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Qualifizierungsabsichten der Studienberechtigten ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung

Mittlerweile erlangt in Deutschland mehr als die Hälfte der Schulabsolventinnen und Schulabsolventen an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen eine Hochschulzugangsberechtigung. Dieser Anteil ist zwischen 2009 und 2015 stetig von 47% auf 53% gestiegen (Statistisches Bundesamt 2014b, 2016d). Vor diesem Hintergrund stellt sich u. a. die Frage nach den geplanten nachschulischen Bildungswegen der Studienberechtigten und den diesen Plänen zugrunde liegenden Motiven. Nach dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung stehen den Studienberechtigten unterschiedliche Bildungswege offen. So können sie neben einem Studium bspw. an einer Fachhochschule oder Universität auch eine schulische oder duale Berufsausbildung absolvieren. Zudem können beide Wege zeitlich parallel, in Form eines dualen Studiums, oder sequentiell, in Form einer Berufsausbildung mit anschließendem Studium, miteinander verknüpft werden. Im Folgenden werden zunächst die Qualifizierungsabsichten ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung betrachtet; damit wird an die Arbeit von Spangenberg/Quast/Franke im BIBB-Datenreport 2015 angeschlossen. In einem zweiten Schritt werden die Motive, die der anschließenden Qualifizierungsentscheidung zugrunde liegen, untersucht. Die Analysen basieren auf den Daten des Studienberechtigtenpanels 2015 (1. und 2. Befragung) des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW). Die Grundgesamtheit dieser Untersuchung bilden Personen, die im Jahr 2015 ihre Hochschulzugangsberechtigung an einer allgemeinbildenden oder beruflichen Schule erworben haben. Sie wurden ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung nach ihren Bildungs- und Berufsabsichten sowie ein Jahr später zu ihren Bildungs- und Berufsentscheidungen sowie ihrem nachschulischen Werdegang befragt.

DZHW-Studienberechtigtenbefragungen

Die Grundgesamtheit dieser seit 1976 in zwei- bis dreijährigem Rhythmus vom DZHW durchgeführten Untersuchungsreihe bilden Personen, die in den jeweiligen Untersuchungsjahren eine schulische Hochschulzugangsberechtigung erworben haben. Gegenstand des DZHW-Studienberechtigtenpanels ist die längsschnittliche Erhebung der nachschulischen Werdegänge von ausgewählten Studienberechtigtenkohorten – unabhängig davon, welcher nachschulische Weg eingeschlagen wird. Wesentliches Ziel der Untersuchungen ist die Abbildung und vergleichende Analyse der individuellen Bildungs- und Berufsverläufe von Studienberechtigten. In der Regel werden 3 Erhebungswellen durchgeführt: 6 Monate vor, 6 Monate nach sowie 4 ½ Jahre nach Schulabgang. Einzelne Kohorten werden anschließend in einer vierten Welle zu einem noch späteren Zeitpunkt erneut befragt. Das DZHW-Studienberechtigtenpanel ermöglicht für Bund und Länder repräsentative Trend-, Kohorten- und Querschnittsanalysen (vgl. BIBB-Datenreport 2015, Kapitel A3.3).

Ein halbes Jahr vor dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung äußerten ca. 2 von 3 angehenden Studienberechtigten des Abschlussjahrgangs 2015 die Absicht205, ein Studium aufzunehmen Tabelle A8.4-1. Dieser Anteil stieg von 2008 bis 2015 schrittweise um insgesamt 6 Prozentpunkte an (2008: 62%, 2015: 68%). Dabei äußerten 19% der Schüler/-innen die Absicht, ein Fachhochschulstudium aufzunehmen und weitere 41% planten ein Universitätsstudium. Die restlichen 8% hatten keine weiteren Angaben zu ihrem Studienwunsch getätigt. Der Anteil der Personen, die eine Ausbildung an einer Berufsakademie absolvieren wollen, ist seit der Kohorte 2008 gesunken (2008: 5%, 2015: 1%). Knapp jede/-r fünfte Studienberechtigte plante ein halbes Jahr vor Schulabschluss die Aufnahme einer Berufsausbildung. Dieser Anteil ist ebenfalls leicht gesunken und nahm seit der Kohorte 2008 schrittweise um insgesamt 3  Prozentpunkte ab (2008: 21%, 2015: 18%).

