Für die Integration junger Geflüchteter haben betriebliche Ausbildungsmöglichkeiten einen hohen Stellenwert. Diese Ansicht ist auch unter Betrieben selbst vorherrschend. 3 von 4 ausbildenden Klein- und Mittelbetrieben sehen in der Ausbildung den besten Weg, junge Geflüchtete in die Gesellschaft zu integrieren (vgl. Ebbinghaus 2017). Unterstrichen wird diese Haltung dadurch, dass mehr Betriebe bereit sind, jungen Geflüchteten den Zugang zu einem berufsqualifizierenden Beschäftigungsverhältnis zu ermöglichen, als bislang tatsächlich Ausbildungsverträge mit jungen Menschen aus diesem Personenkreis abgeschlossen haben. Darauf verweist eine vom Bundesinstitut für Berufsbildung durchgeführte Befragung kleiner und mittlerer Ausbildungsbetriebe. Danach hat jeder zehnte Betrieb von sich aus Ausbildungsmöglichkeiten für junge Geflüchtete angeboten, aber nur rund 3 % Geflüchtete als Auszubildende beschäftigt. Bei Klein- und Mittelbetrieben ist dieses aktive Zugehen auf Geflüchtete dabei etwas häufiger zu beobachten als bei Kleinstbetrieben; auch Betriebe aus dem Handwerk bieten sich vergleichsweise häufig gegenüber Arbeitsagenturen, zuständigen Stellen oder Hilfsorganisationen als Ausbildungsbetrieb für junge Geflüchtete an. Daneben zeigen sich Klein- und Mittelbetriebe auch gegenüber Anfragen aufgeschlossen, die von außen zu Qualifizierungsmöglichkeiten für junge Geflüchtete an sie herangetragen werden. Das betrifft vor allem die Bereitschaft, jungen Geflüchteten ein auf eine Ausbildung hinführendes Praktikum zu ermöglichen (Ebbinghaus 2016).
Die hohe Anzahl an Geflüchteten im Jugend- und jungen Erwachsenenalter (vgl. BAMF 2017) weist, wie die annahmenbasierte BIBB-Modellrechnung belegt, auf eine wachsende Ausbildungsnachfrage junger Geflüchteter in den nächsten Jahren hin (vgl. Kapitel C5). Dieser Befund legt nahe, dass es auf mittlere Sicht über die von Betrieben selbst zur Verfügung gestellten Ausbildungsmöglichkeiten weiterer Anstrengungen bedarf, um junge Geflüchtete ausreichend mit dualen Ausbildungsplätzen zu versorgen. Daher hat das Bundesinstitut für Berufsbildung klein- und mittelständische Ausbildungsbetriebe aus ausgewählten Wirtschaftsbereichen im ersten Quartal 2016 danach gefragt, inwieweit bestimmte Unterstützungsleistungen dazu beitragen könnten, zusätzliche Ausbildungsplätze für Geflüchtete anzubieten. Insgesamt wurden 10 Unterstützungsleistungen thematisiert, die aus vorliegenden Positionspapieren und Stellungnahmen zur Integration Geflüchteter in die berufliche Bildung abgeleitet wurden. Die Betriebe wurden danach gefragt, inwieweit sie es sich bei jeder dieser 10 Unterstützungsleistungen vorstellen könnten, zusätzliche Ausbildungskapazitäten für Geflüchtete zu schaffen. Zur Beantwortung stand eine sechsstufige Skala von „1 = überhaupt nicht“ bis „6 = sehr wahrscheinlich“ zur Verfügung.
Befragung klein- und mittelständischer Betriebe zur Ausbildung Geflüchteter
Die BIBB-Befragung zur Ausbildung von Geflüchteten wurde im ersten Quartal 2016 durchgeführt. Sie wurde an eine in diesem Zeitraum stattfindende Befragung klein- und mittelständischer Betriebe zum Vorgehen bei der Rekrutierung von Auszubildenden für 10 ausgewählte Ausbildungsberufe nach Berufsbildungsgesetz/Handwerksordnung (BBiG/HwO) angebunden (vgl. https://www.bibb.de/de/8508.php). Bei den 10 berücksichtigten Ausbildungsberufen handelt es sich um stärker besetzte, aber unterschiedlich stark nachgefragte Ausbildungsberufe, von denen 6 dem Bereich Industrie und Handel, 3 dem Handwerk und einer den freien Berufen angehören.
