Das folgende Kapitel befasst sich mit der Analyse ausgewählter berufsstruktureller Entwicklungen innerhalb der dualen Berufsausbildung nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO), wie sie im Rahmen von Dauerbeobachtungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) auf Basis der Berufsbildungsstatistik (Erhebung zum 31. Dezember) (vgl. Kapitel A5.1) durchgeführt werden. Analysen von Strukturentwicklungen sind für die Entwicklungsperspektiven des dualen Systems von Interesse (vgl. Uhly/Troltsch 2009) und ermöglichen eine Abschätzung von Chancen für unterschiedliche Gruppen von Jugendlichen.81
Der Fokus der Betrachtung liegt auf der Entwicklung folgender Berufsgruppierungen: Produktions- und Dienstleistungsberufe, MINT-Berufe, IT-Berufe, neue Ausbildungsberufe, zweijährige Ausbildungsberufe und Berufe nach Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderung. Die Berufsbildungsstatistik eignet sich besonders gut für die Betrachtung langfristiger Entwicklungen. Außerdem erfasst die Berufsbildungsstatistik Merkmale, wie bspw. die allgemeinbildenden Schulabschlüsse der Auszubildenden, die mit den Daten zur Berufsstruktur verknüpft werden können. In diesem Kapitel werden die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge als Basis herangezogen (vgl. Erläuterung in Kapitel A5.3) und nicht die Bestandszahlen verwendet, da die Berufe je nach Ausbildungsdauer unterschiedlich stark vertreten sind (zweijährige Ausbildungsberufe sind i. d. R. unterrepräsentiert, dreieinhalbjährige eher überrepräsentiert). Die Neuabschlusszahlen haben zudem den Vorteil, dass hiermit aktuelle Entwicklungen deutlicher nachgezeichnet werden können als mit den Bestandszahlen.
Wegen einer grundlegenden Umstellung der Systematik für die Zuordnung der Berufe zum Produktionsbereich sowie zum primären und sekundären Dienstleistungsbereich zum Berichtsjahr 2015 musste bereits für den Datenreport zum Berufsbildungsbericht 2017 ein Bruch in den Zeitreihen in Kauf genommen werden. Die Übersichten zur Entwicklung der Produktions- und Dienstleistungsberufe der Ausgaben des BIBB-Datenreports vor 2017 sind deshalb nicht mit den aktuellen vergleichbar.
Produktions- und Dienstleistungsberufe
Seit dem Berichtsjahr 2012 wurden auch im Rahmen der Berufsbildungsstatistik die (erweiterten) Berufskennziffern nach der Klassifikation der Berufe 2010 der Bundesagentur für Arbeit (KldB 2010) eingeführt, die die bis dahin verwendete KldB 1992 ablösten; zu Details siehe Erläuterungskasten im BIBB-Datenreport 2016.
Für folgende Analysen wurde eine Gliederung nach Produktions- und Dienstleistungsberufen verwendet, die zum einen auf der KldB 2010 und zum anderen auf Angaben zu den Tätigkeitsschwerpunkten des Mikrozensus 2011 basiert. Die Zuordnung der 5-Steller der KldB2010 zu den jeweiligen Berufssektoren (Produktionsberufe/primäre Dienstleistungsberufe/sekundäre Dienstleistungsberufe) erfolgte nach Tiemann u. a. 2008 (vgl. auch Hall 2007). Im Rahmen des Mikrozensus 2011 sollten die Befragten aus einer Liste von 20 Tätigkeiten diejenige nennen, die für ihre alltägliche Arbeit die größte Bedeutung hat. Die Anteile der Tätigkeiten wurden gemäß ihrer Zugehörigkeit zum jeweiligen Sektor aufsummiert. Nach diesem Prozedere konnten die einzelnen Berufe jeweils einem Berufssektor zugewiesen werden. Im Unterschied zu Tiemann u. a. 2008 wurden die einzelnen Ausbildungsberufe direkt gemäß der genannten Tätigkeitsschwerpunkte als Produktions-, primärer oder sekundärer Dienstleistungsberuf eingestuft. Es wurden die Berufe nicht wie bei Tiemann u. a. zunächst zu Berufsfeldern bzw. Berufshauptfeldern zusammengefasst (die dann zu den Berufssektoren bzw. Berufsoberfeldern gruppiert werden). Deshalb weichen die Zuordnungen für folgende Analysen von den Zuordnungen nach Tiemann u. a. teilweise ab.
Ausführliche Informationen zum Vorgehen sowie eine vollständige Liste der Produktions- und Dienstleistungsberufe finden sich unter: https://www2.bibb.de/bibbtools/dokumente/xls/a21_dazubi_berufsliste-p-dl_2016.xls.
Primäre Dienstleistungen stellen nach Klauder in Abgrenzung zu den Produktionstätigkeiten „im Schwerpunkt eine ‚Verlängerung‘ des Produktionsweges nach vorne und hinten dar, halten den gesamtwirtschaftlichen ‚Produktionsfluß‘ aufrecht und gehen schließlich direkt in den Konsum ein“ (Klauder 1990). Unter die primären Dienstleistungsberufe fallen Berufe mit z. B. folgenden Tätigkeitsschwerpunkten: Handels- und Bürotätigkeiten sowie allgemeine Dienste wie Bewirten, Lagern, Transportieren, Reinigen und Sichern.
