Tabelle A9.3-1 dokumentiert die Ausgaben der öffentlichen Haushalte für die berufliche Ausbildung von 2001 bis 2018. Es finden alle Aufwendungen Berücksichtigung, welche verursachungsgerecht in Zusammenhang mit der Entwicklung, Verbesserung, Durchführung und Förderung von Ausbildungsgängen nach § 1 Abs. 1 und 2 Berufsbildungsgesetz (BBiG) stehen. Ausgaben, die zwar einen Bezug zur beruflichen Bildung aufweisen, aber nach dem Verursacherprinzip nicht eindeutig dem Berufsbildungssystem zugerechnet werden können, sind nicht enthalten. Dies betrifft z. B. die Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), die teilweise zwar den Übergang in den Arbeitsmarkt erleichtern sollen, aber mit hoher Wahrscheinlichkeit so oder ähnlich auch durchgeführt würden, wenn ein Berufsbildungssystem nicht existierte.
Durch Kreuze wird in Tabelle A9.3-1 angedeutet, ob eine Ausgabenposition eher durch die anerkannten Berufsausbildungen des dualen Systems (DS), durch die Maßnahmen des Übergangssystems (ÜS) und/oder durch das Schulberufssystem (SBS) verursacht wird. Die Einteilung ist allerdings nicht exakt; eine Position kann Ausgaben für einen oder mehrere Bereiche enthalten. Zudem existiert keine eindeutige definitorische Abgrenzung des ÜS.197 Weiterhin schließen einige Einzelpositionen Aufwendungen für Weiterbildung in teilweise beträchtlichem Umfang ein (vgl. Kapitel B3.5). Durch Summierung der entsprechend markierten Zeilen der Tabelle erhält man infolge dieser Abgrenzungsschwierigkeiten jeweils lediglich eine Obergrenze der öffentlichen Gesamtausgaben für die berufliche Ausbildung in DS, ÜS und SBS. Die tatsächlich den jeweiligen Sektoren zurechenbaren Ausgabenvolumina liegen vermutlich niedriger.
Folgende weitere Hinweise sind bei der Interpretation der Tabelle sowie bei Vergleichen mit Vorjahren zu berücksichtigen:
Für die Bundesministerien sind alle Aufwendungen erfasst, die nach sachlichen Erwägungen der beruflichen Bildung zuzuordnen sind. Aufgrund des Funktionenplans werden sie in der Jahresrechnungsstatistik und im Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes zwar meist den Bereichen Weiterbildung und Arbeitsmarktpolitik zugerechnet. Faktisch dienen die in Tabelle A9.3-1 ausgewiesenen Positionen aber auch in signifikantem Umfang der Ausbildungsförderung. Sie sind an den Haushaltstiteln der Ministerien orientiert und fassen teilweise mehrere Förderprogramme und Maßnahmen zusammen.198 Da es regelmäßig zu Abgrenzungsänderungen kommt, kann die Entwicklung einzelner Haushaltstitel nur schwer im Zeitablauf interpretiert werden. Insgesamt waren die Bundesausgaben aber zuletzt etwas gestiegen (insbesondere die des Bundesministeriums für Bildung und Forschung), was größtenteils auf Maßnahmen zur Integration von geflüchteten Menschen in die berufliche Ausbildung zurückzuführen ist. Die mit Abstand größte Ausgabenposition auf Bundesebene bilden die Unterhaltsleistungen an berufliche Vollzeitschüler/-innen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG). Letztere werden zu 100% als Zuschuss gewährt. Bis Ende 2014 wurden sie zu 65% vom Bund bzw. zu 35% von den Ländern getragen. Seit 2015 übernimmt der Bund die vollständige Finanzierung.
