In diesem Kapitel wird die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO im Vergleich zu anderen (Aus-)Bildungsstationen dargestellt. Ziel ist es, die duale Berufsausbildung in den Kontext des gesamten (Aus-)Bildungsgeschehens einzuordnen und ihre Bedeutung im Vergleich zu anderen Bildungssektoren zu bestimmen. Hierfür werden insbesondere Daten der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) genutzt, weil diese für eine solche Betrachtung in besonderer Weise geeignet sind.
Statistiken und Erhebungen zur dualen Berufsausbildung nach BBiG/HwO
In den Kapiteln A1 bis A5 steht die duale Ausbildung nach BBiG/HwO im Mittelpunkt der Analysen. Daten zur dualen Berufsausbildung werden im Datenreport in der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE), der Berufsbildungsstatistik und der BIBB-Erhebung zum 30. September genutzt.
Bei der iABE handelt es sich im eigentlichen Sinne nicht um eine Statistik, sondern um ein Berichtssystem, welches verschiedene amtliche Statistiken zu einem Gesamtüberblick über das (Aus-)Bildungsgeschehen zusammenführt, also „integriert“. Neben den Daten zur dualen Berufsausbildung nach BBiG/HwO finden sich hier auch Daten zu Anfängerinnen und Anfängern in anderen vollqualifizierenden Berufsausbildungen außerhalb BBiG/HwO, z. B. zu schulischen Berufsausbildungen in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen, oder Daten zum Übergangsbereich, zu Bildungsgängen, die den Erwerb der Hochschulreife ermöglichen, oder zum Studium (vgl. Kapitel A4.1 und Kapitel A4.2).
Bei der BIBB-Erhebung zum 30. September handelt es sich um eine jährliche Totalerhebung aller neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge des dualen Systems zum Stichtag 30. September. Die Daten zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen werden dann mit Daten – ebenfalls zum Stichtag 30. September – aus der Geschäftsstatistik der Bundesagentur für Arbeit verbunden, um zeitnah zum Beginn des Ausbildungsjahres eine Analyse zum Angebot und der Nachfrage nach Ausbildungsplätzen anzufertigen (vgl. Kapitel A1 und Kapitel A2).
Auch bei der Berufsbildungsstatistik handelt es sich um eine jährliche Totalerhebung. Hier werden die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im dualen System zum Stichtag 31. Dezember differenziert nach Merkmalen der Auszubildenden, vorangegangenen beruflichen Vor- und Ausbildungen, Ausbildungsberufen und Ausbildungsstätten erfasst (vgl. Kapitel A5).
Bei den 3 genannten Datenquellen handelt es sich um separate Statistiken, Erhebungen bzw. Berichtssysteme, die unterschiedliche Daten zu verschiedenen Stichtagen erheben und dementsprechend andere Zustände und Prozesse der dualen Berufsausbildung beleuchten:
- Die iABE eignet sich insbesondere zur Einordung der dualen Berufsausbildung in den Kontext des gesamten (Aus-)Bildungsgeschehens, wenn z. B. die Zahl der Anfänger/-innen in Berufsausbildung der Zahl der Studienanfänger/-innen, den Anfängern und Anfängerinnen in schulischer Berufsausbildung oder denjenigen im Übergangsbereich gegenübergestellt werden soll.
- Die BIBB-Erhebung zum 30. September wird insbesondere in Verbindung mit Daten aus der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) zum 30. September genutzt. Aufgrund der Aktualität der Daten können zeitnahe Berechnungen von Angebot und Nachfrage im dualen System vorgenommen werden.
- Die Berufsbildungsstatistik erfasst vertragsbezogene Einzeldaten und ermöglicht auf der Grundlage eines breiten Merkmalskatalogs detaillierte Betrachtungen – z. B. Analysen zu berufsstrukturellen Entwicklungen.
Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren (Bestandsdaten)
Für die Frage, in welchen Bildungssektoren sich die Jugendlichen eines bestimmten Alters befanden, ist es sinnvoll, die Jugendlichen einer Altersgruppe (Bestandsdaten) in Relation zur Wohnbevölkerung im entsprechenden Alter zu setzen (z. B. Jugendliche in dualer Berufsausbildung nach BBiG/HwO im Alter von 15 bis 24 Jahren zur Wohnbevölkerung im Alter von 15 bis 24 Jahren).
