Erasmus+ (2014 bis 2020) ist das Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport der Europäischen Union. Es trägt dazu bei, die europäischen Ziele im Rahmen der Strategie Europa 2020 und des strategischen Rahmens für die Zusammenarbeit in der Bildung zu erreichen. Zentrales Instrument von Erasmus+ ist die Projektförderung. Das Programm umfasst neben den 4 Bildungssektoren Berufsbildung, Erwachsenenbildung, Schule und Hochschule auch die Bereiche Jugend und Sport.
Bis Ende 2020 werden in Europa insgesamt 14,8 Mrd. € für die Förderung der Qualifikation und Beschäftigungsfähigkeit von mehr als 4 Mio. Menschen bereitgestellt. Damit stehen in Erasmus+ für allgemeine und berufliche Bildung im Vergleich zum Vorgängerprogramm 40% mehr Mittel zur Verfügung. Knapp zwei Drittel (63%) des Gesamtbudgets sind dabei für grenzüberschreitende Mobilität von Einzelpersonen vorgesehen. Die verbleibenden Mittel dienen der Unterstützung von Partnerschaften sowie der Förderung von Reformen zur Modernisierung der allgemeinen und beruflichen Bildung und der Förderung von Innovation, Unternehmertum und Beschäftigungsfähigkeit. In Deutschland sind 4 Nationale Agenturen für die Umsetzung von Erasmus+ verantwortlich. Für die Sektoren Berufsbildung und Erwachsenenbildung ist die Nationale Agentur (NA) beim Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) zuständig.
Im Jahr 2017 hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) zusammen mit dem Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend sowie mit der Kultusministerkonferenz eine Zwischenevaluation des Programms vorgelegt (BMBF 2017). Darin wird festgestellt, dass das Programm seine Ziele erreicht und durch die Integration der verschiedenen Vorgängerprogramme Effizienzgewinne erreicht werden. Dieser integrierte Ansatz könnte auch in einem Folgeprogramm beibehalten werden, dabei müsste aber dennoch die Eigenständigkeit der unterschiedlichen Bildungsbereiche gestärkt werden. Im Hinblick auf das Nachfolgeprogramm wird auch festgestellt, dass die Antragsverfahren vereinfacht und die Mittelausstattung erhöht werden muss.
Erasmus+, Mobilität in der Berufsbildung
Das Programm Erasmus+ hat seine Zielperspektive erweitert. Auf der individuellen Ebene stehen weiterhin die Steigerung der Kompetenzen und Beschäftigungsfähigkeit im Mittelpunkt. Seit 2014 legt das europäische Bildungsprogramm für die Mobilität in der Berufsbildung aber zusätzlich einen Schwerpunkt auf die institutionelle und systemische Ebene. Durch die Beteiligung an Mobilitätsprojekten sollen die Unternehmen und Einrichtungen darin unterstützt werden, die Qualität und Attraktivität der Ausbildungsangebote zu steigern und die Internationalisierung der eigenen Organisation zu fördern. Auf der Ebene der Bildungssysteme soll die Anerkennung von Kompetenzen verbessert, die Übergänge zwischen den Bildungssektoren einschließlich des informellen Sektors erhöht und langfristig auch politische Reformen angestoßen werden.
Im Rahmen von Mobilitätsprojekten können Auszubildende, Berufsfachschüler/-innen, Personen in der Berufsausbildungsvorbereitung und Personen in formaler beruflicher Weiterbildung sowie Absolventen und Absolventinnen dieser Bildungsgänge Auslandsaufenthalte in einer Dauer zwischen 2 Wochen und einem Jahr realisieren. Das Berufsbildungspersonal kann zum Zweck des Lernens oder Ausbildens bzw. Unterrichtens für 2 Tage bis 2 Monate ins europäische Ausland gehen.
Die Zahlen der im Jahr 2017 beantragten und bewilligten Auslandsaufenthalte sind in Tabelle D3-1 dargestellt. Der stetige Anstieg der Auslandsmobilität setzte sich im Jahr 2017 weiter fort. Die Förderzahlen der Auszubildenden und Berufsfachschüler/-innen haben sich seit dem Jahr 2011 mehr als verdoppelt Schaubild D3-1.
