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Am Beispiel von 14 anerkannten Ausbildungsberufen verschiedener Branchen und Wirtschaftszweige wurden im Rahmen eines Berufescreenings die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Tätigkeitsstrukturen am Arbeitsplatz, auf die Qualifikationsanforderungen von Fachkräften, auf den Fachkräftebedarf und auf die berufliche Bildung untersucht. Wichtigstes Ziel war es, auf Grundlage der Befunde Handlungsempfehlungen sowohl für die Gestaltung von Aus- und Weiterbildung in den untersuchten Berufen als auch für die Weiterentwicklung des Berufsbildungssystems als Ganzes vorzulegen und in den bildungspolitischen Diskurs einzubringen. In Kapitel C4.1 werden erste Ergebnisse zu den untersuchten Berufen und aus deren Vergleich vorgestellt. In den Kapiteln C4.2 bis C4.7 werden diese an Beispielberufen vertieft.

Die Auswahl der Berufe für das Berufescreening erfolgte kriteriengeleitet und in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Ausgewählt wurden Berufe, von denen erwartet wurde, dass sie in besonderer Weise von der Digitalisierung betroffen sind und zugleich exemplarischen Charakter haben, das heißt:

  • aus möglichst verschiedenen Wirtschaftsbereichen und Branchen stammen,
  • gemessen an den Ausbildungszahlen „große“ und „eher kleine“ Berufe und
  • Berufe mit unterschiedlicher Ausbildungsdauer (2-jährige, 3-jährige und dreieinhalbjährige Berufe) betreffen
  • sowie der Zeitpunkt ihrer letzten Neuordnung in der Regel mindestens 5 Jahre zurückliegt.

Der gemeinsame Untersuchungsansatz basierte in seinem empirischen Teil für jeden untersuchten Beruf auf einer Sektoranalyse (Auswertungen von vorliegenden Studien, Literatur und Strukturdaten) und auf exemplarischen, betrieblichen Fallstudien. Die hier identifizierten Veränderungen im Hinblick auf Arbeitsaufgaben und Qualifikationsbedarfe wurden anschließend durch eine Onlinebefragung auf ihre breitere Gültigkeit hin überprüft und mit Fragen zur momentanen Aus- und Weiterbildung ergänzt. Abschließend erfolgte ein Abgleich mit den geltenden Ausbildungsordnungen, um festzustellen, inwieweit die identifizierten Veränderungen, ausgelöst von der Digitalisierung, bereits durch die entsprechenden Ausbildungsordnungen abgedeckt sind. Die Ergebnisse werden in berufsbezogenen Teilstudien zusammengefasst und anschließend für einen Gesamtbericht nochmals vergleichend ausgewertet.

Für das Berufescreening

Für das Berufescreening

BIBB/BMBF-Onlinebefragung 2018 „Fachkräftequalifikationen und Kompetenzen für die digitalisierte Arbeit von morgen“

Die Onlinebefragung fand im Rahmen der BMBF-BIBB-Initiative „Berufsbildung 4.0 – Fachkräftequalifikationen und Kompetenzen für die digitalisierte Arbeit von morgen“ statt.315 Befragte Personengruppen waren (direkte) Vorgesetzte von Fachkräften im jeweiligen Ausbildungsberuf, Fachkräfte im jeweiligen Beruf und Ausbilderinnen und Ausbilder des jeweiligen Berufs.

Die Befragung umfasste ca. 40 Fragen zu folgenden Themen: eingesetzte Technologien (und deren Vernetzung), Stellenwert bestimmter Aufgaben und Tätigkeiten, Stellenwert bestimmter Fähigkeiten und Fertigkeiten, Ausrichtung der aktuellen Ausbildung auf die Anforderungen der Digitalisierung, Verschiebungen und Bedarf an Fachkräften, Digitalisierungsgrad, Inklusion, Angaben zu Befragten und Unternehmen.

Die Befragung erfolgte im März/April 2017. 2.087 verwertbare Rückläufe wurden einbezogen; insgesamt wurden 4.217 Personen kontaktiert. Die durchschnittliche Bearbeitungsdauer betrug 16 Minuten. Die technische Umsetzung, Beratung und Auswertung übernahm das Umfragezentrum Bonn (https://www.uzbonn.de).

