (der basale Versorgungsgrad also niedrig), während die Angebots-Nachfrage-Relation (auch) als Folge von Mobilitätsprozessen weit überdurchschnittlich ist.
Das Gegenteil ist in den Arbeitsagenturbezirken Kiel (Schleswig-Holstein), Bochum, Dortmund (beide Nordrhein-Westfalen) und Kassel (Hessen) der Fall: Hier ist die basale Versorgungslage, wiederum verstanden als Zahl der Ausbildungsplätze, die auf die am selben Ort wohnenden Auszubildenden entfällt, rechnerisch weit überdurchschnittlich gut, während die Angebots-Nachfrage-Relation weit unterdurchschnittliche Werte aufweist und damit auf eine letztlich schwierige Ausbildungsmarktlage hindeutet.
Mobilität zwischen den Ländern
Rund 99.100 der 1.582.700 Beschäftigten, die am 31. Dezember 2014 von der Bundesagentur für Arbeit als Auszubildende registriert wurden, wohnten nicht in dem Bundesland, in dem ihr Ausbildungsbetrieb angesiedelt war. Der Anteil fiel dabei im Westen mit 5,5 % deutlich niedriger aus als im Osten mit 11,1 %.
Die länderübergreifende Mobilität führt insbesondere in den Stadtstaaten dazu, dass höhere Anteile der dort verfügbaren Ausbildungsplätze nicht von eigenen Landesbewohnern besetzt werden, so in Bremen (38,3 %), Hamburg (33,3 %) und Berlin (19,2 %); vgl. dazu Tabelle A3.2.1-1.
Zwar gibt es in den Stadtstaaten auch in nennenswertem Maße Jugendliche, die ihre Ausbildung außerhalb ihres eigenen Bundeslandes absolvieren. Doch ist die Zahl der Landesbewohner/-innen, die sich in Ausbildung befinden, in allen 3 Stadtstaaten niedriger als die Zahl der Ausbildungsplätze, die im jeweiligen Stadtstaat zur Verfügung gestellt werden. So standen zum Beispiel 2014 den gut 11.800 Auszubildenden aus Bremen 16.100 Ausbildungsplätze gegenüber, die dort vorhanden waren (diese Werte sind in Tabelle A3.2.1-1 nicht ausgewiesen).
Die Daten der Beschäftigtenstatistik verweisen zum einen darauf, dass bei vielen Jugendlichen eine Mobilitätsbereitschaft vorhanden ist.61 Unter den 99.100 Auszubildenden, die ihre Ausbildung nicht im eigenen Bundesland absolvierten, fanden sich sogar 15.900, bei denen das Land, in dem sie ihren Beruf erlernen, kein direkter Nachbar des Bundeslandes ist, in dem sie wohnen. Zum anderen zeigen die Daten, dass Mobilität zwar grundsätzlich die Möglichkeit eröffnet, regionale Passungsprobleme von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage zu verringern, dass sie aber auch für einzelne Regionen zu Erschwernissen führen kann, die Jugendlichen vor Ort mit Ausbildungsplätzen zu versorgen.
Dies hängt – wie nachfolgend berichtete Ergebnisse aus der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2014 zeigen (vgl. Kapitel A3.2.2) – auch damit zusammen, dass die Bereitschaft bei regional mobilen Jugendlichen, die eigenen Berufswünsche an das vor Ort vorhandene Ausbildungsplatzangebot anzupassen, geringer ausgeprägt ist als bei heimatverbundenen Jugendlichen. Es ist deshalb auch eher unwahrscheinlich, dass mobile Jugendliche sich auf den Ausbildungsmärkten außerhalb der Heimatregion auf das dort schwer zu besetzende Ausbildungsplatzangebot konzentrieren.
Schaubild A3.2.1-1: Basaler Versorgungsgrad 31. Dezember 2014 und Angebots-Nachfrage-Relation 30. September 2015 im Vergleich
Tabelle A3.2.1-1: Relative Verteilung der im jeweiligen Land angebotenen Ausbildungsplätze auf die Auszubildenden nach deren Wohnort (Angaben in %)
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In dieser Zahl sind zu einem geringeren Anteil auch Ausbildungsplätze außerhalb des dualen Berufsausbildungssystems enthalten. Zum 31. Dezember 2014 umfasste die Zahl der Auszubildenden nach BBiG/HwO 1.358.550 Personen (Statistisches Bundesamt 2015g); vgl. auch Kapitel A4.2.
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Die 3 Arbeitsagenturbezirke Berlins sind dabei zu einer Region zusammengefasst.
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Die gemeinsame Varianz beider Größen liegt weit unter einem Prozent. Die Angebots-Nachfrage-Relation wurde nach der erweiterten Formel berechnet (vgl. Kapitel A1.1).
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Dabei spiegelt die in der Beschäftigtenstatistik sichtbare Mobilität lediglich erfolgreich realisierte Mobilität wider, und dies auch nur in den Fällen, in denen die jungen Menschen im Zuge der auswärtigen Aufnahme einer Ausbildung ihren Hauptwohnsitz nicht verlegen. Noch einmal deutlich höher dürften die faktisch aktivierte Mobilitätsbereitschaft ausfallen, gemessen an der Zahl von ausbildungsinteressierten Jugendlichen, die sich mit oder aber auch ohne Erfolg auf Ausbildungsplätze außerhalb der eigenen Region bewerben, sowie die latente Mobilitätsbereitschaft, verstanden als die „Bereitschaft des Jugendlichen, bei absehbaren Schwierigkeiten bei der Lehrstellensuche auch Ausbildungsplatzangebote außerhalb der Heimatregion in Betracht zu ziehen und sich gegebenenfalls auch auf diese Angebote zu bewerben“ (Ulrich/Ehrenthal/Häfner 2006, S. 101).