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Zum nunmehr vierten Mal wurden die BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen im Herbst 2016 erneuert. Hierbei konnten veränderte wirtschaftliche und politische Rahmenbedingungen sowie die neue Klassifikation der Berufe 2010 (KldB 2010) mit einbezogen werden (Maier u. a. 2016b) . Erstmals wurde zudem auf eine eigene QuBe-Bevölkerungsprojektion zurückgegriffen, um den starken Zuzug von Geflüchteten zu berücksichtigen (Fuchs u. a. 2016; Gorodetski/Mönnig/Wolter 2016; Maier/Wolter/Zika 2016a; BIBB-Datenreport 2016, Kapitel A8). Die zentralen Projektionsergebnisse werden im Folgenden dargestellt.

BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeld­projektionen

Die BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen (QuBe-Projekt), die in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung (GWS) und dem Fraunhofer Institut für Angewandte Informationstechnologie (FIT) entstanden sind, zeigen anhand von Modellrechnungen auf, wie sich das Angebot von und die Nachfrage nach Qualifikationen und Berufen langfristig entwickeln können. Datengrundlage ist hierbei der Mikrozensus (in der vorliegenden Projektion bis zum Jahre 2013), eine amtliche Repräsentativstatistik des Statistischen Bundesamtes über die Bevölkerung und den Arbeitsmarkt, an der jährlich ein Prozent aller Haushalte in Deutschland beteiligt ist, angepasst an die Eckwerte der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (in der vorliegenden Projektion bis zum Jahre 2014). Die Lohninformationen entstammen der Beschäftigtenhistorik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (in der vorliegenden Projektion bis zum Jahre 2013). Für die Berufsdifferenzierung hat das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) eine einheitliche Berufsfeldsystematik entwickelt, welche die Berufe auf der Dreistellerebene der Klassifikation der Berufe entsprechend ihren Tätigkeiten zu 50 Berufsfeldern gruppiert (Tiemann u. a. 2008).

Die vorliegenden Ergebnisse basieren auf der Basisprojektion der vierten Projektionswelle. Diese baut auf den Methodiken der ersten (Helmrich/Zika 2010; Maier u. a. 2014b) zweiten (Helmrich u. a. 2012; Zika u. a. 2012) und dritten Welle (Maier u. a. 2014b) auf und nimmt zudem weitere Erneuerungen mit auf. Auf der Bedarfsseite wird das berufsspezifisch zur Verfügung stehende Arbeitskräfteangebot in Köpfen und Stunden bei der Lohnbestimmung für die Berufsfelder mit berücksichtigt. Hier wird innerhalb eines jeden Wirtschaftszweiges die Entwicklung nach 50  Berufsfeldern mit jeweils 4 Anforderungsniveaus geschätzt. Auf der Angebotsseite werden Lohnabhängigkeiten der beruflichen Flexibilitäten modelliert, die eine Reaktion des Arbeitsangebots auf die sich veränderten Löhne in den Berufsfeldern ermöglichen. Jedoch wird mit dem QuBe-Projekt in der Basisprojektion ein empiriebasiertes Konzept verfolgt: Es werden nur die bislang nachweisbaren Verhaltensweisen in die Zukunft projiziert. In der Vergangenheit nicht feststellbare Verhaltensänderungen sind somit nicht Teil der Basisprojektion. Dies gilt auch für die modellierten Marktanpassungsmechanismen. Alle Erneuerungen in der Modellierung sind ausführlich in Maier u. a. 2014b beschrieben. Schaubild A10.2-1 gibt einen groben Überblick über die Funktionsweise des Modells. Weitere Informationen unter www.QuBe-Projekt.de.

Schaubild A10.2-2 zeigt die tatsächliche Entwicklung der Bevölkerung bis 2014 sowie die Ergebnisse der QuBe-Bevölkerungsprojektion mit und ohne die Berücksichtigung Geflüchteter (siehe hierzu Maier u. a. 2016b).213 Der QuBe-Bevölkerungsprojektion zufolge wird sich die Bevölkerung bis 2023 auf rund 83,4 Mio. Personen erhöhen und danach bis 2035 auf ein Niveau von 82,1 Mio. absinken. Die Wanderungsverflechtungen führen dabei zu einer relativen Verjüngung der Bevölkerung.214 Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (15 bis 70 Jahre) fällt daher in der Basisprojektion im Jahr 2030 um rund 3 Mio. höher aus als in der dritten Welle angenommen. Unter der Berücksichtigung von geschlechts- und altersspezifischen Erwerbsquoten wird sich die Zahl der Erwerbspersonen (Erwerbstätige und Erwerbslose) von 44,9 Mio. im Jahr 2015 auf 43,7 Mio. verringern. Die negative demografische Entwicklung (Fuchs u. a. 2016) kann daher nicht durch die höheren Wanderungsgewinne kompensiert werden.