Die Anteile variieren deutlich, je nachdem welche Altersgruppe betrachtet wird. Hier wurde die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen gewählt. Diese Altersgruppe steht im Zentrum der Berichterstattung des gesamten Datenreports.
Bei der nachfolgenden Betrachtung muss berücksichtigt werden, dass sich Jugendliche unterschiedlich lange in den verschiedenen Bildungsangeboten befinden. Während die Ausbildungszeit der meisten Ausbildungsgänge nach BBiG/HwO 3 Jahre beträgt (vgl. Kapitel A3.1), kann ein Studium mehr als 5 Jahre dauern. Maßnahmen des „Übergangsbereichs“ sind zum Teil sogar nur von unterjähriger Dauer. Das heißt, ein Jugendlicher in dualer Ausbildung wird in der Regel in 3 aufeinanderfolgenden Erhebungsjahren im Bestand des Sektors „Berufsausbildung“ erfasst, während ein Teilnehmer einer Maßnahme im „Übergangsbereich“ in dieser i. d. R. nur in einem Jahr gezählt wird.
Schaubild A4.1-1 gibt einen Überblick über die Bildungs- und Erwerbsstationen von Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren im Jahr 2015. In diese Betrachtung der Alterskohorten flossen Daten der iABE, der Bevölkerungsfortschreibung des Statistischen Bundesamtes sowie Daten des Mikrozensus ein. Weil den genutzten Datenquellen u. a. unterschiedliche Stichtage und Datenerhebungsverfahren zugrunde liegen, handelt es sich hier um eine Schätzung. Die im Schaubild A4.1-1 ausgewiesenen Prozentwerte wurden daher auf ganze Zahlen gerundet, um den Schätzcharakter transparent zu machen.
In der Grafik wurde von links nach rechts das (Aus-)Bildungsgeschehen entsprechend der iABE dargestellt. Dieses fasst alle (Aus-)Bildungsstationen zusammen, die Jugendlichen nach dem Verlassen der allgemeinbildenden Schule (Sekundarstufe I) offenstanden.
Um auch die Stationen außerhalb des (Aus-)Bildungsgeschehens für eine Altersklasse möglichst vollständig zu dokumentieren, wurden darüber hinaus auch andere Bildungsstationen ausgewiesen:
- Jugendliche, die sich in der Sekundarstufe I der allgemeinbildenden Schule befanden, und
- Jugendliche, die bereits eine vollqualifizierende Berufsausbildung abgeschlossen hatten und eine Weiterbildung an einer beruflichen Schule absolvierten.
Die Jugendlichen im (Aus-)Bildungsgeschehen sowie die Jugendlichen, die sich in der Sekundarstufe I oder in Weiterbildung befanden, bilden im Folgenden zusammen die Gruppe von Jugendlichen in formaler Bildung.
In der rechten Hälfte des Schaubilds A4.1-1 werden darüber hinaus Jugendliche ausgewiesen, die sich nicht in Bildung befanden, sondern als Erwerbstätige, Erwerbslose oder Nichterwerbspersonen erfasst wurden. Darüber hinaus wird unterschieden, ob diese Personengruppen bereits erfolgreich eine formale Qualifizierung im (Aus-)Bildungsgeschehen durchlaufen haben oder nicht.
Betrachtet wird zunächst die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen, die sich im Jahr 2015 in formaler Bildung befanden:
Die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO stellte mit einem Anteil von 14 % an der gleichaltrigen Wohnbevölkerung in der gewählten Altersgruppe eine bedeutende Qualifikationsstation für die Altersgruppe dar. Sie steht mit den tief gehenden Analysen zu Angebot- und Nachfrage (vgl. Kapitel A1 und Kapitel A2), den Ausführungen zu den Neuordnungen von Berufen (vgl. Kapitel A3) sowie den Analysen zu berufsstrukturellen Entwicklungen (vgl. Kapitel A5) im Zentrum der Berichterstattung des Datenreports.48
Schaubild A4.1-1: Anteil der Jugendlichen in den Bildungssektoren und -konten nach Altersjahren 2015 in % (Bestandsdaten)
Darüber hinaus befanden sich rund 4 % der 15- bis 24-Jährigen in Angeboten schulischer Berufsausbildung. Hierzu zählen die Ausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen, in denen sich rund 3 % der Altersgruppe befanden, beispielsweise in Ausbildungen zum/zur Gesundheits- und Krankenpfleger/-in, Altenpfleger/-in oder Erzieher/-in. Bedingt durch den demografischen Wandel und den Rechtsanspruch auf einen U3-Betreuungsplatz besteht hier bereits heute ein großer Fachkräftemangel. Darüber hinaus befand sich 1 % der Jugendlichen in anderen Formen der schulischen Berufsausbildung, z. B. als Kaufmännischer/Kaufmännische Wirtschaftsassistent/-in oder Gestaltungstechnischer/Gestaltungstechnische Assistent/-in oder in einer Beamtenausbildung im mittleren Dienst. Auf die berufsstrukturellen Entwicklungen in der schulischen Berufsausbildung wird in Kapitel A6.1 genauer eingegangen.
