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Nach der Ausbildungsmarktstatistik der BA gelten Ausbildungsstellenbewerber/-innen, die sich zum Ende eines Vermittlungsjahres nicht wieder bei den Arbeitsagenturen oder Jobcentern zurückgemeldet haben und für die daher die Vermittlungsbemühungen eingestellt worden sind, als unbekannt verblieben. Es ist ein wichtiges Ziel der BA/BIBB-Bewerberbefragungen festzustellen, welchen Verbleib diese Bewerber/-innen tatsächlich hatten. Der Anteil der offiziell unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen an allen bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern in gemeinsamer Trägerschaft registrierten Bewerbern und Bewerberinnen veränderte sich in den vergangenen Jahren kaum. Er betrug 2010, 2012, 2014 und 2016 jeweils 16%, nur 2008 lag er mit 19% höher.191

Merkmale der unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen 

Wie sich die offiziell unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen und die Bewerber/-innen mit bekanntem Verbleib in den Jahren 2008 und 2016 unterschieden, ist für wichtige Merkmale in Schaubild A8.1.4-1 dargestellt. Demnach gab es im Hinblick auf den Frauenanteil jeweils kaum eine Abweichung zwischen den beiden Bewerbergruppen.192 Beträchtliche Unterschiede waren dagegen im Hinblick auf das Lebensalter zu verzeichnen: Unbekannt verbliebene Bewerber/-innen hatten viel häufiger bereits ein Alter von über 20 Jahren erreicht als Bewerber/-innen mit bekanntem Verbleib, 2016 war ihr Anteil sogar mehr als doppelt so hoch. Personen mit Migrationshintergrund waren unter den unbekannt verbliebenen Bewerbern und Bewerberinnen erheblich öfter vertreten als unter denjenigen mit bekanntem Verbleib, wobei der Unterschied 2016 im Vergleich zu 2008 noch deutlich zugenommen hat. Auch der Anteil der Altbewerber/-innen war in der Gruppe der unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen jeweils wesentlich höher als in der Vergleichsgruppe mit bekanntem Verbleib. 


Schaubild A8.1.4-1: Merkmale der unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen und der Bewerber/-innen mit bekanntem Verbleib 2008 und 2016 (in %)

Hinsichtlich der schulischen Qualifikationen ist festzustellen, dass unbekannt verbliebene Bewerber/-innen jeweils wesentlich häufiger über maximal einen Hauptschulabschluss verfügten und seltener über einen mittleren Schulabschluss als Bewerber/-innen mit bekanntem Verbleib. Während unbekannt verbliebene Bewerber/-innen 2008 noch seltener eine Studienberechtigung aufwiesen als die Vergleichsgruppe mit bekanntem Verbleib, hat sich dies 2016 umgekehrt.193 Wahrscheinlich entschieden sich studienberechtigte Bewerber/-innen inzwischen häufiger doch noch für die Aufnahme eines Hochschulstudiums und benötigten deshalb keine weitere Unterstützung durch die Arbeitsagenturen und Jobcenter bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Unbekannt verbliebene Bewerber/-innen bewarben sich jeweils etwas seltener als diejenigen mit bekanntem Verbleib schriftlich in unterschiedlichen Berufen. Aktiver waren sie jedoch insbesondere 2016 in Bezug auf überregionale Bewerbungen, d. h. in Betrieben, die mindestens 100 km von ihrem Wohnort entfernt lagen.194 Dies hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass unbekannt verbliebene Bewerber/-innen oft besondere Schwierigkeiten hatten, einen Ausbildungsplatz zu finden, und daher auch weit entfernte Betriebe in Betracht zogen.

Risikofaktoren für einen unbekannten Verbleib

Wie im vorangegangenen Abschnitt deutlich wurde, gab es zum Teil erhebliche Unterschiede zwischen den Bewerbergruppen mit unbekanntem und bekanntem Verbleib. Welche persönlichen Merkmale und welche Bedingungen der Ausbildungssuche mit einem besonderen Risiko einhergingen, dass Bewerber/-innen auf eine Rückmeldung bei den Arbeitsagenturen oder Jobcentern verzichteten und keine weitere Unterstützung bei der Ausbildungssuche mehr in Anspruch genommen haben, wurde mittels multivariater Analysen (binäre logistische Regressionen) auf Basis der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2016 untersucht. Berücksichtigt wurden dabei der Altbewerberstatus, der Migrationsstatus, das Geschlecht und der Schulabschluss der Bewerber/-innen sowie weitere wichtige Bedingungen der Ausbildungssuche (überregionale Bewerbungen, erschwerte Suche wegen gesundheitlicher Einschränkungen, berufsvorbereitende Maßnahme der Arbeitsagentur absolviert, Wettbewerbssituation auf dem Ausbildungsmarkt in der Wohnregion195). Durch die Analysen lässt sich der eigenständige Einfluss jedes einzelnen Merkmals auf das Risiko eines unbekannten Verbleibs feststellen, da alle jeweils anderen einbezogenen Faktoren kontrolliert werden.