Als sekundäre Dienstleistungstätigkeiten werden Tätigkeiten zusammengefasst, die „in der Regel physisch nicht greifbar sind und somit immaterielle Güter darstellen, die vorwiegend geistig erbracht werden. Sie werden auch als Kopf- oder Wissensarbeit bezeichnet und dadurch charakterisiert, dass sie die industrielle Produktion qualitativ über die vermehrte Förderung und Nutzung des menschlichen Geistes, des ‚Humankapitals‘, verbessern“ (Klauder 1990; vgl. dazu auch Hall 2007). Es handelt sich um Berufe mit z. B. folgenden Tätigkeitsschwerpunkten: Messen, Prüfen, Forschen, Gestalten, Gesetze anwenden, Beraten sowie Pflegen und Behandeln.
Tabelle A5.4-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in Produktions- und Dienstleistungsberufen, Bundesgebiet 2005 bis 20161
Schaubild A5.4-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in Produktions- und Dienstleistungsberufen nach Geschlecht, Bundesgebiet 2005 bis 20161
Tertiarisierung der dualen Berufsausbildung
Seit den 1980er-Jahren hat der Dienstleistungssektor in der Bundesrepublik Deutschland zunehmend die dominierende Rolle im Beschäftigungssystem übernommen (vgl. Walden 2007). Ähnlich zeigt sich auch die Entwicklung bei den Dienstleistungsberufen der dualen Berufsausbildung.82 Seit Mitte der 1990er-Jahre stieg hier der Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge – mit wenigen Ausnahmen – nahezu stetig bis zum Jahr 2010. Zwischen 2010 (65,1%) und 2016 (63,5%) war der Anteil wieder leicht rückläufig, befand sich aber weiterhin auf hohem Niveau Tabelle A5.4-1. Damit liegt der Dienstleistungsanteil in der dualen Berufsausbildung zwar immer noch unter dem des Arbeitsmarktes, wo etwa 3 von 4 Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich tätig sind, dennoch geht auch die berufsstrukturelle Entwicklung in der dualen Berufsausbildung in Richtung Dienstleistungs- und Wissensökonomie (vgl. Walden 2007), wobei primäre Dienstleistungsberufe im dualen System deutlich stärker vertreten sind als sekundäre.
2016 fanden sich unter den 10 insgesamt am stärksten besetzten Ausbildungsberufen im dualen System 5 primäre Dienstleistungsberufe, 2 sekundäre Dienstleistungsberufe und 3 Produktionsberufe.83 Der Anteil der primären Dienstleistungen an allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ging allerdings seit 2010 stetig zurück (2010: 50,3% vs. 2016: 47,3%). Dafür haben seit Mitte der 2000er-Jahre die sekundären Dienstleistungsberufe stetig an Bedeutung gewonnen, sodass 2016 16,2% aller Neuabschlüsse in diesem Bereich getätigt wurden (2007: 13,4%).
Nach dem Geschlecht der Auszubildenden differenzierte Analysen zeigen, dass die absolute Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge mit Frauen in Dienstleistungsberufen im Zeitverlauf zurückgegangen und gleichzeitig auch der Frauenanteil im Dienstleistungssektor deutlich rückläufig ist Schaubild A5.4-1. Auch wenn die weiblichen Auszubildenden im Jahr 2016 in den Dienstleistungsberufen (Frauenanteil: 57,0%) weiterhin überrepräsentiert waren, so zeigt die Entwicklung in den letzten 10 Jahren, dass die Tertiarisierung nicht zum Nachteil der Männer verlaufen ist. In den Dienstleistungsberufen stieg der Männeranteil allein von 2006 bis 2016 von 38,8% auf 43,0%. Dieser Anstieg zeigt sich in dem beschriebenen Zeitraum sowohl für die primären als auch sekundären Dienstleistungsberufe. In den vergangenen Jahren haben sich bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen im Bereich der Dienstleistungsberufe die Anteilsverhältnisse also deutlich zugunsten der Männer verschoben Schaubild A5.4-2. Eine vergleichbare Anteilsverschiebung ist bei den Produktionsberufen nicht zu erkennen. Der Männeranteil war hier in den letzten Jahren nahezu unverändert hoch (Männeranteil 2006: 93,4% vs. 2016: 91,7%).
Schaubild A5.4-2: Anteile der Frauen und Männer in Dienstleistungsberufen, Bundesgebiet 2005 bis 2016 (in %)1
Duale Berufsausbildung in MINT-Berufen
Seit Mitte der 1990er-Jahre zeigte die Modernisierung der dualen Berufsausbildung – auch bei den technischen Ausbildungsberufen – Erfolge, sodass in den MINT-Berufen im dualen System seit dieser Zeit bis zum Jahr 2001 steigende Anteile zu verzeichnen waren. Die rückläufige Entwicklung bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen seit Beginn bis Mitte der 2000er-Jahre zeigte sich auch bei den MINT-Berufen. Nach einem Anstieg von 2006 bis 2008 waren die Neuabschlusszahlen in den MINT-Berufen in den darauffolgenden Jahren 2009 und 2010 erneut rückläufig.