Jede/-r zehnte Studienberechtigte gab ein halbes Jahr vor Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung an, beides, also ein Studium und eine Berufsausbildung, aufnehmen zu wollen. Dieser Wunsch kann entweder mit einer Berufsausbildung mit anschließendem Studium oder einem dualen Studium realisiert werden. Er kann aber auch Ausdruck einer Unsicherheit bzw. fehlenden Entscheidung bezüglich des nachschulischen Qualifizierungsweges sein. Die restlichen 2% der Studienberechtigten wollten weder eine Berufsausbildung noch ein Studium aufnehmen oder machten zu der Frage keine Angabe.Hier handelt es sich meist um Personen, die bereits vor oder parallel zum Erwerb der schulischen Hochschulzugangsberechtigung eine Ausbildung abgeschlossen hatten und nun nach ihrem Abschluss eine Erwerbstätigkeit aufnehmen möchten (vgl. BIBB-Datenreport 2015, Kapitel A3.3). 

Werden die Qualifizierungsabsichten getrennt nach dem Geschlecht betrachtet Tabelle A8.4-1, zeigt sich, dass Frauen häufiger eine Berufsausbildung (2015: 21% vs. 15%) und seltener ein Studium (2015: 67% vs. 70%) planten als Männer.206 Besonders groß war die Differenz beim Fachhochschulstudium. 23% der Männer und nur 15% der Frauen äußerten ein halbes Jahr vor dem Schulabschluss die Absicht, ein Fachhochschulstudium aufzunehmen. Dieser Befund spiegelt die geschlechtertypische Studienfachwahl wider. Die von Frauen stärker präferierten Studiengänge wie Medizin und das Lehramtsstudium können nur an Universitäten aufgenommen werden. Männer bevorzugen hingegen häufiger ingenieurwissenschaftliche Studienfächer, die traditionell an Fachhochschulen angeboten werden (Schneider u. a. 2017). Regionalspezifische Differenzen zwischen Ost- und Westdeutschland finden sich vor allem in Bezug auf die Studienabsicht. Ostdeutsche Studienberechtigte planten seltener als westdeutsche ein Fachhochschulstudium und präferierten häufiger ein Universitätsstudium. Darüber hinaus setzte sich der Trend fort, dass die Schüler/-innen in Ostdeutschland seit 2008 immer seltener eine Berufsausbildung (2008: 22%, 2015: 17%) und zunehmend häufiger ein Studium aufnehmen wollen (2008: 58%, 2015: 69%). In Westdeutschland ist dieser Trend hin zum Studium in allen betrachteten Jahrgängen hingegen nur bei den Kohorten 2008 und 2010 erkennbar.

Tabelle A8.4-1: Qualifizierungspläne der Studienberechtigten ein halbes Jahr vor ihrem Schulabschluss insgesamt, nach Geschlecht und Region (in %)

Differenzen bei der Planung des nachschulischen Werdegangs zeigen sich zudem in Abhängigkeit von der Bildungsherkunft und dem Migrationshintergrund Tabelle A8.4-2. Schüler/-innen, deren Eltern keinen Hochschulabschluss erlangt haben, äußerten ein halbes Jahr vor Schulabschluss deutlich häufiger die Absicht, eine Berufsausbildung aufzunehmen (2015: 24% vs. 13%) und planten seltener ein Studium (2015: 61% vs. 74%) als diejenigen, die aus einem akademischen Elternhaus stammen. Dieser Unterschied resultiert vor allem aus einem seltener angestrebten Universitätsstudium (48% der Akademikerkinder vs. 33% derjenigen aus nicht akademischem Elternhaus). Die angehenden Studienberechtigten mit einem Migrationshintergrund gaben häufiger eine Studienabsicht an als die Studienberechtigten ohne Migrationshintergrund (2015: 73% vs. 67%) und beabsichtigten seltener, eine Berufsausbildung aufzunehmen (2015: 16% vs. 19%). Zudem planten die Migranten und Migrantinnen der Kohorte 2015 gegenüber der Kohorte 2008 seltener eine Berufsausbildung (2008: 22% vs. 2015: 16%) und häufiger ein Studium (2008: 65% vs. 2015: 73%). Auch die Studienberechtigten ohne Migrationshintergrund der Kohorte 2015 beabsichtigten häufiger als noch diejenigen der Kohorte 2008, ein Studium aufzunehmen (2008: 61% vs. 2015: 67%).


