Das Wichtigste in Kürze
Die duale Berufsausbildung hat in Deutschland traditionell einen hohen Stellenwert. Etwas mehr als die Hälfte eines Altersjahrgangs (2017: 52,9%) beginnt eine Ausbildung in einem der 325 nach Berufsbildungsgesetz (BBiG) bzw. Handwerksordnung (HwO) anerkannten Ausbildungsberufe. Bundesweit gab es Ende 2017 rund 1,32 Mio. Auszubildende (vgl. Kapitel A5.2 und Kapitel A5.8). Erstmals seit 2008 konnte hier wieder ein leichter Anstieg (+2.700 bzw. +0,2 %) verzeichnet werden. In den Jahren zuvor war die Zahl der Auszubildenden stark zurückgegangen. Diese Entwicklung ist auf demografiebedingt sinkende Schulabgängerzahlen, aber auch auf einen Trend zu höheren Schulabschlüssen und eine gestiegene Studierneigung zurückzuführen (vgl. Kapitel A4.1). Dies stellt die Betriebe bei der Sicherung ihres Fachkräftenachwuchses vor große Herausforderungen.
2018 wurden zum zweiten Mal in Folge mehr Ausbildungsverträge abgeschlossen als im Vorjahr. Die Ausbildungsmarktsituation in Deutschland ist jedoch weiterhin durch Passungsprobleme gekennzeichnet (s. u.). Im Folgenden wird die aktuelle Situation am Ausbildungsstellenmarkt anhand zentraler Eckdaten skizziert. Für weitergehende Informationen wird auf die entsprechenden Kapitel in diesem Datenreport verwiesen.
Aktuelle Entwicklungen am Ausbildungsmarkt 2018
- Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge gestiegen
Nachdem die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge seit 2011 kontinuierlich gesunken war, konnte 2017 erstmals wieder ein leichtes Plus bei den neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen verzeichnet werden. 2018 ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge erneut gestiegen. Nach den Ergebnissen der BIBB-Erhebung zum 30. September 2018 wurden insgesamt 531.400 Ausbildungsverträge neu abgeschlossen. Das sind 8.100 (+ 1,6%) mehr als im Vorjahr. Der Anstieg ist auf die neu abgeschlossenen betrieblichen Ausbildungsverträge zurückzuführen (+9.100 bzw. + 1,8% auf 516.500). Die Zahl der außerbetrieblichen Ausbildungsverträge sank dagegen auf 14.900 (-1.000 bzw. -6,3%) (vgl. Kapitel A1.2).
- Mehr Ausbildungsangebote, aber auch mehr unbesetzte Berufsausbildungsstellen
Nach den Daten der BIBB-Erhebung zum 30. September und der Ausbildungsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) ist das Ausbildungsangebot (neu abgeschlossene Ausbildungsverträge plus unbesetzte Berufsausbildungsstellen) 2018 mit 589.100 Angeboten im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (+16.800 bzw. +2,9%). Das betriebliche Ausbildungsangebot (ohne überwiegend öffentlich finanzierte Ausbildungsstellen) lag bei 574.200. Demnach haben die Betriebe und Unternehmen in Deutschland 17.800 (+3,2%) mehr Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt als im Vorjahr. Allerdings hat auch die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen weiter zugenommen (+8.700 bzw. +17,7% auf 57.700). Der Anteil der unbesetzten Ausbildungsstellen am betrieblichen Gesamtangebot lag mit 10,0% erneut über dem Vorjahresniveau (2017: 8,8%) (vgl. Kapitel A1.1 und Kapitel A1.3).
- Anstieg der Nachfrage nach Ausbildungsstellen
Nach Rückgängen in den Vorjahren steigt die Nachfrage nach Ausbildungsstellen seit 2017 wieder. Die Nachfrage (hier: erweiterte Definition = neu abgeschlossene Ausbildungsverträge plus alle zum Stichtag 30. September noch eine Ausbildungsstelle suchenden Personen) betrug 610.000; das sind 6.500 (+1,1%) mehr als 2017 (vgl. Kapitel A1.1). Diese Entwicklung ist auch darauf zurückzuführen, dass junge Menschen mit Fluchthintergrund zunehmend als Bewerberinnen und Bewerber auf dem Ausbildungsstellenmarkt ankommen. Die Zahl der bei der BA gemeldeten Bewerberinnen und Bewerber im Kontext von Fluchtmigration ist gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen (2017: 26.400; 2018: 38.300). Von den 38.300 Bewerberinnen und Bewerbern mit Fluchtkontext mündeten 14.000 (36,5%) in eine duale Berufsausbildung ein (vgl. Kapitel A12.2).
