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Im Übergangsbereich existiert eine Reihe von Programmen und Fördermaßnahmen, die zur Förderung von Geflüchteten weiterentwickelt und institutionell angepasst wurden (zu ausgewählten Programmen wie beispielsweise die Koordinierungsstelle Ausbildung und Migration [KAUSA] und Berufsorientierung für Flüchtlinge [BOF] vgl. Berufsbildungsbericht 2017, Kapitel 3). Der folgende Abschnitt legt exemplarisch am Beispiel der Initiative „Abschluss und Anschluss – Bildungsketten bis zum Ausbildungsabschluss“ (Initiative Bildungsketten) von Bund, Ländern und der BA die Verzahnung einer kohärenten Förderpolitik von Bund, Ländern in der Berufsorientierung und im Übergangsbereich dar.320

Die Initiative Bildungsketten verzahnt unterschiedliche Maßnahmen zur Förderung von jungen Menschen in der Schule sowie am Übergang in Ausbildung und Studium. Die Unterstützungsangebote sollen Schulen stärken, die Berufs- und Studienorientierung und die Übergangsbegleitung mit dem Jugendlichen so individuell wie möglich zu gestalten.

Bis Ende 2016 wurden 8 Vereinbarungen zwischen dem Bund, den Ländern und der BA abgeschlossen: Baden-Württemberg, Brandenburg, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Thüringen. Die Maßnahmenkette aus individueller Potenzialanalyse, praktischer Berufs- und Studienorientierung sowie individueller haupt- und ehrenamtlicher Begleitung wird bei Bedarf auf die Bedürfnisse einzelner Zielgruppen angepasst. Die Vereinbarungen beinhalten auch Angebote zur Integration von jungen Geflüchteten in das Schul- und Ausbildungssystem in Deutschland.

Potenzialanalysen für junge Geflüchtete

Maßnahmen zur frühzeitigen Kompetenzfeststellung sind ein fester Bestandteil der bisher geschlossenen Vereinbarungen. Diese Potenzialanalysen leisten einen Beitrag zur individuellen Förderung der Jugendlichen in der Gestaltung des Berufsorientierungsprozesses.

Durch die Vereinbarungen können bewährte Verfahren flächendeckend ausgebaut und bei Bedarf weiterentwickelt werden. Dabei stellt sich die Frage, wie die Umsetzung für die heterogene Gruppe der jungen Geflüchteten gelingen kann. Dies hängt vor allem davon ab, welche Deutschkenntnisse vorhanden sind und wie sprachintensiv die Verfahren sind.

In Baden-Württemberg fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die Entwicklung und Erprobung einer sprachneutralen und kulturfairen Potenzial­analyse für neu Zugewanderte (2P) mit der Perspektive, dass andere Länder das Verfahren nutzen können. Kennzeichnend für das Verfahren ist die Anpassung der bisher eingesetzten Kompetenzanalysen unter Berücksichtigung von bildungsbiografischen Elementen.

2P „Potenzial & Perspektive – Ein Analyse­verfahren für neu Zugewanderte“

2P ist ein Computerprogramm zur Erfassung fachlicher und überfachlicher Kompetenzen und bildungsbiografischer Informationen, das in Baden-Württemberg entwickelt wird. Es ist bundesweit das erste Diagnoseinstrument im schulischen Bereich, das die Entwicklungspotenziale junger Zugewanderter mit spracharmen Aufgabenstellungen erfasst. Zielgruppe sind neu zugewanderte Jugendliche im Alter von 10 bis 20 Jahren in allgemeinbildenden und berufsschulischen Klassen – im Regelangebot oder in Vorbereitungsklassen. Das Verfahren besteht aus 7 Bausteinen, die unabhängig voneinander eingesetzt werden können. Die Durchführung eines Bausteins dauert ca. 45 Minuten. Die Ergebnisse sind orts- und schulartunabhängig nutzbar. Eine Pilotierung, Implementierung und Anpassung des Verfahrens durch andere Bundesländer ist bereits jetzt möglich. Rheinland-Pfalz ist das zweite Bundesland, das Ende 2016 mit 2P an allgemeinbildenden Schulen begonnen hat.

Ein Beispiel für eine Anpassung ist „KOMPAS – Kompetenzcheck und Ausbildungsperspektiven für jugendliche Sprachanfänger“ in Niedersachsen. Das ursprünglich fünftätige Verfahren zur Ermittlung von beruflichen Kompetenzen wurde auf 3 Tage komprimiert, um eine Durchführung im schulischen Kontext zu erleichtern. Seit dem Schuljahr 2016/2017 wird das Verfahren an allen Sprachförderklassen der berufsbildenden Schulen durchgeführt. Das BMBF unterstützt diese Anpassung.

Berufsorientierung für junge und erwachsene Geflüchtete bis 35 Jahre

Die Berufsorientierung ist in den allgemeinbildenden Schulen vielfach modular gestaltet und umfasst praktische Einblicke ins Berufsleben durch Praktika oder Werkstatttage. Die Schulen wählen die Module aus, die zu ihrer Schülerschaft und zu ihrem Berufsorientierungskonzept am besten passen. Im Rahmen des Berufsorientierungsprogramms (BOP) stellt das BMBF die erforderlichen Zusatzmittel bereit, um bestehende Maßnahmen für Flüchtlinge zu öffnen und konzeptionell anzupassen. Beispiele hierfür sind „Kooperative Berufsorientierung  – KooBO“ und „ProBeruf für Flüchtlinge“ in Baden-Württemberg.

