BP:
 

Die Ausbildungsmarktentwicklung 20181 führte zu zahlreichen Spitzenwerten, gemessen am Zeitraum der letzten 10 Jahre. So stieg das betriebliche Ausbildungsplatzangebot auf 574.200, so hoch wie noch nie seit 2009. Auf eine neue Höchstmarke stieg allerdings auch die Zahl der Ausbildungsplätze, die nicht besetzt werden konnten. Sie fiel mit 57.700 bereits dreimal so hoch aus wie 2009. Rechnerisch waren die Chancen der Jugendlichen so gut wie noch nie in den letzten 10 Jahren, einen Ausbildungsplatz zu finden: Auf 100 Personen, die einen Ausbildungsplatz nachfragten, entfielen 96,6 Ausbildungsplatzangebote Tabelle A1.1-1.

Die Bemühungen der Wirtschaft, das Interesse der jungen Menschen nach dualer Berufsausbildung zu steigern, hatten insbesondere bei den jungen Männern Erfolg: 384.900 fragten einen Ausbildungsplatz nach, ebenfalls ein Spitzenwert seit 2009. Konträr dazu verlief die Entwicklung bei den jungen Frauen: Nur noch 225.100 wurden gezählt, die eine duale Berufsausbildung nachfragten – ein historischer Tiefstand Schaubild A1.1-1.

Als eine Folge der stark gesunkenen Zahl der Nachfrage junger Frauen hielt sich 2018 der Zuwachs bei den neuen Ausbildungsverträgen in Grenzen: Mit 531.400 fiel die Zahl der Neuabschlüsse zwar um +8.100 (+1,6%) höher aus als im Vorjahr. Die zahlreichen unbesetzten Ausbildungsplätze deuten aber darauf hin, dass die Wirtschaft gerne deutlich mehr Auszubildende eingestellt hätte. Hätte das betriebliche Ausbildungsplatzangebot im selben Ausmaß wie noch 2009 ausgeschöpft werden können (damals zu 96,7%, zuletzt nur noch zu 90,0%), hätten 2018 38.600 Ausbildungsverträge mehr abgeschlossen werden können.

Die Zahl der Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, die 2018 erfolglos nach einer Ausbildungsstelle suchten, lag bundesweit bei 78.600 (-1.600 gegenüber 2017). Dass sie sich gegenüber dem Vorjahr längst nicht so verringerte, wie anhand der positiven Ausbildungsplatzangebotsentwicklung rechnerisch möglich gewesen ist (+16.800 Angebote gegenüber 2017, darunter +8.700 unbesetzte Plätze), weist auf erneut zunehmende Passungsprobleme hin. Die Vorstellungen der Jugendlichen und der Betriebe, in welchen Berufen und/oder Regionen die Ausbildung stattfinden soll und welche Merkmale der jeweilige Ausbildungsvertragspartner mitbringen soll, weichen verstärkt voneinander ab. Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage finden deshalb nicht mehr im selben Maße wie früher zusammen.

Eine der zentralen Ursachen hierfür ist, dass sich innerhalb der letzten 10 Jahre die Abschlüsse der ausbildungsinteressierten Schulabgänger/-innen stark nach „oben“ verschoben: Während die Zahl der Jugendlichen mit maximal Hauptschulabschluss einbrach, stieg die Zahl der Studienberechtigten mit Ausbildungsinteresse deutlich an (Sponholz/Ulrich 2019; Ulrich 2019). Damit sind Ausbildungsberufe im Schnitt von Besetzungsproblemen umso stärker betroffen, je häufiger in ihnen traditionell Jugendliche mit maximal Hauptschulabschluss ausgebildet werden Schaubild A1.1-2. Typische Beispiele für Berufe mit traditionell hohen Hauptschüleranteilen und inzwischen sehr großen Besetzungsproblemen sind die Berufe „Bäcker/-in“, „Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk“ oder „Restaurantfachmann/-frau“. Umgekehrt finden Jugendliche insbesondere in den Berufen, in denen traditionell Jugendliche mit höheren Abschlüssen ausgebildet werden, wegen der hohen Nachfrage oftmals keinen Ausbildungsplatz mehr. Hierzu zählen zum Beispiel die Berufe „Gestalter/-in für visuelles Marketing“, „Mediengestalter/-in Bild und Ton“ oder „Fotograf/-in“. 