Tabelle D3-1: Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung, beantragt/bewilligt, Antragsrunde 2017
Schaubild D3-1: Erasmus+ Mobilität in der Berufsbildung 1995 bis 2017, Lernende
Geförderte Ausbildungsgänge und Berufe
Die im Jahr 2014 bewilligten Projekte sind im Jahr 2016 ausgelaufen. Für diese Projekte liegen erstmals Zahlen hinsichtlich der geförderten Bildungsgänge und Berufe vor. In der Zielgruppe der Lernenden waren 93% in beruflicher Erstausbildung, die anderen Teilgruppen waren in Berufsausbildungsvorbereitung (2%), geregelter Weiterbildung (3%) oder im ersten Jahr nach Abschluss einer Aus- oder Weiterbildung (2%). Von den Personen in beruflicher Erstausbildung kommen 63% aus dem dualen System und 37% aus schulischen Bildungsgängen. Von den dualen Berufen sind die Industriekaufleute mit Abstand die international mobilsten. Im Jahr 2014 wurden 18.177 Ausbildungsabsolventen und -absolventinnen in diesem Beruf registriert. In den Jahren 2014 bis 2016 wurden im Programm Erasmus+ 1.942 Auslandsaufenthalte von Industriekaufleuten gefördert. Damit hat jeder zehnte Absolvent/jede zehnte Absolventin in diesem Beruf einen Auslandsaufenthalt mit Erasmus+ realisiert. Neben anderen kaufmännischen Berufen sind auch Mechatroniker/-innen, Fachinformatiker/-innen und Hotelfachleute überproportional mobil. Stark unterrepräsentiert sind die Verkaufsberufe. Die Tabelle D3-2 nennt die Anzahl der in Erasmus+ Projekten des Jahres 2014 geförderten Auslandsaufenthalte für die 20 am stärksten besetzten Ausbildungsberufe. Um beurteilen zu können, wie international mobil ein Ausbildungsberuf ist, reicht der Blick auf die absolute Zahl der Auslandsaufenthalte nicht aus. In Schaubild D3-2 werden deshalb die relativen Anteile für die TOP 20 Ausbildungsberufe an den Ausbildungsabsolventen und -absolventinnen und die auf diese Berufe bezogenen prozentualen Angaben zur Auslandsmobilität einander gegenübergestellt. Hierdurch ist erkennbar, in welchen Berufen höhere oder niedrigere Mobilitätsquoten als in der Gesamtverteilung erreicht wurden.
Tabelle D3-2: Erasmus+ geförderte Auslandsaufenthalte nach Ausbildungsberufen (Top 20)
Schaubild D3-2: Anteil der Erasmus+ geförderten Auslandsaufenthalte im Vergleich zu den Absolventenquoten der TOP 20 Ausbildungsberufe nach BBiG/HwO 2014 (in %)
Internationalisierung von Berufsbildungseinrichtungen
Zur Förderung der Internationalisierung von Berufsbildungseinrichtungen gibt es im Programm seit dem Jahr 2015 die Erasmus+ Mobilitätscharta Berufsbildung. Berufsbildungseinrichtungen, die den Akkreditierungsprozess erfolgreich durchlaufen haben und über die Charta verfügen, erhalten auf dieser Grundlage vereinfachte Rahmenbedingungen für die institutionell verankerten Mobilitätsaktivitäten.
Voraussetzung für die Akkreditierung ist neben einer Mindestzahl von qualitativ hochwertig durchgeführten Mobilitätsprojekten vor allem eine institutionelle Strategie für die fortschreitende Internationalisierung der Einrichtung. Das Programm Erasmus+ unterstützt so die systematische Internationalisierung der Institutionen hinsichtlich der Abschlüsse, der Kompetenzen des Personals, der Lerninhalte und ihrer Netzwerke. Auf der Grundlage der Finanzierung von Auslandsaufenthalten fördert das Erasmus+ Programm durch die Charta auch gezielt die Internationalisierung der Berufsbildungseinrichtungen. Im Jahr 2017 haben 20 Berufsbildungsinstitutionen, vor allem Berufsschulen und Unternehmen, eine Erasmus+ Mobilitätscharta Berufsbildung erhalten Tabelle D3-3. Damit ist die Zahl der akkreditierten Einrichtungen auf insgesamt 101 angestiegen. Die Charta ist bis zum Jahr 2020 gültig; bis dahin haben die Einrichtungen institutionellen Zugang zur Förderung von Auslandsaufenthalten im Rahmen des Programms.
Tabelle D3-3: Erasmus+ Mobilitätscharta Berufsbildung, Antragsrunde 2017
Wirkung von Mobilitätsprojekten
Auf individueller Ebene bietet das Programm Erasmus+ den Lernenden die Möglichkeit, internationale Berufskompetenz zu erwerben. Fremdsprachenkenntnisse, internationale Fachkenntnisse sowie interkulturelle Kompetenzen sind wichtige Bausteine einer international zukunftsfähigen Qualifizierung. Dem Personal der Berufsbildung bietet das Programm die Möglichkeit einer individuellen, mit dem Bedarf ihrer Einrichtung abgestimmten Weiterbildung. Angesichts des großen europäischen Interesses am dualen System ist es hilfreich, dass im Rahmen von Erasmus+ Ausbildungs- und Lehrpersonal auch zum Zweck des Ausbildens und Unterrichtens im Ausland gefördert werden kann.
Auf institutioneller Ebene bewirken Mobilitätsprojekte die internationale Ausrichtung der Bildungsgänge und Curricula, die internationale Vernetzung der Unternehmen und Einrichtungen und eine Öffnung für innovative Lehr- und Lernmethoden aus dem Ausland.
