Ausbildungsplatzangebot
Im Jahr 2018 wurden bundesweit insgesamt rund 589.100 duale Ausbildungsplatzangebote registriert. Das Angebot stieg damit im Vergleich zum Vorjahr um +16.800 Stellen bzw. +2,9% an, obwohl die Zahl der außerbetrieblichen, d. h. überwiegend öffentlich finanzierten, Ausbildungsplatzangebote erneut zurückging (-1.000 bzw. -6,3% im Vergleich zu 2017) Tabelle A1.1.1-1.
- Das Plus beim betrieblichen Ausbildungsplatzangebot fiel deshalb mit +17.800 bzw. +3,2% noch deutlicher aus und erreichte mit 574.200 den höchsten Stand der letzten 10 Jahre.
- Das außerbetriebliche, d. h. überwiegend öffentlich finanzierte, Ausbildungsplatzangebot wurde in den letzten 10 Jahren mit nunmehr 14.900 Plätzen sukzessive auf nur noch ein knappes Drittel seines ursprünglichen Ausgangswertes im Jahr 2009 (45.800) zurückgefahren.
Zuwächse beim Ausbildungsplatzangebot verzeichneten 2018 bis auf die Landwirtschaft alle größeren Zuständigkeitsbereiche. Dabei war im größten Bereich Industrie und Handel sowohl der stärkste absolute als auch relative Anstieg zu beobachten (betriebliches Angebot: +11.900 bzw. +3,7% auf nunmehr 336.100). 2018 stammten 58,5% aller betrieblichen Ausbildungsplatzangebote aus diesem Zuständigkeitsbereich. Eine relativ kräftige Angebotssteigerung von +3,5% konnten auch die freien Berufe vermelden. Mit 49.200 Plätzen kletterte das betriebliche Angebot bei den freien Berufen auf den höchsten Wert der letzten 10 Jahre. Auch das Handwerk verbuchte 2018 mit nunmehr 157.400 betrieblichen Lehrstellenangeboten den Spitzenwert für die letzten 10 Jahre Tabelle A1.1.1-1.
Tabelle A1.1.1-1: Entwicklung des Ausbildungsplatzangebots in Deutschland 2009 bis 2018 nach Zuständigkeitsbereichen
Ausbildungsplatznachfrage
Die Entwicklung der Ausbildungsplatznachfrage wurde in den letzten Jahren maßgeblich von der (aus demografischen Gründen) sinkenden Zahl der Schulabgänger/-innen bestimmt, darüber hinaus von strukturellen Verschiebungen in den Schulabschlüssen zugunsten des Abiturs (Statistisches Bundesamt 2018) und vom daraus resultierenden schwindenden Ausbildungsinteresse. Zwischen 2004 und 2017 sank die bundesweite Zahl aller Abgänge aus allgemeinbildenden Schulen von 986.300 um 154.500 auf 831.800. Allerdings verringerte sich allein die Zahl der nicht studienberechtigten Schulabgänge, aus denen die Hauptklientel der dualen Berufsausbildung stammt; 748.200 Abgängen im Jahr 2004 standen nur noch 543.900 im Jahr 2017 gegenüber (-204.400). Bei den Studienberechtigten wurde im selben Zeitraum ein Zuwachs von 49.800 verzeichnet (2004: 238.100; 2016: 287.900). Parallel zum Rückgang der Schulabgängerzahlen insgesamt und ihrer strukturellen Veränderung zugunsten einer wesentlich stärkeren Bedeutung des Abiturs nahm in den letzten Jahren der Umfang der Ausbildungsplatznachfrage zunächst deutlich ab. Wurden 2009 noch 652.900 Personen gezählt, die Ausbildungsplätze nachfragten, waren es im Jahr 2016 bundesweit nur noch 600.900.
Seit 2017 steigt die Ausbildungsplatznachfrage wieder an (2018: um +6.500 bzw. +1,1%). Eine der Ursachen hierfür ist die verstärkte Nachfrage von Geflüchteten. 21.500 offiziell registrierte Ausbildungsplatznachfrager/-innen ließen sich 2018 dem Kreis der von der BA registrierten Bewerber/-innen im Kontext von Fluchtmigration zurechnen, darunter 14.000, die in eine Berufsausbildungsstelle einmündeten, und 7.500, die zum Stichtag 30. September noch auf Ausbildungsplatzsuche waren2. Dies waren deutlich mehr als in den beiden Jahren zuvor (2017: 14.700; 2016: 5.700). Es ist nicht bekannt, wie viele Geflüchtete ohne Unterstützung der Beratungs- und Vermittlungsdienste in eine Berufsausbildung einmündeten, doch reichte allein der Zuwachs bei den von der BA registrierten Personen aus, um den Negativtrend bei der Ausbildungsplatznachfrage umzukehren.
