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Aufgrund eines stabilen Ausbildungsplatzangebots bei gleichzeitig leicht sinkender Ausbildungsplatznachfrage standen 2016 den Jugendlichen mehr Ausbildungsmöglichkeiten innerhalb des dualen Berufsausbildungssystems1 zur Verfügung. Die Schwierigkeiten, Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage zusammenzuführen, nahmen jedoch noch leicht zu. Deshalb stieg erneut der Anteil der unbesetzten Ausbildungsplätze, und die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge verringerte sich in geringem Umfang Tabelle A1.1.1-1.

Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage

Im Jahr 2016 wurden bundesweit 563.800 Ausbildungsstellen angeboten (vgl. Kapitel A1.1.2). Einem Rückgang des außerbetrieblichen Angebots um 1.300 (-7,0 %) auf nunmehr 17.600 Plätze stand ein Zuwachs des betrieblichen Angebots um 1.400 (+0,3 %) auf 546.300 Ausbildungsstellen gegenüber. Das Ausbildungsplatzangebot blieb damit im Vergleich zum Vorjahr nahezu unverändert (+60 Stellen bzw. +0,0 %). Die Ausbildungsplatznachfrage verringerte sich 2016 im Vergleich zum Vorjahr um 0,4 % (-2.300) und lag nun bei 600.900.

Da das Ausbildungsplatzangebot bundesweit weitgehend stabil blieb, die Nachfrage aber leicht zurückging, stieg die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) – die Zahl der Ausbildungsplatzangebote je 100  Nachfrager – um 0,4 Prozentpunkte auf 93,8. Dies ist der höchste Wert seit 2007, als erstmals eine solche Messung vorgenommen werden konnte.

Begriffe der Ausbildungsmarktbilanzierung

Zum offiziellen Ausbildungsplatzangebot eines Jahres rechnen die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Rahmen seiner Erhebung zum 30. September bei den zuständigen Stellen zählt (erfolgreich besetztes Angebot), und die bei der Bundesagentur für Arbeit registrierten betrieblichen Berufsausbildungsstellen, die der Arbeitsverwaltung während des Berichtsjahres zur Vermittlung angeboten wurden und die am 30. September noch nicht besetzt waren (erfolg­loses, unbesetztes Angebot).

Zur Ausbildungsplatznachfrage zählen jene ausbildungsinteressierten Jugendlichen, die entweder einen neuen Ausbildungsvertrag abschlossen und somit über die BIBB-Erhebung zum 30. September erfasst werden (erfolgreiche Nachfrage) oder die zum Kreis der Ausbildungsstellenbewerber zählten, die auch noch am 30. September ihre Ausbildungsplatzsuche fortsetzten (erfolglose Nachfrage). Bewerber/-innen, die sich im Laufe des Berichtsjahres für eine Alternative entschlossen (z. B. erneuter Schulbesuch, Studium, Erwerbstätigkeit, berufsvorbereitende Maßnahme) und am 30. September nicht mehr oder vorerst nicht mehr nach einer Berufsausbildungsstelle suchen, werden grundsätzlich nicht zu den Ausbildungsplatznachfragern gerechnet (d. h. auch dann nicht, wenn sie diese Alternative aufgrund erfolgloser Bewerbungen anstrebten).

Bei der statistischen Ermittlung der Ausbildungsplatznachfrage sind 2 Ansätze zu unterscheiden: Die traditionelle Berechnungsweise definiert den Kreis der erfolg­­losen Nachfrage sehr eng. Sie lässt all jene am 30.  September noch suchenden Ausbildungsstellenbewerber/-innen unberücksichtigt, die über eine alternative Verbleibsmöglichkeit verfügen. Bei der neuen, erweiterten Berechnung sind diese Personen dagegen einbezogen. Die verschiedenen Berechnungsweisen der Ausbildungsplatznachfrage erklären zugleich die Ergebnisunterschiede der beiden Varianten zur Berechnung der Angebots-Nachfrage-Relation.

Die Angebots-Nachfrage-Relation (ANR) gibt wieder, wie viele Berufsausbildungsangebote rechnerisch auf 100 Ausbildungsplatznachfrager entfielen. Da 2 Berechnungsweisen zur Ermittlung der Ausbildungsplatznachfrage genutzt werden, gibt es auch 2 Varianten in der ANR-Berechnung. In der Regel wird im Datenreport bei den Analysen auf die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) zurückgegriffen. Da selbst bei hoher ANR größere Teile der Nachfrager aufgrund von Passungsproblemen erfolglos bleiben können, werden zusätzlich auch der Anteil der erfolglosen Ausbildungsplatznachfrager an allen Nachfragern bzw. spiegelbildlich der Anteil der unbesetzten betrieblichen Angebote an allen betrieblichen Angeboten ausgewiesen. Durch eine multiplikative Verknüpfung der beiden Anteile entsteht ein Indikator für das Ausmaß von Passungsproblemen auf dem Ausbildungsmarkt.

