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Tabelle A9.3-1 dokumentiert die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die berufliche Ausbildung von 2001 bis 2016. Es finden alle Aufwendungen Berücksichtigung, welche verursachungsgerecht in Zusammenhang mit der Entwicklung, Verbesserung, Durchführung und Förderung von Ausbildungsgängen nach § 1 Absatz 1 und 2 BBiG stehen. Ausgaben, die zwar einen Bezug zur beruflichen Bildung aufweisen, aber nach dem Verursacherprinzip nicht eindeutig dem Berufsbildungssystem zugerechnet werden können, sind nicht enthalten. Dies betrifft z. B. die Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe des Bundesministeriums für Familie, Senioren und Jugend (BMFSFJ), die teilweise zwar den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit so oder ähnlich auch durchgeführt würden, wenn ein Berufsbildungssystem nicht existierte.

Durch Kreuze wird in Tabelle A9.3-1 angedeutet, ob eine Ausgabenposition eher durch die anerkannten Berufsausbildungen des dualen Systems (DS), durch die Maßnahmen des Übergangssystems (ÜS) und/oder durch das Schulberufssystem (SBS) verursacht wird. Die Einteilung ist allerdings nicht exakt; eine Position kann Ausgaben für einen oder mehrere Bereiche enthalten. Zudem existiert keine eindeutige definitorische Abgrenzung des ÜS.197 Weiterhin schließen einige Einzelpositionen Aufwendungen für Weiterbildung in teilweise beträchtlichem Umfang ein (vgl. Kapitel B3.5). Durch Summierung der entsprechend markierten Zeilen der Tabelle erhält man infolge dieser Abgrenzungsschwierigkeiten jeweils lediglich eine Obergrenze der öffentlichen Gesamtausgaben für die berufliche Ausbildung in DS, ÜS und SBS. Die tatsächlich den jeweiligen Sektoren zurechenbaren Ausgabenvolumina liegen vermutlich niedriger.

Folgende weitere Hinweise sind bei der Interpretation der Tabelle sowie bei Vergleichen mit Vorjahren zu berücksichtigen:

Für die Bundesministerien sind alle Aufwendungen erfasst, die nach sachlichen Erwägungen der beruflichen Bildung zuzuordnen sind. Aufgrund des Funktionenplans werden sie in der Jahresrechnungsstatistik und im Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes zwar meist den Bereichen Weiterbildung und Arbeitsmarktpolitik zugerechnet. Faktisch dienen die in Tabelle A9.3-1 ausgewiesenen Positionen aber auch in signifikantem Umfang der Ausbildungsförderung. Sie sind an den Haushaltstiteln der Ministerien orientiert und fassen teilweise mehrere Förderprogramme und Maßnahmen zusammen.198 Da es regelmäßig zu Abgrenzungsänderungen kommt, kann die Entwicklung einzelner Haushaltstitel nur schwer im Zeitablauf interpretiert werden. Es ist aber ersichtlich, dass die Bundesausgaben insgesamt (insbesondere die des Bundesministeriums für Bildung und Forschung) im Jahr 2016 angestiegen sind. Der Anstieg ist größtenteils auf Maßnahmen zur Integration von geflüchteten Menschen in die berufliche Ausbildung zurückzuführen (vgl. Kapitel C). Die mit Abstand größte Ausgabenposition auf Bundesebene bilden jedoch die Unterhaltsleistungen an berufliche Vollzeitschüler/-innen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Letztere werden zu 100 % als Zuschuss gewährt. Bis Ende 2014 wurden sie zu 65 % vom Bund bzw. zu 35 % von den Ländern getragen. Seit 2015 übernimmt der Bund die vollständige Finanzierung.