In teilqualifizierenden Maßnahmen des „Übergangsbereichs“ befanden sich rund 3 % der Jugendlichen zwischen 15 und 24 Jahren. Hierzu zählen alle Maßnahmen, die das Ziel der Vorbereitung auf oder der Integration in Berufsausbildung haben, beispielsweise die berufsvorbereitenden Maßnahmen der BA (BvB) oder Maßnahmen der Berufsorientierung (vgl. Kapitel A9.4).
Eine Höherqualifizierung – ob über den „Erwerb der Hochschulreife“ (16 %), ein „Studium“ (17 %) oder eine „Weiterbildung“ (1 %) – strebten insgesamt rund 34 % der 15- bis 24-Jährigen an. Zu den Studierenden zählen sowohl junge Menschen, die ihr Studium „traditionell“ an Hochschulen oder Verwaltungsfachhochschulen absolvieren, als auch diejenigen, die dual an Hochschulen und Berufsakademien studieren. Zu den Entwicklungen des dualen Studiums sowie den Herausforderungen der statistischen Erfassung von dual Studierenden finden sich tiefer gehende Analysen in Kapitel A6.2.49
Unter den Jugendlichen, die sich außerhalb der formalen Bildung befanden, stellten die erwerbstätigen Jugendlichen, die bereits einen formalen Bildungsabschluss erworben haben, mit 13 % die größte Untergruppe dar. Zu den Erwerbstätigen zählen nach der Definition der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) alle Personen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, selbstständig ein Gewerbe oder eine Landwirtschaft betreiben oder als mithelfende Familienangehörige im Betrieb eines Verwandten mitarbeiten. Da dieser Gruppe auch Personen angehören, die eine geringfügige Tätigkeit (Minijob) ausüben, als Aushilfe nur vorübergehend beschäftigt sind oder einem Ein-Euro-Job nachgehen, werden hier – abweichend vom Normalarbeitsverhältnis – auch atypische Beschäftigungsformen erfasst (vgl. Kapitel A10).
Rund 3 % der Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren gingen einer Erwerbstätigkeit nach, ohne zuvor einen formalen Bildungsabschluss erhalten zu haben. Darüber hinaus befanden sich weitere 2 % der Altersgruppe weder in formaler Bildung, noch waren sie erwerbstätig (Not in Education or Employment – NEEDs). Über die Gruppe der jungen Erwachsenen ohne Berufsausbildung wird ausführlich in Kapitel A1150 berichtet, Analysen zu NEET-Quoten im internationalen Vergleich finden sich in Kapitel D1.2.
Für die sonstigen 12 % konnte der Verbleib statistisch nicht geklärt werden. Hierzu lagen entweder keine Daten vor, oder die Daten konnten nicht überschneidungsfrei in die Kohortenbetrachtung aufgenommen werden. Zu den Sonstigen zählen z. B. Jugendliche, die ein Praktikum absolvieren, Jugendliche, die nach dem Abitur ein „Gap-Year“, also ein Jahr zur beruflichen und persönlichen Orientierung im Inland oder Ausland, absolvieren, Jugendliche in Arbeitsgelegenheiten mit Qualifizierungsanteil nach SGB II oder Jugendliche in gesellschaftlichen Diensten, wie beispielsweise dem Bundesfreiwilligendienst oder dem freiwilligen Wehrdienst.51
Betrachtet man die einzelnen Altersgruppen, so unterscheidet sich die Verteilung auf die Bildungsbereiche dem Lebensverlauf folgend erheblich von Jahrgang zu Jahrgang. Es zeigt sich eine deutliche qualifikationsspezifische Prägung der unterschiedlichen Altersgruppen:
- In der Altersgruppe der 15-Jährigen befanden sich noch 77 % der Jugendlichen in der „Sekundarstufe I“.