Tabelle A8.4-2: Qualifizierungspläne der Studienberechtigten ein halbes Jahr vor ihrem Schulabschluss nach Bildungsherkunft und Migrationshintergrund (in %)

Ein halbes Jahr nach dem Schulabschluss zeigte sich, dass der tatsächlich realisierte nachschulische Werdegang nicht immer der Bildungsintention vor dem Schulabschluss der Studienberechtigten entsprach (tabellarisch nicht ausgewiesen). Immerhin 80% der Studienberechtigten, die angaben, eine Berufsausbildung aufnehmen zu wollen, haben ihren Plan bereits umgesetzt oder halten weiterhin an ihm fest. Hierzu zählen aber auch 20% der Studienberechtigten, die die Berufsausbildung durch ein anschließendes Studium ergänzen möchten. Jeweils 7% der Berufsausbildungsinteressierten verwarfen ihre Pläne und entschieden sich stattdessen für ein Studium an einer Universität bzw. an einer Fachhochschule. Ob die Berufsausbildungspläne tatsächlich realisiert werden, kann durch verschiedene Faktoren erklärt werden. So haben Analysen von Spangenberg/Quast/Franke (vgl. BIBB-Datenreport 2015, Kapitel  A3.3) gezeigt, dass Männer häufiger als Frauen, Kinder aus akademischen Familien häufiger als Kinder aus nicht akademischen Familien sowie Studienberechtigte von allgemeinbildenden Schulen häufiger als solche von beruflichen Schulzweigen eine Berufsausbildungsabsicht verwerfen und stattdessen ein Studium aufnehmen. Von den Studienberechtigten, die ein halbes Jahr vor dem Schulabschluss die Absicht hatten, ein Studium an einer Universität bzw. an einer Fachhochschule aufzunehmen, haben 80% bzw. 68% ein Jahr später den Wunsch bereits realisiert oder behielten ihn bei. Studienberechtigte, die vor ihrem Schulabschluss noch unentschlossen waren oder ein Studium an einer Berufsakademie geplant hatten, gaben ein Jahr später hauptsächlich an, dass sie ein Universitätsstudium aufgenommen haben oder dies fest planen. Wie bereits angenommen, sind 85% der Studienberechtigten, die weder ein Studium noch eine Berufsausbildung aufnehmen wollten oder dazu keine Angabe gemacht hatten, ein halbes Jahr nach dem Schulabschluss bereits erwerbstätig oder haben die Absicht eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. 

Im weiteren Verlauf sollen nun die tatsächlich aufgenommenen Bildungswege der Studienberechtigten ein halbes Jahr nach ihrem Schulabschluss im Mittelpunkt stehen, unabhängig davon, welche Absichten sie vor dem Erwerb ihrer Hochschulzugangsberechtigung geäußert haben. Es soll der Frage nachgegangen werden, was die Studienberechtigten, unabhängig von ihren vorschulischen Plänen, in eine Berufsausbildung bzw. in ein Studium treibt.

Motive von Studierenden und Auszubildenden für die Wahl ihres nachschulischen Werdegangs

Die duale Berufsausbildung war für die Studienberechtigten der Kohorte 2015 die am häufigsten gewählte Form der beruflichen Ausbildung. 14% der Studienberechtigten haben ein halbes Jahr nach Abschluss eine duale Berufsausbildung aufgenommen oder planen dieses sicher für die Zukunft ein, weitere 5% sind in einer schulischen Ausbildung und 3% absolvieren eine Beamtenausbildung (Schneider u. a. 2017). Im Mittelpunkt der folgenden Untersuchung stehen unterschiedliche Motive, die der Aufnahme eines Studiums oder einer dualen Berufsausbildung zugrunde liegen. Tabelle A8.4-3 gibt Aufschluss darüber, inwiefern sich Auszubildende in einer dualen Berufsausbildung von Personen, die ein halbes Jahr nach Schulabschluss ein Studium aufgenommen haben, in ihren Motiven für die Wahl des nachschulischen Bildungsweges unterscheiden.