Die Steigerung der Mobilität in der Berufsbildung hat in der europäischen und nationalen Bildungspolitik eine hohe Priorität. Im Kontext des gemeinsamen europäischen Arbeitsprogramms wurde das Ziel definiert, die Mobilität in der Berufsbildung bis zum Jahr 2020 auf 6% zu steigern (Europäischer Rat 2011). Auf nationaler Ebene hat der Bundestag im Januar 2013 das Ziel formuliert, dass im Jahr 2020 mindestens 10% der Auszubildenden während ihrer Ausbildung Auslandserfahrung sammeln (Deutscher Bundestag 2013). Die Förderungen in der Berufsbildung im Rahmen von Erasmus+ werden einen wesentlichen Beitrag zur Umsetzung dieser Ziele leisten. Einer Mobilitätsstudie nach lag die Quote der im Rahmen ihrer Berufsbildung international mobilen Auszubildenden und Berufsfachschülerinnen und -schüler in den Jahren 2007 bis 2009 bei durchschnittlich 3,0% (vgl. Friedrich/Körbel 2011). Wenn die Auslandsaufenthalte außerhalb des mit Abstand größten Förderprogramms Erasmus+ seit 2010 stabil geblieben sind, so haben aufgrund der deutlichen Zuwächse in den europäischen Programmen im Jahr 2016 mehr als 30.000 junge Menschen im Rahmen ihrer Erstausbildung einen Auslandsaufenthalt absolviert. Damit liegt die Mobilitätsquote der Personen in beruflicher Erstausbildung bei rund 5%.
ECVET und Individuelle Mobilität
Die im Rahmen des europäischen Leistungspunktesystems für die Berufsbildung (European Credit System for Vocational Education and Training, ECVET) zur Verfügung gestellten Instrumente zur Qualitätssicherung von Auslandsaufenthalten in der Berufsbildung werden von immer mehr Projekten aufgegriffen. Im Jahr 2017 wurden 180 Projekte mit über 10.000 Stipendien bewilligt, die nach ECVET-Standards durchgeführt werden. Damit hat sich die Anzahl der ECVET-Projekte im Vergleich zum Vorjahr um 65 Projekte bzw. 35% gesteigert. Hintergrund des starken Anstiegs ist, dass im Rahmen des neuen Programms ECVET ein optionaler Standard geworden ist und für die Vereinbarungen mit den ausländischen Partnern und den Teilnehmenden entsprechende Instrumente zur Verfügung stehen. Für die Projektträger wurde es einfacher, ihre Projekte entsprechend weiterzuentwickeln. Zudem fördert die NA beim BIBB im Rahmen des Programms Erasmus+ auch 11 sogenannte ECVET-Experten und -Expertinnen, die Mobilitätsprojektträger in der Umsetzung von ECVET zusätzlich beraten.
In der Regel beantragen Projektträger Stipendien für die Lernenden ihrer Einrichtungen. Davon zu unterscheiden sind die sogenannten Poolprojekte, die den individuellen Zugang von Einzelpersonen zu einem Erasmus+ Stipendium bundesweit ermöglichen. Insbesondere Auszubildende von kleinen und mittleren Unternehmen sowie aus international unerfahrenen Bildungseinrichtungen bekommen so Zugang zu einem Stipendium, ohne dass ihr Unternehmen oder ihre Einrichtung ein Projekt selbst durchführt.
Im Jahr 2017 konnten 3.406 Pool-Plätze bewilligt werden. Damit hat die Anzahl der Pool-Plätze leicht zugenommen. Diese Entwicklung ist möglich, da das BMBF seit dem Jahr 2016 unter bestimmten Voraussetzungen eine nationale Kofinanzierung für die Organisation von Auslandsaufenthalten von Auszubildenden in Pool-Projekten zur Verfügung stellt. Im Rahmen der Kofinanzierung werden 11 zweijährige Projekte mit insgesamt fast 2.500 Pool-Plätzen für Auszubildende gefördert. Interessierte finden die Individualstipendien auch in der Poolprojekt-Datenbank auf der Homepage der NA beim BIBB.
Erasmus+ incoming Mobilität
Das Programm Erasmus+ wendet grundsätzlich das Entsendelandprinzip an. Es finanziert, abgesehen von wenigen Ausnahmen, Auslandsaufenthalte von Bildungsinländern und -inländerinnen in einem der 33 weiteren Programmstaaten. Es liegen mit zeitlicher Verzögerung aber auch Statistiken zur europäischen Mobilität nach Deutschland vor. In den Erasmus+ Mobilitätsprojekten der Berufsbildung wurden im Rahmen der 2015 bewilligten Projekte insgesamt 130.827 Auslandsaufenthalte bewilligt. Davon kamen 16.632 Personen nach Deutschland (13%). Damit war Deutschland die drittwichtigste Destination für Mobilität in der Berufsbildung in Europa. An erster Stelle stand das Vereinigte Königreich (22.474, 17%) gefolgt von Spanien (18.396, 14%). Die wichtigsten Herkunftsländer der nach Deutschland kommenden Stipendiaten waren Polen, Türkei und Frankreich Schaubild D3-3.
(Berthold Hübers)