Das Verständnis von tertiärer Bildung in den ISCED-Klassifikationen 1997 und 2011
Die Umstellung der statistischen Erfassung von ISCED-97 auf ISCED 2011 ist zum ersten Mal für die Daten für das Jahr 2014 erfolgt. Am Beispiel Österreichs wird im Folgenden gezeigt, wie sich die Veränderung der ISCED-Klassifikation in der europäischen Statistik auf den Anteil der tertiären Bildungsabschlüsse auswirken kann. Mit der ISCED-Klassifikation werden die institutionellen Bildungsprogramme und Bildungswege systematisiert und dadurch die Bildungssysteme vergleichbar gemacht.
ISCED-97
Gemäß ISCED-97 beginnt der tertiäre Bildungsbereich mit Niveau 5. Stufe 6 umfasst postgraduierte Programme. Auf Niveau 5 wird differenziert zwischen der Gruppe der berufs- bzw. praxisbezogenen Studiengänge an Fachschulen, Berufsakademien (5B) u. Ä. und der der hochschulischen Bildungsgänge unterhalb der Promotion (5A). Die Bildungsgänge von ISCED 5B unterscheiden sich von denen des Niveaus ISCED 5A auch durch die kürzere Dauer (mindestens zwei Jahre, in der Regel bis drei Jahre) und sind im Allgemeinen nicht auf den Zugang zu einem weiterführenden universitären Abschluss orientiert, sondern unmittelbar auf den Eintritt in den Arbeitsmarkt.
ISCED 2011
Gemäß der ISCED-2011-Klassifikation umfasst tertiäre Bildung „what is commonly understood as academic education but also includes advanced vocational or professional education“ (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 2012, S. 46). Im Gegensatz zur Vorgängerversion umfasst der „klassische“ Tertiärbereich nunmehr drei anstelle von vormals zwei Stufen und spiegelt damit die Bologna-Struktur der Hochschulbildung wider. Auf Niveau 6 ist das Bachelorstudium (sowie diverse Kurzstudien), auf Niveau 7 das Masterstudium (sowie Diplomstudium und postgraduale universitäre Lehrgänge) und schließlich auf Niveau 8 das (postgraduale) Doktoratsstudium angesiedelt. Darüber hinaus ist mit dem neuen Niveau 5 eine Stufe für die sog. Short-Cycle-Programme eingeführt worden, die eine typische Dauer von zwei Jahren haben. Darunter werden nach UNESCO-Definition folgende Programme verstanden:
„Programmes at ISCED level 5,or short-cycle tertiary education, are often designed to provide participants with professional knowledge, skills and competencies. Typically they are practically based, occupationally-specific and prepare students to enter the labour market. However, these programmes may also provide a pathway to other tertiary education programmes. Academic tertiary programmes below the level of a Bachelor’s programme or equivalent are also classified as ISCED level 5“ (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization 2012).
Es wird deutlich, dass der tertiäre Bildungsbereich nicht gleichzusetzen ist mit dem Hochschulbereich, denn er ist explizit offen sowohl für hochschulische als auch für nicht hochschulische Programme, wie beispielsweise berufliche Fortbildungsprogramme. Im Gegensatz dazu wird allerdings national häufig tertiäre Bildung mit Hochschulbildung gleichgesetzt. Dies ist beispielsweise in Norwegen, Frankreich und Polen der Fall; im Gegensatz dazu zählt Deutschland die berufliche Fortbildung dazu. Allerdings werden nunmehr auch bislang dem sog. Postsekundarbereich (Niveau 4) zugeordnete Bildungsprogramme als tertiäre Programme bewertet.
Österreich
Die Daten des Education and Training Monitor 2015 (S. 42) zum Benchmark des Erwerbs von tertiären Bildungsabschlüssen zeigen für Österreich einen starken Anstieg von 27,3 % (2013) auf 40 % (2014). Der Grund hierfür liegt in einer veränderten Zuordnung von Programmen im Zusammenhang mit der Umstellung auf die ISCED-Klassifikation 2011. Hierdurch werden in Österreich die Programme der Berufsbildenden höheren Schulen (BHS), die in fünf Jahren sowohl zu einer allgemeinen Hochschulreife als auch zu einer beruflichen Qualifikation führen, statistisch geteilt. Bislang wurden sie dem sog. postsekundaren Bildungsbereich (Niveau 4A ISCED-97) zugerechnet, nunmehr teilweise dem „neuen“ Tertiärbereich von ISCED 2011. Die ersten drei BHS-Klassen werden auf ISCED-Niveau 3 als Sekundarprogramme eingestuft, entsprechend der Lehre oder der Programme der Berufsbildenden mittleren Schule (BMS), das 4. und 5. Jahr dem Niveau 5, dem sog. Short-Cycle-Niveau.
Fazit
Die Umstellung der internationalen Bildungsstatistik auf die Grundlage von ISCED 2011 führt zu Veränderungen der Zuordnung von Bildungsprogrammen. Im Fall Österreichs ist dies besonders sichtbar. Nunmehr hat Österreich einen vergleichsweise hohen Anteil an Absolventen und Absolventinnen tertiärer Bildung, ohne dass sich am Bildungssystem etwas geändert hat. Solche Effekte können auch bei anderen Ländern entstehen oder entstanden sein und sind bei einer Umstellung statistischer Erfassungsgrundlagen nicht überraschend. Dieses Beispiel macht aber deutlich, dass die Diskussion um die Frage einer Akademisierung, die üblicherweise auf der Basis internationaler Statistiken erfolgt, vorsichtig geführt werden muss und der Begriff „tertiäre Bildung“ nicht als Synonym für Hochschulbildung taugt. Dahinter verbirgt sich eine Vielfalt von Programmen mit unterschiedlichen Bildungsschwerpunkten, die zwischen hochschulvorbereitend, hochschulisch und berufsqualifizierend changiert.
(Ute Hippach-Schneider)
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Die BHS sind eine beliebte Alternative zu den allgemeinbildenden Sekundarschulen (AHS, vergleichbar mit den Gymnasien in Deutschland), denn ihre Programme ab Klassenstufe 9 führen in fünf Jahren zu einem Doppelabschluss.