Tabelle A9.3-1: Öffentliche Aufwendungen für die berufliche Ausbildung (Teil 1)
Tabelle A9.3-1: Öffentliche Aufwendungen für die berufliche Ausbildung (Teil 2)
Die Ausgaben der Länder und Kommunen für berufliche Schulen (Teilzeit- und Vollzeitberufsschulen, Berufsaufbauschulen, Berufsfachschulen, Fachoberschulen, Berufsoberschulen, berufliche Gymnasien) sind der Jahresrechnungsstatistik des Statistischen Bundesamtes entnommen. Da die Belastung der öffentlichen Haushalte dargestellt werden soll, ist das Konzept der Grundmittel anzuwenden. Hier werden die Nettoausgaben mit den unmittelbaren Einnahmen der öffentlichen Hand verrechnet. Die vorläufigen Ist-Ausgaben im Jahr 2017 betrugen gut 8,3 Mrd. €.199 Seit dem Jahr 2015 sind die Ausgaben damit deutlich gestiegen. Auch die Ausgaben je Schüler/-in an beruflichen Schulen (inkl. Fachschulen) sind im gleichen Zeitraum um 6,5% auf 5.303 € angewachsen.200 In der realen Betrachtung beträgt der Anstieg der Pro-Kopf-Ausgaben 4,2 % seit 2015, bezogen auf den vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex für Deutschland. Für das Jahr 2018 wurden in den öffentlichen Haushalten knapp 8,5 Mrd. € veranschlagt. Zieht man die Zahl der unterrichteten Stunden je Schulart im Ausbildungsjahr 2017/2018 als Verteilungsschlüssel heran, so entfallen geschätzte 3,1 Mrd. € von den für das Jahr 2018 eingestellten Haushaltsmitteln auf die Teilzeitberufsschulen. Mit den verbleibenden 5,4 Mrd. € werden weitere Schularten im beruflichen Bildungswesen finanziert, wie z. B. Berufsfachschulen, Fachgymnasien, Fachoberschulen, das Berufsvorbereitungsjahr, das Berufsgrundbildungsjahr und die Fachschulen.
Die landeseigenen Ausbildungsförderungsprogramme können nicht genau quantifiziert werden. Wie die Bundesprogramme werden sie in der Jahresrechnungsstatistik möglicherweise größtenteils zum Bereich der Weiterbildung, der Arbeitsmarktpolitik oder der Wirtschaftspolitik gezählt. Einen Überblick über die Förderprogramme zur Berufsausbildung sowie Informationen zu Fördergegenstand, -berechtigten und -bedingungen geben die Kapitel A9.4.2 und A9.4.3 sowie die Programmdatenbank der Fachstelle überaus:201 Die Fördermittel in den einzelnen Programmen wurden bis zum Jahr 2015 durch eine vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) beauftragte Erhebung bei den zuständigen Ministerien ermittelt. Das gesamte Volumen konnte dabei allerdings nur sehr grob abgeschätzt werden. Einerseits lagen nicht für alle Programme Informationen vor. Andererseits waren auch Programme erfasst, die zwar einen Bezug zur Berufsbildung aufweisen, aber nicht ursächlich durch das Berufsausbildungssystem bedingt sein müssen. Größenordnungsmäßig lag das Fördervolumen der Länder bis zum Jahr 2015 bei ungefähr 0,5 Mrd. €. Hierin dürften auch Mittel des Europäischen Sozialfonds enthalten sein.202
Die berufsbildungsbezogenen Ausgaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) betreffen neben der Berufsausbildung auch Berufsorientierung und -vorbereitung (vgl. Kapitel A9.4.1). Nicht berücksichtigt ist in Tabelle A9.3-1 die Förderung der Integration an der zweiten Schwelle, welche eine beschäftigungspolitische Maßnahme darstellt. Ein Großteil der BA-Mittel fließt der Unterstützung besonders benachteiligter Auszubildender (und hier wiederum der außerbetrieblichen Ausbildung) zu. Neu im Instrumentarium der BA ist seit 2015 die assistierte Ausbildung (AsA), eine Unterstützungsmaßnahme für Unternehmen bei der Ausbildung von jungen Menschen, die sonst schwer einen Ausbildungsplatz finden würden.