- Im Alter von 17 Jahren strebten rund 50 % der Jugendlichen eine Hochschulzugangsberechtigung an. Auch war der Anteil der Jugendlichen im „Übergangsbereich“ mit 11 % in diesem Alter am höchsten.
- Unter den 19-Jährigen befanden sich die meisten Jugendlichen in „Berufsausbildung“ (27 %).
- In der Altersgruppe der 22-Jährigen dominierten mit 29 % die Studierenden.
- Unter den 23-Jährigen befanden sich bereits 31 % junge Erwerbstätige, die bereits eine formale Qualifikation erworben hatten.
- Im Alter von 24 Jahren befanden sich noch 6 % Jugendliche, die weder formal qualifiziert noch erwerbstätig waren.
Anfänger/-innen in den Bildungssektoren
Im Folgenden wird eine altersunabhängige Betrachtung aller Anfänger/-innen im (Aus-)Bildungsgeschehen vorgenommen. Diese Betrachtung fokussiert nicht wie das Schaubild A4.1-1 auf eine spezifische Altersgruppe, sondern nimmt zeitgleich alle Anfänger/-innen in den Blick. Durch diese Betrachtung kann verglichen werden, inwiefern die unterschiedlichen Bildungssektoren nachgefragt wurden, um z. B. Ausbildungskapazitäten zu planen oder Bildungstrends zu identifizieren.
Hier wurden die Anfänger/-innen eines Sektors ins Verhältnis zu allen Anfängern und Anfängerinnen des (Aus-)Bildungsgeschehens gesetzt (z. B. Anfänger/-innen im Sektor „Berufsausbildung“ zu allen Anfängern und Anfängerinnen im [Aus-]Bildungsgeschehen).
Indikatoren der iABE und des Berichts „Bildung in Deutschland“ im Vergleich
Auch der Bericht „Bildung in Deutschland“ nutzt Daten der iABE. Obwohl beide Berichtssysteme die gleichen Daten referieren, haben die Indikatoren einen anderen Fokus: Die Bezugsgrößen bilden unterschiedliche Grundgesamtheiten ab.
Die Anfänger/-innen im Sektor „Berufsausbildung“ ergeben in Bezug zu den Anfängerinnen und Anfängern in den 4 iABE-Bildungssektoren den Indikator „Relative Bedeutung des Bildungssektors Berufsausbildung“; dieser beträgt 35,0 % (2015).
Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung fokussiert auf das „berufliche Ausbildungssystem“ und unterscheidet dort 3 Sektoren: duales System, Schulberufssystem, Übergangssystem. Daher weist der Bericht „Bildung in Deutschland“ eine Quote der Neuzugänge ins duale System mit 50,2 % aus (2015) – als Anteil der Neuzugänge ins duale System an der Summe aller Neuzugänge ins Ausbildungssystem (Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2016, S. 102).
Im Jahr 2016 begannen 34,7 % (705.407) der Anfänger/ -innen des (Aus-)Bildungsgeschehens eine vollqualifizierende Berufsausbildung. Von diesen starteten 68,1 % eine duale Ausbildung nach BBiG/HwO, 31,9 % begannen eine schulische Berufsausbildung. Hiervon entfielen 24,7 % auf Berufsausbildungen in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen. In den „Übergangsbereich“ mündeten 298.781 Jugendliche (14,7 %) ein. 25,4 % (514.875) strebten den Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung (HZB) an. Zugleich begannen 25,2 % ein „Studium“ (511.020) Schaubild A4.1-2.
Die Sektoren zeichneten sich jedoch durch sehr unterschiedliche Entwicklungsdynamiken aus. Betrachtet man die Veränderung der Anfängerzahlen für die einzelnen Bildungssektoren und -konten zwischen 2005 und 2016, so zeigen sich unterschiedliche Trends: Während die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO bis zum Jahr 2007 eine positive Entwicklung vorwies, verzeichnete sie u. a. als Folge der Wirtschaftskrise einen Einbruch im Jahr 2009. Gegenüber dem Höchststand im Jahr 2007 zeigte sich ein Rückgang um rund 10,6 %.