Frühere Beobachtungen, wonach unter den Personen, die ohne Erfolg Ausbildungsplätze nachfragen, vor allem Jugendliche und junge Erwachsene mit maximal Hauptschulabschluss zu finden sind, stimmen somit nicht mehr. 2018 verfügten knapp zwei Drittel der erfolglos suchenden Personen über einen mittleren Schulabschluss oder eine Studienberechtigung.

Die Zahl der institutionell erfassbaren ausbildungsinteressierten Personen Tabelle A1.1-1 umfasst neben der offiziell ausgewiesenen Ausbildungsplatznachfrage auch bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) als Ausbildungsstellenbewerber registrierte Personen, die ihren Vermittlungswunsch bereits vor dem Bilanzierungsstichtag 30. September aufgeben und die somit in der offiziellen Nachfrage nicht berücksichtigt werden (auch nicht in der erweiterten Definition). Diese rechnerische Größe gibt somit Auskunft über den Gesamtumfang des institutionell erfassbaren Personenkreises, der sich im Laufe des Berichtsjahres zumindest zeitweise für eine duale Berufsausbildung interessierte. Im Jahr 2018 blieb die Zahl der ausbildungsinteressierten Personen gegenüber dem Vorjahr nahezu konstant: Bundesweit wurden insgesamt 805.700 erfasst, 100 weniger als 2017. Von ihnen mündeten 66,0% in eine duale Berufsausbildung ein. 9,8% suchten bis zum Ende des Berichtsjahres weiter, und 24,3% gaben ihren Vermittlungswunsch in eine Berufsausbildung vorzeitig wieder auf. 

Begriffe der Ausbildungsmarktbilanzierung

Die Ausbildungsmarktbilanz nimmt die Marktverhältnisse für die Berufsausbildungen in den Fokus, die auf der Grundlage von Berufsbildungsgesetz (BBiG) und Handwerksordnung (HwO) beruhen. 

Zum offiziellen Ausbildungsplatzangebot eines Jahres zählen die neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge, die das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) im Rahmen seiner Erhebung zum 30. September erfasst (erfolgreich besetztes Angebot), und die bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) registrierten betrieblichen Berufsausbildungsstellen, die der Arbeitsverwaltung während des Berichtsjahres zur Vermittlung angeboten wurden und die am 30. September noch nicht besetzt waren (erfolgloses, unbesetztes Angebot). 

Zur Ausbildungsplatznachfrage zählen jene ausbildungsinteressierten Jugendlichen, die entweder einen neuen Ausbildungsvertrag abschlossen und somit über die BIBB-Erhebung zum 30. September erfasst werden (erfolgreiche Nachfrage) oder die zum Kreis der Ausbildungsstellenbewerber/-innen gehören, die am 30. September ihre Ausbildungsplatzsuche fortsetzten (erfolglose Nachfrage). Bewerber/-innen, die sich im Laufe des Berichtsjahres für eine Alternative entschlossen (z. B. erneuter Schulbesuch, Studium, Erwerbstätigkeit, berufsvorbereitende Maßnahme) und am 30. September nicht mehr oder vorerst nicht mehr nach einer Berufsausbildungsstelle suchen, werden grundsätzlich nicht zu den Ausbildungsplatznachfragern gerechnet (d. h. auch dann nicht, wenn sie diese Alternative aufgrund erfolgloser Bewerbungen anstrebten).

Die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation zeigt an, wie viele Berufsausbildungsangebote rechnerisch auf 100 Ausbildungsplatznachfrager/-innen entfallen. „Erweitert“ bedeutet, dass zu den erfolglosen Ausbildungsplatznachfragern/-nachfragerinnen im Gegensatz zu früheren Berechnungen alle von den Beratungs- und Vermittlungsdiensten erfassten und noch suchenden Ausbildungsstellenbewerber/-innen gerechnet werden. In früheren Berechnungen wurden nur diejenigen noch suchenden Bewerber/-innen berücksichtigt, die sich nicht um eine zwischenzeitliche Überbrückung (z. B. Arbeit, teilqualifizierender Schulbesuch) kümmern konnten oder wollten. Mit der neuen Berechnung wird verhindert, dass noch suchende Jugendliche aus der Erfassung der (erfolglosen) Ausbildungsplatznachfrage ausgeschlossen werden, nur, weil sie sich, wie institutionell durchaus erwünscht, gegebenenfalls um eine Überbrückungsalternative kümmern. Die eANR liefert somit auch ein deutlich realistischeres Bild vom Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage als die traditionelle Berechnungsform. Gegenüberstellungen beider Varianten der ANR-Berechnung finden sich in Tabelle A1.1.1-2 mit den nach Deutschland, West, Ost und Ländern differenzierten Eckdaten des Ausbildungsmarktes 2018 sowie in Tabelle A1.1-2 Internet mit Zeitreihendaten von 2009 bis 2018 in den selben regionalen Differenzierungen.