Schaubild C4.1-1 und Schaubild C4.1-2 geben einen ersten Eindruck über die Entwicklung der Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in den untersuchten Berufen von 2006 bis 2017.

Die Entwicklung der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse (vgl. Kapitel A1) unterliegt einer Reihe von Faktoren, z. B. konjunkturellen Einflüssen (siehe Zeitraum 2009 bis 2011), demografischen Einflüssen (die einerseits die Zahl der nachfragenden Jugendlichen auf dem Ausbildungsmarkt reduzieren, andererseits die Nachfrage aufgrund verstärkten Ausscheidens älterer Arbeitnehmer/-innen erhöhen, sodass möglicherweise nicht alle angebotenen Ausbildungsplätze besetzt werden können) und Einflüssen der Akademisierung (die eine rückläufige Nachfrage seitens Jugendlicher zur Folge hat und Betriebe veranlasst, ihr Rekrutierungs- und Personalentwicklungsverhalten zu ändern).

Die genannten Faktoren wirken zeitgleich, die Digitalisierung ist dabei eher ein Sonderfaktor, der den technologischen Wandel betrifft, daraus schlussfolgernd zu veränderten Angebots- und Nachfragesituationen in den einzelnen Berufen führt und sich zunächst nicht weiter isolieren lässt. Mit Blick auf diese Daten kann allerdings angenommen werden, dass die Wirkung der Digitalisierung auf die Berufe unterschiedlich schwerwiegend wirkt.

Schaubild C4.1-1: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in ausgewählten Ausbildungsberufen 2006 bis 2017

Schaubild C4.1-2: Neu abgeschlossene Ausbildungsverträge in ausgewählten Ausbildungsberufen mit geringen Besetzungszahlen 2006 bis 2017

Die Ergebnisse machen deutlich, dass alle untersuchten Berufe von der Digitalisierung betroffen sind. Jedoch weist in den Einzelberufen die digitale Durchdringung Unterschiede auf. Dies zeigt auch die Einschätzung der Befragten hinsichtlich des Digitalisierungsgrades Schaubild C4.1-3.

Das heißt, die Digitalisierung wirkt in der Breite und in den einzelnen Betrieben nicht zeitgleich. Bezogen auf die meisten Berufe gibt es weiterhin ein Nebeneinander von eher konventionellen Betrieben und innovativen, digitalisierten Betrieben mit jeweils sich daraus ergebenden, unterschiedlichen Anforderungsprofilen. Auch in Bezug auf die Arbeitsaufgaben und Anforderungsprofile in hoch digitalisierten Betrieben bleiben neben digitalisierten Teilaufgaben in vielen Fällen konventionelle Aufgaben weiter zu verrichten. In den nachfolgenden Kapiteln zu den untersuchten Ausbildungsberufen wird hierauf näher eingegangen.

Generell zeigt sich, wie zu erwarten, ein Bedeutungszuwachs von Tätigkeiten, die mit dem Umgang mit Informationstechnik zu tun haben. Durchgängig wird das von den Befragten im Hinblick auf Tätigkeiten zur IT-Sicherheit gesehen, darüber hinaus für jeweils berufstypische IT-gestützte Tätigkeiten.

In Bezug auf das künftig notwendige Können und Wissen erwarten die Befragten über alle Berufe hinweg besonders großen Bedeutungszuwachs bei den Kategorien:

  • Lernen (können),
  • Berufsspezifisches Können und Wissen,
  • Prozess- und Systemverständnis,
  • Digitale Technologien/IT-Kenntnisse,
  • Flexibilität/Spontaneität,
  • Software-Kenntnisse.

Diese Einschätzung macht offensichtlich auch ein von den Befragten wahrgenommenes Defizit deutlich und sollte Anlass geben zu überprüfen, wie in der jetzigen und künftigen Berufsausbildung diesen Anforderungen entsprochen wird und ob die Ordnungsmittel der einzelnen Ausbildungsberufe genügend darauf ausgerichtet sind.