Es wurden 2 unterschiedliche Regressionsmodelle gerechnet Tabelle A8.1.4-1. Hierbei gingen einmal der Altbewerberstatus sowie der Migrationsstatus als dichotome Variablen in die Analyse ein (Modell 1) und einmal in der Differenzierung nach dem Zeitpunkt der erstmaligen Bewerbung der Altbewerber/-innen bzw. der regionalen Herkunft der Bewerber/-innen mit Migrationshintergrund (Modell 2).

Tabelle A8.1.4-1: Einflüsse auf das Risiko eines unbekannten Verbleibs für die Bewerber/-innen 2016 – Ergebnisse binärer logistischer Regressionsmodelle (durchschnittliche Marginaleffekte - AME)

Folgendes sind die Ergebnisse der beiden Regressionsanalysen: Altbewerber/-innen hatten unter Kontrolle der übrigen berücksichtigten Faktoren ein signifikant höheres Risiko, offiziell unbekannt zu verbleiben, als Erstbewerber/-innen (vgl. Modell 1). Bei der differenzierten Betrachtung zeigt sich, dass dies zum einen Altbewerber/-innen betraf, die sich im Vorjahr erstmals beworben hatten, zum anderen aber noch viel stärker diejenigen, deren Erstbewerbung bereits 3 oder mehr Jahre zurücklag (vgl. Modell 2). Für Bewerber/-innen mit einem Migrationshintergrund bestand ebenfalls ein erheblich größeres Risiko, dass sie auf eine Rückmeldung bei den Arbeitsagenturen oder Jobcentern verzichteten und daher als unbekannt Verbliebene galten, als für diejenigen ohne Migrationshintergrund (vgl. Modell 1). Bei der Differenzierung nach den regionalen Herkunftsgruppen wird deutlich, dass dies gleichermaßen auf Bewerber/-innen osteuropäischer, südeuropäischer und türkisch-arabischer Herkunft zutraf (vgl. Modell 2).196

Für Bewerber/-innen mit maximal einem Hauptschulabschluss war das Risiko eines unbekannten Verbleibs wesentlich größer als für diejenigen mit einem mittleren Schulabschluss. Eine erhöhte Gefahr bestand zudem für Bewerber/-innen, die sich überregional beworben hatten oder deren Ausbildungssuche wegen gesundheitlicher Einschränkungen erschwert war. Auch Absolventen und Absolventinnen berufsvorbereitender Maßnahmen neigten häufiger dazu, keine weitere Unterstützung durch die Arbeitsagenturen oder Jobcenter mehr in Anspruch zu nehmen. Ein signifikanter Einfluss ging darüber hinaus von der Situation auf dem regionalen Ausbildungsmarkt aus: Je besser diese ausfiel, desto seltener kam es vor, dass sich Bewerber/-innen nicht mehr bei den Arbeitsagenturen oder Jobcentern zurückmeldeten und somit als unbekannt verblieben galten.

Tatsächlicher Verbleib der offiziell unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen

Welchen tatsächlichen Verbleib die unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen in den Jahren 2008 bis 2016 hatten und welche Unterschiede es gegenüber der Bewerbergruppe mit bekanntem Verbleib gab, geht aus Schaubild A8.1.4-2 hervor.197 Hierbei wurden 4 Arten des Verbleibs unterschieden: Die „Einmündung in betriebliche Ausbildung“ stellte in der Regel das eigentlich angestrebte Ziel der Ausbildungsstellenbewerber/-innen dar. Zum „Verbleib in alternativer Vollqualifizierung“ wurde die Einmündung in eine außerbetriebliche Ausbildung in BBiG/HwO-Berufen sowie die Aufnahme einer Schulberufsausbildung oder eines Hochschulstudiums zusammengefasst.198 Dem „Verbleib in Schule oder Teilqualifizierung“ wurde der Besuch einer allgemeinbildenden oder teilqualifizierenden beruflichen Schule (einschließlich Fachoberschule) sowie die Teilnahme an einem Berufsvorbereitungsjahr o. Ä., einer berufsvorbereitenden Maßnahme der Arbeitsagentur, einer betrieblichen Einstiegsqualifizierung oder einem Praktikum zugeordnet. Zum „Verbleib außerhalb des Bildungssystems“ wurden Freiwilligendienste (z. B. Bundesfreiwilligendienst oder freiwilliges soziales Jahr), Erwerbstätigkeit, Jobben, Arbeitslosigkeit und Sonstiges (z. B. Auslandsaufenthalt, zuhause aus privatem Grund) gerechnet.

