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Unbesetzte Ausbildungsstellen

Die Zahl der gemeldeten betrieblichen Ausbildungs­stellen, die am 30. September noch unbesetzt waren, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Im Jahr 2016 setzte sich dieser Trend fort: Bundesweit blieben nunmehr 43.500 Ausbildungsstellen offen. Dies ist der höchste Wert seit 1995 und bedeutet im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um 1.900 bzw. 4,5 %. Der Anteil der unbesetzten Ausbildungs­stellen am offiziell errechneten betrieblichen Gesamtangebot lag bundesweit somit bereits bei 8,0 %  Tabelle A1.1.1-1.

Wie bereits in den Vorjahren hatte erneut das Handwerk die größten Besetzungsprobleme. Bundesweit blieben hier 14.000 Stellen bzw. 9,4 % des betrieblichen Ausbildungsangebots bis zum 30. September ungenutzt. Allerdings konnte 2016 der Negativtrend bei den unbesetzten Plätzen im Handwerk gestoppt werden. Gegenüber dem Vorjahr sank die Zahl um 400. Der bundesweit zweitgrößte Anteil unbesetzter Ausbildungsplatzangebote war 2016 im Zuständigkeitsbereich Industrie und Handel zu verzeichnen; zum Ende des Berichtsjahres waren noch 7,7 % des betrieblichen Ausbildungsplatzangebots vakant. Ähnlich hohe Anteile unbesetzter Ausbildungsplatzangebote meldeten im Bereich der freien Berufe die Zahnärzte- und Anwaltskammern (7,6 % und 6,7 %).

Im Vergleich zu allen anderen Zuständigkeitsbereichen hatte der öffentliche Dienst nur sehr geringe Besetzungsprobleme. In diesem Sektor wurden 2016 nur 150 unbesetzte betriebliche Ausbildungsstellen registriert; das entspricht 1,1 % des offiziell erfassten betrieblichen Angebots in diesem Bereich Tabelle A1.1.3-1.

Tabelle A1.1.3-1: Anteil unbesetzter Ausbildungsplatzangebote am betrieblichen Ausbildungsangebot nach Zuständigkeitsbereichen im Jahr 2016

Erfolglose Ausbildungsplatznachfrage

Die bundesweite Zahl der Bewerber/-innen, die am 30.  September 2016 bei der Bundesagentur für Arbeit noch als suchend gemeldet waren und die deshalb als erfolglose Ausbildungsplatznachfrager gelten, lag bei 80.600 Personen und blieb damit gegenüber dem Vorjahr nahezu unverändert (-400 bzw. -0,5 %). Der Anteil der erfolglosen Bewerber/-innen an der offiziell ermittelten Nachfrage verharrte deshalb mit 13,4 % weiterhin auf einem vergleichsweise hohen Niveau Tabelle A1.1.1-1.

Inzwischen zählen zunehmend mehr Ausbildungsinteressierte mit Studienberechtigung zu den erfolglosen Ausbildungsplatznachfragern. Zwischen 2009 und 2016 stieg ihre Zahl von 13.700 auf 22.300 Schaubild A1.1.3-1. Ihr relativer Anteil an allen noch suchenden Ausbildungs­stellenbewerbern und -bewerberinnen erhöhte sich zwischen 2009 und 2016 von 15,5 % auf 27,7 %. Umgekehrt verlief die Entwicklung bei den Bewerberinnen und Bewerbern mit Hauptschulabschluss, deren Zahl unter allen noch suchenden Ausbildungsstellenbewerbern im selben Zeitraum von 29.100 auf 22.700 sank. Folglich verfügten 2016 nur noch 28,2 % der noch suchenden Bewerber/-innen über einen Hauptschulabschluss. 2009 waren es noch 32,9 % gewesen.

Schaubild A1.1.3-1: Zum Berichtsjahresende noch suchende Ausbildungsstellenbewerber/-innen mit Hauptschulabschluss und mit Studienberechtigung

Passungsprobleme

Passungsprobleme gelten schon seit einigen Jahren als zentrale Herausforderung auf dem Ausbildungsmarkt (Matthes/Ulrich 2014; Matthes/Ulrich/Krekel/Walden 2014; Matthes/Ulrich/Flemming/Granath 2016a).

Passungsprobleme

Von einem Passungsproblem ist immer dann zu sprechen, wenn es sowohl relativ viele unbesetzte Lehrstellen als auch relativ viele zum Bilanzierungsstichtag noch suchende Bewerber gibt, d. h., wenn Besetzungs- und Versorgungsprobleme gleichzeitig auftreten (Matthes/Ulrich 2014).

Quantitativ lässt sich das Ausmaß der Passungsprobleme durch Multiplikation der Erfolglosenanteile auf den beiden Seiten des Ausbildungsmarktes abbilden. Der „Index Passungsprobleme“ berechnet sich somit als Produkt aus dem Prozentanteil der unbesetzten Stellen am betrieblichen Ausbildungsplatzangebot und dem Prozentanteil der noch suchenden Bewerber an der Ausbildungsplatznachfrage. Der Wertebereich variiert damit rechnerisch von 0 % x 0 % = 0 (keinerlei Passungsprobleme, da keine gemeldete Stelle unbesetzt bleibt und kein Nachfrager am Ende des Berichtsjahres noch sucht) bis hin zum nur rechnerisch möglichen, aber praktisch kaum möglichen Wert von 100 % x 100 % = 10.000 (alle gemeldeten Stellen bleiben unbesetzt und alle Nachfrager suchen am Ende des Berichtsjahres noch weiter). Durch die multiplikative Verknüpfung wird sichergestellt, dass der Indikator auch dann keine Passungsprobleme anzeigt, wenn zwar massive Besetzungsprobleme vorliegen, aber keine Versorgungsprobleme (im Extremfall 100 % x 0 % = 0), und umgekehrt, wenn keine Besetzungsprobleme existieren, aber die Versorgungsprobleme groß sind (im Extremfall 0 % x 100 % = 0).