Die Leistungen der BA für Menschen mit Behinderung (vgl. Kapitel A9.4.1) sind nicht in Tabelle A9.3-1 berücksichtigt. Sie stehen zwar teilweise im Zusammenhang mit Ausbildungsaktivitäten, dürften aber zum größten Teil nicht ursächlich dem Berufsausbildungssystem zuzurechnen sein. Gleiches gilt für die Leistungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) für Menschen mit Behinderung im Rechtskreis des zweiten Sozialgesetzbuches (SGB II) sowie für das ab 2014 geltende BMAS-Programm zur intensivierten Eingliederung und Beratung von schwerbehinderten Menschen.
Der Finanzierungsbeitrag der öffentlichen Hand wird durch den Beitrag der ausbildenden Betriebe in Privatwirtschaft und öffentlichem Dienst ergänzt. Deren Aufwendungen werden traditionell durch das BIBB geschätzt. Nach Berechnungen, welche auf einer repräsentativen Erhebung für das Ausbildungsjahr 2012/2013 basieren, betrugen die Bruttokosten, d. h. die Ausbildungskosten ohne Berücksichtigung der Ausbildungserträge, rund 25,6 Mrd. €. Die Nettokosten der Betriebe für die Ausbildung im dualen System lagen bei rund 7,7 Mrd. €. Dabei ist zu bedenken, dass die Betriebe neben den gemessenen Ausbildungserträgen noch weiteren Nutzen generieren können, der allerdings schwer zu quantifizieren ist, z. B. durch die Einsparung von Personalgewinnungskosten oder durch einen mit dem Ausbildungsengagement einhergehenden Imagegewinn. Im Vergleich zur letzten Erhebung für das Jahr 2007 sind die Brutto- und Nettokosten um jeweils etwa 2 Mrd. € gestiegen (vgl. Schönfeld u. a. 2010). Teilweise kann dies durch methodische Änderungen und die allgemeine Preisentwicklung erklärt werden.
(Normann Müller)
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Die Elemente des Übergangsbereichs bilden nach Meinung vieler Experten/Expertinnen keine abgestimmte, zweckgebundene Einheit, sodass auch der Begriff „Übergangssystem“ umstritten ist. Die Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2014, S. 100) versteht unter dem Übergangssektor alle Maßnahmen, die keinen vollqualifizierenden beruflichen Abschluss vermitteln, sondern auf die Aufnahme einer Ausbildung vorbereiten. Die Förderung der außerbetrieblichen Ausbildung wird in diesem Beitrag zu den durch das duale System verursachten Ausgaben gerechnet, da sie ein Substitut für die betriebliche Ausbildung darstellt und das duale System ergänzt.
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Detailliertere Informationen zu einzelnen Programmen oder Fördermaßnahmen, die einen Bezug zur beruflichen Ausbildung aufweisen, finden sich in Kapitel A9.4. Siehe auch Programmdatenbank der Fachstelle überaus: https://www.ueberaus.de/wws/programme.php.
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Dieser Wert beinhaltet auch die Fachschulen, die eher der Weiterbildung als der Ausbildung zuzurechnen sind (vgl. Kapitel B3.5). Zum Vergleich: Die in der Finanzstatistik für das Jahr 2017 ausgewiesenen Grundmittel für das gesamte Bildungswesen lagen bei ca. 133,4 Mrd. €, wobei es sich hierbei aber noch um vorläufige Ist-Angaben handelt (siehe Statistisches Bundesamt 2018p, S. 30).
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Diese Rechnung basiert jeweils auf den gewichteten Schülerzahlen aus beiden für das jeweilige Kalenderjahr relevanten Ausbildungsjahren (vgl. auch die entsprechende Fußnote in Tabelle A9.3-1). Zudem wurden die Teilzeitschülerzahlen in Vollzeitäquivalente umgerechnet.
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Vgl. auch die in Kapitel B3.5 beschriebene Problematik bei der Berücksichtigung von ESF-Mitteln.