MINT-Berufe im dualen System (BBiG/HwO)
Im Rahmen der Analysen von berufsstrukturellen Entwicklungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) wird die BIBB-Berufsgruppierung „Technikberufe“84 aufgegeben. Sie wird (auch rückwirkend) durch die Berufsgruppe der „MINT-Berufe“ gemäß der Abgrenzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) ersetzt. Die BA-Abgrenzung setzt an den 5-Stellern der Klassifikation der Berufe 2010 an und schließt auch die dualen Ausbildungsberufe (BBiG bzw. HwO) ein. Die beiden Abgrenzungen (BIBB-Technikberufe und BA-MINT-Berufe) stimmen für die dualen Ausbildungsberufe weitgehend überein. Da das Berufsaggregat der „MINT-Berufe“ seitens der Bundesagentur für Arbeit für alle Erwerbsberufe und nicht speziell für die dualen Ausbildungsberufe (BBiG/HwO) gebildet wurde, ergeben sich zwar an einigen wenigen Stellen für die dualen Ausbildungsberufe problematische Zuordnungen. Diese werden aber aufgrund des Ziels einer einheitlichen Basis in Kauf genommen. Ziel dieser Umstellung ist es, eine einheitliche Begriffsverwendung für die Datennutzer/-innen sowie eine einheitliche Verwendung von Berufsgruppierungen für Ausbildungs- und Arbeitsmarktanalysen zu schaffen.
Das Berufsaggregat „MINT-Berufe“
Nach der Definition der Bundesagentur für Arbeit umfasst das Berufsaggregat „MINT-Berufe“ alle Tätigkeiten, „für deren Ausübung ein hoher Anteil an Kenntnissen und Fertigkeiten aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und/oder Technik erforderlich ist. Dabei wird auch das Bauen und Instandhalten technischer Anlagen und Geräte als zentraler Bestandteil einer Tätigkeit zu den MINT-Berufen gezählt, jedoch nicht das bloße Bedienen von Maschinen. Die einzelnen 5-Steller der KldB 2010 werden dabei nicht nur dem Gesamtaggregat MINT zugeordnet, sondern differenziert in ,Mathematik, Naturwissenschaften', ,Informatik‘ und ,Technik‘. Bei der Definition von MINT-Berufen ist der Tätigkeitsinhalt entscheidend, nicht jedoch die Ausübungsform wie z. B. Handwerksberuf oder Industrieberuf. Das Berufsaggregat „MINT-Berufe“ umfasst neben den hochqualifizierten MINT-Berufen auch die sogenannten mittelqualifizierten MINT-Berufe. Das bedeutet, dass neben Experten- und Spezialistentätigkeiten auch Fachkrafttätigkeiten berücksichtigt werden“ (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2014, S. 71).
Erläuterungen zum Vorgehen der Bundesagentur für Arbeit bei der Abgrenzung der MINT-Berufe und eine vollständige MINT-Berufeliste findet sich unter: https://www2.bibb.de/bibbtools/dokumente/xls/a21_dazubi_berufsliste-mint_2016.xls
Dort ist auch eine Gegenüberstellung der ehemaligen Technikberufe des BIBB und den hier verwandten MINT-Berufen der Bundesagentur für Arbeit enthalten.
Im Berichtsjahr 2016 wurden 166.482 neue Ausbildungsverträge in dualen MINT-Berufen abgeschlossen. Auch wenn damit die absolute Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in MINT-Berufen im Jahr 2016 recht deutlich unter der des Jahres 2011 liegt, so ist dennoch in diesem Zeitraum aufgrund noch stärkerer Rückgänge bei allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen insgesamt der Anteil der Neuabschlüsse in MINT-Berufen angestiegen und hat 2016 mit einem Anteilswert von 32,6% an allen neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen den höchsten Stand seit über 20 Jahren erreicht Tabelle A5.4-2.
Auch der Frauenanteil in den MINT-Berufen ist 2016 mit 11,5% im Vergleich zum Vorjahr leicht gestiegen (2015: 11,3%). Dieser positive Trend hält – mit wenigen Ausnahmen – seit dem Jahr 2006 (8,9%) an. Dennoch befindet sich der Frauenanteil weiterhin auf niedrigem Niveau. Auch wennFrauen durchaus Präferenzen für ausgewählte MINT-Berufe haben, ist hier der weit überwiegende Teil männlich dominiert, häufig sogar fast ausschließlich mit Männern besetzt (vgl. Kroll 2017a). Insgesamt kann der oben beschriebene Anstieg des Frauenanteils in dieser Berufsgruppe – insbesondere im Hinblick auf die vielfältigen Fördermaßnahmen der vergangenen Jahre – als eher schwach angesehen werden (vgl. hierzu auch Uhly 2006, S. 22 ff.). Hierfür scheinen u. a. sowohl individuelle Gründe, z. B. in Form von Berufswahlentscheidungen, als auch betriebliche Gründe im Rahmen von geschlechtsspezifischem Rekrutierungsverhalten eine Rolle zu spielen (Beicht/Walden 2014).