Schaubild A8.1.4-2: Verteilung der unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen und der Bewerber/-innen mit bekanntem Verbleib nach Verbleibsart von 2008 bis 2016 (in %)

Von 2008 bis 2016 befanden sich unbekannt verbliebene Bewerber/-innen jeweils wesentlich seltener am Jahresende in einer betrieblichen oder alternativen vollqualifizierenden Ausbildung als diejenigen mit bekanntem Verbleib. 2008 waren es nur 21% der unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen, aber immerhin 62% der Bewerber/-innen mit bekanntem Verbleib; 2016 lagen die Anteile in beiden Gruppen niedriger (17% bzw. 59%). Der Besuch einer Schule oder eines teilqualifizierenden Bildungsganges war in fast allen Jahren in beiden Bewerbergruppen etwa gleich häufig zu verzeichnen. Lediglich 2016 fiel der Anteil bei den unbekannt verbliebenen Bewerbern und Bewerberinnen mit 18% deutlich geringer aus als bei denjenigen mit bekanntem Verbleib (25%). Einen beträchtlichen Unterschied zwischen beiden Gruppen gab es von 2008 bis 2016 im Hinblick auf einen Verbleib außerhalb des Bildungssystems: Während sich von den Bewerbern und Bewerberinnen mit bekanntem Verbleib am Jahresende jeweils nur relativ wenige nicht mehr in Bildung befanden – der Anteil schwankte zwischen 12% und 16% –, traf dies auf jeweils mehr als die Hälfte der offiziell unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen zu. Bei ihnen nahm ein Verbleib außerhalb des Bildungssystems im Laufe der Zeit sogar noch deutlich zu, der betreffende Anteil stieg von 54% im Jahr 2008 auf 64% im Jahr 2016 an.

Fazit

Der Anteil der unbekannt verbliebenen Bewerber/-innen unter allen bei den Arbeitsagenturen und Jobcentern in gemeinsamer Trägerschaft gemeldeten Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen lag 2016 bei 16%. Sie stellen damit zwar eine verhältnismäßig kleine Bewerbergruppe dar, die aber bildungspolitisch seit langem von hoher Relevanz ist. Als unbekannt verbliebene Bewerber/-innen werden in der Ausbildungsmarktstatistik all diejenigen eingeordnet, die sich zum Ende des Vermittlungsjahres nicht bei den Arbeitsagenturen oder Jobcentern zurückgemeldet haben und für die daher die Vermittlungsbemühungen eingestellt worden sind. 

Wie Analysen auf Basis der BA/BIBB-Bewerberbefragung 2016 ergaben, hatten Altbewerber/-innen ein deutlich erhöhtes Risiko, unbekannt zu verbleiben. Sie meldeten sich besonders häufig nicht mehr bei den Arbeitsagenturen oder Jobcentern zurück, wenn sie sich bereits vor 3 oder mehr Jahren erstmals um eine Ausbildungsstelle beworben hatten. Auch für Bewerber/-innen mit einem Migrationshintergrund bestand ein großes Risiko, dass sie den Kontakt zu den Arbeitsagenturen und Jobcentern nicht aufrechterhielten. Dies galt sowohl für diejenigen ost- und südeuropäischer Herkunft als auch für diejenigen türkisch-arabischer Herkunft. Für Bewerber/-innen mit maximal einem Hauptschulabschluss war das Risiko eines offiziell unbekannten Verbleibs ebenfalls besonders hoch.

Nach den BA/BIBB-Bewerberbefragungen 2008 bis 2016 befanden sich von den offiziell unbekannt verbliebenen Bewerbern und Bewerberinnen jeweils nur wenige am Jahresende in einer dualen Berufsausbildung oder einer anderen vollqualifizierenden Ausbildung. Mehr als die Hälfte hatte dagegen einen Verbleib außerhalb des Bildungssystems, wobei sich der Anteil sogar noch deutlich von 54% im Jahr 2008 auf 64% im Jahr 2016 erhöhte. 

Die Ergebnisse weisen auf ein zunehmendes Problem hin, dass vor allem „Risikogruppen“ unter den Bewerbern und Bewerberinnen im Laufe des Vermittlungsjahres die Unterstützung der Arbeitsagenturen und Jobcenter nicht weiter in Anspruch nehmen, obwohl sie weder in eine Berufsausbildung noch in einen alternativen Bildungsgang eingemündet sind. Wenn sich die betreffenden Jugendlichen auch im nächsten Vermittlungsjahr nicht wieder bei den Arbeitsagenturen oder Jobcentern melden, sind sie in der offiziellen Ausbildungsmarktstatistik nicht mehr sichtbar, und es besteht insbesondere die große Gefahr, dass sie auf Dauer ohne eine vollqualifizierende Ausbildung bleiben.

(Ursula Beicht)