Die Ausgaben der Länder und Kommunen für berufliche Schulen (Teilzeit- und Vollzeitberufsschulen, Berufsaufbauschulen, Berufsfachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, berufliche Gymnasien) sind der Jahresrechnungsstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen. Da die Belastung der öffentlichen Haushalte dargestellt werden soll, ist das Konzept der Grundmittel anzuwenden. Hier werden die Nettoausgaben mit den unmittelbaren Einnahmen der öffentlichen Hand verrechnet. Die vorläufigen Ist-Ausgaben im Jahr 2015 betrugen gut 7,7 Mrd. €.199 Für das Jahr 2016 wurden in den öffentlichen Haushalten knapp 8,0 Mrd. € veranschlagt. Nachdem die Ausgaben wegen sinkender Schülerzahlen seit 2010 rückläufig waren, ist im Jahr 2015 erstmals wieder ein leichter Anstieg zu verzeichnen. Beachtenswert ist, dass die Pro-Kopf-Ausgaben je Schüler/-in an beruflichen Schulen (inkl. Fachschulen) von 2010 bis 2015 um 5,0 % auf 4.979 € gestiegen sind.200 Dies gilt jedoch nicht für die reale Betrachtung: Bezogen auf den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex für Deutschland liegen die Pro-Kopf-Ausgaben noch immer um 1,8 % unter dem Niveau von 2010. Zieht man die Zahl der unterrichteten Stunden je Schulart im Ausbildungsjahr 2015/2016 als Verteilungsschlüssel heran, so entfallen geschätzte 2,9 Mrd. € von den für das Jahr 2016 eingestellten Haushaltsmitteln auf die Teilzeitberufsschulen. Mit den verbleibenden 4,4 Mrd. € werden weitere Schularten im beruflichen Bildungswesen finanziert, wie z. B. Berufsfachschulen, Fachgymnasien, Fachoberschulen, das Berufsvorbereitungsjahr und das Berufsgrundbildungsjahr.

Tabelle A9.3-1: Öffentliche Aufwendungen für die berufliche Ausbildung (Teil 1)

Tabelle A9.3-1: Öffentliche Aufwendungen für die berufliche Ausbildung (Teil 2)

Die landeseigenen Ausbildungsförderungsprogramme können nicht genau quantifiziert werden. Wie die Bundesprogramme werden sie in der Jahresrechnungsstatistik möglicherweise größtenteils zum Bereich der Weiterbildung oder der Arbeitsmarktpolitik gezählt. Einen Überblick über die Förderprogramme zur Berufsausbildung sowie Informationen zu Fördergegenstand, -berechtigten und -bedingungen gibt Kapitel A9.4.2. Die Fördermittel in den einzelnen Programmen wurden durch eine vom BIBB beauftragte Erhebung bei den zuständigen Ministe­rien für das Jahr 2014 ermittelt. Das gesamte Volumen kann allerdings nur sehr grob abgeschätzt werden. Einerseits liegen nicht für alle Programme Informationen vor. Andererseits sind auch Programme erfasst, die zwar einen Bezug zur Berufsbildung aufweisen, aber nicht ursächlich durch das Berufsausbildungssystem bedingt sein müssen. Größenordnungsmäßig lag das Fördervolumen der Länder im Jahr 2014 bei ungefähr 0,5 Mrd. €. Hierin dürften auch Mittel des Europäischen Sozialfonds enthalten sein.201 Für das Jahr 2015 liegen keine Angaben vor.

Die berufsbildungsbezogenen Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) betreffen neben der Berufsausbildung auch Berufsorientierung und -vorbereitung (vgl. Kapitel A9.4.1). Nicht berücksichtigt ist in Tabelle A9.3-1 die Förderung der Integration an der zweiten Schwelle, welche eine beschäftigungspolitische Maßnahme darstellt. Ein Großteil der BA-Mittel fließt der Unterstützung besonders benachteiligter Auszubildender (und hier wiederum der außerbetrieblichen Ausbildung) zu (vgl. Kapitel A9.4.1).