- Verhältnis von Angebot und Nachfrage zugunsten der Jugendlichen verbessert
Da das Angebot stärker gestiegen ist als die Nachfrage, hat sich das Verhältnis von Angebot und Nachfrage weiter zugunsten der Nachfragenden entwickelt (erweiterte ANR 2017: 94,8; 2018: 96,6). Dies gilt auch für die erweiterte ANR bezogen auf das betriebliche Angebot (2017: 92,2; 2018: 94,1). Die Einmündungsquote ausbildungsinteressierter Jugendlicher (EQI) fiel ebenfalls etwas günstiger aus als im Vorjahr (2017: 64,9; 2018: 66,0) (vgl. Kapitel A1.1).
- Hohe Zahl an Bewerberinnen und Bewerbern weiterhin auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle
Neben den 24.600 unversorgten Bewerberinnen und Bewerbern waren zum Stichtag 30.9.2018 noch weitere 54.100 junge Menschen auf Ausbildungsstellensuche. Sie waren zwar in eine Alternative zu einer Ausbildung eingemündet, haben ihren Wunsch nach einer Ausbildung aber aufrechterhalten und wünschten eine entsprechende Vermittlung durch die BA. Insgesamt waren zum Stichtag 30.9. somit noch 78.600 Bewerberinnen und Bewerber auf der Suche nach einer Ausbildungsstelle. Verglichen mit dem Vorjahr (2017: 80.200) ist ihre Zahl leicht gesunken. Der Anteil der noch suchenden Bewerberinnen und Bewerber an der Gesamtnachfrage lag bei 12,9% (2017: 13,3%) (vgl. Kapitel A1.1 und Kapitel A1.3).
- Passungsprobleme bleiben zentrale Herausforderung
Weiterhin stellen Passungsprobleme eine zentrale Herausforderung am Ausbildungsstellenmarkt dar. Wie schon im Vorjahr haben insbesondere die Besetzungsprobleme der Betriebe zugenommen. Aber auch die Versorgungsprobleme für Jugendliche haben trotz leichter Entspannung weiter Bestand (vgl. Kapitel A1.1).
- Anfängerinnen und Anfänger im Übergangsbereich
Nach deutlichen Rückgängen der Anfängerzahlen im Übergangsbereich zwischen 2005 (417.600) und 2014 (252.700) ist die Zahl der Anfängerinnen und Anfänger im Übergangsbereich in den Jahren 2015 und 2016 gestiegen. 2017 fiel sie mit 283.100 niedriger aus als 2016. Auch 2018 ist die Anfängerzahl im Übergangsbereich erneut gesunken und liegt nun bei 270.000 (-13.100 bzw. -4,6%). Diese Entwicklung ist u. a. darauf zurückzuführen, dass Geflüchtete, die zwischenzeitlich einen Anstieg der Anfängerzahlen im Übergangsbereich bewirkt hatten, nun diese Maßnahmen verlassen haben und z. B. in eine Ausbildung eingemündet sind (vgl. Kapitel A4.1 und Kapitel A12.2).
Weitere zentrale Herausforderungen und Entwicklungen
- Rückgang der betrieblichen Ausbildungsbeteiligung
Analysen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) anhand der Beschäftigungsstatistik der BA zeigen, dass die betriebliche Ausbildungsbeteiligung in den letzten Jahren rückläufig war. Lag die Ausbildungsbetriebsquote lange Zeit bei rund 24%, ist sie zuletzt spürbar gesunken. Mit 19,8% fiel sie 2016 erstmals unter die 20%-Marke. 2017 ist die Ausbildungsbetriebsquote nicht weiter zurückgegangen. Wie im Vorjahr lag sie bei 19,8%. Zu beachten sind die erheblichen Unterschiede nach Wirtschaftszweigen und Betriebsgrößen. Rückgänge bei der Zahl der Ausbildungsbetriebe sind auf Verluste im kleinstbetrieblichen Bereich (1-9 Beschäftigte) zurückzuführen; Kleinstbetriebe machen allerdings die breite Masse der Betriebe in Deutschland aus. Hier ist ein Zusammenhang mit den zunehmenden Stellenbesetzungsschwierigkeiten von Kleinstbetrieben zu sehen (vgl. Kapitel A7.1).
- Sicherung der zukünftigen Fachkräftebasis
Angesichts der beschriebenen Entwicklungen stellt die Sicherung der Fachkräftebasis in Deutschland eine zentrale Herausforderung dar. PROSIMA, das ökonometrische Prognose- und Simulationsmodell, das das BIBB für die Vorausschätzung der Ausbildungsmarktlage heranzieht, geht für 2019 aufgrund der zwar positiven, jedoch im Vergleich zu 2018 schwächeren wirtschaftlichen Entwicklung von einem Rückgang des Ausbildungsangebots aus. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge würde ebenfalls leicht sinken. Die Zahl der unbesetzten Ausbildungsstellen dürfte höher ausfallen als im Vorjahr. Hintergrund ist, dass das Angebotspotenzial dem Modell zufolge zwar nur minimal zurückgeht, aufseiten des Nachfragepotenzials jedoch mit einem stärkeren Rückgang zu rechnen ist (vgl. Kapitel A2.2).