Von den Begriffen der Ausbildungsplatzangebots und der Ausbildungsplatznachfrage sind die Begriffe der gemeldeten Berufsausbildungsstellen und der gemeldeten Bewerber/-innen für Berufsausbildungsstellen zu unterscheiden. Die gemeldeten Berufsausbildungsstellen und gemeldeten Bewerber für Berufsausbildungsstellen (kurz auch: Ausbildungsstellenbewerber) bilden die zentralen Größen der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (vgl. Kapitel A1.3). Diese konzentriert sich auf diejenigen Marktteilnehmer, welche bei ihrer Suche die Beratungs- und Vermittlungsdienste einschalten, seien es die Agenturen für Arbeit (AA), die Jobcenter in gemeinsamer Einrichtung (JC gE) oder die Jobcenter in alleiniger kommunaler Trägerschaft (JC zkT). Als Ausbildungsstellenbewerber wird man nur registriert, wenn die individuelle Eignung für die angestrebten Ausbildungsberufe geklärt ist bzw. die Voraussetzungen zur Aufnahme einer Berufsausbildung gegeben sind (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2016b, Methodische Hinweise und Definitionen).

Als institutionell erfasste ausbildungsinteressierte Personen gelten alle Jugendlichen, die sich im Laufe des Berichtsjahres zumindest zeitweise für die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung interessierten und deren Eignung hierfür auch unterstellt wurde, sei es über die Eintragung ihrer Ausbildungsverhältnisse bei den zuständigen Stellen oder – sofern sie nicht in eine Ausbildung einmündeten – im Rahmen ihrer Registrierung als Ausbildungsstellenbewerber bei den Beratungs- und Vermittlungsdiensten. Zu den Ausbildungsinteressierten zählen neben den offiziell ausgewiesenen Ausbildungsplatznachfragern somit auch jene Personen, die sich zwar als Ausbildungsstellenbewerber registrieren ließen, ihren Vermittlungswunsch aber vor dem Bilanzierungsstichtag 30. September aus unterschiedlichen Gründen wieder aufgaben. Die Zahl aller ausbildungsinteressierten Personen wird errechnet, indem zur Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge die Zahl jener registrierten Bewerber hinzuaddiert wird, die nach der Verbleibstatistik der Arbeitsverwaltung nicht in eine Berufsausbildungsstelle einmündeten. Durch den rechnerischen Bezug der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf die Zahl der institutionell erfassten Ausbildungsinteressierten lässt sich die Beteiligungs- bzw. Einmündungsquote ausbildungsinteressierter Personen in duale Berufsausbildung (EQI) ermitteln. Sie informiert darüber, wie hoch der Anteil unter den ausbildungsinteressierten Jugendlichen ausfällt, der letztlich für den Beginn einer dualen Berufsausbildung gewonnen werden konnte (Ulrich 2012a, Ulrich 2012b).

Erfolglose Marktteilnahmen

2016 blieben bundesweit 43.500 bzw. 8 % der betrieblichen Ausbildungsplatzangebote unbesetzt, so viele wie seit 1995 nicht mehr (vgl. Kapitel A1.1.3). Die größten Besetzungsprobleme waren erneut im Handwerk zu verzeichnen, auch wenn hier der Negativtrend der vergangenen Jahre erstmals gestoppt werden konnte. Aufseiten der erfolglosen Ausbildungsplatznachfrager gab es 2016 im Vergleich zum Vorjahr kaum Veränderungen. Bis zum Stichtag 30. September 2016 waren bundesweit 80.600 Bewerber/-innen bei der Bundesagentur für Arbeit als „noch suchend“ gemeldet, -400 bzw. -0,5 % im Vergleich zu 2015. Der Anteil der erfolglosen Bewerber/-innen an der offiziell ermittelten Nachfrage lag 2016 mit 13,4 % weiterhin auf einem vergleichsweise hohen Niveau.

Die erneute Zunahme der Besetzungsprobleme von Ausbildungsplätzen und das nahezu unveränderte Ausmaß der Versorgungsprobleme von Ausbildungsstellenbewerbern führten dazu, dass sich die Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt weiter verschärften.

Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge

Da das betriebliche Angebot im Zuge der erneut gestiegenen Passungsprobleme zu einem größeren Teil nicht ausgeschöpft werden konnte, gelang es 2016 bundesweit nicht, mehr Ausbildungsverträge als im Vorjahr abzuschließen (vgl. Kapitel A1.2). 2016 wurden insgesamt 520.300 Neuabschlüsse registriert. Die Vertragszahlen gingen damit im Vergleich zum Vorjahr um 1.800 bzw. 0,4 % zurück.