Von den Begriffen des Ausbildungsplatzangebots und der Ausbildungsplatznachfrage sind die Begriffe der gemeldeten Berufsausbildungsstellen und der gemeldeten Bewerber/-innen für Berufsausbildungsstellen zu unterscheiden. Die gemeldeten Berufsausbildungsstellen und gemeldeten Bewerber/-innen für Berufsausbildungsstellen (kurz auch: Ausbildungsstellenbewerber/-innen) bilden die zentralen Größen der Ausbildungsmarktstatistik der BA (vgl. Kapitel A1.3). Diese konzentriert sich auf diejenigen Marktteilnehmer/-innen, welche bei ihrer Suche die Beratungs- und Vermittlungsdienste einschalten, seien es die Agenturen für Arbeit (AA), die Jobcenter in gemeinsamer Einrichtung (JC gE) oder die Jobcenter in alleiniger kommunaler Trägerschaft (JC zkT). Als Ausbildungsstellenbewerber/-in wird man nur registriert, wenn die individuelle Eignung für die angestrebten Ausbildungsberufe geklärt ist bzw. die Voraussetzungen zur Aufnahme einer Berufsausbildung gegeben sind (vgl. Bundesagentur für Arbeit 2017i). 

Als institutionell erfasste ausbildungsinteressierte Personen gelten alle Jugendlichen, die sich im Laufe des Berichtsjahres zumindest zeitweise für die Aufnahme einer dualen Berufsausbildung interessierten und deren Eignung hierfür festgestellt wurde, sei es über die Eintragung ihrer Ausbildungsverhältnisse bei den zuständigen Stellen oder – sofern sie nicht in eine Ausbildung einmündeten – im Rahmen ihrer Registrierung als Ausbildungsstellenbewerber/-innen bei den Beratungs- und Vermittlungsdiensten. Zu den Ausbildungsinteressierten zählen neben den offiziell ausgewiesenen Ausbildungsplatznachfragern somit auch jene Personen, die sich zwar als Ausbildungsstellenbewerber/-innen registrieren ließen, ihren Vermittlungswunsch aber vor dem Bilanzierungsstichtag 30. September aus unterschiedlichen Gründen wieder aufgaben. Die Zahl aller ausbildungsinteressierten Personen wird errechnet, indem zur Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge die Zahl jener registrierten Bewerber/-innen hinzuaddiert wird, die nach der Verbleibstatistik der Arbeitsverwaltung nicht in eine Berufsausbildungsstelle einmündeten. Durch den rechnerischen Bezug der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge auf die Zahl der institutionell erfassten Ausbildungsinteressierten lässt sich die Beteiligungs- bzw. Einmündungsquote ausbildungsinteressierter Personen in duale Berufsausbildung (EQI) ermitteln. Sie informiert darüber, wie hoch der Anteil unter den ausbildungsinteressierten Jugendlichen ausfällt, der letztlich für den Beginn einer dualen Berufsausbildung gewonnen werden konnte (Ulrich 2012a, Ulrich 2012b).

Tabelle A1.1-1: Ausbildungsmarktentwicklung von 2009 bis 2018 in Deutschland (Stichtag 30. September)

Schaubild A1.1-1: Entwicklung der Nachfrage junger Frauen und Männer nach dualer Berufsausbildung von 2009 bis 2018

Schaubild A1.1-2: Rechnerischer Einfluss des „Hauptschüleranteils“ im jeweiligen Ausbildungsberuf auf die Ausbildungsplatznachfrage der Jugendlichen und die Besetzbarkeit von dualen Ausbildungsplatzangeboten im Jahr 20181

  • 1

    Gemeint ist, sofern nicht explizit anders dargestellt, stets das Berichtsjahr der offiziellen Ausbildungsmarktbilanz, das am 1. Oktober des Vorjahres beginnt und am 30. September endet.