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Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse des Schwerpunktkapitels stichpunktartig und mit Verweis auf die Unterkapitel dargestellt und darauf aufbauend ein Ausblick zu ausgewählten Aspekten des Themas gegeben.

  • Die Bildungsvoraussetzungen und mitgebrachten beruflichen Kompetenzen von Geflüchteten unterscheiden sich nicht nur im Hinblick auf soziodemografische Aspekte, sondern nach ihren Herkunftsländern sowie nach Fluchtweg und Fluchtdauer. Diese Heterogenität sowie die unterschiedlichen Voraussetzungen für den Erwerb deutscher Sprachkenntnisse müssen bei der inhaltlichen und zeitlichen Gestaltung von Angeboten zur Förderung ihrer beruflichen Qualifizierung und Teilhabe berücksichtigt werden (vgl. Kapitel C1, Kapitel C2.1 und Kapitel C2.3).
  • Erhebungen unter erwachsenen Asylantragstellern und -antragstellerinnen bestätigen das Vorliegen unterschiedlicher Bildungsvoraussetzungen: Während die Befragten aus Syrien und dem Iran vergleichsweise häufig angeben, Gymnasien oder Hochschulen besucht zu haben, verweisen die Angaben von Schutzsuchenden aus Afghanistan und dem Irak häufig auf eine Grundschul- oder gar keine Schulbildung. „Die Bildungsstruktur der Geflüchteten unterscheidet sich von der der deutschen Wohnbevölkerung weniger am oberen Ende des Qualifikationsspektrums, sondern zeichnet sich durch einen sehr viel kleineren Teil in der Mitte und sehr viel größeren Anteil am unteren Ende des Qualifikationsspektrums aus“ (Romiti u. a. 2016, S. 48; vgl. Kapitel C2.1).
  • Auch Flüchtlinge ohne formalen Berufsabschluss verfügen über berufliche Erfahrungen, die im Herkunftsland „on the Job“, d. h. im Prozess der Arbeit, erworben wurden und im Rahmen von Validierungsverfahren zu bewerten sind (vgl. Kapitel C2.1).
  • Zur beruflichen Integration derjenigen Flüchtlinge, die in jüngster Vergangenheit nach Deutschland gekommen sind, liegen bisher kaum empirische Daten vor.
  • Erfahrungen aus der Vergangenheit (IAB-SOEP-Migra­tionsstichprobe 2013/2014) zeigen, dass Geflüchtete erst nach 15 Jahren Aufenthalt die gleiche Beschäftigungsquote wie andere Zuwanderer erreichten. Trotz einer vielfach hohen Bildungs- und Erwerbsorientierung sowie des Wunsches nach Unabhängigkeit von staatlichen Leistungen ist davon auszugehen, dass die berufliche Integration einige Zeit in Anspruch nehmen wird (vgl. Kapitel C2.3).
  • Bisher steigt die Beteiligung von Geflüchteten an den Angeboten der beruflichen Bildung nur langsam. Die Zahl der Ausbildungsanfänger/-innen in der dualen Berufsausbildung mit einer Staatsangehörigkeit aus einem nicht europäischen Hauptherkunftsland von Geflüchteten lag trotz annähernder Verdopplung im Zeitraum zwischen 2013 und 2015 laut Berufsbildungsstatistik bei 2.900 Personen (vormals 1.600 Personen).350 Von den rund 10.300 Geflüchteten, die im Ausbildungsjahr 2015/2016 bei der BA als Bewerber/-innen gemeldet waren, konnten rund 3.500 einen Ausbildungsvertrag abschließen. Zudem nahmen 2016 (bis einschl. Oktober) rund 23.700 Personen an Maßnahmen des SGB III teil, davon 6.700 an Regelinstrumenten (wie z. B. BerEb, EQ oder abH) und ca. 17.000 an den Sondermaßnahmen des § 45 SGB III (z. B. PERF, PERJUF, KOMPAS) (vgl. Kapitel C3).
  • Nach ersten Ergebnissen der BA/BIBB-Migrationsstudie 2016 verblieben 26 % der befragten Bewerber/-innen mit Fluchthintergrund aus nicht europäischen Asylherkunftsländern in einer betrieblichen Ausbildung. Die betriebliche Verbleibsquote fiel höher aus, wenn sie jünger als 25 Jahre waren, ihren Schulabschluss in Deutschland erworben hatten oder bereits länger als 2  Jahre in Deutschland lebten (vgl. Kapitel A4.1).
  • Kleine und mittlere Betriebe, so eine BIBB-Befragung zu KMU, sind am ehesten für die Ausbildung von Geflüchteten durch Maßnahmen zu gewinnen, die sie beim Übergang in Ausbildung und während der Ausbildung unterstützen (ausbildungsbegleitende Deutschkurse; Praktika; Entlastung von Formalitäten; abH) (vgl. Kapitel A4.2).
  • Wenngleich Geflüchtete als Auszubildende bisher nur verhältnismäßig selten in Erscheinung treten, geht eine auf annahmenbasierte Modellrechnung des BIBB von einer deutlich steigenden Nachfrage von Geflüchteten nach beruflicher Ausbildung aus. Es wurden folgende jährliche Korridore als Projektion für neu in Erscheinung tretende geflüchtete Ausbildungsnachfrager/-innen errechnet:
    • Im Jahr 2017 zwischen 15.000 und 31.500 Per­sonen,
    • im Jahr 2018 zwischen 18.500 und 33.700 Per­sonen und
    • im Jahr 2019 zwischen 17.900 und 41.500 Per­sonen.
  • Die Spannbreite der Korridore ist jeweils davon abhängig, wie schnell die Aneignung sprachlicher und schulischer Vorqualifikationen vonstattengeht und welcher Personenkreis eine Ausbildung nachfragt (alle als Schutzbedürftige Anerkannten oder 70 % der Asylantragstellenden in den Jahren 2015 und 2016) (vgl. Kapitel C5).

