Die duale Ausbildung mit einem Schwerpunkt auf betriebsintegriertem Lernen ist besonders für den Erwerb einer am Arbeitsmarkt nachgefragten Qualifikation von Bedeutung. Daten zur Messung von Jugendarbeitslosigkeit im internationalen Vergleich zeigen (vgl. Kapitel D1.3), dass gerade Länder mit dualen Systemen geringe Jugendarbeitslosigkeitsquoten aufweisen. Typischerweise wird das System dualer Ausbildung in Deutschland mit dem Ausbildungsystem der Schweiz und Österreichs verglichen, da hier die größten systemischen Ähnlichkeiten bestehen. Die Analyse der Entwicklung betriebsintegrierter Ausbildung wurde in den letzten Jahren um einige Länder erweitert, da der dualen Ausbildung in den vergangenen Jahren eine große Aufmerksamkeit zugekommen ist und betriebsintegrierte Formen von Ausbildung nicht nur in Ländern mit einem dualen System vorkommen. Die Analyse des Angebots betrieblicher Ausbildung in verschiedenen Ländern ist jedoch nicht unproblematisch, da häufig strukturelle Unterschiede zwischen den Berufsbildungssystemen der Länder auftreten, die einen Vergleich erschweren. Eine wesentliche Dimension des Vergleichs von Berufsbildungsystemen ist die Bedeutung, die berufsqualifizierende Angebote im Bereich der oberen Sekundarstufe haben.
Typischerweise findet die Berufsbildung in Australien mit betrieblichen Anteilen im Anschluss an die Sekundarstufe II statt und wird der Weiterbildung zugerechnet (Steedman 2010). Kanada verfügt über eine kaum nennenswert entwickelte Berufsbildung in der Sekundarstufe II (Grollmann/Wilson 2002). Schaubild D1.1-1 stellt den Anteil der Schüler/-innen im Sekundarbereich II in berufsbildenden und allgemeinbildenden Bildungsgängen im europäischen und internationalen Vergleich für das Jahr 2016 dar (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2018, S. 204): Während vor allem in den Ländern mit dualen Berufsbildungssystemen die betriebliche (oder arbeitsbasiert berufliche) Ausbildung auf der oberen Sekundarstufe stattfindet, werden in Australien und Kanada keine Daten zur betrieblichen Ausbildung angegeben, was fälschlicherweise zu der Annahme führen kann, dass in diesen Ländern keine betriebliche Ausbildung existiert. Daher ist es sinnvoll, sich die betriebliche Berufsausbildung auch als Anteil der Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt anzuschauen (Robinson 2001), so wie es auch in Deutschland auf der Basis der Ausbildungsquote geschieht. Damit wird das Verhältnis von Personen mit betrieblichem Ausbildungsvertrag an den Erwerbstätigen betrachtet. Die Datenbasis der dualen Ausbildungsverträge wird auf national erfassten Daten berechnet, während die Erwerbstätigenzahlen auf internationalen Daten der ILO-Statistiken beruhen.
Ausbildungsquote im internationalen Vergleich
In Deutschland wird die Ausbildungsquote als Anteil der Auszubildenden an den sozialversicherungspflichtig Beschäftigten berechnet (vgl. Kapitel A7.1). Da es hinsichtlich der Organisation von Beschäftigungsverhältnissen große nationale Unterschiede gibt, wurden für den internationalen Vergleich die Ausbildungsquoten auf Grundlage der Erwerbstätigen (Nenner) berechnet. Die Angaben zu den Erwerbstätigen stammen von der ILO (International Labour Organization 2018)337; die Angaben zu den betrieblichen Ausbildungsverhältnissen (Zähler) basieren auf den Angaben der nationalen Ausbildungsstatistiken. Hinter den genannten Apprenticeships verbergen sich sehr unterschiedliche konkrete Regelungen und Arrangements der Inhalte und Formen.