Für 2018 hatten BIBB-Analysen gezeigt, dass mehr Ausbildungsplätze angeboten wurden, als dies die konjunkturelle Entwicklung vermuten ließ (vgl. Kapitel A2.1). Demnach wäre trotz des abgeschwächten Wirtschaftswachstums auch 2019 ein Anstieg des Ausbildungsangebots möglich. Um die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsplätze zu steigern, ist es jedoch zentral, dass das Nachfragepotenzial nach einer dualen Berufsausbildung nicht weiter zurückgeht, sondern mehr junge Menschen für eine duale Berufsausbildung gewonnen werden können. Hierfür ist es wichtig, alle Potenziale für die duale Berufsausbildung zu erschließen.
Mögliche Ansatzpunkte bestehen z. B. darin, das Interesse von Studienberechtigten an einer dualen Berufsausbildung weiter zu steigern. Aktuell liegt der Anteil der Ausbildungsanfängerinnen und Ausbildungsanfänger mit Studienberechtigung bei 29,2% (vgl. Kapitel A5.5.1).
Gleiches gilt für das Interesse von jungen Frauen. Auch 2018 ist die Zahl der Ausbildungsverträge, die mit jungen Frauen abgeschlossen wurden, weiter gesunken, und zwar um 1.800 (-0,9%) auf 195.900. Die Zahl der Ausbildungsverträge mit jungen Männern stieg um 9.900 (+3,0%) auf 335.500 (vgl. Kapitel A1.2 und Kapitel A1.1). Frauen sind dafür deutlich häufiger in vollzeitschulischen Berufsausbildungen vertreten (vgl. Kapitel A6).
Überdurchschnittlich häufig bleiben Personen mit Migrationshintergrund ohne Berufsabschluss. Nach BIBB-Berechnungen auf Basis des Mikrozensus 2017 betrug die Quote der nicht formal Qualifizierten bei 20- bis 34-jährigen Migrantinnen und Migranten mit eigener Migrationserfahrung 32,0% (zum Vergleich: Deutsche ohne Migrationshintergrund: 8,5%) (vgl. Kapitel A11.3).
- Mehr Transparenz durch aktuelle Befragungsergebnisse
Das BIBB hat 2018 gemeinsam mit der BA die BA/BIBB-Bewerberbefragung und die BA/BIBB-Fluchtmigrationsstudie 2018 durchgeführt. Aufgrund eines veränderten Stichprobenkonzepts kann nicht nur zwischen Bewerberinnen und Bewerbern mit und ohne Migrationshintergrund, sondern auch zwischen Personen ohne Migrationshintergrund, Personen mit Migrationshintergrund, aber ohne Fluchthintergrund und Personen mit Migrationshintergrund und Fluchthintergrund differenziert werden (vgl. Kapitel A8.1).
Im Rahmen der aktuellen BIBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung 2018 hat das BIBB Indikatoren des beruflichen Erfolgs für verschiedene Qualifikationsniveaus untersucht. Während die Ergebnisse zum Einkommen darauf hindeuten, dass mit höheren Qualifikationsniveaus auch höhere Einkommen korrespondieren, zeigen die Befragungsergebnisse für andere Indikatoren ein differenzierteres Bild. So haben Erwerbstätige mit Fortbildungsabschluss beispielsweise häufiger direkte Personalverantwortung als Erwerbstätige mit akademischem Abschluss. Sie üben ebenfalls sehr häufig verantwortungsvolle Positionen aus (vgl. Kapitel A10.3.1). Ein weiteres Kapitel (vgl. Kapitel A10.3.2) nimmt über- und unterwertige Erwerbstätigkeit von Personen mit dualer Berufsausbildung in den Blick.
- Modernisierung der beruflichen Bildung
Ein modernes und leistungsfähiges Berufsausbildungssystem lebt insbesondere von der Qualität seiner Ausbildungsordnungen. Sie bilden die Grundlage für eine zukunftsfeste Berufsausbildung als Voraussetzung für lebenslanges Lernen. Seit 2009 wurden insgesamt 132 Ausbildungsberufe neu geordnet bzw. modernisiert. 2018 wurden 25 neue oder modernisierte Ausbildungsberufe in Kraft gesetzt, die u. a. auch die veränderten Qualifikationsanforderungen durch die zunehmende Digitalisierung der Arbeitswelt berücksichtigen (vgl. Kapitel A3.2).
Überblick über die wichtigsten zugrunde liegenden Statistiken
Die oben genannten Kernaussagen zu den zentralen Entwicklungen basieren auf verschiedenen Statistiken und Erhebungen. Einen Überblick über zentrale zugrunde liegenden Datenquellen mit ihren jeweiligen Verwendungszwecken gibt Tabelle A-1.
(Bettina Milde)