Die Betriebe bzw. die dort für die betriebliche Ausbildung verantwortlichen Personen wurden im Anschluss an die telefonisch durchgeführte Befragung zum Rekrutierungsverhalten gebeten, sich noch an der Befragung zur Ausbildung Geflüchteter zu beteiligen. Diese Befragung richtete sich u. a. darauf, inwieweit folgende 10 Unterstützungsmaßnahmen331 dazu beitragen könnten, dass die befragten Betriebe zusätzliche Ausbildungsplätze für Geflüchtete bereitstellen:332
- Das erste Ausbildungsjahr wird in einer Bildungseinrichtung, z. B. ÜBS, durchgeführt.
- Die Probezeit kann bei Flüchtlingen auf 6 Monate verlängert werden.
- Der/Die Auszubildende erhält von Beginn an ausbildungsbegleitende Hilfen.
- Die Kammer oder Arbeitsagentur vermittelt uns geeignete Flüchtlinge.
- Angelegenheiten mit der Ausländerbehörde u. Ä. werden uns von einer externen Stelle (z. B. Kammer) abgenommen.
- Unsere Ausbilder/-innen erhalten Schulungen zum Umgang mit Flüchtlingen.
- Der/Die Auszubildende erhält zusätzlichen Berufsschulunterricht.
- Der/Die Auszubildende erhält ausbildungsbegleitende Deutschkurse.
- Vor Vertragsschluss findet ein mehrwöchiges Praktikum in unserem Betrieb statt.
- Nach Ausbildungsabschluss ist eine mindestens zweijährige Weiterbeschäftigung möglich.
Die Unterstützungsleistungen wurden in der Befragung in zufälliger Abfolge thematisiert, um Antwortmuster zu vermeiden.
1.324 Betriebe beantworteten die Fragen zu den Unterstützungsleistungen. Ihre Angaben bilden die Grundlage für die nachfolgenden Darstellungen.
Um die zwischen den einzelnen Unterstützungsleistungen bestehenden Unterschiede anschaulich herausarbeiten zu können, wurden die Einschätzungen der Betriebe folgendermaßen ausgewertet: Zunächst wurde aus den Einschätzungen zu allen 10 Unterstützungsleistungen ein Gesamtmittelwert berechnet. Dieser beläuft sich auf 4,1. Insgesamt wird den Unterstützungsleistungen also recht hohes Potenzial dafür zuerkannt, zusätzliche Ausbildungsplätze für Geflüchtete bereitzustellen. Anschließend wurde berechnet, inwieweit die von den Betrieben zu jeder einzelnen Unterstützungsleistung vorgenommenen Einschätzungen von diesem Gesamtmittelwert abweichen. Die Abweichungen können zwischen -5 und +5 variieren. Eine negative Abweichung bedeutet dabei, dass die Unterstützungsleistung Betriebe im Vergleich zum Gesamtdurchschnitt seltener dazu bewegen könnte, zusätzliche Ausbildungsplätze für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen. Umgekehrt verweist eine positive Abweichung darauf, dass es sich um eine Unterstützungsleistung handelt, bei der die Betriebe sich vergleichsweise oft vorstellen können, ihre Ausbildungskapazitäten für Geflüchtete aufzustocken.
Einschätzungen klein- und mittelständischer Betriebe zu den einzelnen Unterstützungsmaßnahmen im Überblick
Die befragten klein- und mittelständischen Ausbildungsbetriebe beurteilen das Potenzial der einzelnen Maßnahmen, sie dazu veranlassen zu können, zusätzliche Ausbildungsplätze für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen, recht differenziert. Dabei zeigt sich allerdings eine klare Tendenz zugunsten solcher Maßnahmen, die Geflüchtete und Betriebe beim Übergang in Ausbildung sowie im Ausbildungsprozess unterstützen Schaubild C4.2-1. Während diese Maßnahmen durchgängig als überdurchschnittlich förderlich für die Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze für Geflüchtete eingestuft werden, bleiben Maßnahmen, die die Konzeption und Struktur der Ausbildung betreffen, hinter dem Durchschnitt zurück.