Die Anzahl der Anfänger/-innen in den schulischen Berufsausbildungen in Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen ist hingegen seit 2005 fast kontinuierlich gestiegen und verzeichnete ein Plus von 22,2 %. Die sonstigen vollzeitschulischen Berufsausbildungen haben sich im selben Zeitraum rückläufig entwickelt (-35,7 %). Insgesamt verzeichnete der Sektor „Berufsbildung“ einen Rückgang von rund 34.000 Anfängerinnen und Anfängern (-4,6 %).
Die Zahl der Anfänger/-innen im „Übergangsbereich“ hat sich zwischen 2005 und 2014 kontinuierlich reduziert (-165.000 bzw. rund 40 %). Dieser Rückgang vollzog sich größtenteils parallel zur demografischen Entwicklung. Im Jahr 2014 stiegen die Zahlen jedoch erstmals wieder an und verzeichneten gegenüber dem Jahr 2016 ein Plus von 18 % bzw. rund 46.000 Anfängerinnen und Anfängern. Dieser Anstieg war vor allem auf die zunehmende Zahl von Flüchtlingen zurückzuführen, die insbesondere in Programme zum Erlernen der deutschen Sprache in den „Übergangsbereich“ einmündeten (vgl. Kapitel C).
Die steigenden Zahlen der Anfänger/-innen im Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ (+13,3 %) und „Studium“ verweisen auf einen Trend zur Höherqualifizierung (+39,5 %). Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass in den letzten Jahren die Umstellung auf das 8-jährige Gymnasium (G8) – zeitversetzt in den einzelnen Bundesländern52 – doppelte Entlassjahrgänge nach der Sekundarstufe I bzw. nach dem Abitur hervorgebracht hat. Im (Aus-)Bildungsgeschehen stiegen in den entsprechenden Jahren die Einmündungen in den Sektoren „Erwerb der HZB (Sek II)“ (verkürzte Mittelstufe) und „Studium“ (doppelte Abiturjahrgänge). Im Jahr 2010 zeigte sich beispielsweise der Ausschlag des bevölkerungsreichsten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen im Sektor „Erwerb der HZB (Sek II)“ sowie 3 Jahre später im Sektor „Studium“. Inzwischen ist die Umstellung auf das 8-jährige Gymnasium in fast allen Bundesländern erfolgt, entsprechend stabilisierte sich auch die Zahl der Anfänger/-innen in beiden Sektoren.
Die größte Dynamik wies der Sektor „Studium“ auf. Neben den Effekten des 8-jährigen Gymnasiums wird die Zahl der Studienanfänger/-innen auch durch die Zahl der Bildungsausländer/-innen53 beeinflusst. Hierbei handelt es sich um ausländische Studierende, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben und ein Studium in Deutschland aufgenommen haben. Das Statistische Bundesamt verzeichnete 98.800 Bildungsausländer/-innen für das Jahr 2015, im Jahr 2005 waren es nur 55.620. Ihre Zahl hat sich demnach gegenüber dem Jahr 2005 um 77,6 % erhöht (Statistisches Bundesamt 2016).
Vergleicht man die Anfänger/-innen in dualer Berufsausbildung mit denjenigen im Studium und berücksichtigt dabei einerseits, dass Bildungsausländer/-innen aus dem Ausland hinzugekommen sind, aber gleichzeitig auch deutsche Jugendliche ein Studium im Ausland aufgenommen haben (Dionisius/Illiger 2015, S. 43), so zeigt sich, dass noch immer mehr Anfänger/-innen eine duale Berufsausbildung aufgenommen als ein Studium begonnen haben Schaubild A4.1-3. Auch wurde der Sektor „Berufsausbildung“ – zu dem sowohl die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO als auch die schulischen Berufsausbildungen gehören – von insgesamt mehr Jugendlichen nachgefragt.
