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Die Darstellungen in Kapitel A4.1 bezogen sich auf die Gesamtwerte für Deutschland. Es ist aber wichtig zu wissen, dass sich die Gesamtwerte der Bildungssektoren zum Teil aus sehr unterschiedlichen Länderprofilen zusammensetzen. Wie bedeutsam die Bildungssektoren im jeweiligen Land sind, ist insbesondere abhängig von dem Umgang mit erfolglosen Ausbildungsstellenbewerberinnen und -bewerbern, der demografischen Entwicklung sowie der Situation am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt.

Schaubild A4.2-1 zeigt für jedes Bundesland ein Histogramm. In diesem werden die Anfänger/-innen in den jeweiligen Bildungssektoren, gemessen an allen Anfängerinnen und Anfängern im (Aus-)Bildungsgeschehen, dargestellt. Diese Sektorenanteile werden dabei für die Jahre 2005 und 2016 in unterschiedlichen Farben visualisiert.

Anhand ausgewählter Bundesländer werden im Folgenden zunächst die unterschiedlichen Länderprofile exemplarisch beleuchtet. In einem zweiten Schritt geht es darum, die verschiedenen Entwicklungsdynamiken in den Ländern beispielhaft aufzuzeigen.

Schaubild A4.2-1: Sektorenanteile in den Bundesländern 2005 und 2016 im Vergleich (100% = Anfänger/-innen in allen Sektoren)

Länderprofile

Ein auffallendes Profil zeigt zum Beispiel das Land Baden-Württemberg. Für den Sektor „Berufsausbildung“ wies es mit 28,7 % den niedrigsten Anteil aller Anfänger/-innen aus. Gleichzeitig verzeichnete es den höchsten Anteil im „Übergangsbereich“ (21,7 %). Die Sektoren „Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung“ und „Studium“ lagen mit jeweils knapp 25 % im Mittelfeld der anderen Bundesländer. Auf Basis dieser Daten könnte vermutet werden, dass ausbildungsinteressierte Jugendliche in Baden-Württemberg entweder zu großen Teilen als nicht „ausbildungsreif“ eingestuft oder als sogenannte „Marktbenachteiligte“ in den „Übergangsbereich“ gedrängt wurden. Die wirtschaftliche Situation des Landes sowie die Einmündungsquote der ausbildungsinteressierten Jugendlichen (EQI) in die duale Berufsausbildung war 2016 in Baden-Württemberg (69,7 %) jedoch besser als im Bundesdurchschnitt (64,7). Eine Erklärung für diese widersprüchlichen Daten findet sich unter anderem in den Besonderheiten der baden-württembergischen Ausbildungstradition: Ein Teil der Jugendlichen absolviert zunächst einen Bildungsgang an einer Berufsfachschule, der formal dem „Übergangsbereich“ zugerechnet wird – obwohl Ausbildungs(vor)verträge mit Betrieben vorliegen (siehe auch Landesinstitut für Schulentwicklung und Statistisches Landesamt Baden-Württemberg 2011, S. 158  ff.).

  • Den höchsten Anteil im Sektor „Berufsausbildung“ verzeichnete das Bundesland Sachsen-Anhalt (41,9 %). Gleichzeitig war der Anteil der Anfänger/ -innen im „Übergangsbereich“ im Vergleich zum Bundesmittel (14,7 %) mit 12,2 % geringer. Auch die Anteile der Anfänger/-innen im Sektor „Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung“ (22,0 %) sowie „Studium“ (23,9 %) lagen etwas unter dem Bundesdurchschnitt. Ähnliche Profile zeigen auch die anderen östlichen Bundesländer. Diese Unterschiede können zum Teil auf den unterschiedlichen „institutionellen Umgang“ mit erfolglosen Ausbildungsplatzbewerberinnen und -bewerbern (Eberhard/Ulrich 2011) zurückgeführt werden: Jugendliche, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommen, münden in Ostdeutschland vor allem in vollqualifizierende schulische oder außerbetriebliche Berufsausbildungen ein. Sie werden entsprechend im Sektor „Berufsausbildung“ gezählt. Daneben spielt auch die demografische Entwicklung eine Rolle. In den östlichen Ländern ist der Rückgang der Geburten- wie der Schülerzahlen schon weit fortgeschritten und hat zu einer stärkeren Entlastung der Ausbildungsnachfrage geführt, als dies im Westen der Fall ist Tabelle A4.2-1. So verzeichneten die neuen Bundesländer zwischen 2005 und 2015 40,9 % weniger Jugendliche im Alter von 15 bis 24 Jahren; im gleichen Zeitraum ist die Anzahl der Jugendlichen in den westlichen Ländern annährend stabil geblieben.
  • Für das Bundesland Berlin fällt der überdurchschnittlich hohe Anteil der Studienanfänger/-innen ins Auge (36,7 %). Berlin als Hauptstadt und Stadtstaat zieht eine Vielzahl von Studienanfängerinnen und -anfängern aus dem Umland und anderen Bundesländern an. Daneben ist Berlin auch bei ausländischen Studierenden beliebt. Der Anteil der Bildungsausländer/ -innen war hier am höchsten. Im Hinblick auf den Anteil der Anfänger/-innen im „Übergangsbereich“ (9,6 %) wies Berlin vergleichsweise niedrige Anteile aus; hier muss jedoch berücksichtigt werden, dass die Jugendarbeitslosenquote überdurchschnittlich hoch war (10,0 %). Der niedrige Wert darf folglich nicht dazu verleiten, die Situation in Berlin als unproblematisch anzusehen. Dies zeigen auch die vergleichsweise niedrigen Anteile im Sektor „Berufsausbildung“ (31,5 %) sowie die vergleichsweise hohe Anzahl unversorgter Jugendlicher (vgl. Kapitel A2).