Betrachtet man die Maßnahmen zur individuellen Unterstützung von Geflüchteten und Betrieben im Einzelnen, so können sich Betriebe vor allem unter der Bedingung, dass Geflüchteten ausbildungsbegleitende Deutschkurse erhalten, vorstellen, zusätzliche Ausbildungskapazitäten bereitzustellen. Der Ausbildung vorgelagerte mehrwöchige Praktika sehen die Betriebe ebenfalls überdurchschnittlich häufig als eine Möglichkeit an, zusätzliche Ausbildungsplätze für Geflüchtete einzurichten. Die Ausbildung von Geflüchteten von Anfang an durch ausbildungsbegleitende Hilfen zu flankieren, steht etwas dahinter zurück. Gleichwohl handelt es sich aus Sicht der Betriebe um eine Maßnahme, die sich vergleichsweise günstig auf ihre Entscheidung auswirken könnte, zusätzliche Ausbildungsplätze für Geflüchtete bereitzustellen. Der Beitrag, den zusätzlicher Berufsschulunterricht für Geflüchtete zur Einrichtung weiterer Ausbildungsplätze für junge Geflüchtete leisten könnte, wird demgegenüber eher durchschnittlich eingestuft. Von den Ansätzen, die Betriebe stärker durch Dienstleistungen bei der Ausbildung Geflüchteter unterstützen, schneidet vor allem die Entlastung der Betriebe von formalen Angelegenheiten positiv ab, wohingegen die passgenaue Vermittlung von geeigneten Ausbildungsinteressierten als etwas weniger förderlich eingestuft wird.
Stärker konzeptionell bzw. strukturell ausgerichteten Ansätzen stehen die befragten Klein- und Mittelbetriebe verhaltener gegenüber. Eine Ausnahme bildet hier allein die Möglichkeit, die Probezeit bei in Ausbildung genommenen Geflüchteten verlängern zu können. So würden Schulungen für Ausbildende im Umgang mit Geflüchteten ebenso wie die außerbetriebliche Durchführung des ersten Ausbildungsjahres Betriebe eher seltener dazu bewegen können, Ausbildungsplätze eigens für Geflüchtete einzurichten. Noch seltener wäre dies unter der in der Öffentlichkeit recht intensiv diskutierten Planungssicherheit über die Ausbildungszeit hinaus der Fall. Insgesamt kommt dieser Bedingung – zumindest im Vergleich zu den anderen hier betrachteten – die geringste Bedeutung dafür zu, dass Betriebe es in Betracht ziehen, zusätzliche Ausbildungskapazitäten für Geflüchtete zur Verfügung zu stellen.
Schaubild C4.2-1: Potenzial einzelner Maßnahmen, Betriebe zur Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze für Geflüchtete zu veranlassen, gemessen am durchschnittlichen Potenzial aller Maßnahmen
Differenzierte Betrachtung der betrieblichen Einschätzungen zu den einzelnen Unterstützungsmaßnahmen
Die nach Betriebsgröße differenzierten Einschätzungen der einzelnen Unterstützungsmaßnahmen weichen kaum von dem Bild ab, das die Gesamtbetrachtung über alle befragten Klein- und Mittelbetriebe ergeben hat Schaubild C4.2-2. Das betrifft sowohl das Ergebnis, dass Ansätze, die Geflüchteten und Betrieben individuelle Unterstützung beim Übergang in und Durchlaufen von dualen Ausbildungsgängen bieten, eher die Bereitschaft von Betrieben zur Ausbildung Geflüchteter fördern können, als konzeptionell bzw. strukturell ausgerichtete Ansätze, als auch den Befund zur Priorisierung der einzelnen Ansätze untereinander.
Allein in Bezug auf die Möglichkeit, die Probezeit bei in Ausbildung genommenen Geflüchteten verlängern zu können, zeigen sich auffällige betriebsgrößenabhängige Unterschiede. Eine solche Möglichkeit scheint die Bereitschaft, Geflüchteten zusätzlich geschaffene Ausbildungsplätze anzubieten, bei Kleinstbetrieben stärker fördern zu können als bei Klein- und Mittelbetrieben.