Zusammenfassend kann man festhalten, dass die Daten der iABE einen Trend zur Höherqualifizierung ausweisen. Dieser Trend ist für den Betrachtungszeitraum 2005 bis 2014 auch unter Kontrolle von Ländervarianzen, Schulabgängerinnen und -abgängern, Bildungsausländern und -ausländerinnen und Ausbildungsplatzangebot stabil (vgl. Dionisius/Illiger 2017). Allerdings zeigt sich unter Kontrolle dieser Faktoren keine Abwendung von der dualen Berufsausbildung nach BBiG/HwO. Dies ist vermutlich dadurch zu erklären, dass im Betrachtungszeitraum die Quote der nicht formal Qualifizierten rückläufig war und sich auch die Zahl der Jugendlichen im „Übergangsbereich“ reduziert hat. Gleichzeitig lassen die seit dem Jahr 2014 wieder ansteigenden Zahlen im „Übergangsbereich“ sowie der leichte Anstieg der Ungelerntenquote (vgl. Kapitel A11) vermuten, dass dieses Nachfragerreservoir für die duale Berufsausbildung inzwischen erschöpft sein dürfte.
Schaubild A4.1-2: Entwicklung der Sektoren des Ausbildungsgeschehens 2005 bis 2016 – absolut und relativ (100% = alle Anfänger/-innen im Ausbildungsgeschehen)
Schaubild A4.1-3: Anfänger/-innen in Berufsausbildung und Studium im Vergleich
Unterschiede der Bildungssektoren im Hinblick auf Geschlecht, Nationalität und schulische Vorbildung
Nachfolgend werden in Tabelle A4.1-1 und Tabelle A4.1-2 die Sektoren des (Aus-)Bildungsgeschehens im Hinblick auf die der iABE zur Verfügung stehenden Merkmale Geschlecht, Nationalität und schulische Vorbildung verglichen.
Das (Aus-)Bildungsgeschehen unterschied sich in der Aufteilung der Geschlechter kaum vom Bevölkerungsdurchschnitt: Vergleicht man die Geschlechteranteile der Sektoren und Konten des (Aus-)Bildungsgeschehens mit dem Bevölkerungsdurchschnitt, so zeigt sich im „Studium“ (50,5 %) und in der Berufsausbildung (49,6 %) ein ausgeglichenes Verhältnis der Geschlechter. Hinter dem ausgeglichenen Verhältnis in der Berufsausbildung verbergen sich aber große Unterschiede: Während die duale Berufsausbildung eher männlich dominiert war (60,2 % männlich, 39,8 % weiblich), stellten sich die schulischen Berufsausbildungen insbesondere in den Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialberufen (GES-Berufe, 77,9 % Frauen) als stark weiblich dominiert dar. Der Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ wurde mit insgesamt 52,8 % etwas stärker von jungen Frauen besucht. Im Sektor „Integration in Ausbildung (Übergangsbereich)“ hingegen war der Frauenanteil unterdurchschnittlich hoch (34,7 %). Betrachtet man die Entwicklung der Frauenanteile zwischen 2005 und 2016 in den Sektoren, so zeigt sich, dass die Anteile nur geringfügig schwankten.
Auch spiegelten die Anfänger/-innen im (Aus-)Bildungsgeschehen mit einem Ausländeranteil von 15,4 % im Jahr 201554 weitgehend die Struktur der deutschen und der nicht deutschen Bevölkerung in der Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen (14,8 %) wider. Die Sektoren und Konten wichen in ihrer Aufteilung allerdings deutlich davon ab: Der „Übergangsbereich“ wies mit 26,4 % den höchsten Anteil von Anfängerinnen und Anfängern ohne deutsche Staatsangehörigkeit auf. Der Sektor „Berufsausbildung“ (8,6 %) sowie der Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ (6,9 %) verzeichnete deutlich niedrigere Werte. Die Unterschiede zwischen der dualen Berufsausbildung nach BBiG/HwO und den schulischen Berufsausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen waren minimal. Der niedrigere Ausländeranteil (8,1 %) für die sonstige schulische Berufsausbildung entsteht durch die Zusammenfassung mit der Beamtenausbildung, welche nur deutsche Staatsbürger beginnen dürfen.
Der Sektor „Studium“ verzeichnete einen Ausländeranteil von 22,6 %. Dabei muss beachtet werden, dass sich unter den ausländischen Studienanfängerinnen und -anfängern rund 85 % sogenannte Bildungsausländer/-innen befanden; dies sind ausländische Studierende, die ihre Hochschulzugangsberechtigung im Ausland erworben haben.