Geflüchtete sind eine heterogene Gruppe – dies betrifft ihre aus dem Herkunftsland mitgebrachten schulischen und beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen, ihre sprachlichen Kenntnisse und kulturellen Wertvorstellun­gen bis hin zur persönlichen Fluchterfahrung und indivi­duellen Lebenssituation in Deutschland. In diesem Schwerpunktkapitel wird deutlich, vor welche Anforderungen ihre berufliche Qualifizierung und Arbeits­marktintegration sowohl sie selbst als auch das deutsche Bildungssystem und nicht zuletzt die Betriebe stellt, die unter ihnen Fachkräfte rekrutieren bzw. qualifizieren wollen. Von Bedeutung sind in diesem Zusammenhang zum einen rechtliche Regelungen des Zugangs zu Ausbildung und Arbeitsmarkt, zum anderen Unterstützungsstrukturen von Bund, Ländern und Kommunen, die in kurzer Zeit zur Verfügung stehen und sowohl eine Öffnung vorhandener als auch die Einrichtung neuer Förderangebote umfassen.

Personen mit Schutzberechtigung haben uneingeschränkt Zugang nicht nur zur schulischen und betrieblichen Ausbildung, sondern auch zu den Regelinstrumenten der Berufsvorbereitung und Ausbildungsförderung des Sozialgesetzbuchs (SGB III). Für Personen mit Aufenthaltsgestattung und für Geduldete wurden die Wartezeiten zu den Förderangeboten mit Inkrafttreten des Integrationsgesetzes deutlich verkürzt, aber stärker als zuvor an eine „gute Bleibeperspektive“ geknüpft. Trotz dieser rechtlichen Erleichterungen beim Zugang zu Ausbildung/Ausbildungsförderung und Arbeitsmarkt sowie einer Reihe spezieller Unterstützungsangebote für die Zielgruppe sind Geflüchtete bisher noch in vergleichsweise geringer Zahl in betriebliche Ausbildung gekommen, dasselbe gilt für die vollzeitschulische Ausbildung. Als Gründe dafür werden bislang vor allem Verzögerungen beim Zugang zu Sprach- und Integrationskursen vermutet mit der Folge, dass sich auch die Inanspruchnahme von Förderangeboten, die zur Ausbildung hinführen sollen, nach hinten verschiebt.

Angesichts ihrer hohen Bildungs- und Erwerbsmotivation ist davon auszugehen, dass in den nächsten Jahren Geflüchtete verstärkt den Zugang zu beruflicher Qualifizierung und Arbeitsmarktintegration suchen werden. Aufgrund ihrer Altersstruktur, so eine annahmebasierte Modellrechnung des BIBB (vgl. Kapitel C5), wird ein erheblicher Teil von ihnen als Bewerber/-innen um einen Ausbildungsplatz in Erscheinung treten. Ob ihre berufliche Integration gelingt, hängt nicht zuletzt davon ab, wie schnell sie Zugang zu Bildungsangeboten erhalten, die nicht nur in der notwendigen Anzahl, sondern auch in der notwendigen Qualität zur Verfügung stehen.

Hieraus können mögliche Forschungs- und Handlungsbedarfe abgeleitet werden, sowohl im Hinblick auf die Bildungsverläufe junger Geflüchteter als auch bezogen auf die Rahmenbedingungen und Strukturen von Ausbildung und Ausbildungsvorbereitung. Mit Blick auf die Ausbildungsmotivation der Betriebe und die Durchführung der Ausbildung selbst, so zeigen erste Ergebnisse einer BIBB-Befragung von KMU, werden Unterstützungsangebote unterschiedlich nachgefragt (vgl. Kapitel A4.2). Zu den Möglichkeiten einer Flexibilisierung der Rahmenbedingungen von Ausbildung stellen sich im Hinblick auf die spezielle Personengruppe ebenfalls Forschungsfragen.