Betrachtet man die Gruppe der MINT-Berufe differenzierter, so zeigt sich, dass 9 von 10 der in den dualen MINT-Berufen 2016 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen zu den technischen Ausbildungsberufen zählen. Besonders stark besetzt war hier der Bereich der produktionstechnischen Berufe; rund drei Viertel aller MINT-Neuabschlüsse wurden hier getätigt. Der Frauenanteil lag im Bereich der technischen Ausbildungsberufe bei 9,1% und damit unter dem Gesamtdurchschnitt in MINT-Berufen (11,5%). Im vergleichsweise kleinen Bereich der Gesundheitstechnik waren die Frauen hingegen mit rund 63% stärker vertreten als die Männer und besetzten somit auch in der Gruppe der MINT-Berufe geschlechtertypische Nischen. Hierunter fallen bspw. die Berufe Augenoptiker/-in und Zahntechniker/-in. Einen überdurchschnittlichen Frauenanteil (36,7%) findet man 2016 auch in mathematisch und naturwissenschaftlich ausgerichteten Ausbildungsberufen, die hauptsächlich Labortätigkeiten beinhalten, wie beispielsweise Biologielaborant/-in, Chemielaborant/-in, Chemikant/-in und Pharmakant/-in. Anders ist die Situation im Bereich der Informatik. Hier waren Frauen ähnlich selten vertreten wie in den MINT-Berufen insgesamt. Aufgrund der steigenden Bedeutung seit Mitte der 1990er-Jahre soll dieser Bereich im Folgenden auf der Basis der Berufsfeld-Definitionen des BIBB genauer betrachtet werden.
Tabelle A5.4-2: Neu abgeschlossene Ausbildungs- verträge in MINT-Ausbildungsberufen im dualen System (BBiG/HwO), Bundesgebiet 1993 bis 20161
IT-Berufe in der Industrie 4.0
Die Digitalisierung der Wirtschaft wird in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen, und somit wird auch die Nachfrage nach IT-Berufen – wie bereits in den letzten Jahren – steigen. Zu einem bedeutenden Anteil wird diese zusätzliche Nachfrage im verarbeitenden Gewerbe entstehen, also nicht ausschließlich in der IKT-Branche selber. Auch wenn der steigende Bedarf vor allem auf die hochqualifizierten Fachkräfte zurückzuführen ist, so wird dies – bestehenden Analysen zufolge – nicht zulasten der mittleren Qualifikationsebene gehen (vgl. Hall u. a. 2016).
Im Hinblick auf diese Prognose soll im Folgenden die Entwicklung in den dualen IT-Berufen der letzten Jahre genauer betrachtet werden.
Schaubild A5.4-3: Entwicklung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den dualen IT-Berufen nach Geschlecht1
IT-Kernberufe
Mit dem Ziel, eine Vergleichbarkeit zu den Berufsfeldanalysen zu erzielen, wurde zur Abgrenzung der IT-Berufe das Berufsfeld 38 „IT-Kernberufe“ der Berufsfeld-Definitionen des BIBB (Tiemann u. a. 2008) herangezogen. Analysen von Hall u. a. haben gezeigt, dass der überwiegende Teil der Personen in diesem Berufsfeld mit Datenverarbeitung und Softwareentwicklung beschäftigt ist, in einigen Fällen auch mit Beratung, Organisation und Vertrieb von Datenverarbeitungssystemen (vgl. Hall u. a. 2016).
Folgende duale Ausbildungsberufe umfasst das Berufsfeld 38 „IT-Kernberufe“:
- Fachinformatiker/-in,
- Informatikkaufmann/-kauffrau,
- Informations- und Telekommunikationssystem-Kaufmann/-Kauffrau,
- Mathematisch-technischer Softwareentwickler/Mathematisch-technische Softwareentwicklerin
sowie die Vorgängerberufe:
- Datenverarbeitungskaufmann/-kauffrau (aufgehoben im Jahr 1997),
- Mathematisch-technischer Assistent/Mathematisch-technische Assistentin (aufgehoben im Jahr 2007).
Diese Abgrenzung stimmt auch mit der Berufshauptgruppe 43 „Informatik-, Informations- und Kommunikationstechnologieberufe“ der KldB 2010 überein. Die KldB 2010 fasst hier Berufe mit Tätigkeiten in der Informatik, IT-Systemanalyse und -Anwendungsberatung, im Vertrieb von IT-Produkten, in der Koordination, IT-Administration und IT-Organisation sowie in der Softwareentwicklung und Programmierung zusammen (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2014).
Bei der Verwendung derartiger Klassifikationen ergeben sich immer auch Grenzfälle. So werden die Berufe IT-System-Elektroniker/-in und Elektroniker/-in für Informations- und Systemtechnik nicht zu den IT-Kernberufen gezählt, sondern zum Berufsfeld 11 „Elektroberufe“. Bei der KldB 2010 zur Berufshauptgruppe 26 „Mechatronik-, Energie- und Elektroberufe“.
Vor allem aufgrund der seit 1997 neu eingeführten IT-Berufe ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge seither deutlich angestiegen Schaubild A5.4-3. Waren es 1996 noch 1.665 Neuabschlüsse, so hatte sich diese Zahl bis 2001 mit 16.674 Neuabschlüssen verzehnfacht. Zwischen 2001 und 2003 kam es allerdings zu deutlichen Einbrüchen. Dies dürfte auch mit der sogenannten „Dotcom-Blase“ in Zusammenhang stehen. Der Börsenkrach könnte möglicherweise dazu geführt haben, dass das Vertrauen vieler Anleger in IT-Unternehmen nachhaltig erschüttert war und es über Jahre in der IT-Branche zu einem massiven Stellenabbau kam. Im Jahr 2003 (11.706) wurden hier rund 30% weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen als noch 2 Jahre zuvor. In den letzten Jahren hat sich die Zahl der Neuabschlüsse – mit immer wieder leichten Schwankungen – insgesamt stabilisiert und erreichte 2016 mit 14.498 den dritthöchsten Stand seit 1993.