Wie bereits im Vorjahr sank 2016 jedoch allein die Zahl der Ausbildungsverträge, die mit jungen Frauen abgeschlossen wurden (-3.500 bzw. -1,7 %). Die Zahl der Ausbildungsverträge mit jungen Männern stieg dagegen leicht an (+1.700 bzw. +0,5 %). Damit setzte sich eine Entwicklung fort, die bereits seit einigen Jahren zu beobachten ist: Das Ausbildungsinteresse, die Ausbildungsnachfrage und -beteiligung junger Frauen sinken (vgl. dazu ausführlich Matthes/Ulrich/Flemming/Granath 2017).

Tabelle A1.1.1-1: Ausbildungsmarktentwicklung von 2009 bis 2016 (Stichtag 30. September)

Beteiligung ausbildungsinteressierter Jugendlicher an dualer Berufsausbildung

Die Zahl der Personen, die sich im Laufe des Berichtsjahres zumindest zeitweise für eine duale Berufsausbildung interessierten und institutionell erfasst werden konnten, lag 2016 bei 803.600 Personen (vgl. Kapitel A1.1.4). Darunter befanden sich 202.700 Ausbildungsstellenbewerber/-innen, die ihren Vermittlungswusch bereits vor dem Bilanzierungsstichtag 30.  September aufgaben. Bundesweit konnten 64,7 % aller institutionell erfassten Ausbildungsinteressierten für eine duale Berufsausbildung gewonnen werden; dies entspricht einem Rückgang um 0,1 Prozentpunkte (bezogen auf das Vorjahr 2015).

Ausbildungsbeteiligung von Geflüchteten

Von den insgesamt 547.700 gemeldeten Bewerbern und Bewerberinnen für duale Ausbildungsstellen kamen knapp 10.300 Personen im Kontext von Fluchtmigration nach Deutschland, wobei nicht bekannt ist, wie lange diese Personen bereits in Deutschland leben (Bundesagentur für Arbeit 2016d; Bundesagentur für Arbeit 2016c).2

In der Gruppe der Bewerber/-innen mit Fluchtkontext fanden sich deutlich mehr ältere und mehr männliche Bewerber. 23,3 % waren bereits 25 Jahre oder älter (alle sonstigen Bewerber ohne Fluchtkontext: 6,0 %), der Anteil der Männer lag bei 79,4 % (Sonstige: 57,8 %). Auch das Niveau der schulischen Vorbildung unterschied sich. 38,9 % verfügten über einen Hauptschul- oder vergleichbaren Abschluss (Sonstige: 26,3 %), 20,2 % über einen mittleren Abschluss (Sonstige: 41,6 %) und weitere 20,1 % über eine (Fach-)Hochschulreife (Sonstige: 27,2 %).

Das höhere Alter und die im Schnitt niedrigere schulische Vorbildung erschwerten die Vermittlung in duale Berufsausbildung. So mündeten von den knapp 10.300 Bewerberinnen und Bewerbern mit Fluchtkontext nur 3.500 (33,8 %) in eine Berufsausbildung ein (Sonstige: 48,6 %). 21,5 % suchten bis zum Stichtag 30. September noch nach einer Ausbildungsstelle (Sonstige: 14,6 %). 16,3 % besuchten erneut die Schule, absolvierten Praktika oder waren erwerbstätig, ohne ihren Vermittlungswunsch zum 30. September 2016 noch weiter aufrechtzuerhalten (Sonstige: 20,0 %). Der Anteil der unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen betrug 28,5 % (Sonstige: 16,8 %).

Ergebnisse der Nachvermittlung Oktober 2016 bis Januar 2017

Zwischen Oktober 2016 und Januar 2017 meldeten sich bundesweit 68.300 Jugendliche und junge Erwachsene bei den Beratungs- und Vermittlungsdiensten mit dem Wunsch, noch einen Ausbildungsplatz für das bereits seit dem Spätsommer laufende Ausbildungsjahr 2016/2017 zu finden. Dies gelang jedoch nur 6.100 bzw. 8,9 % dieser Personen (vgl. Kapitel A1.1.5).

  • 1

     Die Analysen beziehen sich auf den Bereich der dualen Berufsausbildung nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO).

  • 2

    Die Bundesagentur für Arbeit weist darauf hin, dass die Abgrenzung der „Personen im Kontext von Fluchtmigration“ in der BA-Statistik nicht notwendigerweise anderen Definitionen von „Flüchtlingen“ (z. B. juristischen Abgrenzungen) entspricht: „Für den statistischen Begriff ist über das Asylverfahren hinaus der Bezug zum Arbeitsmarkt ausschlaggebend. ‚Personen im Kontext von Fluchtmigration‘ umfassen Ausländer/-innen mit einer Aufenthaltsgestattung, einer Aufenthaltserlaubnis Flucht und einer Duldung. […] Personen, die im Rahmen eines Familiennachzugs (§§  29  ff. Aufenthaltsgesetz – AufenthG) zu geflüchteten Menschen nach Deutschland migrieren, zählen im statistischen Sinne nicht zu ‚Personen im Kontext von Fluchtmigration‘, sondern zu ‚Personen mit sonstigem Aufenthaltsstatus‘“ (Bundesagentur für Arbeit 2016d).