Als Partner der dualen Berufsausbildung, aber auch der beruflichen Fort- und Weiterbildung, übernehmen überbetriebliche Berufsbildungsstätten (ÜBS) eine wichtige Rolle. Sie ergänzen die betriebliche Ausbildung durch die Vertiefung vor allem fachpraktischer Ausbildungsinhalte. Für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) kann so ein unterstützendes Angebot zur Gewährleistung der Ausbildung unterbreitet werden. Immer wieder ergeben sich neue Anforderungen für die berufliche Aus- und Weiterbildung infolge technologischer Innovationen. ÜBS leisten hier in besonderer Weise ihren Beitrag zur Sicherung der Ausbildungsfähigkeit von KMU, da diese aufgrund zunehmender Spezialisierung oft nur schwer alle berufsbildrelevanten Kompetenzen vermitteln können (vgl. Pfeifer/Köhlmann-Eckel 2018).
Zur Sicherung insbesondere der Ausbildungsfähigkeit von KMU unterstützt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) die ÜBS seit den 1970er-Jahren mit entsprechender Förderung. Ziel ist es, die berufliche Bildung in ganz Deutschland auf gleich hohem Niveau und dem jeweilig neuesten Stand der Technik zu halten. Das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) fördert im Auftrag des BMBF investive Vorhaben, die im Bereich der beruflichen Erstausbildung angesiedelt sind Tabelle A9.5-1. Auf Basis gemeinsamer Richtlinien werden vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie darüber hinaus auch investive Vorhaben im Zusammenhang mit Maßnahmen der Fort- und Weiterbildung gefördert Tabelle A9.5-2.
Durch die Gestaltung der Bildungsangebote in den ÜBS wird sichergestellt, dass die ÜBS neben der Qualitätssicherung auch die Funktion als Wegbereiter und Vorreiter bei der Einführung neuer Lehr-/Lernkonzepte wahrnehmen können.
Einen wichtigen Beitrag für die Etablierung innovativer Qualifizierungsangebote in der Aus- und Weiterbildung leisten insbesondere die ÜBS, die sich zu Kompetenzzentren weiterentwickeln. Seit Anfang der 2000er-Jahre fördert der Bund diese qualitative Weiterentwicklung ausgewählter ÜBS. Kompetenzzentren erarbeiten und erproben in einem durch sie gewählten fachlichen Schwerpunkt innovative berufspädagogische Konzepte. Diese resultieren vor allem aus den Erkenntnissen von Forschung und Entwicklung und werden im Hinblick auf ihre Verwertung für KMU überprüft.
Tabelle A9.5-1: Verteilung der verausgabten Mittel im Rahmen der regulären ÜBS-Förderung – Bundesinstitut für Berufsbildung
Tabelle A9.5-2: Verteilung der verausgabten Mittel im Rahmen der ÜBS-Förderung – Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA)
Auch im Rahmen der fortschreitenden Digitalisierung der Arbeits- und Lernwelt übernehmen ÜBS eine wichtige Rolle. Hier können sie in besonderer Weise ihre Aufgabe als Lernort zur Vermittlung von Fähigkeiten, Fertigkeiten und Kenntnissen, die im Zusammenhang mit technologischen Weiterentwicklungen erforderlich werden, wahrnehmen. Die zunehmende Digitalisierung verändert die künftige Arbeits- und Lernwelt sowie die Qualifikationsanforderungen an die Beschäftigten nachhaltig. Ihre Relevanz in Betrieben und in der Ausbildung nimmt immer weiter zu. Dies betrifft fast alle Erwerbsberufe.