Ähnlich wie bei den dualen MINT-Berufen insgesamt gestaltet sich der Frauenanteil bei den dualen IT-Berufen. Frauen sind auch hier deutlich unterrepräsentiert, allerdings mit recht starken Veränderungen im Zeitverlauf. Lag der Frauenanteil in den 1990er-Jahren noch bei über bzw. knapp unter 20%, so sank er in der Folgezeit bis zum Jahr 2016 auf nur noch 9,4%. Insgesamt scheint es auch bei den IT-Berufen – ähnlich wie bei den MINT-Berufen – zu einer Reproduktion geschlechtsspezifischer Zugänge und Arbeitsmarktsegmentierungen zu kommen (vgl. Struwe 2004). Und schon allein die geringe Präsenz von Frauen in IT-Berufen dürfte maßgeblich mitverantwortlich für eine den IT-Berufen abgewandte Sozialisation der Frauen sein (vgl. Solga/Pfahl 2009).
Neue Berufe in der dualen Berufsausbildung
Durch die Neuordnung von Ausbildungsberufen wurde seit 1996 die Modernisierung der dualen Berufsausbildung intensiviert. Diese Entwicklung wurde durch eine „Diskussion um die qualifikatorischen Konsequenzen aus den Entwicklungen in strategisch bedeutsamen Technologien, dem Sprung von der Industrie- zur Informations- und Wissensgesellschaft, der Globalisierung des Wirtschaftens und der damit verbundenen Umgestaltung der Arbeitsorganisation“ (Bundesinstitut für Berufsbildung 1998, S. 1) angestoßen. Im Jahr 1999 haben sich die Sozialpartner auf eine Fortführung dieser Modernisierungsoffensive geeinigt (Arbeitsgruppe Aus- und Weiterbildung 1999; Bundesministerium für Bildung und Forschung 2002, S. 26 ff.).
Im Jahr 2016 betrug die Anzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den seit 1996 neu geschaffenen Berufen insgesamt 64.026, was einem prozentualen Anteil von 12,6% an allen Neuabschlüssen entspricht Tabelle A5.4-3 Internet. Wie bereits in den vergangenen Jahren war darunter erneut der 1997 neu eingeführte Beruf Fachinformatiker/-in mit 11.925 Neuabschlüssen am stärksten besetzt, gefolgt von dem aus 1998 stammenden Beruf Mechatroniker/-in mit 7.809 Neuabschlüssen. An dritter Stelle folgte mit etwas Abstand, allerdings mit einem erneut recht deutlichen Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, der Ausbildungsberuf Automobilkaufmann/-kauffrau aus dem Jahr 1998 (2016: 4.962 vs. 2015: 4.518 Neuabschlüsse). Ebenfalls quantitativ bedeutsame Ausbildungsberufe in der Gruppe der seit 1996 neu geschaffenen Berufe waren im Berichtsjahr 2016: Maschinen- und Anlagenführer/-in aus 2004 (3.711 Neuabschlüsse), Mediengestalter/-in für Digital- und Printmedien aus 1998 (3.045 Neuabschlüsse), Technischer Produktdesigner/Technische Produktdesignerin aus 2005 (2.463 Neuabschlüsse) und Fahrzeuglackierer/-in aus 2003 (2.253 Neuabschlüsse).
Erwartungsgemäß sind die Neuabschlusszahlen unmittelbar nach Inkrafttreten der neuen Ausbildungsordnungen zunächst in der Regel vergleichsweise niedrig. Im weiteren Verlauf entwickeln sie sich dann in den einzelnen Berufen z. T. sehr unterschiedlich Tabelle A5.4-3 Internet. Seit der Einführung im Jahr 1998 sind bspw. die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge im Beruf Mechatroniker/-in ziemlich kontinuierlich von 1.311 auf nunmehr 7.809 Verträge im Berichtsjahr 2016 gestiegen. Allerdings waren auch hier – wie in vielen anderen Berufen – die Einflüsse der wirtschaftlichen Krisensituation um die Jahre 2009 und 2010 erkennbar. Andere Berufe wie z. B. der 1997 eingeführte Beruf Informations- und Telekommunikations-Kaufmann/-Kauffrau wies nach einer ersten Phase des Vertragszuwachses über viele Jahre wieder rückläufige Neuabschlusszahlen auf (2001: 3.027 vs. 2016: 1.314).
Insgesamt zeigt sich in dieser Berufsgruppierung, dass ein Großteil der neuen Ausbildungsberufe auch nach einigen Jahren vergleichsweise gering besetzt bleibt. Allerdings ist die Konzentration auf wenige Ausbildungsberufe kein Spezifikum der neuen Ausbildungsberufe, sondern im gesamten System der dualen Berufsausbildung zu beobachten. Die Hälfte aller Jugendlichen (54,5%) mit neu abgeschlossenem Ausbildungsvertrag fanden sich im Jahr 2016 in den 20 am stärksten besetzten Berufen.
Die Entwicklung zweijähriger Ausbildungsberufe
Die Anzahl der zweijährigen Ausbildungsberufe wurde durch Aufhebung, Integration oder Umwandlung in dreijährige Berufe seit den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts deutlich reduziert. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde wieder verstärkt versucht, über zweijährige85 („theoriegeminderte“) Ausbildungsberufe ein zusätzliches Ausbildungsplatzangebot zu schaffen und damit insbesondere die Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche mit schlechten Startchancen zu verbessern (Kath 2005; Bundesministerium für Bildung und Forschung 2005). Das Potenzial dieser Berufe zur Verbesserung der Chancen von Jugendlichen wurde allerdings in der bildungspolitischen Debatte kontrovers diskutiert (vgl. Kroll 2017b; Uhly/Kroll/Krekel 2011, S. 5 f.).