Tabelle A8.4-3: Als bedeutsam eingeschätzte Motive für die Wahl des nachschulischen Werdegangs (in %)

Besonders ausgeprägt waren die Unterschiede zwischen Auszubildenden und Studierenden bei dem Motiv der baldigen finanziellen Unabhängigkeit (68% vs. 36%) und dem Interesse an praktischen Tätigkeiten (71% vs. 50%). Sie wurden von Studienberechtigten in einer dualen Berufsausbildung häufiger genannt als von Studierenden. Weiterhin wurden auch die Motive örtliche Bindung (55% vs. 43%), eine sichere Beschäftigung haben zu wollen (87% vs. 77%), eine kurze Ausbildungsdauer (11% vs. 3%) sowie selbstständig arbeiten zu können (61% vs. 55%), von Personen in einer dualen Berufsausbildung häufiger berichtet als von Studierenden. Insgesamt waren die Differenzen in den zuletzt genannten Motiven aber weniger stark ausgeprägt als bei den Motiven nach finanzieller Unabhängigkeit und einer praktischen Tätigkeit. Das Motiv, eine sichere Beschäftigung haben zu wollen, war sowohl für einen großen Teil der Studienberechtigten in einer dualen Ausbildung als auch für Studierende sehr bedeutsam, während eine kurze Ausbildungsdauer in beiden Gruppen als nicht sehr wichtig erachtet wurde.

Motive, die von Studierenden als bedeutsamer bewertet wurden als von Studienberechtigten in einer dualen Berufsausbildung, waren insbesondere das Interesse an einer wissenschaftlichen Tätigkeit (41% vs. 15% Auszubildende) sowie das Motiv, gesellschaftliche und politische Prozesse beurteilen (34% vs. 20%) und anderen Menschen helfen zu können (45% vs. 32%). 

Eigene Vorstellungen verwirklichen zu können, günstige Berufs- und Beschäftigungschancen zu haben und in eine leitende Position zu gelangen, waren Motive, die sowohl für Auszubildende als auch für Studierende gleichsam bedeutsam sind. So bewertete ungefähr jede/-r zweite Studienberechtigte diese Motive als wichtig für die Wahl des Bildungsweges. 28% der Studierenden und 32% der Personen in einer dualen Ausbildung wählten diesen Weg, auch um eine Orientierung vor der endgültigen Wahl ihres nachschulischen Bildungsweges zu erhalten. Der Rat von Freunden und Verwandten (22% vs. 26% der Auszubildenden), familiäre Gründe (18% vs. 23% der Auszubildenden) und das Motiv, einen hohen sozialen Status zu erreichen (39% vs. 34% der Auszubildenden), waren für Studierende und Studienberechtigte in einer dualen Berufsausbildung nahezu gleich bedeutend. 

Die zuvor dargestellten deskriptiven Befunde zeigen deutlich, dass nicht alle Motive für Studierende und Auszubildende von gleicher Relevanz sind. Bei Studierenden überwog vor allem das Interesse an wissenschaftlicher Arbeit; bei Auszubildenden überwogen die Neigung zu praktischen Tätigkeiten sowie der Wunsch nach baldiger finanzieller Unabhängigkeit.

Im nächsten Schritt wird multivariat geprüft, durch welche Einflussfaktoren Unterschiede in der Wahl des nachschulischen Bildungsweges zwischen Studierenden und Auszubildenden in einer dualen Berufsausbildung erklärt werden können. Neben den genannten Motiven werden auch soziodemografische Faktoren berücksichtigt. Um mehrere der möglichen Einflussgrößen gleichzeitig im Modell berücksichtigen zu können, wird ein logistisches Regressionsmodell gewählt.