Im Vergleich zum Jahr 2005 haben sich die Ausländeranteile in der Wohnbevölkerung erhöht. Dies spiegelt sich auch in den Entwicklungen der Ausländeranteile in den Bildungssektoren. Der Sektor „Berufsausbildung“ insgesamt als auch die duale Berufsausbildung nach BBiG/HwO sowie die schulischen Berufsausbildungen in GES-Berufen verzeichneten gegenüber dem Jahr 2005 einen Anstieg von rund 5 % auf rd. 10 %. In den sonstigen schulischen Berufsausbildungen stieg der Anteil von rund 7 % auf 8 %.
Der Ausländeranteil im Sektor „Studium“ erhöhte sich von rund 18 % im Jahr 2005 auf 23 % im Jahr 2015. Hierbei ist wie oben bereits berichtet zu berücksichtigen, dass auch die Zahl der Bildungsausländer/-innen gegenüber dem Jahr 2005 deutlich gestiegen ist (+77 %).
Einen deutlichen Anstieg der Ausländeranteile verzeichnete der „Übergangsbereich“. Hier sind die Anteile von rund 14 % im Jahr 2005 auf 26 % im Jahr 2015 gestiegen. Ein wesentlicher Faktor für den sprunghaften Anstieg seit dem Jahr 2014 ist, dass verstärkt Geflüchtete in den „Übergangsbereich“ eingemündet sind.55
Die Ausländeranteile für den Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ und somit auch für das (Aus-)Bildungsgeschehen insgesamt können aufgrund fehlender Werte erst ab dem Berichtsjahr 2009 ausgewiesen werden. Seit dem Jahr 2009 hat sich der Ausländeranteil im Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ um ein Prozentpunkt erhöht.
Tabelle A4.1-1: Anfänger/-innen in den Sektoren und Konten der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) – Bundesübersicht 2005 bis 2016 (Teil 1)
Tabelle A4.1-1: Anfänger/-innen in den Sektoren und Konten der integrierten Ausbildungsberichterstattung (iABE) – Bundesübersicht 2005 bis 2016 (Teil 2)
Tabelle A4.1-2: Anfänger/-innen in den Bildungssektoren nach ausgewählten Merkmalen
Schulische Vorbildung
Mit dem Merkmal „schulische Vorbildung“ erfasst die iABE den höchsten allgemeinbildenden Schulabschluss. Die Ausprägungen sind: allgemeine Hochschulreife, Fachhochschulreife, Realschul- oder gleichwertiger Abschluss, Hauptschulabschluss und ohne Hauptschulabschluss. Anders als in der Berufsbildungsstatistik wird die berufliche Vorbildung (vgl. Kapitel A5.5.1) nicht erfasst.
Da die Sektoren sich entsprechend ihren Bildungszielen voneinander abgrenzen, unterscheiden sie sich auch bezüglich des Merkmals „Vorbildung“ Tabelle A4.1-2.
Schaubild A4.1-4: Entwicklung der Ausländeranteile in den Bildungssektoren 2005 bis 2015 (in %)
- Sektor „Berufsausbildung“
Für die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung müssen junge Menschen keinen formalen Schulabschluss mitbringen, in den Schulberufen sieht das z. T. anders aus. Entsprechend war der Anteil der Anfänger/-innen ohne (3,7 %) und mit Hauptschulabschluss (24,6 %) in der dualen Berufsausbildung höher als in den schulischen Berufsausbildungen. Unter den Anfängerinnen und Anfängern in den sonstigen schulischen Berufsausbildungen, hinter denen sich in der Regel sogenannte Assistentenausbildungen verbergen, verfügten 83,0 % über einen mittleren Abschluss, nur 7,4 % begannen eine Ausbildung mit Hauptschulabschluss. Der Anteil der Anfänger/ -innen ohne Hauptschulabschluss lag bei 0,4 %. In den schulischen Berufsausbildungen im Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesen verfügte gut ein Viertel der Anfänger/-innen sogar über das (Fach-)Abitur. Hierzu geben die Kapitel A5.5.1 und Kapitel A6 tiefer gehende Auskunft. Dort werden u. a. berufsstrukturelle Unterschiede auch im Hinblick auf die schulische Vorbildung der Anfänger/-innen erläutert.