Die „Kooperative Berufsorientierung – KooBO“ für Schüler/-innen an allgemeinbildenden (ab Klasse 5) und beruflichen Schulen in Baden-Württemberg ist eine intensive Berufsorientierungsmaßnahme, bei der die Jugendlichen über ein Schuljahr einen halben Tag wöchentlich an einem Projekt außerschulisch arbeiten. Diese Landesmaßnahme wird nun auf junge Geflüchtete in Vorbereitungsklassen der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen angepasst und ausgeweitet.

Mit „ProBeruf für Flüchtlinge“ werden neben der praktischen Erprobung von 3 Berufsfeldern Module über das deutsche Ausbildungssystem und allgemeine Kenntnisse der betrieblichen Arbeitswelt entwickelt und umgesetzt. Zielgruppe neben Flüchtlingsklassen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sind nicht mehr berufsschulpflichtige 20- bis 25-jährige Flüchtlinge mit Perspektive auf baldige Eingliederung in Ausbildung.

Ein weiteres Beispiel bietet Brandenburg: Flüchtlinge und Asylsuchende werden in Brandenburg an den Oberstufenzentren (OSZ) beschult. Am 1. Februar 2016 wurde ein zweijähriger Bildungsgang der Berufsfachschule zum Erwerb beruflicher Grundbildung und von gleichgestellten Abschlüssen der Sekundarstufe I (BFS-G-Plus) eingeführt, um eine zielgruppenadäquate Beschulung zu ermöglichen. Diese soll einerseits den Erwerb eines der Berufsbildungsreife bzw. der erweiterten Berufsbildungsreife gleichgestellten Abschlusses ermöglichen und andererseits beruflich orientierend auf das System der dualen Ausbildung vorbereiten. Die in diesem Bildungsgang beschulten Geflüchteten verfügen kaum über Deutschkenntnisse und haben keine oder nur geringe Kenntnisse über die duale Berufsausbildung oder die Perspektiven, die sich nach einer Ausbildung in Deutschland ergeben. In 3 Modellprojekten zu „Kompetenzfeststellung und Berufsorientierung für junge Flüchtlinge und Asylsuchende im Land Brandenburg“ sollen Schüler/-innen im Bildungsgang BFS-G-Plus eine grundlegende Information über die duale Berufsausbildung in Deutschland und praktische Einblicke in die verschiedenen Berufe erhalten. Bei positiven Ergebnissen sollen die Maßnahmen in den 3 Handwerkskammerbezirken im Land Brandenburg im Zeitraum 2017 bis 2018 fortgesetzt werden.

Ein Angebot für erwachsene Geflüchtete im Alter von 20 bis 35 Jahren ohne oder mit geringen Schrift- und Sprachkenntnissen (Analphabeten und Personen mit sehr kurzer Schulbildung) ist das niederschwellige berufliche Bildungsjahr (BEF Alpha) in Baden-Württemberg über Weiterbildungsträger. Ziel der Maßnahme ist die Vermittlung der Teilnehmenden in den Arbeitsmarkt bzw. in die Angebote des zweiten Bildungsweges zur Erlangung eines Schulabschlusses im Zuge einer Schule für Erwachsene. BEF Alpha ergänzt damit das Angebot von „ProBeruf Flüchtlinge“.

Heranführung durch Einstiegsqualifizierung (EQ)

EQ-Welcome soll junge Flüchtlinge nach dem abgeschlossenen Asylverfahren rund um die betriebliche Einstiegsqualifizierung in Brandenburg unterstützen. Diese Maßnahme der BA verläuft im Land in 2 Phasen: Die erste Phase beinhaltet die Heranführung an eine EQ und die zweite Phase die Förderung mit ausbildungsbegleitenden Hilfen (abH) während der EQ.

Phase I:

  • Informationen über das deutsche Ausbildungs- und Beschäftigungssystem und über weiterführende Qualifizierungsmöglichkeiten.
  • Kennenlernen der Anforderungen in Ausbildungsberufen auch durch berufspraktische Erfahrungen bei einem Träger und Praktika bei Betrieben.

Phase II:

  • Einsatz von abH, um erfolgreichen Abschluss der EQ zu sichern und die Anschlussperspektiven in eine Berufsausbildung zu verbessern.
  • Nachhaltige Stabilisierung der Teilnehmenden durch sozialpädagogische Begleitung sowie mit Förder- und Stützunterricht.

Diese Beispiele zeigen, dass die vorhandenen Instrumente und Angebote der Initiative Bildungsketten eine Grundlage auch für die Integration von jungen Geflüchteten bieten. Die größte fachliche Herausforderung an allen Stationen der Bildungskette ist der Einbau von (berufsbezogener) Sprachförderung. Mit den bisherigen Vereinbarungen wurden die Grundlagen für Anpassungen und Lösungen gelegt, die auch von anderen Ländern genutzt werden können.

(Jens Peschner, Satiye Sarigöz)