Für den Einstieg von jungen Geflüchteten geht es zunächst um die Orientierung im deutschen Berufs- und Berufsbildungssystem sowie den Erwerb von Basiskompetenzen (deutsche Sprachkenntnisse, Umgangsformen etc.) zur Vorbereitung auf eine Ausbildung. Hierzu existiert eine Vielzahl an Förderangeboten und Maßnahmen von der Berufsorientierung bis hin zur Vermittlung und Begleitung in Ausbildung (vgl. Berufsbildungsbericht 2017).351 Aus der Übergangsforschung ist bekannt, dass bestimmte Elemente die Übergänge in Ausbildung befördern, insbesondere betrifft dies Praktika/betriebliche Phasen, das Nachholen von Schulabschlüssen oder eine kontinuierliche Begleitung. Aufbauend auf diesen Ergebnissen wäre zu untersuchen, welche Angebote und Faktoren speziell für die Personengruppe der Geflüchteten den Übergang in Ausbildung befördern. Von besonderem Interesse ist in diesem Zusammenhang, wie die unterschiedlichen Förderangebote vor Ort umgesetzt, koordiniert und gesteuert werden können, denn dies hat unmittelbar Auswirkungen auf die Möglichkeit der Zielgruppe, sie in Anspruch zu nehmen: Nur wenn ein Überblick über das vorhandene Spektrum besteht, kann der/die Einzelne in ein passendes Angebot vermittelt werden. Am Beispiel der Praxis in ausgewählten Kommunen wäre der Frage nachzugehen, ob die vorhandenen Maßnahmen ihre Adressaten erreichen und in geeigneter Weise unterstützen352: Entspricht die Qualität von Sprachkursen, von Angeboten zur Berufsorientierung, Qualifizierung und Begleitung den Bedarfen derjenigen, für die sie konzipiert wurden? Wissen neu eingereiste Geflüchtete und diejenigen, die sie beraten, wo das für eine bestimmte Person passende Angebot zu finden ist? Wie kann gewährleistet werden, dass der/die einzelne Geflüchtete in Angebote mündet, die seinem/ihrem Orientierungs- und Qualifizierungsbedarf bestmöglich entspricht? Wie kann die Kooperation der Akteure verbessert und wie die notwendige Kontinuität gesichert werden?

Eine zentrale Bedeutung bei der beruflichen Integration von Geflüchteten kommt dem Berufsbildungspersonal zu. Dazu gehören eine Sensibilisierung des ausbildenden Personals, insbesondere zu Sprach- und Kulturaspekten in der Ausbildung (vgl. Bethscheider/Wullenweber 2016), ebenso wie Untersuchungen zu den Rahmenbedingungen der pädagogischen Arbeit außerhalb des betrieblichen Kontexts. Erkenntnisse über die sich daraus ergebenden Qualifizierungsbedarfe der Fachkräfte und die Entwicklung entsprechender Angebote sind grund­legend für eine nachhaltig erfolgreiche Arbeit, denn diese setzt eine verlässliche Begleitung durch professionelles Personal voraus. Häufig wechselnde Bezugspersonen und Fluktuation in den Bildungsangeboten wirken dagegen kontraproduktiv im Bemühen um gelingende Übergänge in Ausbildung und Beschäftigung (vgl. Eberhard u. a. 2013 und Beicht 2015).

Die berufliche (und gesellschaftliche) Integration von Geflüchteten benötigt Zeit – dies zeigen Erfahrungen aus der Vergangenheit (vgl. IAB-SOEP-Migrationsstudie 2013/2014) und auch die gegenwärtig sich abzeichnenden Entwicklungen. Geflüchtete werden nicht auf kurze Sicht zur Fachkräftesicherung beitragen können, sondern mittel- und langfristig qualifiziert und beruflich eingegliedert werden müssen. Mit Analysen zu den (strukturellen und individuellen) Gelingensfaktoren beruflicher Integration kann Forschung einen wichtigen Beitrag leisten, die dafür notwendigen Entscheidungen vorzubereiten.

(Monika Bethscheider, Frank Neises)

  • 350

    Hierbei muss es sich nicht zwingend um Flüchtlinge handeln. Es können auch Personen sein, die schon lange in Deutschland leben oder über andere Migrationswege (Arbeitsmigration, Familiennachzug) nach Deutschland gekommen sind. 

  • 351

    Eine stete Aktualisierung von Daten zu Maßnahmen und Programmen, die durch eine Befragung der Bundes- und Landesministerien gewonnen werden, findet sich in der Programmdatenbank der BIBB-Fachstelle für Übergänge in Ausbildung und Beruf: www.ueberaus.de/wws/programme.php (vgl. Kapitel A9.4.2).

  • 352

    Hier sei auf die Untersuchungen im Zusammenhang mit dem Projekt „Early Intervention“ verwiesen.