Durch den erneut gestiegenen Anteil unbesetzter Ausbildungsplatzangebote und den anhaltend hohen Anteil erfolgloser Ausbildungsplatznachfrager nahmen die Passungsprobleme 2016 im Vergleich zum Vorjahr weiter zu. Von wachsenden Passungsproblemen waren sowohl West- als auch Ostdeutschland betroffen Schaubild A1.1.3-2.

Ein zentraler Grund für die Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt liegt in regionalen Marktungleichgewichten. So verdeutlicht eine Gegenüberstellung der regionalen Anteile unbesetzter Ausbildungsplatzangebote und erfolgloser Ausbildungsplatznachfrager, dass es oftmals in Regionen mit besonders starken Besetzungsproblemen eher wenig erfolglose Nachfrager gibt und in Regionen mit besonders starken Versorgungsproblemen wenig Ausbildungsstellen unbesetzt bleiben Schaubild A1.1.3-3 (für Ausbildungsmarktdaten differenziert nach Regionen s. Tabelle A1.1.2-2-Internet). Bundesweit summieren sich beide Phänomene (hier Regionen mit Besetzungsproblemen, aber keinen größeren Versorgungsproblemen, dort Regionen mit Versorgungsproblemen, aber keinen größeren Besetzungsproblemen) zu relativ hohen Zahlen von unbesetzten Plätzen und noch suchenden Ausbildungsplatznachfragern.

Einem Ausgleich von regionalen Marktungleichgewichten sind jedoch Grenzen gesetzt (vgl. Kapitel A8.2). Zum einen sind viele Jugendliche ohne Ausbildungsstelle nur begrenzt mobil und gelangen somit nicht in die Regionen, in denen es mehr unbesetzte Ausbildungsplätze gibt. Zum anderen fördern Jugendliche mit hoher regionaler Mobilitätsbereitschaft und Flexibilität nicht zwangsläufig den Marktausgleich, insbesondere dann nicht, wenn diese Jugendlichen ihre Ausbildungswünsche auf allgemein beliebte Berufe konzentrieren, in denen auch in den Zielregionen ihrer Mobilitätsbestrebungen kein Mangel an Bewerbern vorhanden ist.

Schaubild A1.1.3-2: Entwicklung der Passungsprobleme 2009 bis 2016 (deutschlandweit und im Vergleich zwischen West- und Ostdeutschland)

Ein weiterer Grund für die zunehmenden Passungsprobleme auf dem Ausbildungsmarkt ist, dass Angebot und Nachfrage auf beruflicher Ebene nicht ausreichend zueinanderfinden. Wie Tabelle A1.1.3-2 zeigt, gibt es auf der einen Seite Berufe, die unter starken Besetzungsproblemen leiden (vor allem in der Gastronomie, dem Lebensmittelhandwerk und im Reinigungsgewerbe), während sich auf der anderen Seite zahlreiche Berufe finden, in denen viele Ausbildungsplatznachfrager keinen Ausbildungsplatz finden (z. B. im Mediensektor und im kaufmännischen Bereich). Berufsübergreifend summieren sich auch hier beide Phänomene (auf der einen Seite Berufe mit Besetzungsproblemen, aber keinen größeren Versorgungsproblemen, auf der anderen Seite Berufe mit Versorgungsproblemen, aber keinen größeren Besetzungsproblemen) zu relativ hohen Zahlen von unbesetzten Plätzen und noch suchenden Ausbildungsplatznachfragern.

Reduzieren ließen sich die Passungsprobleme bei gegebenem Angebot nur, wenn die berufliche Flexibilität der Jugendlichen deutlich gestärkt werden würde. Hierfür ist zum einen eine stärkere Berufsorientierung erforderlich. Zum anderen würde die einseitige Ausrichtung der Jugendlichen auf bestimmte Berufe nachlassen, wenn sich die Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen in den Berufen stärker angleichen würden (vgl. Schier/Ulrich 2014; Ulrich 2016).

Eine solche Angleichung erscheint umso dringlicher, als sich das schulische Vorbildungsniveau der ausbildungsinteressierten Jugendlichen und jungen Erwachsenen in den letzten Jahren deutlich zugunsten des Abiturs verschob und sich damit auch ihr berufsspezifisches Nachfrageverhalten veränderte (vgl. dazu auch Haverkamp 2016). Zu den Berufen mit Besetzungsproblemen zählen auffallend viele Berufe, die bislang für Personen mit Hauptschulabschluss typisch waren, die nun aber unter dem starken Rückgang an ausbildungsinteressierten Personen mit ebendiesem Abschluss leiden.

Das Berufswahlverhalten der ausbildungsinteressierten Personen mit Studienberechtigung konzentriert sich immer noch relativ stark auf ein begrenztes Segment von besonders beliebten Berufen, die jedoch zum Teil nicht mehr in der Lage sind, der wachsenden Nachfrage studien­berechtigter Ausbildungsinteressenten zu entsprechen (Kroll/Lohmüller/Ulrich 2016). Um die daraus resultierenden Passungsprobleme mindern zu können, müsste das Interesse der Studienberechtigten an den von ihnen bislang wenig beachteten Berufen noch deutlich stärker als bislang gesteigert werden.

Schaubild A1.1.3-3: Regionale Unterschiede in den Besetzungs- und Versorgungsproblemen

Tabelle A1.1.3-2: Berufe mit überdurchschnittlich großen Besetzungs- und Versorgungsproblemen im Jahr 2016