Die Leistungen der BA für Menschen mit Behinderung (vgl. Kapitel A9.4.1) sind nicht in Tabelle A9.3-1 berücksichtigt. Sie stehen zwar teilweise im Zusammenhang mit Ausbildungsaktivitäten, dürften aber zum größten Teil nicht ursächlich dem Berufsausbildungssystem zuzurechnen sein. Gleiches gilt für die Leistungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS), für Menschen mit Behinderung im Rechtskreis SGB II sowie für das ab 2014 geltende BMAS-Programm zur intensivier­ten Eingliederung und Beratung von schwerbehinderten Menschen.

Änderungen im Instrumentarium der BA ergaben sich durch die am 1. April 2012 in Kraft getretene Instrumentenreform. So ist z. B. nun wieder die institutionelle Förderung von Jugendwohnheimen möglich. Entfallen ist hingegen der Ausbildungsbonus.

Der Finanzierungsbeitrag der öffentlichen Hand wird durch den Beitrag der ausbildenden Betriebe in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst ergänzt. Deren Aufwendungen werden traditionell durch das BIBB geschätzt. Nach Berechnungen, welche auf einer repräsentativen Erhebung für das Ausbildungsjahr 2012/2013 basieren, betrugen die Bruttokosten, d. h. die Ausbildungskosten ohne Berücksichtigung der Ausbildungserträge, rd.  25,6 Mrd. €. Die Nettokosten der Betriebe für die Ausbildung im dualen System lagen bei rd. 7,7 Mrd. €. Dabei ist zu bedenken, dass die Betriebe neben den gemessenen Ausbildungserträgen noch weiteren Nutzen generieren können, der allerdings schwer zu quantifizieren ist, z. B. durch die Einsparung von Personalgewinnungskosten oder durch einen mit dem Ausbildungsengagement einhergehenden Imagegewinn. Im Vergleich zur letzten Erhebung für das Jahr 2007 sind die Brutto- und Nettokosten um jeweils etwa 2 Mrd. € gestiegen (vgl. Schönfeld u. a. 2010). Teilweise kann dies durch methodische Änderungen und die allgemeine Preisentwicklung erklärt werden.

(Normann Müller)

  • 197

    Die Elemente des Übergangsbereichs bilden nach Meinung vieler Experten keine abgestimmte, zweckgebundene Einheit, sodass auch der Begriff „Übergangssystem“ umstritten ist. Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2014, S. 100) versteht unter dem Übergangssektor alle Maßnahmen, die keinen vollqualifizierenden beruflichen Abschluss vermitteln, sondern auf die Aufnahme einer Ausbildung vorbereiten. Die Förderung der außerbetrieblichen Ausbildung wird in diesem Beitrag zu den durch das duale System verursachten Ausgaben gerechnet, da sie ein Substitut für die betriebliche Ausbildung darstellt und das duale System ergänzt. 

  • 198

    Detailliertere Informationen zu einzelnen Programmen oder Fördermaßnahmen, die einen Bezug zur beruflichen Ausbildung aufweisen, finden sich in Kapitel A9.4.2

  • 199

    Dieser Wert beinhaltet auch die Fachschulen, die eher der Weiterbildung als der Ausbildung zuzurechnen sind (vgl. Kapitel B3.5). Zum Vergleich: Die in der Finanzstatistik für das Jahr 2015 ausgewiesenen Grundmittel für das gesamte Bildungswesen lagen bei ca. 124,4 Mrd. €, wobei es sich hierbei aber noch um vorläufige Ist-Angaben handelt (siehe Statistisches Bundesamt 2016h, S. 39). 

  • 200

    Diese Rechnung basiert jeweils auf den gewichteten Schülerzahlen aus beiden für das jeweilige Kalenderjahr relevanten Ausbildungsjahren (vgl. auch die entsprechende Fußnote in Tabelle A9.3-1). Zudem wurden die Teilzeitschülerzahlen in Vollzeitäquivalente umgerechnet. 

  • 201

     Vgl. auch die in Kapitel B3.5 beschriebene Problematik bei der Berücksichtigung von ESF-Mitteln.