Veränderungen in den Ländern

Nachfolgend werden die Entwicklungen zwischen 2005 und 2016 in den Bundesländern beleuchtet. Hierzu werden die Veränderungen der Sektorenanteile (Länderprofile) sowie der absoluten Zahlen der Anfänger/-innen in den Sektoren miteinander verglichen. Betrachtet man zunächst die Veränderung der Sektorenanteile (Länderprofile), so zeigt sich über alle Bundesländer hinweg ein Trend zur Höherqualifizierung. Während die Anteile der Anfänger/-innen im Sektor „Berufsausbildung“ und im „Übergangsbereich“ zurückgingen, stiegen die Anteile der Sektoren „Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung“ und „Studium“. Überdurchschnittlich stellte sich dieser Trend in den ostdeutschen Ländern dar. In Mecklenburg-Vorpommern sanken beispielsweise die Anteile der Anfänger/-innen im Sektor „Berufsausbildung“ um 10,7 Prozentpunkte sowie im „Übergangsbereich“ (-6,2  Prozentpunkte), während gleichzeitig die Anteile der Sektoren „Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung“ (+6,4  Prozentpunkte) und „Studium“ (+10,5 Prozentpunkte) stiegen. Vergleichsweise moderate Sektorenverschiebungen gab es in den westdeutschen Ländern. Die geringsten Verschiebungen verzeichnete Schleswig-Holstein: „Berufsausbildung“ -1,4 Prozentpunkte, „Übergangs­bereich“ -5,3  Prozentpunkte, „Erwerb der Hochschul­zugangsberechtigung“ +4,5 Prozentpunkte und „Stu­dium“ +2,2  Prozentpunkte.

Die Ost-West-Unterschiede spiegeln sich auch in den Veränderungen der absoluten Zahlen Tabelle A4.2-1. Auch diese Zahlen zeigen, dass die Länder im Osten eine ähnliche und vergleichsweise starke Dynamik vorwiesen. Besonders auffallend waren die Veränderungen im „Übergangsbereich“ (-48,2 %). Bedingt durch den demografischen Wandel sank die Zahl der Jugendlichen im Alter von 15 bis 24 Jahren im Osten Deutschlands um 40,9 %. Verbunden mit einer gleichzeitig beinahe ausgeglichenen Angebots-Nachfrage-Relation (ANR 97,4) verbesserten sich die Chancen der Jugendlichen, in eine vollqualifizierende Berufsausbildung einzumünden. Aber auch im Sektor „Berufsausbildung“ sind die Zahlen rückläufig (-33,1 %). Neben dem demografischen Effekt spielt hier auch der Trend zur Höherqualifizierung eine Rolle. Im Sektor „Hochschulzugangsberechtigung“ fiel der Rückgang der Anfänger/-innen entsprechend moderater aus (-11,7 %), der Sektor „Studium“ verzeichnete sogar einen Anstieg der Anfänger/-innen um 22,3 %.

In den westlichen Ländern war die Veränderung der Anfänger/-innen in den Sektoren insgesamt weniger stark und variabler. Auch hier verzeichnete der „Übergangsbereich“ in allen Bundesländern einen Rückgang (-25,1 %). Während aber der „Übergangsbereich“ in Hamburg um 47,2 % rückläufig war, sank die Zahl in Schleswig-Holstein hingegen nur um 5,0 %. Im Sektor „Berufsausbildung“ zeigen sich sogar unterschiedliche Entwicklungsrichtungen: Während Hamburg einen Anstieg von 21,5 % nachwies, sank die Zahl in Baden-Württemberg um 10,3 %.

Der Sektor „Erwerb der Hochschulreife“ verzeichnete in allen Bundesländern – außer im Saarland (-7,6 %)  – einen Anstieg der Anfänger/-innen. Besonders stark veränderten sich die Zahlen in Schleswig-Holstein (+46,5 %). Das „Studium“ legte in allen Bundesländern deutlich zu. Auffallend ist der starke Zuwachs an Stu­dienanfängerinnen und -anfängern in Berlin (+66,3 %). Neben dem Trend zur Höherqualifizierung zeigte sich hier die schon angesprochene Sogwirkung Berlins für Studierende aus dem Umland, aus anderen Bundes­ländern und aus dem Ausland.

Tabelle A4.2-1: Veränderung der Anfänger/-innen in den Sektoren 2005 bis 2016 nach Bundesländern in % (Basisjahr 2005)

Ergänzende Informationen – Metadaten

Als ergänzende Informationen (Metadaten) werden alle Informationen angesehen, welche helfen, die Daten besser zu interpretieren. Für die iABE gehören hierzu Informationen, die die Daten direkt ergänzen, z. B. Hinweise auf Datenlücken, Datenfehler, die Einführung von G8 oder die Umwidmung von Bildungsgängen. Des Weiteren helfen beispielsweise auch Hinweise zur demografischen Entwicklung, zur Lage am Ausbildungsstellenmarkt oder zu institutionellen Rahmenbedingungen, um Besonderheiten in den Ländern zu verstehen.

Diese Beispiele zeigen, dass bei der Interpretation der Daten immer auch die landesspezifischen Besonderheiten und Rahmenbedingungen – sogenannte Metadaten – berücksichtigt werden müssen.

(Regina Dionisius, Amelie Illiger)