Schaubild D1.1-1: Anteil der Schüler/-innen im Sekundarbereich II in berufsbildenden und allgemeinbildenden Bildungsgängen im europäischen und internationalen Vergleich 2016 (in %)
Die Erfassung der Ausbildungsquote als ein relevanter Indikator der dualen Berufsausbildungspraxis ist also durchaus für die Untersuchung verschiedener Berufsbildungssysteme geeignet. Allerdings sind dabei die erheblichen nationalen Unterschiede in der Ausgestaltung betrieblicher Ausbildung zu berücksichtigen. Diese schlägt sich in den o. g. Zahlen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) dadurch nieder, dass die betriebliche Ausbildung in vielen Fällen nicht dem Sekundarschulbereich zugeordnet, sondern mit postsekundären Bildungsangeboten verknüpft wird. Daneben gibt es noch viele andere Unterschiede, die an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt werden können.
Der Ländervergleich der betrieblichen Ausbildungsquoten für das Jahr 2016 verdeutlicht, dass die Schweiz (4,4%), gefolgt von Deutschland (3,2%), weiterhin die höchste Ausbildungsquote aufwies Schaubild D1.1-2. Für Deutschland deutet der Trend in den letzten Jahren allerdings auf eine weitere Verringerung der Ausbildungsquote hin. Auch in der Schweiz zeichnet sich ein absteigender Verlauf der Ausbildungsquote ab. Frankreich wies nach wie vor die geringste Ausbildungsquote auf (1,6%).
Dänemark, Australien, Österreich und Kanada zeigten in den letzen Jahren eine fortwährende konvergent verlaufende Entwicklung der Ausbildungsquoten. Der absteigende Trend setzte sich für Österreich (2,5%) und Australien (2,4%) im Jahr 2016 fort. Auch in Kanada und Dänemark lag die betriebliche Ausbildungsquote im Vergleich zu 2015 auf einem leicht niedrigerem Niveau (2015: 2,5% vs. 2016: 2,3%).
Schaubild D1.1-2: Ausbildungsquote - Anteil der betrieblich Auszubildenden an den Erwerbstätigen 2004 bis 2016 im internationalen Vergleich (in %)
Hinsichtlich der Interpretation der Ausbildungsquote ist zuletzt darauf hinzuweisen, dass der absolute Bestand der Ausbildungsverträge stets vom relativen Niveau zu differenzieren ist. Die Daten zur Erwerbsbevölkerung zeigen, dass die Zahl der Erwerbstätigen in den betrachteten Ländern seit 2004 angestiegen ist. Somit wirkt sich ein Anstieg in der Anzahl der betrieblichen Ausbildungsverträge nicht automatisch auf eine höhere Ausbildungsquote aus.338 Dies ist an der Schweiz erkennbar, die seit 2004 insgesamt eine zunehmende Anzahl der (absoluten) Ausbildungsverträge vorzuweisen hatte, jedoch eine konstante bzw. geringfügig abnehmende Ausbildungsquote aufwies. Ähnliches ist auch für Frankreich zu beobachten.
(Philipp Grollmann, Viktor Ulbrich)
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Dadurch ergeben sich im Vergleich zu den in Kapitel A7.1 ausgewiesenen Ausbildungsquoten Abweichungen aufgrund unterschiedlicher Bezugsgrößen im Nenner. Erwerbstätig ist nach ILO-Definition jede Person im erwerbsfähigen Alter, die in einem einwöchigen Berichtszeitraum mindestens eine Stunde lang gegen Entgelt oder im Rahmen einer selbstständigen oder mithelfenden Tätigkeit gearbeitet hat. Auch wer sich in einem formalen Arbeitsverhältnis befindet, das er im Berichtszeitraum nur vorübergehend nicht ausgeübt hat, gilt als erwerbstätig (Statistisches Bundesamt (Destatis) 2018i).
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Die Ausbildungsquote kann sogar sinken, wenn die Zahl der Erwerbstätigen stärker zunimmt als die Zahl der betrieblichen Ausbildungsverträge, da die Anzahl der Auszubildenden somit anteilsmäßig abnimmt.