Schaubild A10.2-1: Modellstruktur der BIBB-IAB-Qualifikations- und Berufsfeldprojektionen

Schaubild A10.2-2: Bevölkerungsentwicklung der QuBe-Bevölkerungsprojektion mit und ohne Geflüchtete 1991 bis 2035

Die steigende Nettozuwanderung beeinflusst neben dem Angebot an Erwerbspersonen auch den Bedarf an Erwerbstätigen. Langfristig wird die höhere Bevölkerungszahl zu einer insgesamt höheren Binnennachfrage führen, wodurch der Arbeitskräftebedarf höher ausfallen wird. Der gesamtwirtschaftliche Bedarf an Erwerbstätigen wird daher im Jahr 2030 bei 42,9 Mio. liegen; er übersteigt damit den in der dritten Welle prognostizierten Wert um 2,7 Mio. Personen.

Im Jahre 2035 wird die Zahl der Erwerbspersonen die der Erwerbstätigen um 1,4 Mio. Personen übersteigen. Damit nähern sich Angebot und Nachfrage quantitativ einander an. Das bedeutet aber nicht, dass in 2035 eine ausgeglichene Arbeitsmarktsituation vorliegen wird.

In dieser gesamtdeutschen Gegenüberstellung wird eine vollkommene regionale Mobilität der Arbeitskräfte angenommen, welche in der Praxis nicht gegeben ist. Zudem müssen Angebot und Bedarf auch in qualifikatorischer und beruflicher Hinsicht zusammenpassen. Dieser Sachverhalt wird zunächst bei einer differenzierten Betrachtung hinsichtlich der Qualifikation der Erwerbs-personen deutlich gemacht. Mit der neu eingeführten KldB 2010 wird nun erstmals das Anforderungsniveau erfasst, das seitens eines Arbeitsplatzes an einen/eine Arbeitnehmer/-in gestellt wird. Dadurch können nun die tatsächlichen Arbeitsanforderungen dem Angebot an Erwerbspersonen differenziert nach Qualifikationsniveau gegenübergestellt werden.

QuBe-Bevölkerungsprojektion

Die QuBe-Bevölkerungsprojektion basiert auf der Bevölkerungsprojektion des vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) entwickelten integrierten Arbeitskräfteangebots- und Bevölkerungsmodells. Die einzelnen Komponenten Geburtenziffer, Überlebenswahrscheinlichkeit und Zu- und Abwanderung werden mit zeitreihenanalytischen Methoden geschätzt und für die Zukunft fortgeschrieben. Das Modell kann dabei zwischen Deutschen, Nichtdeutschen, anerkannten und nicht anerkannten Geflüchteten unterscheiden. Die einzelnen Komponenten werden separat modelliert. Die Zuwanderung wird über das Modell TINFORGE (Wolter u. a. 2014) bestimmt, wobei für jedes Herkunftsland der Zuwandernden entschieden wird, ob die Abwanderung aufgrund der demografischen, sozioökonomischen oder politischen Situation vor Ort motiviert ist. Die Zuzüge aus den derzeitigen Hauptherkunftsländern im System zur Erstverteilung der Asylbegehrenden (EASY) werden zusätzlich zur geschätzten Zuwanderung gesondert per Annahme anhand eines „Geflüchtetenmoduls“ modelliert. Grund dafür ist, dass der weitere Verlauf des Krieges in Syrien und zukünftige Steuerungsmaßnahmen in Europa nur schwer abschätzbar sind.

Eine ausführliche Modellbeschreibung des integrierten Arbeitskräfteangebots- und Bevölkerungsmodells (IAB-Modell) findet sich bei Fuchs u. a. 2016. Eine Kurzbeschreibung der QuBe-Bevölkerungsprojektion findet sich auch unter Maier u. a. 2016b.

  • 213

    In der Bevölkerungsprojektion ohne Geflüchtete sind ebenfalls Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge enthalten, jedoch nur in der Höhe des langfristigen Durchschnitts ohne die derzeitigen Flüchtlingsbewegungen. 

  • 214

    In der Regel wandern eher jüngere Personen zu und eher ältere ab (Maier u. a. 2014b, S. 24 ff.).