Im Berichtsjahr 2016 wurden in den staatlich anerkannten Ausbildungsberufen (bzw. Ausbildungsberufen in Erprobung) mit einer Ausbildungsdauer von 24 Monaten insgesamt 42.684 neue Ausbildungsverträge abgeschlossen. Damit lag der Anteil der Neuabschlüsse in zweijährigen Ausbildungsberufen an allen Neuabschlüssen mit 8,5% erneut knapp unter dem Vorjahresniveau (2015: 8,6%). Dieser rückläufige Trend ist seit 2010 zu beobachten, wo der entsprechende Anteil bundesweit noch 9,6% betrug Tabelle A5.4-4.86 Zum Vergleich lag der Anteil zweijähriger Ausbildung in den alten Ländern in den 1980er-Jahren mit 13,7% noch deutlich höher. Mit dem Wegfall von sogenannten gestuften Ausbildungen in den Elektroberufen im Jahr 1987 war deren Anteil bis Mitte der 1990er-Jahre auf rund 3% gesunken.
Schaut man sich die Anteilwerte für zweijährige duale Ausbildung regional differenziert an, zeigt sich, dass in Westdeutschland der Anteil der zweijährigen Ausbildungsberufe mit 8,2% auch im Jahr 2016 weiterhin geringer ausfiel als in Ostdeutschland mit 10,7%. Allerdings lag der Anteil in Westdeutschland damit auf dem Vorjahresniveau, während sich der Anteil für Ostdeutschland im Vergleich zum Vorjahr weiter verringert hat (2015: 11,0%). Damit setzte sich der Annäherungstrend der letzten Jahre fort. Während der Anteil zweijähriger Berufe in Westdeutschland seit 2009 (8,5%) kaum verändert ist, sank in Ostdeutschland in diesem Zeitraum der Anteil um insgesamt mehr als 3 Prozentpunkte (2009: 14,1% vs. 2016: 10,7%). Ein maßgeblicher Grund für diese rückläufige Entwicklung dürfte sein, dass insbesondere in Ostdeutschland zweijährige Ausbildungsgänge häufig überwiegend öffentlich finanziert wurden (vgl. Uhly/Kroll/Krekel 2011) und in den letzten Jahren weniger Ausbildungsplätze bereitgestellt wurden (vgl. Kroll 2017b). Diese stärkere öffentliche Finanzierung ist historisch gewachsen und sollte dem Aufbau der Wirtschaft in Ostdeutschland nach der Wende dienen (vgl. Granato/Ulrich 2013). Die außerbetrieblichen Ausbildungsplatzprogramme für „marktbenachteiligte“ Jugendliche gehören seit Beginn der 1990er-Jahre zum Kernstück der Ausbildungsförderung in Ostdeutschland (Berger/Braun/Drinkhut/Schöngen 2007).
Auch im Berichtsjahr 2016 war der Beruf Verkäufer/-in mit 22.983 Neuabschlüssen der am stärksten besetzte zweijährige Ausbildungsberuf. Damit wurden rund 54% aller Neuabschlüsse in zweijährigen Berufen hier abgeschlossen. Mit deutlichem Abstand folgten die Berufe Fachlagerist/-in (5.640 Neuabschlüsse), Maschinen- und Anlagenführer/-in (3.711 Neuabschlüsse), Fachkraft im Gastgewerbe (1.989 Neuabschlüsse) und Fachkraft für Metalltechnik (1.539 Neuabschlüsse).
Mit dem erfolgreichen Abschluss einer zweijährigen Berufsausbildung erwerben die Absolventen und Absolventinnen einen Berufsabschluss in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf. In den meisten dieser Berufe kann die absolvierte Ausbildung in einem (i. d. R. drei- oder dreieinhalbjährigen) Ausbildungsberuf fortgeführt werden. Nahezu alle Jugendlichen, die im Jahr 2016 in einem zweijährigen Ausbildungsberuf einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen haben, befanden sich in einem Beruf, dessen Ausbildungsordnung die Möglichkeit der Anrechnung der Ausbildung vorsieht.87 Allerdings erfasst die Berufsbildungsstatistik nicht, ob die Ausbildung nach Abschluss der zweijährigen Berufsausbildung auch wirklich fortgeführt wird. Die Einführung einer Verlaufsstatistik im Rahmen der Berufsbildungsstatistik wäre für derartige Analysen und die Ermittlung echter Ausbildungsverläufe notwendig (vgl. Kapitel A5.1).
Seit dem Berichtsjahr 2016 wird das Merkmal Anschlussvertrag im Rahmen der Berufsbildungsstatistik erstmals gemeldet, bis dahin wurde es berechnet.88 Setzt man die Zahl der gemeldeten Anschlussverträge mit den Absolventinnen und Absolventen einer zweijährigen Ausbildung in Beziehung, erhält man näherungsweise den Anteil derer, die eine zweijährige Ausbildung in einem dualen Ausbildungsberuf fortführen. Für das Berichtsjahr 2016 waren dies rund ein Fünftel der Absolventinnen und Absolventen einer zweijährigen Ausbildung.