In den letzten 10 Jahren veränderten sich nicht nur der absolute Umfang der Ausbildungsplatznachfrage, sondern auch ihre Merkmalsstruktur. Zum einen wurde die Ausbildungsplatznachfrage deutlich „männlicher“. Gründe sind
- die verstärkte Nachfrage von Geflüchteten, da diese Personen weit überwiegend männlichen Geschlechts sind,
- die zunehmende Nachfrage männlicher Abiturienten, wobei eine Rolle spielen mag, dass diese im Schnitt nicht über so gute Abiturnoten verfügen wie junge Frauen und deshalb verstärkt eine Berufsausbildung in Betracht ziehen,
- die inzwischen beträchtliche Nachfrage männlicher Studierender, die im Schnitt häufiger als Frauen ihr Studium abbrechen und anschließend eine duale Berufsausbildung aufnehmen möchten (Dionisius/Kroll/Ulrich 2018).
Zum anderen ist – infolge der oben beschriebenen Veränderungen bei den Abschlüssen der Schulabgänger/-innen – das durchschnittliche Bildungsniveau der Nachfrage heute deutlich höher als noch vor einigen Jahren. Nach vorläufigen Schätzungen – Schätzungen sind erforderlich, weil im Rahmen der BIBB-Erhebung über neu abgeschlossene Ausbildungsverträge keine Schulabschlüsse abgefragt werden – dürfte die Zahl der Personen, die mit Hauptschulabschluss eine duale Berufsausbildung nachfragten, von rund 210.900 im Jahr 2009 um rund 60.300 auf nur noch 150.600 im Jahr 2018 gesunken sein. Dagegen hat die Zahl der studienberechtigten jungen Menschen, die eine duale Berufsausbildung nachfragten, von 127.900 um 47.400 auf nunmehr 175.300 zugenommen Schaubild A1.1.1-1.
Schaubild A1.1.1-1: Entwicklung der Ausbildungsplatznachfrage nach Schulabschluss1
Angebots-Nachfrage-Relation
Da 2018 das Angebot deutlich stärker zunahm als die Nachfrage, verbesserte sich erneut die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) auf dem Ausbildungsmarkt. Sie stieg auf eANR = 96,6 und damit auf den höchsten Wert der letzten 10 Jahre. Aus der Perspektive der Jugendlichen war die Ausbildungsmarktentwicklung 2018 somit mit einer weiteren Verbesserung ihrer Erfolgschancen verbunden.
Lediglich im Land Berlin verbesserte sich 2018 das rechnerische Verhältnis von Ausbildungsplatzangebot und -nachfrage nicht (eANR 2018: 86,1; 2017: 89,9), obwohl das Ausbildungsplatzangebot auch hier merklich anstieg (+4,3%). Doch nahm in Berlin die offiziell erfasste Ausbildungsplatznachfrage rechnerisch noch stärker zu (+8,9%, Tabelle A1.1-2 Internet).3 Berlin verbuchte damit 2018 den niedrigsten eANR-Wert aller 16 Länder. Nur noch in Hamburg lag die eANR mit 89,7 unter der 90er-Schwelle. Der höchste eANR-Wert wurde mit eANR = 109,5 in Bayern gemessen. Darüber hinaus übertraf die eANR auch in den Ländern Thüringen (105,1), Mecklenburg-Vorpommern (102,8) und im Saarland (101,9) die 100er-Schwelle Tabelle A1.1.1-2, Spalte 22.