Das BMBF hat daher das BIBB, zusätzlich zur laufenden regulären Förderung der ÜBS, 2016 mit der Umsetzung und wissenschaftlichen Begleitung eines „Sonderprogrammes ÜBS-Digitalisierung“ beauftragt. Hierfür wurden für den Zeitraum 2016 bis 2019 insgesamt 104 Mio. € Fördermittel bereitgestellt. Das Sonderprogramm ÜBS-Digitalisierung ist in 2 Förderlinien unterteilt. Durch die Förderung von ausgewählter Ausstattung der ÜBS im Bereich der Digitalisierung soll mit der Förderlinie 1 zur Modernisierung der Ausbildung von Fachkräften – insbesondere für KMU – beigetragen werden. Anträge können hier fortwährend beim BIBB bis September 2019 gestellt werden. Insgesamt konnten seit Beginn der Förderung bis Ende 2018 insgesamt 222 Projekte mit einem Volumen von rund 80 Mio. € gefördert werden. Innerhalb der Förderlinie 1 wurden hierdurch mehr als 25.900 digitale Ausstattungsgegenstände in den ÜBS beschafft. Innerhalb der Förderlinie 2 befassen sich darüber hinaus 8 ausgewählte Pilotprojekte seit dem 01.10.2016 mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die überbetriebliche Berufsausbildung (ÜBA) (vgl. Kapitel C6). Zur Durchführung dieser Projekte wurden insgesamt rund 5,5 Mio. € zur Verfügung gestellt.
Die Pilotprojekte nehmen folgende Berufsfelder und Berufe in den Blick:
- Metalltechnik; Elektrotechnik; Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik
- Maler/-in und Lackierer/-in, Tischler/-in
- Zimmerer/Zimmerin
- Tiefbaufacharbeiter/-in; Hochbaufacharbeiter/-in; Ausbaufacharbeiter/-in
- Elektroniker/-in – Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik
- Elektroniker/-in für Automatisierungstechnik; Elektroniker/-in für Maschinen und Antriebstechnik
- Zahntechniker/-in
In den von Kompetenzzentren durchgeführten Pilotprojekten werden über einen Zeitraum von 3 Jahren die Auswirkungen der Digitalisierung auf berufliche Tätigkeitsprofile untersucht. Es werden Anforderungen und Konsequenzen ermittelt, die sich daraus für die Qualifizierung der Fachkräfte und des Ausbildungspersonals ergeben. Dabei erfolgt zunächst eine Analyse von Arbeitsprozessen und -aufgaben in den Berufen sowie eine Analyse und ein Abgleich mit den aktuellen Curricula. Im Anschluss stehen eine Überarbeitung der Curricula für die ÜBA und deren pilothafte Erprobung an. Sofern erforderlich wird eine Weiterentwicklung des Berufsbildes empfohlen. Darüber hinaus sollen neue Möglichkeiten der Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen unter Berücksichtigung der Förderung von Medienkompetenz der Lernenden und Ausbildenden entwickelt werden. Begleitend zielen die Projekte auf eine Verknüpfung aller 3 Lernorte ab – das heißt, dass auch ausbildende Betriebe und Berufsschulen in die Pilotprojekte eingebunden werden.
Um Synergieeffekte zu nutzen und die eigene Arbeit durch den Austausch zu befördern, arbeiten die 8 Pilotprojekte von Beginn an in einem Netzwerk eng zusammen. Das Netzwerk hat sich mittlerweile achtmal getroffen. Dabei wurde deutlich, dass trotz der sehr unterschiedlichen Berufsfelder, die in den Fokus genommen werden, auch übergreifende Fragestellungen zum Thema Digitalisierung auftreten, die nun im Austausch der Projekte bearbeitet werden können. Die Projekte haben entschieden, ihre Ergebnisse und Projektbeschreibungen auf dem BIBB-Portal www.foraus.de zu veröffentlichen, wo die entsprechenden Informationen nunmehr zur Verfügung stehen.
Für die Modernisierung der Ausstattung u. a. im Bereich der Digitalisierung, für bauliche Maßnahmen und für die Weiterentwicklung zum Kompetenzzentrum wurden 2018 im Rahmen der regulären Förderung und des Sonderprogrammes insgesamt 72 Mio. € an die Träger der ÜBS ausgezahlt Tabelle A9.5-3.
(Alexandra Kurz, Christiane Köhlmann-Eckel)