In den Aufnahmeländern besteht durch die steigenden Asylantragszahlen bzw. Asylsuchenden die Herausforderung, für diese Personen Zugänge zu Bildung und in den Arbeitsmarkt zu eröffnen. Die Erfassung der schulischen und beruflichen Vorbildung sowie weiterer demografischer Merkmale der Flüchtlinge ist dabei für eine gezielte Integrationspolitik unerlässlich. Schaubild D2.3-1 verdeutlicht, dass vor allem die Altersgruppen der unter 14 bis 34 Jahren die meisten Asylerstanträge in Österreich, Schweden und Deutschland stellen (Eurostat 2016a). In Bezug auf den Bildungsstand der Flüchtlinge wird im weiteren Verlauf des Kapitels auf nationale Daten verwiesen, da vor allem für die Flüchtlingsbewegungen in den letzten 3 Jahren differenzierte Daten und Analysen auf internationaler Ebene noch ausstehen (European Commission and the OECD 2014, S. 15).
Österreich
In Österreich bestehen Unterschiede in der Qualifikation und dem Bildungsniveau der verschiedenen Flüchtlingsgruppen. Zunächst wird aber auf die Altersstruktur und die Geschlechterverteilung eingegangen. Im Jahr 2016 haben, wie bereits in den Jahren 2015 und 2014, insgesamt mehr Männer (25.157) als Frauen (12.099) Anträge gestellt (Bundesministerium für Inneres 2016a). Über 5.300 (28,1%) der beim Arbeitsmarktservice (AMS) gemeldeten anerkannten Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten waren Jugendliche unter 25 Jahren, 10.531 (55,5%) Personen im mittleren Erwerbsalter (25 bis 44 Jahre), und 3.102 (16,4%) Personen waren mindestens 45 Jahre und älter (Arbeitsmarktservice 2015, S. 2). Anhand der Daten des AMS ist weiterhin zu erkennen, dass 82,3% der Ende September 2015 beim AMS gemeldeten anerkannten Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigten höchstens einen Pflichtschulabschluss hatten. 14,7% konnten eine dem österreichischen Lehrabschluss vergleichbare Ausbildung oder eine Qualifikation, die darüber hinausgeht, vorweisen (Arbeitsmarktservice 2015, S. 2).
Aus vom AMS erhobenen Daten geht hervor, dass insbesondere die Flüchtlinge aus dem Irak, dem Iran und Syrien im Gegensatz zu Personen aus Afghanistan einen hohen Bildungsstand aufweisen. 90% der Iraner, 73% der Iraker sowie 67% der Syrer haben eine über die Pflichtschule hinausgehende abgeschlossene Ausbildung.358 Die Flüchtlinge aus Afghanistan weisen im Gegensatz zu den anderen Personengruppen eine niedrige Qualifikation auf. Nur 26% haben eine über die Pflichtschule hinausgehende Ausbildung, 25% besuchten die Pflichtschule, 20% die Grundschule und 30% können keine formale Schulbildung vorweisen (Arbeitsmarktservice Österreich 2016b).
Schaubild D2.3-1: Erstanträge 2015 nach Altersgruppen in Österreich, Schweden und Deutschland (in %)
Schweden
Auch aus den amtlichen Asylstatistiken in Schweden geht hervor, dass ungefähr 70% der Asylanträge im Jahr 2015 von männlichen Personen kamen (Migrationsverket 2015). In Schweden beantragten ebenfalls überwiegend jüngere Menschen Asyl. Ungefähr 60% der Asylanträge fielen dabei auf die Altersgruppe der 13- bis 34-Jährigen. Eine schwedische Studie zur Qualifikation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge untersucht die Bildungslaufbahn der Jugendlichen, die zwischen 2003 und 2012 registriert wurden, in den Jahren nach ihrer Ankunft (Çelikaksoy und Wadensjö 2015). Die Studie liefert Erkenntnisse, dass vor allem mehr jüngere Leute (21 Jahre oder jünger) im Gegensatz zu Personen über 21 Jahre eine schulische (Aus-)Bildung angehen und Frauen unter den über 21-Jährigen vermehrt eine Schulbildung aufnehmen. Gleichzeitig ist die Gruppe, die weder arbeitet noch eine Ausbildung absolviert, unter den Frauen in allen Altersklassen größer.
Aus Daten des Arbeitsmarktservice (AMS) (Arbetsförmedlingen 2015) in Schweden geht hervor, dass sich das durchschnittliche Bildungsniveau der Teilnehmer erhöht hat. Dies gilt sowohl für Frauen als auch für Männer. Der Anteil der Personen mit verpflichtender Schulausbildung (weniger als 9 Jahre) hat sich indes verringert (ca. 49% 2012 vs. ca. 35% 2014), während die Zahl der Personen mit verpflichtender Schulausbildung (9 oder 10 Jahre) von 2012 (12%) bis 2014 (15%) leicht angestiegen ist. Personen mit Sekundarbildung (Sekundarstufe II) machten ca. 20% der Teilnehmenden aus. Gleichzeitig ist der Anteil der Personen mit Hochschulausbildung (2 Jahre oder länger) von 20% im Jahre 2013 auf 24% im Jahr 2014 angestiegen. Der Anteil von Personen mit tertiärer Ausbildung (weniger als 2 Jahre) lag im Dezember 2014 bei ca. 5%.
Deutschland
In Bezug auf demografische Aspekte erkennt man anhand der Asylerstanträge, dass sich vor allem viele junge Leute unter den Antragstellern befinden. Im Zeitraum von Januar bis August 2016 waren 73,6% der Asylerstantragsteller/-innen jünger als 30 Jahre (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2016a, S. 7). Die Altersgruppe der 18- bis unter 25-Jährigen war dabei mit 23,9% am stärksten vertreten. Ähnlich wie in Österreich und Schweden sind in der Altersspanne der 11- bis unter 50-Jährigen deutlich mehr Männer als Bewerber (für Erstanträge) vertreten. Insgesamt verteilen sich zwei Drittel aller Erstanträge auf Männer. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch für 2015 (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2015a, S. 7). Auch andere Analysen unterstreichen das Ergebnis, dass junge Menschen den deutlich größten Anteil an den Asylberechtigten und anerkannten Flüchtlingen ausmachen (Rich 2016; Worbs/Bund 2016, S. 3).
Die bisherigen Ergebnisse und aktuellen Berichte aus dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (Brücker 2016b) für das Jahr 2015 verdeutlichen hinsichtlich des Bildungsniveaus der Flüchtlingsgruppen, dass 25% der über 18-jährigen Asylbewerber angeben, keine oder nur eine Grundschule, 26% eine Mittel- oder Fachschule und 46% ein Gymnasium, eine Fachhoch- oder Hochschule besucht zu haben (Ergebnisse sind gewichtet mit der Bleibewahrscheinlichkeit der Personen). Vor allem zwischen den Herkunftsländern zeigen sich teils deutliche Unterschiede (Brücker u. a. 2016, S. 4 f.).
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Sie haben also entweder ein Studium oder einen Abschluss im Sekundarbereich II (z. B. Hochschulzugangsberechtigung oder Berufsausbildung).