Tabelle A1.1.1-2: Eckwerte zum Ausbildungsmarkt 2018 nach Ländern
Die regionalen Unterschiede in den Ausbildungsmarktlagen waren auf der Ebene der Arbeitsagenturbezirke noch deutlich ausgeprägter als auf der Ebene der Länder. Spitzenwerte erreichte die erweiterte Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) in den bayerischen Arbeitsagenturbezirken Passau (129,3), Schwandorf (127,3) und Regensburg (120,2). Neben diesen 3 Regionen entfielen noch in 11 weiteren Arbeitsagenturbezirken (Deggendorf, Bamberg-Coburg, Schweinfurt, Weiden, Landshut-Pfarrkirchen, Fürth, Altenburg-Gera, Stralsund, Freising, Jena und Traunstein) rechnerisch mehr als 110 Angebote auf 100 Nachfrager. Damit war die Marktlage für die Jugendlichen in diesen Regionen ausgesprochen günstig. Dagegen gab es u. a. im Ruhrgebiet im Vergleich zur Nachfrage der Jugendlichen nur relativ wenige Ausbildungsplatzangebote. Die niedrigste eANR wurde 2018 im nordrhein-westfälischen Hagen registriert. Hier standen rechnerisch nur 79,9 Angebote pro 100 nachfragende Personen zur Verfügung Schaubild A1.1.1-2.
Nochmals kräftiger als auf der regionalen Ebene der Arbeitsagenturbezirke schwankten die Marktlagen zwischen den einzelnen Berufen. Während z. B. im Beruf „Fachverkäufer/-in im Lebensmittelhandwerk“ bundesweit 159,2 Ausbildungsplatzangebote auf 100 Ausbildungsplätze nachfragende Jugendliche entfielen, waren es im Beruf „Gestalter/-in für visuelles Marketing“ nur 56,8 Tabelle A1.1.1-3.
In Kapitel A1.1 wurde bereits darauf verwiesen, dass das Verhältnis von Angebot und Nachfrage in den Ausbildungsberufen damit korreliert, ob es sich um „Hauptschülerberufe“ handelt (also Berufe, in denen bislang eher viele junge Menschen mit Hauptschulabschluss ausgebildet wurden). Ist dies der Fall, fällt die Nachfrage im Schnitt niedriger aus. Zudem sind von Nachfragemangel verstärkt Berufe betroffen, in denen überdurchschnittlich hohe Vertragslösungsquoten beobachtet werden, und zumindest tendenziell auch eher Berufe, in denen die Ausbildungsvergütungen niedriger ausfallen. Dabei korrelieren die Berufsmerkmale „Hauptschüleranteil“, Vertragslösungsquote und Ausbildungsvergütung auch untereinander; so fallen z. B. in den „Hauptschülerberufen“ die Vergütungen tendenziell niedriger und die Vertragslösungsquoten höher aus. Zu betonen ist allerdings, dass sich aus den hier berichteten tendenziellen Zusammenhängen keine Kausalerklärungen ableiten lassen, warum die Nachfrage in den verschiedenen Berufen unterschiedlich hoch ist.
Schaubild A1.1.1-2: Verhältnisse von Angebot und Nachfrage (eANR) 2018 in den Arbeitsagenturbezirken
Tabelle A1.1.1-3: Berufe mit überdurchschnittlich hoher und niedriger Angebots-Nachfrage-Relation (eANR) im A1 Jahr 2018
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Weitere 16.800 Personen im Kontext von Fluchtmigration wurden 2018 ebenfalls als Ausbildungsstellenbewerber/-innen registriert. Da sie aber ihren Vermittlungswunsch im Laufe des Jahres wieder aufgaben, werden diese 16.800 „anderen ehemaligen Bewerber/-innen“ im Kontext von Fluchtmigration nicht zur offiziellen Ausbildungsplatznachfrage des Jahres 2018 gerechnet. Einschließlich der oben genannten 21.500 offiziell registrierten Ausbildungsplatznachfrager/-innen wurden im Jahr 2018 38.300 Geflüchtete als Ausbildungsstellenbewerber/-innen gezählt, die sich zumindest zeitweise für eine Berufsausbildung interessierten (Bundesagentur für Arbeit 2018b).
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Der starke Nachfragezuwachs resultiert vor allem auch daraus, dass es in Berlin besser als zuvor gelang, die Zahl von unbekannt verbliebenen Ausbildungsstellenbewerbern und -bewerberinnen zu senken. Dies trug zu einer Steigerung der Zahl der jungen Menschen bei, von denen die Beratungs- und Vermittlungsdienste wussten, dass sie noch auf der Ausbildungsplatzsuche waren (ihre Zahl stieg um 47,0% an). Latente, zuvor nicht erfasste erfolglose Nachfrage wurde somit zu sichtbarer erfolgloser Nachfrage. Faktisch hat sich die Ausbildungsmarktlage in Berlin 2018 nicht so stark verschlechtert, wie die errechneten ANR-Werte signalisieren.