- Sektor „Integration in Ausbildung (Übergangsbereich)“
Der Großteil der jungen Menschen im Übergangssektor (42,6 %) hat die Schule mit Hauptschulabschluss verlassen, 22,7 % aller Anfänger/-innen verfügten sogar über einen Realschul- oder gleichwertigen Abschluss. Nur ein vergleichsweise geringer Anteil konnte keinen Schulabschluss vorweisen (25,7 %).
- Sektor „Erwerb der Hochschulreife (Sek II)“
Eine Hochschulzugangsberechtigung streben i. d. R. junge Menschen mit der Eingangsvoraussetzung Realschulabschluss an. Durch die Umstellung auf G8 wird der Realschulabschluss in einigen Bundesländern jedoch erst nach der 10. Klasse, der sogenannten „Einführungsphase der gymnasialen Oberstufe“, vergeben, sodass Jugendliche mit Beendigung der Mittelstufe nur über einen Hauptschulabschluss verfügen. Dies erklärt den Anteil von 0,4 % mit Hauptschulabschluss.
- Sektor „Studium“
Die Aufnahme eines Studiums setzt i. d. R. den Abschluss der fachgebundenen oder allgemeinen Hochschulreife voraus; der Großteil besaß die allgemeine Hochschulreife (81 %). Knapp ein Fünftel der Studienanfänger/-innen (17 %) immatrikulierte sich mit der Fachhochschulreife. Die Daten weisen nur einen kleinen Teil von Studienanfängerinnen und -anfängern aus, die keine Angaben zur Vorbildung machten (1,8 %). Hierzu zählen auch diejenigen, die über einen Berufsabschluss, verbunden mit entsprechender Praxiserfahrung, an die (Fach-)Hochschulen gelangten.
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Die Darstellungen in diesen Kapiteln basieren auf den Daten der BIBB-Erhebung zum 30. September und der Berufsbildungsstatistik der statistischen Ämter des Bundes und der Länder. Sie basieren auch auf anderen Indikatoren, insofern kommt es zu leichten Abweichungen zwischen den Ergebnissen.
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Die Auswertungen in Kapitel A6.2 beruhen auf einer anderen Datengrundlage. Die Daten stimmen daher nicht überein.
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Dort steht jedoch, anders als in diesem Überblick, die Altersgruppe der 29- oder 34-Jährigen im Zentrum der Berichterstattung.
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Da es sich beim Mikrozensus nicht um eine Vollerhebung handelt, sind Daten für eine einzelne Personengruppe nach Alter zum Teil unsicher. Auf eine Ausweisung wird hier daher verzichtet.
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Doppelte Abiturjahrgänge: 2007 Sachsen-Anhalt; 2008 Mecklenburg-Vorpommern; 2009 Saarland; 2010 Hamburg; 2011 Bayern, Niedersachsen; 2012 Baden-Württemberg, Berlin, Brandenburg, Bremen; 2013 Hessen (1,5-facher Jahrgang), Nordrhein-Westfalen; 2016 Schleswig-Holstein (vgl. Kultusministerkonferenz 2017).
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Daten für 2016 liegen noch nicht vor.
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Daten zu Ausländerinnen und Ausländern für 2016 liegen nicht für alle Bundesländer vor, daher werden hier Daten für 2015 verwendet. Die Schnellmeldung 2016 weist zwar Ausländerdaten für das Jahr 2016 aus, für einige Bundesländer liegen allerdings nur Vorjahresdaten (Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland) bzw. Daten für 2013 (Bremen) vor. Die Berechnung der deutschen Jugendlichen im Übergangsbereich als Differenz der Summe aller Anfänger/-innen im Übergangsbereich minus der ausländischen Jugendlichen im Übergangsbereich ist daher aus methodischen Gründen nicht sinnvoll.
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Daten zu Ausländerinnen und Ausländern für 2016 liegen nicht für alle Bundesländer vor, daher werden hier Daten für 2015 verwendet. Die Schnellmeldung 2016 weist zwar Ausländerdaten für das Jahr 2016 aus, für einige Bundesländer liegen allerdings nur Vorjahresdaten (Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Saarland) bzw. Daten für 2013 (Bremen) vor. Die Berechnung der deutschen Jugendlichen im Übergangsbereich als Differenz der Summe aller Anfänger/-innen im Übergangsbereich minus der ausländischen Jugendlichen im Übergangsbereich ist daher aus methodischen Gründen nicht sinnvoll.