Schaubild C4.1-3: Einschätzung des Digitalsierungsgrades des Betriebes nach Ausbildungsberufen (in %)

Ein weiterer Fragenkomplex betraf die Umgestaltung der betrieblichen Ausbildung im Zuge der Digitalisierung. Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass in ihren Betrieben Maßnahmen zur Umgestaltung erfolgten, 30% verneinten diese Frage Schaubild C4.1-4

Wie umfangreich die Veränderungen sind, wurde nicht gefragt. Dort, wo Änderungen in Richtung einer der Kategorien stattfanden, wurden häufig parallel in den anderen Kategorien Anpassungen vorgenommen. 

Gegenstand der Onlinebefragung war auch, inwieweit es im Zuge der Digitalisierung zu Verschiebungen im Fachkräftebedarf bzw. beim Einsatz von Fachkräften kommt und ob möglicherweise dual ausgebildete Fachkräfte entweder durch An- und Ungelernte oder durch akademisch qualifizierte Fachkräfte ersetzt werden. Über alle Berufe hinweg betrachtet, wird deutlich, dass dies eher nicht die häufigste Verschiebung ist Schaubild C4.1-5.

Am häufigsten werden viel mehr Fachkräfte mit Abschluss in einem anderen Ausbildungsberuf eingesetzt. Als Begründungen für den Einsatz von Personen mit anderen Qualifikationen geben nahezu zwei Drittel an, dass qualifizierte Fachkräfte (in dem Ausbildungsberuf) nicht verfügbar sind, ein Drittel gibt an, dass die Tätigkeiten auch durch Mitarbeitende mit einem anderen Ausbildungsberuf ausgeführt werden können. Nur etwa jeweils ein Fünftel sagt, dass die Tätigkeiten durch geringer Qualifizierte ausgeführt werden können bzw. dass für die Ausführung der Tätigkeiten Fachkräfte mit höheren Qualifikationen notwendig sind Schaubild C4.1-6.

Schaubild C4.1-4: Wurde die betriebliche Ausbildung in den letzten Jahren als Reaktion auf die Digitalisierung in Ihrem Betrieb umgestaltet? Ja, im Hinblick auf … (Mehrfachnennung in %)

Schaubild C4.1-5: Werden in Ihrem Betrieb anstelle von [Zielberuf] zunehmend Personen mit anderen Qualifikationen eingesetzt? (Mehrfachnennung in %)

Schaubild C4.1-6: Aus welchen Gründen werden zunehmend Personen mit anderen Qualifikationen eingesetzt? (Mehrfachnennung in %)

Angesichts der Tatsache, dass in der Mehrzahl der ausgewählten Berufe die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse über den Betrachtungszeitraum 2006 bis 2017 stagniert oder kleiner wurde Schaubild C4.1-1, Schaubild C4.1-2 , ist es ermutigend und widerspricht anderen Prognosen, dass über alle Berufe hinweg 44% der Befragten für die Zukunft einen wachsenden Bedarf an in dem jeweiligen Beruf ausgebildeten Facharbeitern und Facharbeiterinnen sehen und weitere 41% davon ausgehen, dass der Bedarf gleich bleiben wird.

Von Interesse war auch, wie wichtig einzelne Weiterbildungsformen und -maßnahmen für Fachkräfte im Zuge der Digitalisierung sind. Deutlich wird, dass Fachkräfte in erster Linie durch Unterweisungen am Arbeitsplatz auf veränderte Anforderungen durch die Digitalisierung vorbereitet werden (72%). Jeweils mindestens die Hälfte der Befragten berichtete zudem von Schulungen durch betriebsinternes Personal (59%), externen Weiterbildungen (56%) und Hersteller-Schulungen (50%). Etwas seltener kommen Aufstiegsfortbildungen (45%) oder selbstorganisiertes Lernen (38%) zum Einsatz Schaubild C4.1-7. Dass sich die Arbeitsaufgaben und Anforderungen durch die Digitalisierung im Betrieb nicht verändert haben, gaben lediglich 5% der Befragten an.

Die hier vorgestellten Ergebnisse sind nur ein Ausschnitt und beziehen sich auf Gemeinsamkeiten aller befragten Berufe. In den nachfolgenden Kapiteln werden diese exemplarisch und einzelberuflich vertieft. 

(Gert Zinke)

Schaubild C4.1-7: Wie bereiten sich die Fachkräfte auf die veränderten Anforderungen infolge der Digitalisierung vor? (Mehrfachnennung in %)