Determinanten der Wahl einer dualen Berufsausbildung als nachschulischer Werdegang

Im Folgenden werden verschiedene Einflussfaktoren auf die Entscheidung der Studienberechtigten, nach dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine duale Berufsausbildung (=1) aufzunehmen, statt ein Hochschulstudium (=0) zu wählen, untersucht.207 Dabei werden nur die Personen berücksichtigt, die vor oder parallel zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung noch keine Berufsausbildung abgeschlossen hatten. In Tabelle A8.4-4 sind die Ergebnisse der logistischen Regressionsanalyse dargestellt. Als Maße der Effektstärke der unabhängigen Variablen werden durchschnittliche marginale Effekte (avarage marginal effects, AME) ausgewiesen (Mood 2010). Sie geben an, um wie viel Prozent sich die Wahrscheinlichkeit, eine duale Berufsausbildung aufzunehmen, ändert, wenn sich die unabhängige Variable um eine Einheit erhöht. Die Determinanten zur Erklärung der Entscheidung für eine duale Berufsausbildung werden sukzessive in die Regressionsanalyse aufgenommen (Modell 1 bis Modell 6). Durch dieses Verfahren kann zusätzlich interpretiert werden, inwieweit die Effekte einzelner Einflussfaktoren durch andere Variablen vermittelt sind.

Tabelle A8.4-4: Determinanten der Wahl einer dualen Berufsausbildung als nachschulischer Werdegang (binäre logistische Regression)1

Im ersten Modellschritt sind die soziodemografischen Merkmale Geschlecht, Bildungsherkunft und Migrationshintergrund sowie die Region des Erwerbs der Hochschulreife enthalten. Es zeigt sich, dass Studienberechtigte aus einem akademischen Haushalt eine um 12 Prozentpunkte geringere Wahrscheinlichkeit als Studienberechtigte aus einem nicht akademischen Elternhaus aufweisen, nach ihrem Schulabschluss eine duale Berufsausbildung statt eines Studiums zu wählen (AME = –0,12). In abgeschwächter Form gilt Ähnliches für Personen mit einem Migrationshintergrund. Im Vergleich zu Studienberechtigten ohne Migrationshintergrund haben sie eine um 3 Prozentpunkte geringere Wahrscheinlichkeit, sich für eine duale Berufsausbildung zu entscheiden (AME = –0,03). Das Geschlecht und die Region des Erwerbs der Hochschulreife (Ost- und Westdeutschland) hängen im ersten Modell nicht signifikant mit der Entscheidung für eine duale Berufsausbildung zusammen. 

Im zweiten Modell wird zusätzlich die zum Erwerb der Hochschulreife besuchte Schulart berücksichtigt. Im Vergleich zur Referenzgruppe der Studienberechtigten, die eine allgemeinbildende Schule besucht haben, ist für Studienberechtigte von beruflichen Gymnasien (AME = 0,08), Fachoberschulen (AME = 0,11) sowie insbesondere für diejenigen von Berufsfachschulen (AME = 0,21) die Wahrscheinlichkeit, nach Schulabschluss eine duale Berufsausbildung zu wählen, deutlich höher. Es sind somit dieAbsolventinnen und Absolventen der beruflichen Schulzweige, die sich eher für eine duale Berufsausbildung statt eines Studiums entscheiden. Dies könnte womöglich damit begründet werden, dass die Praxisorientierung in diesen Schulzweigen bereits höher ist als in allgemeinbildenden Schulen und damit der Einstieg in eine duale Berufsausbildung erleichtert wird. 

Im dritten Modell werden auch leistungsbezogene Aspekte berücksichtigt, zum einen die Schulabschlussnote und zum anderen die subjektive Einschätzung der Studienberechtigten, eine Berufsausbildung erfolgreich bewältigen zu können. Die Einschätzung der Erfolgschancen in einer beruflichen Ausbildung wird dabei in Relation zur Einschätzung der Erfolgschancen in einem Studium betrachtet. Beide leistungsbezogenen Merkmale stehen in einem signifikanten Zusammenhang mit der Entscheidung, nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung aufzunehmen. Einerseits erhöht eine Verschlechterung der Schulabschlussnote um eine Notenstufe die Wahrscheinlichkeit, nach der Schule eine duale Berufsausbildung aufzunehmen, um 11 Prozentpunkte. Andererseits steigt die Wahrscheinlichkeit einer dualen Berufsausbildung auch, je günstiger die eigenen Erfolgschancen in einer Berufsausbildung im Vergleich zu einem Studium eingeschätzt werden (AME = 0,09). 