In zweijährigen Berufen, so haben weiterführende Analysen zu den Strukturmerkmalen der Auszubildenden gezeigt, befinden sich überwiegend Auszubildende mit niedrigeren Schulabschlüssen, die auch die primäre Zielgruppe darstellen. Häufig sind dies Jugendliche, denen der Übergang in eine drei- bzw. dreieinhalbjährige Ausbildung nicht ohne Weiteres gelingt und denen der Einstieg ins berufliche Leben über eine theoriegeminderte zweijährige Ausbildung ermöglicht werden soll. Was die Potenziale zweijähriger Berufe zur Verbesserung der Chancen auf einen erfolgreichen Ausbildungsabschluss für Jugendliche mit geringeren Bildungsvoraussetzungen angeht, so können hierzu auf Basis der Berufsbildungsstatistik keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Festgestellt werden konnte allerdings, dass der Ausbildungserfolg ungünstiger ausfällt als in den übrigen dualen Ausbildungsberufen. Eine systematische Aufbereitung der Daten zu den zweijährigen Ausbildungsberufen findet man in Uhly/Kroll/Krekel (2011). Der Beitrag enthält umfassendes Datenmaterial in tiefer regionaler und beruflicher Gliederung.
Tabelle A5.4-4: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in zweijährigen Ausbildungsberufen, Anzahl und Anteil an allen Neuabschlüssen, Bundesgebiet, West- und Ostdeutschland 1993 bis 20161, 2
Die Entwicklung der Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderung
In Berufen für Menschen mit Behinderung (§ 66 BBiG und § 42m HwO) wurden im Berichtsjahr 2016 insgesamt 8.781 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Damit kam es erneut zu einem recht deutlichen Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 4,1% (2015: 9.159). Der Anteil an allen Neuabschlüssen lag damit bundesweit mit 1,7% leicht unter dem Vorjahresniveau (2015: 1,8%).
Hierbei zeigen sich allerdings deutliche regionale Unterschiede. Der Anteil der Neuabschlüsse in den Berufen für Menschen mit Behinderung lag in Ostdeutschland im gesamten Beobachtungszeitraum seit 1993 immer mehr als doppelt so hoch, in einigen Berichtsjahren sogar mehr als dreimal so hoch wie in Westdeutschland (so z. B. im Jahr 2002 – Westdeutschland: 1,7% vs. Ostdeutschland: 5,3%) Tabelle A5.4-5.
Duale Ausbildungsberufe für Menschen mit Behinderung
Im Regelfall sollen „behinderte Menschen ... in anerkannten Ausbildungsberufen ausgebildet werden“ (§ 64 BBiG). Nur wenn aufgrund der Behinderung eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf nicht infrage kommt, sollen Menschen mit Behinderung nach besonderen Regelungen ausgebildet werden. Bei diesen Ausbildungsberufen handelt es sich um Berufe mit speziellen Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen (§ 66 BBiG bzw. § 42m HwO) (vgl. Kapitel A3.3).
Bei den Daten der Berufsbildungsstatistik ist zu beachten, dass kein personenbezogenes Merkmal zur Behinderung erhoben wird. Erfasst wird lediglich, ob es sich bei den jeweiligen Meldungen der Ausbildungsverträge um staatlich anerkannte Ausbildungsberufe (bzw. duale Ausbildungsberufe in Erprobung) oder um Ausbildungsgänge gemäß einer Regelung der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderung handelt.
Tabelle A5.4-5: Anteil der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Berufen für Menschen mit Behinderung, Bundesgebiet, West- und Ost- deutschland 1993 bis 2016 (in % der Neuabschlüsse)1, 2
Tabelle A5.4-6: Staatlich anerkannte Ausbildungsberufe und Ausbildungsregelungen der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderung (§ 66 BBiG/§ 42m HwO) nach Art der Förderung, Berichtsjahr 2016
Obwohl diese Ausbildungsregelungen ausschließlich für Menschen mit Behinderung vorgesehen sind, legen sowohl die zwischenzeitliche Bedeutungszunahme dieser Berufe als auch die erheblichen Unterschiede zwischen Ost- und Westdeutschland die Vermutung nahe, dass solche Regelungen auch als Problemlösungsstrategien dienten, um Jugendliche in den vergangenen schwierigen Zeiten am Ausbildungsmarkt mit Ausbildungsplätzen zu versorgen. Dieses Vorgehen ist auch schon lange bekannt bei Maßnahmen und Ausnahmeregelungen für Benachteiligte oder Lernbeeinträchtigte (vgl. Ulrich 1998).