Schaubild C4.2-2: Potenzial einzelner Maßnahmen, Betriebe zur Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze für Geflüchtete zu veranlassen, nach Betriebsgröße – gemessen am durchschnittlichen Potenzial aller Maßnahmen
Schaubild C4.2-3: Potenzial einzelner Maßnahmen, Betriebe zur Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze für Geflüchtete zu veranlassen, nach Zuständigkeitsbereich – gemessen am durchschnittlichen Potenzial aller Maßnahmen
Ein partiell ähnliches Bild zeigt sich bei einer Differenzierung nach Zuständigkeitsbereichen Schaubild C4.2-3. Auch über die – 3 hier berücksichtigten – Zuständigkeitsbereiche hinweg kommt den individuellen Unterstützungs- und Dienstleistungsmaßnahmen ein höheres Gewicht für die Förderung der betrieblichen Bereitschaft zu, zusätzliche Ausbildungskapazitäten für Geflüchtete bereitzustellen, als den konzeptionell bzw. strukturell ausgerichteten Ansätzen. Auch die Rangfolge, in der den Maßnahmen dieses Potenzial zuerkannt wird, ist über die Zuständigkeitsbereiche überaus ähnlich. Allerdings variieren die Beurteilungen zu den einzelnen Maßnahmen zum Teil deutlich zwischen den Zuständigkeitsbereichen. Am ehesten scheinen die einzelnen Maßnahmen in Betrieben des Handwerks Potenzial für die Bereitstellung zusätzlicher Ausbildungsplätze für Geflüchtete entfalten zu können, am wenigsten in Betrieben der freien Berufe.
Fazit
Aktuell werden zahlreiche Maßnahmen und Vorschläge zur Integration von jungen Geflüchteten in die duale Berufsausbildung diskutiert. Inwieweit diese Maßnahmen greifen, dürfte in nicht zu unterschätzender Weise davon abhängen, wie sie von den Betrieben aufgenommen werden.
Die hier vorgestellten Ergebnisse, denen die Positionen von klein- und mittelständischen Ausbildungsbetrieben aus ausgewählten Wirtschaftsbereichen zugrunde liegen, deuten darauf hin, dass Ausbildungsbetriebe mit den verschiedenen Maßnahmen unterschiedlich gut erreicht werden können. Dabei haben aus betrieblicher Sicht Maßnahmen, die den Übergangsprozess von Geflüchteten in Ausbildung unterstützen, sowie solche, die den betrieblichen Lernprozess der jungen Geflüchteten flankieren, um ihren Ausbildungserfolg zu sichern, höhere Chancen, Betriebe zur Ausbildung Geflüchteter zu bewegen, als Maßnahmen, die an der Struktur der Ausbildung ansetzen. Auffällig ist hier vor allem die überraschend abgeschlagene Position der gesicherten Beschäftigungsmöglichkeiten von Geflüchteten im Anschluss an die Ausbildungszeit. Inwieweit dies damit zusammenhängt, dass hier ausschließlich klein- und mittelständische Betriebe befragt wurden, oder ob dieser Befund darauf verweist, dass in der Auseinandersetzung mit den Herausforderungen der jüngsten Flüchtlingszuwanderung derzeit noch die Suche nach kurzfristigeren Lösungsansätzen, die insbesondere den schnellen Zugang in Ausbildung selbst betreffen, im Vordergrund steht, bedarf eigenständiger Betrachtungen.
Ähnliches gilt für den Befund, dass sich Betriebe unterschiedlicher Zuständigkeitsbereiche anscheinend unterschiedlich gut mit den einzelnen Maßnahmen erreichen lassen. Dahinter könnte sich zwar eine grundsätzlich unterschiedlich ausgeprägte Bereitschaft verbergen, sich der Ausbildung Geflüchteter zuzuwenden. Eher ist aber anzunehmen, dass sich darin Unterschiede in den beruflichen Anforderungsstrukturen, insbesondere auch im sprachlichen Bereich, widerspiegeln.
(Margit Ebbinghaus)
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Zu berücksichtigen ist, dass sich die Gesetzeslage zu einigen der thematisierten Maßnahmen seit der Befragung verändert hat.
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Darüber hinaus wurde auch danach gefragt, inwieweit die Betriebe auf Ausbildungsmöglichkeiten für Geflüchtete angesprochen wurden bzw. diese selbst angeboten haben (vgl. Ebbinghaus 2016).