Unter Berücksichtigung der leistungsbezogenen Merkmale hat sich die Größe des Koeffizienten der Bildungsherkunft verkleinert (Modell 2: -0,10 vs. Modell 3: -0,06). Die höhere Wahrscheinlichkeit der Studienberechtigten aus einem nicht akademischen Elternhaus, eine duale Berufsausbildung zu wählen, lässt sich demnach auch auf ihre im Schnitt etwas schlechteren Schulleistungen zurückführen. Zudem schätzen sie ihre Chancen, ein Studium erfolgreich bewältigen zu können, vergleichsweise geringer ein als die Chance, eine Berufsausbildung erfolgreich zu beenden. Gleiches kann man für die Studienberechtigten sagen, die ihre Hochschulreife an einem beruflichen Schulzweig gemacht haben. Auch hier fällt die Stärke des Zusammenhangs deutlich ab (z. B. Berufsfachschule, Modell 2: 0,21 vs. Modell 3: 0,13). Ebenso interessant ist, dass im dritten Modell ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Geschlecht und der Entscheidung für eine Berufsausbildung besteht. Wird also kontrolliert, dass Männer schlechtere Schulabschlussnoten haben als Frauen, zeigt sich in Übereinstimmung mit den deskriptiven Befunden, dass die Wahrscheinlichkeit, nach dem Schulabschluss eine duale Berufsausbildung und kein Studium aufzunehmen, für Frauen größer ist als für Männer. Die leistungsbezogenen Merkmale steigern die Erklärungskraft des Modells deutlich von 0,07 auf 0,25 (Pseudo-R² nach McFadden).

Im vierten Modell werden die oben beschriebenen Motive der Studienberechtigten berücksichtigt. Die Befragten konnten angeben, wie bedeutend das Interesse an wissenschaftlicher Arbeit und die Neigung zu praktischer Tätigkeit als Motiv für den gewählten nachschulischen Werdegang waren. Mit Blick auf das wissenschaftliche Interesse zeigt sich erwartungsgemäß, dass die Wahrscheinlichkeit, nach dem Schulabschluss eine Berufsausbildung statt eines Studiums zu wählen, umso kleiner ausfällt, je bedeutender Studienberechtigten das Motiv „Interesse an wissenschaftlicher Arbeit“ für die Wahl des nachschulischen Weges ist (AME = -0,03). Im Gegensatz dazu steht die Bedeutung des Motivs „Neigung zu praktischer Tätigkeit“ in einer positiven Verbindung zur Wahrscheinlichkeit, eine duale Berufsausbildung zu wählen (AME = 0,03). Der Koeffizient des Geschlechts ist unter Kontrolle der Motive nicht mehr signifikant. Das bedeutet, Männer entscheiden sich häufiger für ein Studium und seltener für eine duale Berufsausbildung, weil das Interesse an wissenschaftlicher Arbeit für die Entscheidung über ihren nachschulischen Werdegang bedeutender ist als für Frauen. 

Untersuchungen der Bildungsforschung haben bereits mehrfach gezeigt, dass Bildungsentscheidungen auch von Kosten- und Ertragserwartungen der Studienberechtigten abhängen (Boudon 1974, Breen/Goldthorpe 1997). In den deskriptiven Analysen haben sich die mit den Opportunitätskosten verbundenen Motive „kurze Ausbildungsdauer“ und insbesondere „baldige finanzielle Unabhängigkeit“ als relevante Faktoren für die Wahl des nachschulischen Werdegangs erwiesen. In der logistischen Regression zeigt sich, dass Studienberechtigte, für die eine baldige finanzielle Unabhängigkeit als Motiv für den gewählten nachschulischen Werdegang bedeutend ist, eine höhere Wahrscheinlichkeit haben, nach dem Schulabschluss eine duale Berufsausbildung und kein Studium zu wählen (AME = 0,03). Der Koeffizient des Motivs „kurze Ausbildungsdauer“ ist ebenfalls signifikant: Studienberechtigte, die dem Motiv der kurzen Ausbildungsdauer eine größere Bedeutung zukommen lassen, wählen demnach häufiger eine duale Berufsausbildung als solche, denen eine kurze Ausbildungsdauer weniger wichtig ist (AME = 0,02). 