Methodisch ist bei dieser Thematik insgesamt zu beachten, dass die tatsächliche Ausbildungssituation von Menschen mit Behinderung im dualen System auf Basis der Berufsbildungsstatistik nicht abgebildet werden kann, denn ein personenbezogenes Merkmal zu einer vorliegenden Behinderung von Auszubildenden ist in dieser Erhebung nicht vorhanden. Somit können lediglich berufsbezogene Betrachtungen erfolgen; allenfalls kann noch ausgewertet werden, ob für die Ausbildungsverhältnisse im ersten Jahr der Ausbildung eine spezielle Art der Förderung erfolgte. Will man diese Angaben als Einschätzung für den Personenkreis der Auszubildenden mit Behinderung verwenden, stellen sich folgende Probleme: Die Angaben zu Verträgen, die nach Kammerregelungen der zuständigen Stellen für Menschen mit Behinderung abgeschlossen wurden, decken nicht alle Verträge behinderter Menschen im dualen System ab. Menschen mit Behinderung besetzen – und dies in nicht geringem Maße – auch staatlich anerkannte Ausbildungsberufe. Das BBiG sieht dies sogar als Regelfall vor (§ 64 BBiG). Dass dies auch gängige Praxis ist, wird dadurch belegt, dass im Berichtsjahr 2016 rund 2.304 Ausbildungsverhältnisse in staatlich anerkannten Berufen außerbetrieblich „nach §§ 100 Nr. 3, 235a und 236 SGB III (außerbetriebliche Ausbildung für Menschen mit Behinderung – Reha)“ gefördert wurden Tabelle A5.4-6. Besonders stark besetzt waren hier die Berufe: Verkäufer/-in, Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement und Fachlagerist-/in.
Bei der Beschreibung der Ausbildungssituation von Menschen mit Behinderung im dualen System ergibt sich noch eine weitere Beschränkung, denn auch die statistischen Angaben zur Art der Förderung sind nicht ausreichend, um den Personenkreis der Menschen mit Behinderung abzubilden. Nicht alle Ausbildungsverhältnisse mit Auszubildenden mit Behinderung sind öffentlich gefördert. So wurde mehr als ein Drittel (35,4%) der Verträge, die nach Kammerregelung der zuständigen Stellen erfolgten, überwiegend betrieblich finanziert. Um wirklich belastbare Aussagen zur Situation von Auszubildenden mit Behinderung im dualen System treffen zu können, erscheint die Durchführung gesonderter Stichprobenerhebungen sinnvoll (vgl. Gericke/Flemming 2013).
(Stephan Kroll)
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Zu Ausbildungschancen von Jugendlichen mit Hauptschulabschluss im Kontext berufsstruktureller Entwicklungen siehe Uhly 2010.
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Zum berufsstrukturellen Wandel in der dualen Berufsausbildung siehe auch Uhly 2007.
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Primäre Dienstleistungsberufe: Kaufmann/Kauffrau im Einzelhandel, Kaufmann/Kauffrau für Büromanagement, Verkäufer/-in, Industriekaufmann/-kauffrau, Kaufmann/Kauffrau im Groß- und Außenhandel.
Sekundäre Dienstleistungsberufe: Medizinische/-r Fachangestellte/-r, Zahnmedizinische/-r Fachangestellte/-r.
Produktionsberufe: Kraftfahrzeugmechatroniker/-in, Industriemechaniker/-in, Elektroniker/-in. -
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Für eine Zeitreihe zu den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen in technischen Ausbildungsberufen bis 2015 siehe Bundesinstitut für Berufsbildung 2017.
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Innerhalb des dualen Systems machen die dreijährigen Ausbildungsberufe den größten Anteil aus. Neben den zweijährigen Ausbildungsberufen bestehen – insbesondere im Bereich der Metall- und Elektroberufe – auch Ausbildungsberufe, deren Ausbildungsordnungen eine Ausbildungsdauer von 42 Monaten vorsehen (dreieinhalbjährige Ausbildungsberufe). Das BIBB hat auch zu den dreieinhalbjährigen Ausbildungsberufen Sonderanalysen auf Basis verschiedener Statistiken und Erhebungen durchgeführt (vgl. Frank/Walden 2012).
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Alle Werte zu den zweijährigen Ausbildungsberufen beziehen sich ausschließlich auf die staatlich anerkannten dualen Ausbildungsberufe und die dualen Ausbildungsberufe in Erprobung; die Berufe nach Ausbildungsregelungen für Menschen mit Behinderung (nach § 66 BBiG bzw. § 42m HwO) sind nicht einbezogen.
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Nicht einbezogen sind die dualen Berufe für Menschen mit Behinderung.
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Berechnet wurde das Merkmal als Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in potenziellen Fortführungsberufen mit einer entsprechend kürzeren Vertragsdauer und dem Vorliegen einer vorherigen abgeschlossenen dualen Berufsausbildung der Auszubildenden. Der ermittelte Wert konnte lediglich als Höchstwert betrachtet werden und dabei eine Überschätzung darstellen (vgl. Uhly 2011). Die Meldungen zum Merkmal Anschlussvertrag für das Berichtsjahr 2016 ergaben eine um 1.800 Neuabschlüsse geringere Anzahl von Anschlussverträgen als die bis 2015 angewandte näherungsweise Berechnungsvariante (6.813 Neuabschlüsse wurden als Anschlussverträge gemeldet; die Berechnung ergibt 8.613 Anschlussverträge). Eine Untererfassung kann nicht ausgeschlossen werden. Da die Berechnung der Anschlussvertragszahl auf Basis von Berufsmerkmalen und anderen gemeldeten Merkmalen der Berufsbildungsstatistik aber nicht unproblematisch ist, übernimmt das BIBB dennoch die Meldungen zum Merkmal Anschlussvertrag und führt keine Korrektur durch. Die Meldungen des Merkmals Anschlussvertrag im Rahmen der Berufsbildungsstatistik führen mit der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge zu einer vergleichbaren Anzahl bzw. Anteilen von Neuabschlüssen (vgl. auch https://www.bibb.de/dokumente/pdf/a21_dazubi_berichtsjahre.pdf).