Im sechsten Modell werden zusätzlich die subjektiv antizipierten Erträge der verschiedenen Qualifizierungswege berücksichtigt. Die vorgenommene Einschätzung der Berufsaussichten für Absolventinnen und Absolventen eines beruflichen Ausbildungsweges ohne Studium wird in Relation zu der eingeschätzten Berufsaussicht für Absolventinnen und Absolventen eines Studiums betrachtet. Der Koeffizient ist signifikant. Studienberechtigte, die ein halbes Jahr vor Erwerb ihrer Hochschulzugangsberechtigung die Berufsaussichten der Absolventinnen und Absolventen einer beruflichen Ausbildung in Relation zu den Berufsaussichten der Absolventinnen und Absolventen eines Studiums höher einschätzen, entscheiden sich im nachschulischen Verlauf häufiger gegen ein Studium und für eine duale Berufsausbildung (AME = 0,03). 

Die Analysen haben gezeigt, dass Kinder aus einem nicht akademischen Elternhaus häufiger als Kinder mit akademisch gebildeten Eltern, Studienberechtigte ohne Migrationshintergrund häufiger als Migrantinnen und Migranten sowie Absolventinnen und Absolventen von bestimmten beruflichen Schulzweigen häufiger als solche von allgemeinbildenden Schulen eine duale Ausbildung statt eines Studiums als nachschulischen Werdegang wählen. Bessere schulische Leistungen und eine höhere Einschätzung der Studienerfolgsaussichten führen dazu, dass sich die Studienberechtigten für ein Studium statt einer dualen Ausbildung entscheiden. Das Interesse an praktischen Tätigkeiten sowie der Wunsch einer schnellen finanziellen Unabhängigkeit und kurzen Ausbildungsdauer sprechen hingegen wieder für die Wahl einer dualen Berufsausbildung. Dies bekräftigt die deskriptiven Ergebnisse zu den unterschiedlichen Motiven für die Wahl des nachschulischen Bildungsweges von Studierenden und Auszubildenden. Ferner entscheiden sich Studienberechtigte, die die Berufsaussichten von Absolventinnen und Absolventen einer beruflichen Ausbildung höher als für Absolventinnen und Absolventen eines Studiums einschätzen, eher für eine betriebliche Ausbildung und gegen ein Hochschulstudium. Insgesamt wird durch die Hinzunahme der verschiedenen Determinanten die Erklärungskraft des Modells von Pseudo-R² = 0,04 auf 0,36 verbessert.

(Hanna Mentges, Dr. Ann-Christin Renneberg, Deutsches Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH, Hannover)

  • 205

    Definition: Die Studienberechtigten möchten auf jeden Fall oder wahrscheinlich ein Studium bzw. eine Berufsausbildung aufnehmen (jeweils gemessen auf einer 5-stufigen Skala von 1 = ja, auf jeden Fall bis 5 = nein, auf keinen Fall). Der mittlere Skalenpunkt „eventuell“ wird ebenfalls berücksichtigt, wenn der Befragte gleichzeitig angegeben hat, dass er den jeweils anderen nachschulischen Werdegang auf keinen Fall oder wahrscheinlich nicht aufnehmen möchte. Hat der Befragte angekreuzt, dass er eventuell ein Studium bzw. eine Berufsausbildung aufnehmen möchte und hatte er auch schon eine Vorstellung über die Art des Studiums bzw. hat er angegeben, ein Studium an einer Verwaltungsfachhochschule (= Berufsausbildung) aufnehmen zu wollen, wurde dies ebenfalls als Absicht definiert.

  • 206

    Männer haben allerdings häufiger als Frauen schon vor oder parallel zum Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung eine Berufsausbildung absolviert (17% vs. 10%).

  • 207

    In die Analyse werden die Studienberechtigten des Jahres 2015 einbezogen, die nach dem Erwerb der Hochschulzugangsberechtigung (HZB) bereits ein Studium oder eine duale Berufsausbildung aufgenommen haben, oder dies zu diesem Zeitpunkt (ein halbes Jahr nach Erwerb der HZB) fest planen. Nicht berücksichtigt werden duale Studiengänge, schulische Ausbildungen (z. B. Fachakademie, Berufsfachschule) sowie andere Tätigkeiten (z. B. Praktikum, Jobben, Auslandsaufenthalt). Personen, die zwar angegeben haben, dass sie sich zum Zeitpunkt der Befragung in einer dualen Berufsausbildung befinden, aber im Anschluss auf jeden Fall ein Studium aufnehmen wollen, werden ebenfalls aus der Analyse ausgeschlossen.